Arbeitsheft: Grundwissen Soziales Europa

Ausgabe 2015/2016
sozialpolitik
Ein Arbeitsheft für die Sekundarstufe I
Grundwissen
Soziales Europa
Inhalt
Leben in Europa (Seiten 2 und 3)
Lernen in Europa (Seiten 4 und 5)
Arbeiten in Europa (Seiten 6 und 7)
Soziale Sicherheit in Europa (Seiten 8 und 9)
Mitmachen in Europa (Seiten 10 und 11)
www.sozialpolitik.com
Leben in Europa
M1: Was Jugendliche über Europa denken
M2: Frieden in Europa
„In Frankreich haben religiöse Fanatiker die
Im Jahr 2012 hat das norwegische Nobelkomitee der
Karikaturisten der Zeitschrift ‚Charlie Hebdo‘ er-
Europäischen Union, abgekürzt EU, den Friedensnobel-
schossen. In ganz Europa haben sich die Menschen
preis verliehen. In der Begründung heißt es:
mit dem Spruch ‚Je suis Charlie‘ – ‚Ich bin Charlie‘ für
Meinungsfreiheit solidarisiert. Da habe ich gemerkt,
„Die Union und ihre Vorgänger haben über sechs
dass Europa mehr ist als Schuldengipfel und Gurken-
Jahrzehnte lang zur Entwicklung von Frieden und
verordnungen.“
Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten beige-
Jannes, 17 Jahre
tragen. [...] Das entsetzliche Leiden im Zweiten Weltkrieg zeigte die Notwendigkeit eines neuen Europas.
„Europa ist eben der Ort, an dem wir leben. Nicht
Deutschland und Frankreich hatten innerhalb von
mehr, nicht weniger. Besonders cool oder so ist das
70 Jahren drei Kriege* ausgefochten. Heute ist Krieg zwi-
ja nicht. Zuerst aber bin ich Deutsche.“
schen Deutschland und Frankreich undenkbar. [...] Der
Annika, 15 Jahre
Fall der Berliner Mauer ermöglichte den Beitritt mehre-
„Ich kann in andere Länder reisen, dort arbeiten
ein neues Zeitalter in der europäischen Geschichte.
oder studieren und muss noch nicht mal Geld um-
Die Teilung zwischen Ost und West ist in weiten Teilen
tauschen. Das ist für mich Europa.“
beendet. Die Demokratie wurde gestärkt. Viele ethnisch
Irina, 16 Jahre
bedingte Konflikte wurden gelöst. […] Die Aussicht auf
„Ich darf schwul sein. Ich muss nicht an Gott
Menschenrechte in diesem Land gefördert.“
glauben. Ich kann sexy Klamotten anziehen oder
Punk sein. Ich kann die Musik hören, die ich gut
finde. Ich kann heiraten, wen ich will, oder es sein
lassen. Ich darf sagen, was ich denke. Das ist für
mich Freiheit hier in Europa.“
rer zentral- und osteuropäischer Staaten und eröffnete
eine EU-Mitgliedschaft der Türkei hat Demokratie und
* deutsch-französischer Krieg 1870/1871, Erster Weltkrieg von 1914
bis 1918, Zweiter Weltkrieg von 1939 bis 1945
Quelle: Pressemitteilung des norwegischen Nobelkomitees: „The
Nobel Peace Prize 2012“, www.nobelprize.org, 12. Oktober 2012,
eigene Übersetzung
Tobias, 17 Jahre
„Ich bin Deutschtürke, also zur Hälfte EU-Bürger und
dann auch wieder nicht. Ich weiß nicht so recht, ob
ich dazugehöre.“
Dursun, 16 Jahre
M3: Herausforderungen
für die Europäische Union
Nach dem Zweiten Weltkrieg war die größte Heraus-
„Europa ist für mich ein Staatenbund, in dem die
forderung, Frieden zwischen den Ländern in Europa zu
reichen Staaten auf Kosten der armen leben. In dem
schaffen. Das ist im Bereich der Europäischen Union
Banken, Wirtschaftsbosse und korrupte Politiker
gelungen. Im Laufe der vergangenen 70 Jahre ist der
Länder wie Griechenland in den Ruin treiben, wäh-
Einfluss der Europäischen Politik auf das Leben der
rend alle zuschauen und das zulassen.“
Menschen immer größer geworden, die Bedeutung der
Julia, 18 Jahre
einzelnen Staaten dagegen geringer.
Quellen: eigene Befragung
Der Lebensstandard ist fortlaufend gestiegen, doch
noch immer bestehen große Unterschiede innerhalb
2
„Ein vereintes Europa – das bedeutet für mich Frieden
der EU. In einigen Mitgliedsstaaten verursacht die
statt Krieg, Freiheit statt Unterdrückung, Demokratie
Schuldenkrise schwere wirtschaftliche und soziale
statt Tyrannei, Gleichheit statt Ungerechtigkeit und
Probleme. Seit 2014 belastet der Ukraine-Konflikt die
nicht zuletzt Selbstbehauptung in einer Welt, in der
Beziehungen zu Russland und stellt die EU-Außenpo-
die vergleichsweise kleinen europäischen National-
litik vor große Herausforderungen. Hinzu kommt die
staaten alleine auf weiter Flur chancenlos wären.“
Bedrohung durch islamistischen Terror in Europa. Sie
Christian, 17 Jahre
stärkt einerseits den Zusammenhalt der Europäer und
Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung: „Was bedeutet
für dich Europa?“, Blog zur Europawahl 2014, https://www.bpb.de/
dialog/europawahlblog-2014/178657/was-bedeutet-fuer-dicheuropa?
gibt aber andererseits nationalistischen oder rechts-
deren demokratisch-humanistisches Wertesystem,
populistischen Gruppen und Parteien neuen Auftrieb.
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„‚ Je suis Cha– ‚Hass und Terror
zusammen als siegen‘“
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„Krieg i ende in Europa
Zeitenw
nk.de,
„Auf dem ‚Schwarzarbeiterstrich‘: Tagelöhner aus
Osteuropa verkaufen ihr
handwerkliches Können“
www.n-tv.de, 29. Mai 2013
landfu
eutsch
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r 2014
Broschüre „Europa – Das Wissensmagazin für Jugendliche“
kostenlos zum Herunterladen
bei der Bundeszentrale für
politische Bildung unter
www.bpb.de/shop/lernen
embe
27. Dez
„Die verlorene Generation
– Südeuropas Jugend
wird abgehängt“
www.zeit.de, 29. Januar 2014
M4: Europa und die
Europäische Union
Im Internet
http://europa.eu/about-eu/
eu-history/index_de.htm
Internetseite der Europäischen
Union zu ihrer Geschichte
Tipp: Wird am Ende der
Internetadresse das „de“ durch
Länderkürzel wie „en“ oder
„pl“ ersetzt, erscheinen die
Artikel in der jeweiligen
Landessprache.
ArbeItsAufträge
1. a) Wähle unter den Zitaten
das aus, mit dem du am
wenigsten übereinstimmst.
Begründe deine Entscheidung.
b) Formuliere deine Haltung
zu Europa, indem du auf einem
Blatt Papier den Satzanfang
vervollständigst: „Europa ist für
mich …“. Vergleiche deine Aussagen mit den anderen in der
Klasse. (M1)
M5: Rechte und Pflichten
2. a) Gruppenarbeit: Entwerft
mithilfe eures Geschichtsbuchs einen Zeitstrahl als
„Fieberkurve des Friedens“
mit historischen Stationen von
Feindschaft und friedlicher
Annäherung in Europa.
b) Vergleicht die Situation
in Europa zur Zeit der Nobelpreisverleihung 2012 mit
heute. Arbeitet heraus, welche
Aspekte sich verändert haben
und welche gleich geblieben
sind. c) Listet die Herausforderungen auf, die im Text und
in den Schlagzeilen genannt
werden. (M2, M3)
9
das aktive und das passive Wahlrecht, das heißt,
Jeder Bürger eines Mitgliedsstaats der Europäischen
das Recht zu wählen und gewählt zu werden, sowohl
Union ist auch EU-Bürger und hat bestimmte Rechte:
bei den Wahlen zum Europäischen Parlament als auch
bei Kommunalwahlen am Wohnort,
9
das Recht, sich im gesamten Gebiet der Europä-
ischen Union frei zu bewegen und aufzuhalten,
9
das Recht, in jedem anderen EU-Land zu arbeiten
und sich dort niederzulassen (Freizügigkeit für Arbeitnehmer und Niederlassungsfreiheit für Unternehmen),
9
das Recht, die Dokumente der EU-Organe einzu-
sehen,
9
das Recht, sich mit einer Beschwerde, genannt
3. a) Stelle eine Liste aller
EU-Länder auf. b) Überprüfe,
welche europäischen Länder
in dieser Liste fehlen. c) Erläutere den Unterschied zwischen
Europa und der Europäischen
Union. (M4)
Petition, an das Europäische Parlament oder den Europäischen Bürgerbeauftragten zu wenden.
Damit die Gemeinschaft funktioniert, sind alle EU-Bürger aufgefordert, ihre Rechte aktiv wahrzunehmen,
mitzureden und mitzubestimmen. Aus einem Wahlrecht erwächst zum Beispiel die moralische Verpflich-
4. Gruppenarbeit: Überlegt,
welche weiteren Rechte für
EU-Bürger geschaffen werden
sollten. Begründet eure Überlegungen. Diskutiert anschließend die Vor- und Nachteile
eurer Ideen. (M5)
tung, wählen zu gehen, und aus einem Recht auf
9
das Recht, in Ländern außerhalb der EU den Schutz
von Botschaften eines anderen EU-Landes in Anspruch
zu nehmen, wenn es dort keine Botschaft des eigenen
Landes gibt,
Information die Verpflichtung, sich zu informieren.
nach: Europäisches Parlament, Informationsbüro in Deutschland,
www.europarl.de
3
Lernen in Europa
M1: Europa auf Probe
Auszubildende zur Klavier- und
Cembalobauerin, Nutzername
„Croissant“, zum Betriebspraktikum in Großbritannien
Nils Bejamin, Schüler, zum
Austauschjahr in Spanien
Student aus Göttingen, anonym,
zum Auslandsstudium in Polen
„Der erste Abend war richtig klischeemäßig
„Für den Auslandsaufenthalt an der War-
spanisch: Bis zwei Uhr nachts saßen wir
saw School of Economics (SGH) kann man
draußen, aßen Tapas und spanisches Fin-
sich im BWL-ERASMUS-Büro bewerben.
gerfood und machten uns an die ersten
Nachdem ich meine Zusage erhalten habe,
„Ich war für vier Wochen in einer Repara-
Konversationsversuche. Da wusste ich
wurden mir gleich nützliche Links von den
turwerkstatt mitten in London in einem
bereits, dass ich es […] mit der Gastfamilie
Erasmus-Koordinatoren zugeschickt. Des
kleinen Team von knapp 15 Leuten. Mir hat
absolut perfekt getroffen hatte. Anfangs fiel
Weiteren bekommt man als Austausch-
sich dort eine völlig neue, super spannende
es mir ziemlich schwer in der Schule, was
student einen polnischen Buddy zugeteilt.
Welt eröffnet. Ich konnte selbstständig ar-
hauptsächlich an dem Sprachproblem lag.
Dieser hilft dann bei allen möglichen Din-
beiten und habe einfach mal etwas anderes
Ich habe also damit begonnen, mir einen
gen, zum Beispiel bei der Wohnungssuche.
gesehen als ausschließlich den Neubau von
Ordner voll mit Spanischvokabeln anzule-
[…] Die Kurse sind meist interaktiv gestal-
Klavieren. Sprachlich habe ich zwar jedes
gen, die ich dann den ganzen Vormittag in
tet. Es wird diskutiert, und in fast jedem
Fettnäpfchen mitgenommen, aber vermut-
der Schule gelernt habe. Schule in Spanien
Kurs musste ich neben der Klausur auch
lich gerade dadurch sehr viel gelernt. Ich
ist sehr unterschiedlich zu der in Deutsch-
eine Präsentation halten. […] Zusammen-
habe viele verschiedene Seiten von London
land, die Fächer werden […] im Frontalun-
fassend kann ich sagen, dass das Auslands-
kennen gelernt und neue Freunde gefun-
terricht gestaltet, der Lehrer redet die
jahr in Warschau die beste Entscheidung
den. Das Sahnehäubchen ist, dass mir ein
meiste Zeit, Schüler müssen mitschreiben
war, die ich hätte treffen können. […]
Job nach Beendigung meiner Ausbildung
und den Unterrichtsinhalt für die Examen
Ich hätte nie gedacht, dass man so viel
angeboten wurde.“
Quelle: Initiative „let’s go!“, www.letsgoazubi.de
lernen. […] Jugendliche werden in Spanien
über sich selbst lernen kann, wenn man in
sehr viel länger wie Kinder behandelt, sie
so einem internationalen Umfeld lebt
sind oft ziemlich unselbstständig und woh-
und lernt.“
nen länger zuhause.“
4
Quelle: Deutsches Youth For Understanding,
www.yfu.de
Quelle: Georg-August-Universität Göttingen,
www.uni-goettingen.de
M2: Förderung von Ausbildung und Austausch
Erasmus+ ist das Programm der Europäischen Union für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport.
Im Internet
Es läuft von 2014 bis 2020 und fördert die Bildung und Auslandsaufenthalte junger Menschen mit insgesamt
www.letsgoazubi.de
fast 15 Milliarden Euro.
Internetseite der LandesGewerbeförderungsstelle
des nordrhein-westfälischen
Handwerks mit Erfahrungsberichten und Kontakten zu EUgeförderten Auslandspraktika
EU
B
S
Hochschule
B
Jugend in Aktion
Zielgruppen
- Schüler
- Lehrkräfte
- Pädagogen
- Studierende
- Hochschulpersonal
- Auszubildende
- Berufsschüler
- Bildungspersonal
- alle Jugendlichen,
besonders solche, die
sich an ihrem Wohnort
oder grenzüberschreitend engagieren
Institutionen,
Organisationen
- Bildung von
Schulpartnerschaften
- Partnerschaften von
Schulbehörden
- Partnerschaften
zwischen Hochschulen
- länderübergreifende
Forschung
- Partnerschaften
zwischen Unternehmen
- Berufsbildungseinrichtungen
- Initiativen in der
Jugendpolitik oder in
der politischen Bildung
- Kunstprojekte
- Europäischer
Freiwilligendienst
M
- Schüleraustausch,
Fortbildung, Hospitation
- gemeinsame Projekte,
zum Beispiel zur Inklusion oder gegen zu hohe
Schulabbrecherquoten
- Studienaufenthalte,
Praktika, Sprachkurse
- Zusammenarbeit mit
Wirtschaft und Politik
- Angleichung von
Studiengängen
- Praktika, länderübergreifende Qualifizierung
- gemeinsame Projekte,
zum Beispiel gegen
Jugendarbeitslosigkeit
- Jugendbegegnungen
- Erwerb interkultureller
Kompetenzen
- Berufsorientierung
Quelle: eigene Zusammenstellung nach: www.erasmusplus.de und http://ec.europa.eu ¢ Programme ¢ Erasmus+
M3: Europaweite Anerkennung
von Abschlüssen
M4: Der Europass
Die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union
Wer sich in einem anderen EU-Land bewerben möchte,
können in jedem EU-Land ihrer Wahl leben und arbei-
kann den Europass verwenden. Das ist kein Ausweis,
ten. Dennoch bleibt ihre Mobilität durch verschiedene
sondern eine Sammlung von Dokumenten, mit deren
Sprachen, aber auch verschiedene Bildungssysteme
Hilfe sich Qualifikationen und Kenntnisse in verständ-
und Zeugnisse eingeschränkt. Das in Deutschland
licher und standardisierter Form darstellen lassen.
verbreitete duale System der Berufsausbildung, also
die Kombination von Ausbildung im Betrieb und Un-
Der Europass enthält drei Vorlagen, die der Bewerber
terricht in Berufsschulen, gibt es zum Beispiel nur in
ausfüllen kann: einen Lebenslauf, einen Sprachen-
wenigen EU-Ländern. Mithilfe des Europäischen Qua-
pass, in den die eigenen Sprachkenntnisse nach fest-
lifikationsrahmens für lebenslanges Lernen, abgekürzt
gelegten Kompetenzstufen eingetragen werden, und
EQR, möchte die EU Ausbildungen besser vergleichbar
den Europass Mobilität, in dem Auslandserfahrungen
machen. Dazu werden die in der jeweiligen Ausbildung
dokumentiert werden. Hinzu kommen Zeugniserläu-
erworbenen Fertigkeiten beschrieben sowie deren
terungen, in denen die Ausbildungsinhalte und die
Grad an Selbstständigkeit und Verantwortung einge-
Noten auf Deutsch, Englisch oder Französisch erläutert
ordnet. Die acht Ausbildungsstufen im EQR reichen
werden. Die Vorlagen können in allen Amtssprachen
von grundlegenden Kenntnissen (zum Beispiel von
der EU im Internet heruntergeladen werden unter
angelernten Mitarbeitern) bis zur Beherrschung eines
http://europass.cedefop.europa.eu/de/home.
www.youthreporter.eu
www.europeers.de
Internetangebote von JUGEND
für Europa zur Information
und zum Erfahrungsaustausch
mit jungen Leuten, die im Ausland aktiv sind
www.europass-info.de
Informationen und Formulare
zum Europass
www.anerkennung-indeutschland.de
www.ihk-fosa.de
Informationsseiten (mehr‑
sprachig) zur Anerkennung
von Berufsabschlüssen
ArbeItsAufträge
1. Finde heraus, welche Ziele
die Europäische Union verfolgt,
wenn sie Programme zum
europaweiten Austausch finanziert: Welche Vorteile bringt
dies den EU-Ländern, welche
den einzelnen Teilnehmern
persönlich? (M1, M2)
2. Der EQR unterscheidet
zwei Kompetenzkategorien:
Fachkompetenz (unterteilt in
Wissen und Fertigkeiten) und
Personale Kompetenz (unterteilt in Sozialkompetenz und
Selbstständigkeit). Erarbeite
beispielhaft für einen frei
gewählten Beruf, welche Kompetenzen konkret unter die
genannten Kategorien fallen
könnten. (M3)
3. a) Nenne die Bestandteile
des Europasses. Welche kannst
du selbst ausfüllen? Für welche brauchst du Hilfe? b) Deine
Freundin oder dein Freund
möchte den Europass auch für
eine Bewerbung in Deutschland verwenden. Würdest du
dazu raten? Begründe deine
Meinung. (M4)
hoch spezialisierten Wissensgebiets (zum Beispiel von
Wissenschaftlern mit Doktortitel).
5
Arbeiten in Europa
M1: Europäischer
Arbeitsmarkt
M3: Arbeitslosenquoten
von 15- bis 24-Jährigen
Von rund 500 Millionen Einwohnern der Europäischen
Angaben in Prozent
Union gehören ungefähr 240 Millionen Menschen zwischen 15 und 64 Jahren zum Europäischen Arbeitsmarkt, dazu zählen auch die registrierten Arbeitslosen.
Mit dem Beitritt der osteuropäischen Mitgliedsstaaten
wurden die wirtschaftlichen Unterschiede größer. Das
mittlere Jahreseinkommen* lag im Jahr 2012 umgerechnet zwischen rund 2.016 Euro in Rumänien und
32.779 Euro in Luxemburg. In Deutschland lag es bei
19.595 Euro. Die Arbeitslosenquote lag in Griechenland
im September 2014 bei 25,7 Prozent. Deutschland hingegen verzeichnete im November 2014 eine Arbeitslosenquote von lediglich 5,0 Prozent und wirbt um
qualifizierte Fachkräfte aus anderen Ländern.
* Hier ist nicht das Durchschnittseinkommen gemeint, sondern das
Medianeinkommen. Es liegt genau in der Mitte, das heißt: Die Zahl
der Menschen mit einem höheren Einkommen ist genauso groß
wie die der Menschen mit einem niedrigeren Einkommen.
Quelle: Eurostat, mit eigener Berechnung und Wechselkursen vom
17. Februar 2015
M2: Fachkräfte für Deutschland
„Zwei Jahre lang hat sich Ivàn Gonzalez Lopez in Murcia im Südosten Spaniens von einem Job zum nächs‑
ten gehangelt. […] Nach ein paar Wochen allerdings
musste er jedes Mal feststellen, dass er ausgenommen
wurde, die Löhne oft geringer waren als vereinbart.
So rang sich Ivàn Gonzalez schließlich durch, mit seinem mittleren Schulabschluss den Schritt ins stabilere
Deutschland zu wagen. […] Jetzt steht Ivàn Gonzalez
in Lübeck auf einer Baustelle im Gewerbegebiet. Stolz
präsentiert er das rote T-Shirt mit dem Logo der E-Tec
Nord, eines Unternehmens für Elektrotechnik. Bis zum
Ende der Ausbildung will Ivàn auf jeden Fall bleiben.
Und dann? Würde aus dem spanischen Schnupperarbeiter eine deutsche Fachkraft werden? ‚Wir freuen
uns, wenn Ivàn bleibt, aber verlangen kann man das
nicht‘, sagt der Unternehmer Klaus Felgenhauer. Viele
Betriebe versuchen derzeit, Azubis jenseits der Grenzen zu finden. […] Noch vor wenigen Jahren wäre das
kaum vorstellbar gewesen: Unternehmen bemühen
sich, Azubis mitzunehmen, trotz Schwächen. Lange
* EU-Mitgliedsstaat seit 2014
konnten sie sich die Besten eines Jahrgangs herauspicken – unter Realschülern wie Gymnasiasten. Aber
Quelle: Eurostat, Stand: April 2014
diese Besten gehen heute an die Universitäten. Und die
Zweitbesten ebenfalls. […] So ist in den letzten zehn
Jahren die Zahl derer, die sich für eine Ausbildung interessieren, um rund zehn Prozent gesunken.“
Quelle: Inge Kutter, Rudi Novotny, DIE ZEIT Nr. 28/2014, 3. Juli 2014,
gekürzt und leicht bearbeitet
6
Erläuterung: Bei vielen Medien werden diese Zahlen falsch interpretiert. So wird häufig
gemeldet, in Griechenland sei jeder zweite Jugendliche arbeitslos. Von der Gesamtgruppe
der 15- bis 24-jährigen Griechen gehört jedoch nur ein Drittel zur Gruppe der so genannten
Erwerbspersonen. Von diesem Drittel ist die Hälfte ohne Arbeit. Die übrigen Jugendlichen,
die eine Ausbildung machen oder studieren, werden als Nichterwerbspersonen bezeichnet.
Das heißt, dass von der Gesamtgruppe aller 15- bis 24-jährigen Griechen nur etwa jeder
Sechste arbeitslos ist.
Im Internet
www.ba–
auslandsvermittlung.de
M4: Deutschland als Gewinner?
Internetseite der Bundesagentur für Arbeit zur Vermittlung
deutscher Arbeitskräfte ins
Ausland mit Informationen
zum Bedarf und den wichtigsten Regelungen in Europa
und der Welt
www.make-it-in-germany.com
Informationsseite (mehrsprachig) für ausländische
Fachkräfte, die in Deutschland
Arbeit suchen
www.boeckler.de
Basiswissen zur Mitbestimmung in Deutschland und
Europa mit Datenbank zum
Ländervergleich
ArbeItsAufträge
1. Arbeite heraus, aus welchen
Gründen sich deutsche Unternehmen um die Anwerbung von
Arbeitskräften bemühen. Erkläre, welche anderen Möglichkeiten es gäbe, Arbeitskräfte
zu finden. (M1, M2)
© Zeichnung: Heiko Sakurai, 2013
M5: Mitbestimmung in Europa
Die Mobilität auf dem Arbeitsmarkt bietet Chancen
gegründet werden. Seine Rechte sind im Betriebs-
und Risiken. Damit die Risiken nicht allein von den Ar-
verfassungsgesetz geregelt. Er kann bei sozialen An-
beitnehmern getragen werden, sind Mitbestimmungs-
gelegenheiten mitbestimmen (zum Beispiel bei den
rechte wichtig.
Arbeitsbedingungen) und bei personellen Angelegenheiten mitwirken (zum Beispiel bei Einstellungen oder
In den EU-Ländern gibt es Regeln dafür, wie Arbeit-
Kündigungen). Bei wirtschaftlichen Entscheidungen
nehmer an den Entscheidungen ihres Betriebs oder
muss er informiert werden.
Unternehmens beteiligt werden können oder müssen.
Arbeitnehmer können Betriebsräte wählen, die ihre
Für Unternehmen, die in mehreren Ländern ansässig
Interessen gegenüber der Unternehmensleitung ver-
sind, gilt die EU-Richtlinie zu Europäischen Betriebs-
treten. Die Mitbestimmungsrechte unterscheiden sich
räten. Sie schreibt Mindestnormen fest. Wenn ein
jedoch erheblich: In einigen Ländern müssen die Be-
Unternehmen europaweit mehr als 1.000 und in zwei
triebsräte nur informiert werden, in anderen bestim-
Ländern jeweils mehr als 150 Menschen beschäftigt,
men sie mit, wenn es um Sicherheitsfragen oder um
kann ein Europäischer Betriebsrat eingefordert werden.
Fragen zu einzelnen Arbeitnehmern geht.
Im Jahr 2014 gab es in der EU etwa 1.000 Europäische
Deutschland hat im europäischen Vergleich sehr
Betriebsratsgremien mit insgesamt 20.000 Betriebs-
viele Mitbestimmungsrechte. Bereits ab fünf ständig
räten. Sie müssen informiert und angehört werden,
beschäftigten Arbeitnehmern kann ein Betriebsrat
Entscheidungskompetenzen besitzen sie jedoch nicht.
2. Die Abwanderung von
Fachkräften wird auch als
„Brain Drain“ („Gehirnabfluss“
oder auch „Talentschwund“)
bezeichnet. a) Beschreibe,
welche positiven und negativen
Folgen dieser Prozess jeweils
für Deutschland und für die
EU-Krisenländer hat. Beziehe
dabei auch mit ein, wie sich
die Situation darstellt, wenn
die Fachkräfte im neuen Land
bleiben oder in ihr Heimatland
zurückkehren. b) Interpretiere
die Karikatur, indem du die
Darstellung beschreibst und
die Kritik des Zeichners
herausarbeitest. (M2, M4)
3. Erkläre in eigenen Worten:
Warum bedeuten 50 Prozent
Jugendarbeitslosigkeit nicht,
dass die Hälfte der Jugendlichen auf der Straße steht?
(M3)
4. a) Stelle dar, welche Rechte
Arbeitnehmervertretungen
(Betriebsräte) besitzen.
b) Beschreibe, was ein Europäischer Betriebsrat ist, und
begründe, warum man hier nur
eingeschränkt von einer Form
der Mitbestimmung reden
kann. c) Erkläre, warum es
nicht nur nationale (also auf
das jeweilige Land bezogene)
Betriebsräte gibt. (M5)
7
Soziale Sicherheit in Europa
Welche Ziele möchten Sie noch erreichen?
„Ich möchte mit einem Realschulabschluss und
meinem Gesellenbrief ‚Fachkraft im Gastgewerbe‘ abschließen. Dann habe ich endlich die Voraussetzung
zur Sozialassistentin. Und ich habe auch schon einen
Schulplatz an der Berufsfachschule Sozialassistent/in
Burgwedel […]. Wenn alles gut geht, kann ich 2016 mit
meiner Erzieherinnenausbildung beginnen.“
Quelle: www.esf-meine-geschichte.de/inhalt/derya-nietznik,
gekürzt und sprachlich leicht bearbeitet
M2: Zusammenhalt fördern
Bei der Gründung der Europäischen Wirtschaftsge meinschaft im Jahr 1957 vereinbarten die Mitglieds-
M1: Wie der Europäische
Sozialfonds (ESF) hilft
staaten, in sozialen Fragen zusammenzuarbeiten. Da
die Arbeitslosigkeit damals wie heute ungleich verteilt
war, konzentrierte man sich auf die Frage der Beschäftigung. Der ESF wurde gegründet, um Fördergelder, die
Derya Nietznik im Interview mit
www.esf-meine-geschichte.de
für Umschulungen, Fortbildungen und die Förderung
von beruflicher Mobilität eingesetzt wurden, gemeinsam zu verwalten. Man will damit erreichen, dass alle
Wie fing Ihre persönliche Geschichte an? Welche
Menschen, die arbeiten können und wollen, Arbeit
beruflichen Ziele hatten Sie?
finden und damit zu einem wirtschaftlichen Aus-
„Im Alter von etwa 14 Jahren habe ich ein Schulprakti-
gleich unter den Regionen in Europa beitragen. Geför-
kum in einem Kindergarten in Munster gemacht. Von
dert werden Vorhaben, die Ausbildungen verbessern,
dem Tag an stand für mich fest, ich möchte auch Er-
neue Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen, Existenz-
zieherin werden und in einem Kindergarten arbeiten,
gründer unterstützen, öffentliche Dienste stärken und
aber dafür braucht man mindestens den Realschul-
benachteiligten Menschen beim beruflichen Einstieg
abschluss. Für jemanden wie mich, die damals noch
oder Wiedereinstieg helfen. In festen Zeiträumen wer-
eine Förderschule besuchte, eine utopische Idee. Meine
den die Richtlinien des ESF an die aktuellen Notwen-
Umwelt reagierte darauf natürlich eher in der Art, ‚das
digkeiten angepasst.
schaffst du nie‘ […]. Über eine Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme kam ich […] zur Volkshochschule
Heidekreis und konnte die Ausbildung ‚Helferin im
Gastgewerbe‘ und damit meinen Hauptschulabschluss
machen. Durch einen Hinweis meines ehemaligen
M3: Sozialschutz in der EU
Ausbildungsteams nahm ich Kontakt zum ESF-Projekt
Alle Bürger der Europäischen Union genießen sozia-
‚VisA – Vielfalt schafft Arbeit‘ auf.“
len Schutz. Dieser ist jedoch in den Mitgliedsländern
unterschiedlich geregelt. Die Abstimmung der Sozi-
Welche Förderung haben Sie erhalten?
alversicherungen in der EU folgt den folgenden vier
„Die gezielte Unterstützung in meiner Ausbildung
Grundsätzen:
durch die Ausbilderinnen und die Sozialpädagogin der
Volkshochschule hat mir den ersten Berufsabschluss
überhaupt erst ermöglicht. Ich habe mir wieder mehr
zugetraut, besonders schulisch. Bei allem, was ich beruflich plante und planen werde, ist immer wichtig,
dass mein finanzielles Überleben gesichert ist, denn
ich bin auf mich alleine gestellt. Es gibt keine mich finanziell unterstützende Familie. Daher ist die Hilfe des
VisA-Projektes bei allen Anträgen besonders wichtig.“
1. Jeder EU-Bürger unterliegt jeweils einem nationalen
System am Wohn- oder Arbeitsort.
2. Alle EU-Bürger haben in allen Mitgliedsländern die
gleichen Rechte und Pflichten (Gleichbehandlung).
3. Ansprüche aus früheren Versicherungszeiten sollen
auch in anderen Ländern angerechnet werden.
4. Niemand verliert einen Anspruch, wenn er in ein
anderes EU-Land zieht.
8
LesetIpp
Comicbände zum ESF „Durchstarten“ und „Neuer Schwung“, kostenlos
zu bestellen im EU-Bookshop unter http://bookshop.europa.eu.
Im Internet
Es gibt keine einheitlichen Gesetze zur Kranken-, Ren-
Wer beispielsweise als deutscher Staatsbürger seine
ten- oder Arbeitslosenversicherung in der EU. Auch die
Ausbildung in Frankreich absolviert, hat bei einem
staatlichen Sozialleistungen wie Kindergeld oder Sozial-
Unfall das gleiche Recht, die dortigen Sozialleistungen
hilfe sind unterschiedlich. Gemeinsame Regeln gibt es
in Anspruch zu nehmen wie ein französischer Bürger.
Internetseite der Bundesregierung zum Europäischen
Sozialfonds
dort, wo die nationalen Bestimmungen aufeinander
Mit Abschluss eines Arbeitsvertrags wird er automa-
www.sozialkompass.eu
abgestimmt werden müssen, damit kein EU-Bürger
tisch Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung
Rechte oder Leistungen verliert.
in Frankreich. In einem anderen EU-Mitgliedsstaat zu
leben und zu arbeiten führt also zu keiner sozialen Benachteiligung.
M4: Die Arbeitslosenversicherung in
drei EU-Ländern im Vergleich
Deutschland
Polen
Großbritannien
mindestens 12 Monate in
den letzten 2 Jahren vor
der Arbeitslosmeldung
mindestens 365 Kalendertage in den letzten
18 Monaten vor der
Arbeitslosmeldung
Es müssen 26 oder
mehr Wochenbeiträge
eingezahlt worden sein.
Sie müssen so hoch oder
höher als der Mindestsatz sein, der für das
betreffende Jahr gilt.
Wie lange wird
Arbeitslosengeld
gezahlt?
je nach Alter und der
Länge der Versicherungspflicht von 6 bis zu
24 Monaten
in der Regel 6 Monate,
erhöht auf 12 Monate
in Regionen, in denen
die Arbeitslosenquote
150 Prozent des polnischen Durchschnitts
übersteigt,
oder bei Arbeitslosen
über 50 Jahren mit
20 Arbeitsjahren oder
arbeitslosem Ehepartner
ohne Leistungsanspruch
und einem Kind unter
15 Jahren
maximal 182 Tage
Grundbetrag umgerechnet 198 Euro pro Monat
für die ersten 3 Monate,
danach umgerechnet
155 Euro. Je nach Länge
der Berufstätigkeit
werden zwischen 80 und
120 Prozent des Grundbetrags gezahlt.
altersabhängig,
von 18 bis 24 Jahren
umgerechnet 70 Euro,
ab 25 Jahren umgerechnet 87 Euro pro Woche
67 Prozent (mit Kindern)
oder 60 Prozent des
letzten Verdiensts nach
Steuerabzug
Quelle: www.sozialkompass.eu, Stand: Januar 2015
Die Datenbank ermöglicht einen
Vergleich der europäischen
Sozialsysteme in den Bereichen
Familie und Mutterschutz,
Krankheit und Pflege, Arbeitslosigkeit und Arbeitsrecht, ergänzt
durch ein Glossar mit sozialpolitischen Grundbegriffen.
ArbeItsAufträge
Wie lange muss
man gearbeitet und
Versicherungsbeiträge gezahlt haben,
um Arbeitslosengeld
zu erhalten?
Wie hoch ist das
Arbeitslosengeld?
www.esf.de
1. a) Beschreibt, wie der
ESF Derya geholfen hat, und
überlegt, welche beruflichen
Aussichten sie ohne ein
Hilfsprogramm gehabt hätte.
b) Entwickelt in Gruppenarbeit
ein Schaubild, das über die
Ziele und Bereiche des ESF
informiert. c) Untersucht in
Gruppen auf www.esf-meinegeschichte.de ein weiteres
Fallbeispiel und erläutert, welche ESF-Maßnahmen geholfen
haben. Ordnet das Beispiel in
euer Schaubild ein. (M1, M2)
2. Nimm Stellung zu folgenden
Standpunkten: a) Das Geld,
das der ESF ausgibt, sollte
besser den einzelnen Ländern
zur Verfügung stehen. b) Wer
aus einem Land fortgezogen
ist, soll von diesem Land auch
keine Sozialleistungen mehr
erhalten. Nachdem einige
Schüler ihre Stellungnahme
vorgelesen haben, stimmt ihr
in der Klasse ab, wer den jeweiligen Standpunkt für richtig
und wer ihn für falsch hält.
(M2, M3)
3. Arbeite heraus, von welchen
Faktoren die Leistungen der
Arbeitslosenversicherung
in den drei Ländern in der
Tabelle abhängen. Zeige die
Gemeinsamkeiten und die
Unterschiede auf. (M4)
4. Partnerarbeit: Recherchiert
auf www.sozialkompass.eu
zu einem der vorgestellten
15 Themen, und erstellt eine
Tabelle ähnlich wie M4, in
der ihr Deutschland mit zwei
EU-Ländern eurer Wahl vergleicht. Entscheidet, welche
der Regelungen ihr am besten
findet, und begründet eure
Entscheidung. (M4)
9
Mitmachen in Europa
M1: Europäische Bürgerinitiative
gegen Armut
bewegen, […] den Anteil derjenigen Menschen, die
EU-Bürger können seit dem 1. April 2012 durch eine
Prozent zu reduzieren (derzeit 16 Prozent). […] Im
„Wir möchten die Europäische Kommission […] dazu
unterhalb der Armutsgrenze leben, auf unter drei
Europäische Bürgerinitiative an der EU-Politik mitwir-
Vertrag von Maastricht wird von den Mitgliedsstaaten
ken. Sie können die Europäische Kommission dadurch
verlangt, dass das jährliche Haushaltsdefizit nicht
auffordern, sich mit einem Thema zu befassen oder
mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts
eine Gesetzesinitiative zu ergreifen. Dazu müssen sich
betragen darf. Die Maßnahmen, […] um dieses Ziel
eine Million Bürger aus mindestens einem Viertel der
zu erreichen, haben die Tendenz, dem Wohlergehen
EU-Mitgliedsstaaten an einer solchen Initiative betei-
der Bevölkerung zu schaden […]: Kürzungen der
ligen. Eine laufende Europäische Initiative, die bis zum
Sozialausgaben in Spanien, Erhöhung der Mehrwert-
Jahresende 2015 Unterzeichner sammelt, heißt: „Für
steuer in Frankreich, Reduzierung des Mindestlohns
ein soziales Europa! Für eine verstärkte Zusammen-
in Irland und Griechenland oder die Gefährdung des
arbeit der EU-Mitgliedsstaaten bei der Bekämpfung
öffentlichen Gesundheitssystems in Slowenien. Die
von Armut in Europa.“ Ihr Begründer Maxim Orhon
Drei-Prozent-Haushaltsdefizitgrenze sollte nicht
erklärt das Ziel:
ausgenutzt werden, um soziale Errungenschaften
und Lebensbedingungen in ganz Europa infrage zu
stellen.“
Quelle: Europäische Kommission, amtliches Register der Europäischen Bürgerinitiativen, http://ec.europa.eu/citizens-initiative
M2: Ablauf einer Europäischen
Bürgerinitiative
Sie sucht sich mindestens sieben
Mitstreiter aus mindestens sieben Mitgliedsstaaten, um einen Bürgerausschuss
Frau Aporu ist EU-Bürgerin. Sie ist von
zu bilden. Gemeinsam beschreiben sie die
ihrer Idee überzeugt und weiß, wie sie
Ziele ihrer Europäischen Bürgerinitiative,
EU-weit umgesetzt werden könnte.
abgekürzt EBI, und beantragen eine
Registrierung bei der EU.
Die EU-Kommission prüft den Antrag:
Ist die EU für die Ziele der EBI zuständig?
Ist der Bürgerausschuss korrekt gebildet?
Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind,
wird die EBI genehmigt.
2 Monate
1 Jahr
Frau Aporu und andere EBI-Aktivisten
sammeln mindestens eine Million
In jedem Land prüft eine Behörde die
Gültigkeit der Unterschriften.
Unterschriften. Außerdem muss sie
Um Online-Unterschriften sammeln zu
in sieben Ländern eine festgelegte
können, muss die EBI ihr Sammelsystem
Mindestanzahl von Unterstützern fin-
überprüfen lassen.
den, damit das jeweilige Land zählt. In
Deutschland zum Beispiel 74.250, in
Luxemburg 4.500.
1 Monat
3 Monate
Die EBI-Papiere werden der EU-Kommis-
Die Kommission entscheidet, ob die Idee
sion zur Prüfung vorgelegt. Ein Mitglied
der Kommission spricht mit Frau Aporu
oder ihren Mitstreitern. Außerdem
dürfen die EBI-Aktivisten ihre Idee dem
Europäischen Parlament vorstellen.
3 Monate
der EBI umgesetzt wird oder nicht. Sie
formuliert eine formelle Antwort an Frau
Aporu und die EBI, in der sie die Entscheidung begründet.
nach: Europäisches Parlament, www.europarl.europa.eu
10
Im Internet
M3: Volksentscheid
Der Volksentscheid ist ein Mittel der direkten
Demokratie: Das Volk, das heißt alle wahlberechtigten Bürger, stimmt über eine Vorlage
ab, zum Beispiel über ein Gesetz. Die Vorlage
stammt entweder von einer Volksinitiative oder
vom Parlament. Das Ergebnis des Volksentscheids ist bindend. In mehr als 20 EU-Staaten
gab und gibt es Volksentscheide, auch zu europäischen Fragen. In vielen osteuropäischen
Staaten konnten die Bürger im Jahr 2003 beispielsweise über den EU-Beitritt ihres Landes
abstimmen. In Deutschland besteht in den
meisten Bundesländern die Möglichkeit, über
Volksinitiativen einen Volksentscheid für das
jeweilige Bundesland herbeizuführen.
sechs. Allerdings erhalten die kleinen Länder relativ zu
www.europarl.europa.eu
ihrer Größe mehr Sitze. Im Europäischen Parlament
Internetseite des Europäischen
Parlaments
bilden die Abgeordneten Fraktionen, also Gruppen mit
unterschiedlicher Länder zusammenarbeiten.
http://ec.europa.eu/
citizens-initiative
Das Europäische Parlament ist eine Volksvertretung,
Internetseite der Europäischen
Kommission zur Europäischen
Bürgerinitiative
gleicher politischer Ausrichtung, in denen Vertreter
ähnlich wie der Deutsche Bundestag. Es tagt abwechselnd in Brüssel und in Straßburg. Je wichtiger die Entscheidungen der EU für das Leben der Bürger wurden,
desto lauter wurden die Forderungen, die Europäer
beteiligen. Die Macht des Parlaments nahm allmählich
zu. Im Jahr 1986, sieben Jahre nach der ersten Direktwahl 1979, wurde es an der allgemeinen Gesetzgebung
in Europa beteiligt. Seit 1992 und dem Vertrag von
und darf Untersuchungsausschüsse einsetzen, um die
Arbeit der EU-Verwaltung zu kontrollieren.
Im Jahr 2007 erhielt das Parlament mit dem Vertrag
von Lissabon die Kontrolle über die gesamten Ausga-
Jeder EU-Bürger kann die Politik in Europa mitbestim-
ben des EU-Haushalts. Die Europäische Kommission
men. Alle fünf Jahre finden Wahlen zum Europäischen
allerdings, die eigentliche Regierung der EU, wird nicht
Parlament statt – die nächsten im Jahr 2019. Jedem
vom Parlament gewählt. Sie wird von den Regierungen
Land wird dabei eine bestimmte Zahl von Mandaten,
der Mitgliedsstaaten bestimmt und vom Parlament
also Parlamentssitzen, zugeordnet, wobei die Größe
nach einem Anhörungsverfahren bestätigt oder abge-
der Bevölkerung berücksichtigt wird. Deutschland hat
lehnt.
seit der letzten Wahl 2014 96 Sitze. Kleine Länder wie
Estland, Luxemburg, Malta und Zypern haben lediglich
Initiative zur Demokratisierung der Europäischen Union
über eine direkt gewählte Volksvertretung daran zu
Maastricht kann das Parlament Gesetze verhindern
M4: Europawahl
www.mehr-demokratie.de/
europa.html
nach: Europäisches Parlament, Informationsbüro in Deutschland,
www.europarl.de ¢ Europa ¢ Geschichte
M5: Sitzverteilung im Europäischen Parlament
ArbeItsAufträge
1. Nenne die Voraussetzungen,
unter denen die Europäische
Kommission eine Europäische
Bürgerinitiative genehmigt.
(M1, M2)
2. Gruppenarbeit: a) Wie steht
ihr zu der Forderung der
Initiative? Begründet euren
Standpunkt. b) Recherchiert in
Gruppen nach einem weiteren
Beispiel für eine Europäische
Bürgerinitiative auf http://
ec.europa.eu/citizens-initiative
und stellt diese in der Lerngruppe vor. (M1)
3. Erläutere, worin die
Unterschiede zwischen einer
Europäischen Bürgerinitiative
und einem Volksentscheid
bestehen. (M2, M3)
4. Entwickelt aus den
Informationen zur Europawahl
und dem Schaubild zur Sitzverteilung im Europäischen
Parlament ein Quiz mit
Multiple-Choice-Fragen.
Tauscht euer Quiz mit denen
anderer Lerngruppen aus und
löst die Fragen. (M4, M5)
5. Projekt: Führt in Gruppen
eine Straßenumfrage durch:
„Wie demokratisch ist die EU?“
Sammelt die Aussagen und
wertet aus, welche Aspekte
häufig kritisiert und welche
gelobt werden.
Quelle: Europäisches Parlament, www.europarl.europa.eu, Stand: August 2014, außen die Zahlen der deutschen Abgeordneten
11
Das weißt du!
Kreuzworträtsel zur Sozialpolitik in Europa
1. Länderkürzel für Lettland (Seite 3)
5. das Recht, in jedem anderen Land der EU zu leben
2. Online-Datenbank, mit der man die unterschiedlichen sozialpolitischen Regelungen der EU
vergleichen kann (Seite 9)
3. Dokumentensammlung, die Qualifikationen
und Kenntnisse abbildet und mit der man sich
europaweit bewerben kann (Seite 5)
4. eine ernste Herausforderung für die Sozialpolitik
und soziale Gerechtigkeit in der EU (Seite 2)
und zu arbeiten (Seite 3)
6. Name des EU-Programms für allgemeine und
berufliche Bildung, Jugend und Sport, das die Zusammenarbeit von Bildungsinstitutionen fördert
(Seite 5)
7. ein Gründungsmitglied der Europäischen Union
(Seite 3)
8. Arbeitnehmer, die in Deutschland auf dem Arbeitsmarkt besonders gefragt sind (Seite 6)
Lösungswort: IN _ _ _ _ _ _ _ _ GEEINT
Ausstellung „Soziales Europa“
Bildet Kleingruppen und erstellt ein Poster oder Kunstwerk zu einer Ausstellung unter dem Motto „Soziales Europa“. Die Form
und die inhaltliche Aussage eures Beitrags sind völlig frei (zum Beispiel Collage, Podcast, Skulptur, Video beziehungsweise Kritik,
Zustimmung). Formuliert einen erklärenden Text zu eurem Exponat, der neben eurer persönlichen Interpretation auch Faktenwissen aus dem Heft aufführt. Teilt euch so auf, dass möglichst alle Kapitel im Heft künstlerisch umgesetzt werden.
besteLLung
Impressum
Bestellservice Jugend und Bildung
Herausgeber: Stiftung Jugend und Bildung in
Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für
Arbeit und Soziales
65341 Eltville
Fax: (0 61 23) 9 23 82 44
E-Mail: [email protected]
Vertretungsberechtigte: Dr. Alexander Jehn
(Präsident), Michael Jäger (Geschäftsführer)
Internet: www.sozialpolitik.com
oder www.jubi-shop.de
Vereinsregister: Amtsgericht Charlottenburg,
VR 24612 B
bestell-nr. A999-eu
fachliche und pädagogische beratung:
Berit Heintz (Deutscher Industrie- und Handelskammertag), Roland Henke (Ministerialrat,
Niedersächsisches Kultusministerium), Edmund
Kammerer (Leitender Ministerialrat a. D., Unternehmenssprecher), Prof. Dr. Helmut Keim (Europäische Fachhochschule Brühl), Siegmut Keller
(Ministerialrat, Ministerium für Kultus, Jugend
und Sport Baden-Württemberg), Jeanette Klauza
(Deutscher Gewerkschaftsbund), Wolfgang Oppel
(Berufsbildungsexperte), Detlef Schlüpen (Projektmanagement)
Für SmartphoneNutzer: Bestellung
im Internet
Zur leichteren Lesbarkeit wurde meist die
männliche schreibweise gewählt. Angesprochen
sind natürlich immer Leserinnen und Leser!
Verlag: Eduversum GmbH, Wiesbaden
redaktion: Frauke Hagemann, Katja Rieger
redaktionsschluss: Juli 2015
texte: Dr. Stefan Kappner, Susanne Patzelt
fotos: titel: Fotolia/Westend61, seite 2:
Shutterstock/pixinoo, Europäische Kommission, Shutterstock/A_Lesik, Fotolia/by-studio,
Shutterstock/JoemanjiArts, seite 4: Shutterstock/
YanLev, seite 7: Heiko Sakurai, seite 8: Europäische
Kommission, privat/Derya Nietznik
gestaltung: Doris Franke, Seeheim-Jugenheim
Druck: apm alpha print medien AG, Darmstadt
Barrierefreie PDF-Datei: Verlagsgesellschaft
Weinmann, Filderstadt