Zählen und Rechnen, ist da ein Unterschied? Copyright Dr.Sigrid

Zählen und Rechnen, ist da ein Unterschied?
Copyright Dr.Sigrid Graumann-Brunt
Zählen, was ist das? Gezählt haben alle Menschen zu aller Zeit, deshalb rechnet Zählen
nicht zu den Kulturtechniken, sondern wird als eine Art „Instinkt“ (siehe Pinker)
angesehen. Beim Zählen wird die Zahl jedes Mal in Form einer rhythmischen
„Vorwärtsbewegung“ der Finger neu „aufgebaut“ (Zuordnung der Finger zu den
Mengenelementen). Es handelt sich dabei um die Erfassung einer Eigenschaft: Wie viele
sind in der Menge?
Rechnen, was ist das? Rechnen ist eine Kulturtechnik und muss erlernt werden. Es wird
ein (abstrakt) fixierter Zahlbegriff aufgebaut, der neben dem Erfassen von Mengen auch
„operative Elemente“ enthält - die Rechenoperationen sind an die Zahlen „gekettet“,
sozusagen inbegriffen.
Wann zählt man und wann rechnet man? Irgendwann fangen die Kinder von selbst an
zu zählen. Sie verwenden die Finger dazu. Nach längerer Zeit des Zählens fangen Kinder
an, das Rechnen von Erwachsenen zu übernehmen (Z.B. beim Verteilen von Süßigkeiten an
mehrere Kinder). Tun sie das schon im vorschulischen Bereich, so sind sie später in der
Schule deutlich im Vorteil.
Was braucht man, um zählen zu können? Viel! Zum Beispiel muss das Kind die
Elemente der Menge unterscheiden können. Es muss ein Verständnis von
Eigenschaften (das bedarf einer Abstraktion!) entwickelt haben, denn die Mächtigkeit
einer Menge ist eine Eigenschaft. Der Blick des Kindes muss dazu in der Lage sein, zu
fixieren und dann zwischen der zu zählenden Menge und den Fingern zu wechseln und
sich über das Kurzzeitgedächtnis an Gegebenheiten erinnern. Seine einzelnen Finger
muss das Kind unterscheiden können (nicht immer der Fall!). Die Richtung des Zählens
muss eindeutig sein.
Der Blick wechselt zwischen Fingern und Fischen; man erinnert
sich, welchen man schon gezählt hat, dabei muss man die Richtung beibehalten …..
Was braucht man, um Rechnen zu können? Auf jeden Fall muss man dazu in der Lage
sein, eine abstrakte Zahl-Gestalt (der Menge z.B. der Mächtigkeit 6) zu erstellen, sie im
Langzeitgedächtnis zu „fixieren“ und sie bei Bedarf ohne Anschauungsmaterial
„hervorholen“ zu können. Man muss die abstrakten Gestalten der einzelnen Zahlen
vergleichen können, sonst kann man die Ordnung der Zahlenreihe nicht herstellen. An
jeder Zahl müssen die damit durchführbaren Rechenaufgaben (=Operationen) „hängen“ –
das erzeugt dann den sog. „operativen Zahlbegriff“, der über das Zählen weit hinausgeht.
Wie kann man das Kind beim Erwerb des Zahlbegriffs ganz basal fördern? So
merkwürdig es klingt, es ist auf jeden Fall sinnvoll, am Gleichgewicht zu arbeiten, da es
die Grundlage für die Richtungsbestimmung liefert. Ebenso wichtig ist es, über vielfältige
manuelle Tätigkeiten die Hände zu entfalten. Die Finger an der Hand kann man über
Ratespiele mit geschlossenen Augen differenzieren („Welcher Finger ist das?“). Das
Zeigen mit dem Zeigefinger ist ausgesprochen erwünscht, da es die Zuordnung über den
Blick vorbereitet. Sorgfältig zu zählen ist sehr wichtig („Wir dürfen nicht ungerecht sein,
und jemanden zweimal zählen!).
Mehr dazu steht im Heft 2.Die Entwicklung des Zahlbegriffs beim Kind und Reste nicht ausreichend integrierter
frühkindlicher Reflexreaktionen; weitere Literatur auf Nachfrage (per e-Mail)