BODY & SOUL Zaunkönig auf Umwegen Rudi Czapek zäunt in seinem Brotberuf Häuser ein. Privat war und ist das Leben für den Individualisten grenzenlos. Am liebsten experimentiert er mit Form, Pinsel und Farbe. Von Gabriela Schnabel S einen Lehrabschluss für Werkzeugmacher hatte er in der Tasche, die Matura positiv bestanden. Was nun? Auf nach Amerika! Rudolf Czapek, der auf einem Mühlviertler Bauernhof aufwuchs, kam das Angebot einer Freundin gelegen, spontan mit ihr nach San Diego zu reisen. Der abwesenden Mutter legte er einen Atlas auf den Küchentisch, markierte seinen Aufenthaltsort mit einem Pfeil, und weg war er. Bleiben wollte Czapek drei Wochen. Doch dann begann sein Abenteuer. „Das Geld ging mir bald aus, also schlug ich mich als Tellerwäscher und Taxichauffeur durch“, schildert der heute 50-jährige Eigentümer der Metallbaufirma Guardi, die neben Brix führender Hersteller von Zäunen, Toren, Balkonen und Carports aus Aluminium ist. Czapek hatte das Glück, in den USA gratis in ei- 78 Persönliches Exemplar von [email protected]. Nutzung ausschließlich für den persönlichen Gebrauch gestattet. FORMAT 35.2015 FOTOS: MICHAEL RAUSCH-SCHOTT nem Penthouse zu wohnen, das ihm Kitzbüheler zur Verfügung stellten. Die noble Herberge hatte allerdings auch ihre Schattenseiten. Nach einer coolen Party, bei der auch Czapeks Chef mitfeierte, wurde er mit der Begründung gefeuert: „Reiche Leute wie Sie brauchen keinen Job bei uns. Die schafen das auch so.“ Auch kein Malheur. Der Lebenskünstler heuerte bei Haubenkoch Wolfgang Puck als Küchenhilfe an und inskribierte nebenbei im Pasadena Art Center College of Design. „Ich war zwar sehr interessiert, aber das Leben war viel zu spannend, um nur zu pauken“, erinnert sich der Hobbymaler und -bildhauer. Die Kunstwelt zog ihn an, spielte sich aber vor allem in New York ab, und ein Ticket dorthin war für ihn unerschwinglich. Da kam dem Künstler eine PR-Aktion gele- „Die künstlerische Arbeit entsteht beim Tun. Ich weiß nie was passiert. Aber gerade diese Ungewissheit macht Spaß.“ Rudolf Czapek Geschäftsführer und Inhaber der Guardi Metallbau GmbH. gen. „Man musste in einem Supermarkt im Wert von 500 Dollar einkaufen, um ein Gratisticket zu bekommen. Also kaufte ich für meine Freunde ein, und die Sache war geritzt.“ In New York lebte Czapek auf: Er experimentierte als bildender Künstler mit allem, was er in die Hände bekam, ob Kohle, Acryl oder Öl. Geblieben ist er im Land der unbegrenzten Möglichkeiten nicht. Ende der 1980er zog es Czapek nach Osteuropa, wo er Diamantwerkzeuge vertrieb. Endlich ein Job mit Bodenhaftung, der bis auf einen Zwischenfall in der damaligen Tschechoslowakei gut lief. „Ich wurde mit 80 Menschen aus meinem Umfeld verhaftet, weil ich ,Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins‘, das Buch des Exil-Tschechen Milan Kundera, mit mir führte.“ Wien erschien Czapek nach dreitägiger Haft wieder liebenswert. Er kehrte zurück, machte sich als Lampendesigner selbständig und gründete eine kleine Schlosserei. Erst produzierte er Präsentationsständer für die Betonindustrie, später für Bauhäuser und Messeaussteller. „Die Fertigung von Zäunen aus Aluminium war eher Zufall und sicher nicht der Traumjob eines Jugendlichen“, gesteht er lachend. Doch seine Geschäftsidee hatte Erfolg: Die 1999 gegründete Guardi Metallbau GmbH beschäftigt heute 500 Mitarbeiter, unterhält Niederlassungen in Österreich, Deutschland, Ungarn und Polen und wächst jährlich im zweistelligen Bereich. Neben individuellen Anfertigungen werden die Zäune jetzt auch online für den Do-it-yourself-Bereich angeboten (guardi.at und super-zaun.de). Zum Kundenkreis zählen hauptsächlich Einfamilienhaus-Besitzer. Für Grenzzäune steht Czapek als Humanist deinitiv nicht zur Verfügung. Seine Freizeit genießt der frühere Weltenbummler heute weitgehend im Waldviertel bei Gföhl, wo er eine 600 Jahre alte Sägemühle restauriert hat. „Das ist mein Rückzugsgebiet, wo ich meiner Kreativität freien Lauf lassen kann.“ Wie in seinen wilden USA-Jahren greift er zu MalUtensilien, die er gerade erwischt: Das Trägermaterial ist mal Leinwand, mal Holz. Derzeit experimentiert Czapek mit Pigmenten, die auf Acryl aufgetragen werden. „Die Arbeit entsteht beim Tun. Ich weiß nie, was passiert, ob die Pigmente halten oder nicht. Aber gerade diese Ungewissheit macht großen Spaß.“ FORMAT 35.2015 Persönliches Exemplar von [email protected]. Nutzung ausschließlich für den persönlichen Gebrauch gestattet. ❙ RÜCKZUG. In seiner alten Waldviertler Mühle bei Gföhl lässt Rudi Czapek seiner Kreativität freien Lauf. 79
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