Christopher Street Day

Alltagswelten – Expertenwelten | Band 14
Christopher Street Day
Der CSD im Spannungsfeld zwischen
schwul-lesbischer Emanzipation und
kommerzieller Spaßkultur
Johannes Jakob Arens
| Christopher Street Day |
Inhalt
Vorwort der Herausgeber
1. Schwul-lesbische Kultur zwischen Emanzipation und Spaß
2. Die Stonewall Riots und der Mythos “Christopher Street“
2.1. Schwul-lesbische Emanzipation in den USA vor 1969
2.2. Die gay liberation in den USA
3. Schwul-lesbische Emanzipation in der Bundesrepublik
3.1. Der Paragraph 175
3.2. Die Schwulenbewegung
3.3. Schwul-lesbische Emanzipation zu Beginn des 21. Jahrhunderts
4. Der Kölner Christopher Street Day
4.1. Schwul-lesbisches Köln
4.2. Der Kölner Lesben- und Schwulentag Köln
4.3. Von der Demonstration zum Event
4.4. Zwischen Politik und Kommerz
5. Motivationen und Erfahrungen
6. Lokale Identität
7. Strategien gegen die Unsichtbarkeit
7.1. Hypermaskulinität
7.2. Drag Kings and Queens
7.3. Gender bending
8. Der CSD im öffentlichen Raum
9. Wem gehört der CSD?
9.1. Sponsoring
9.2. Volksfest CSD?
9.3. Gegenwelten
9.4. Rückeroberung
Interview mit Reinhard Klenke
Interview mit Elfi Scho-Antwerpes
Interview mit Volker Beck
Interview mit Tomasz Baczkowski
Literatur zum Thema
Impressum
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Christopher Street Day | Vorwort | Der CSD sei eine einzige große Party,
als politisches Signal spiele er kaum
mehr eine Rolle.
Vorwort der Herausgeber
Inzwischen reiht sich der Christopher Street Day [CSD] in vielen Städten in
die Reihe von Traditionsveranstaltungen ein, die als kulturelle Events aus
dem städtischen Leben nicht mehr wegzudenken sind. Lesben und Schwule
präsentieren sich selbstbewusst und vielfältig im öffentlichen Raum.
Sie feiern mit anderen Bürgerinnen und Bürgern in einer ausgelassenen und
solidarischen Atmosphäre.
Aber es werden auch Stimmen laut, die den CSDs vorwerfen, immer unpolitischer zu werden. „Kommerzialisierung“ ist nur ein Stichwort, das die aktuelle Diskussion bestimmt. Der
CSD sei eine einzige große Party, als politisches Signal spiele er kaum mehr eine Rolle.
Bei aller Euphorie, wie gut es Lesben und Schwule heute haben, beschleicht den einen
oder die andere ein ungutes Gefühl. Längst nicht jede/r empfindet es als selbstverständlich, im Alltag offen als Lesbe oder Schwuler zu leben. Viele fühlen sich in der Öffentlichkeit unsicher. Lesben und Schwule mit Zuwanderungsgeschichte berichten von Mehrfachdiskriminierung. Ältere Lesben und Schwule müssen ihre Emanzipation oft in einer
ignoranten Umgebung bewältigen. Auch wenn es anders scheint: Selbst Jugendliche tun
sich mit ihrem Coming Out genauso schwer wie eh und je.
Der politische Acker für ein diskriminierungsfreies Leben mag in Deutschland gut bestellt
sein. Lesbische und schwule Lebensweisen werden zumindest dann auf allen gesellschaftlichen Ebenen mitbedacht, wenn wir uns aufdrängen. Viele wissen aber nicht, wie mühsam
das ist.
Wie stark ist unsere Community, wenn es um Anfeindungen von außen geht? Wie wichtig
sind künftig jene Unentwegten unter uns, die sich auf Dauer für eine aktive Minderheitenpolitik für Lesben und Schwule einsetzen? Welche Bedeutung hat dafür der CSD in Zukunft?
Wir bedanken uns bei Johannes Jakob Arens, der diese kulturwissenschaftliche Analyse
an der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn
vorgelegt hat. Sie trägt dazu bei, dass wir uns auf die Wurzeln des CSD besinnen aber auch
verstehen, welch politisches Potential in einem modernen CSD steckt!
Alexander Popp
Schwules Netzwerk NRW
Geschäftsführer
Gabriele Bischoff LAG Lesben in NRW
Geschäftsführerin
Alltagswelten – Expertenwelten Band 14 | www.schwules-netzwerk.de
| Christopher Street Day | Zwischen Emanzipation und Spaß
1. Schwul-lesbische
Kultur zwischen
Emanzipation und Spaß
Obwohl seit 1979 in der
Bundesrepublik und seit den
frühen 1980er Jahren auch in
NRW Veranstaltungen unter
der Bezeichnung Christopher
Street Day oder Gay Pride stattfinden, gibt
es hierzulande bislang so gut wie keine
historisch-kulturwissenschaftliche Dokumentation bzw. Ana­lyse des Phänomens
CSD. Dabei ermöglicht eine konkrete und
ortsbezogene wissenschaftliche Erforschung der Paraden neben Erkenntnissen
bezüglich Brauchmustern als Indikatoren
kollektiver Identitätsbildung wichtige
Einblicke in den gesellschaftlichen Umgang
mit Minderheiten.
Die folgende Untersuchung basiert in
wesentlichen Teilen auf einer 2006 am
Volkskundlichen Seminar der Rheinischen
Friedrich Wilhelms-Universität Bonn
entstandenen Magisterarbeit. In einem
historisch-beschreibenden Teil spannt sie
den Bogen von den Stonewall Riots bis zum
gegenwärtigen weltweiten Massenphänomen Gay Pride. Nach einer Beschreibung
schwul-lesbischer Emanzipation in der
Bundesrepublik konzentriert sich die Arbeit
auf eine stellvertretende Analyse des Kölner Christopher Street Days. Anhand einer
solchen Analyse der mehr als 15-jährigen
Geschichte des Kölner CSD lassen sich
Rückschlüsse auf andere, vergleichbare
Veranstaltungen in NRW ziehen, da vie­le
Entwicklungen als exemplarisch für Probleme und Herausforderung in schwul-les­bi­
scher emanzipatorischer Öffentlichkeitsarbeit gesehen werden können.
Dabei ermöglicht eine
konkrete und ortsbezogene wissenschaftliche
Erforschung der Paraden
wichtige Einblicke in den
gesellschaftlichen Umgang
mit Minderheiten.
Christopher Street Day | Zwischen Emanzipation und Spaß | Neben den Anfängen in Form des jährlich
rotierend in einer anderen nord­rhein­west­fä­
lischen Stadt veranstalteten Gay Freedom
Days zu Beginn der 1980er Jahre wird
die Initiierung der Kölner Parade in ihrer
jetzigen Form als Gegenreaktion auf einen
zunehmenden schwulen Rückzug aus dem
öffentlichen Raum im Rahmen der AIDS-Krise beschrieben. In einem weiteren Kapitel
wird die Entwicklung des Kölner Lesben
und Schwulentags von einer kleinen politischen Demonstration hin zu einer von
internationalen Konzernen unterstützen
Großveranstaltung analysiert. Untersucht
werden darüber hinaus die Rezeption des
Kölner CSD in den Medien, die Nutzung der
Parade und der Straßenfeste als politische
und wirtschaftliche Plattform sowie interne
Pro­test­aktionen und Gegenwelten, um den
CSD im Spannungsfeld zwischen schwullesbischer Emanzipation und kommerzieller Spaßkultur zu positionieren. Dabei
werden soziale, kulturelle, politische und
wirtschaftliche Aspekte und gruppendynamische Konstruktionen und Aushandlungen
von kollektiver, überregionaler und lokaler
Identität innerhalb des Phä­nomens CSD
berücksichtigt.
Ergänzt wird der Text durch eine Reihe von
Interviews mit Organisierenden, Teilnehmenden sowie mit Politikern und Politikerinnen. Neben Gewährspersonen zum Paradebeispiel Köln kommen Organisatoren
kleinerer Veranstaltungen zu Wort und wird
der Blick über den Tellerrand am Beispiel
der Veranstaltungen in Polen gewagt.
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| Christopher Street Day | Mythos „Christopher Street“
2. Die Stonewall Riots
und der Mythos
„Christopher Street“
Die Etablierung schwul-lesbischer Paraden in Deutschland unter der Bezeichnung Christopher Street Day oder Gay Pride ist nicht nur aussagekräftig über
die Entwicklung schwul-lesbischer Emanzipation hierzulande, sondern ist
darüber hinaus als Schnittmenge der verschiedenartigen US-amerikanischen
und deutschen Kulturmuster Parade, Demonstration und Umzug zu sehen.
Ein kulturhistorischer Rückblick auf schwul-lesbische Emanzipation in den USA seit den
1950er Jahren mit den sogenannten Stonewall-Unruhen als Schlüsselmoment der Befreiungsbewegung und der anschließenden Ausformung öffentlichen Ge­denkens der Ereignisse ist daher sehr aufschlussreich.
2.1. Schwul-lesbische Emanzipation in den USA vor 1969
Die US-amerikanischen Ansätze schwul-lesbischer Emanzipation der 1950er und 1960er
Jahre waren ge­prägt von einem zunehmenden Bewusstsein gesellschaftlicher Unterdrückung und einem bewussten Willen und Mut zu deren Abschaffung. Homosoziale Erfahrungen und erste An­sätze einer Vernetzung ermutigten viele Homosexuelle nach ihrem
Militäreinsatz im Zweiten Weltkrieg, in einer der subkulturellen Gemeinschaften der
Großstädte einen Neuanfang zu wagen, anstatt in ihre bisherigen sozialen Bezugssysteme
zurückzukehren.
Durch die Forderungen der neuen Bürgerrechtsbewegungen entstandene gesellschaft­liche
Brüche und Verwerfungen ermöglichten ein bis dahin ungekanntes selbstbewusstes Auftreten. Denn auch wenn es bei den Protesten gegen Rassismus und den eskalierenden Vietnamkrieg um politische Ziele ging, blieben kulturelle und moralische Gewissheiten nicht
unberührt. In dem Maße, in dem sich die Fronten zwischen establishment und counter
culture verhärteten, nahmen auch gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Polizei und
„Radikalen“ zu. Die Lage des New Yorker Stonewall Inn und anderer schwulen Bars in einer
Straßenachse mit relativ hoher Präsenz solcher erfahrener junger Aktivisten und Aktivistinnen führten im Juni 1969 daher zu einer raschen Eskalation der Ereignisse.
Begonnen hatte die politische homosexuelle Selbstorganisation 1950 in Los Angeles mit
der Gründung der Mattachine Society. 1955 wurde mit den Daughters of Bilitis (DOB) ein
weiblich-homosexuelles Pendant gegründet. Um die politische Motivation bündeln zu
können, kam es bald zu einer engen Kooperation der Gruppen. Die verschlüsselte Namensgebungen beider Organisationen – die der Mattachine Society nach einer mittelalterli­chen
geheimen Bruderschaft und die der DOB nach den lesbischen Liebesgedichten „Chanson de Bilitis“ von Pierre Louÿs – verweisen auf deren Strategie der Emanzipation durch
Assimila­tion an ihre heteronormative Umgebung.
Während diese führenden, landesweit agierenden Verbände politische Agitation und
Selbstverteidigung als kontraproduktiv ablehnten, kam es trotzdem bereits 1960 erstmals zu gewaltsa­men Auseinandersetzungen zwischen Schwulen und der Polizei nach der
Razzia eines Lokals in San Francisco. Durch die Konkurrenz der Organisationen von Westund Ostküste und die Übernahme historisch verzerrter Darstellung in den Medien durch
nachrückende Generatio­nen konnte sich im Laufe der Jahre der alleinige Anspruch der New
Yorker Ereignisse von 1969 als Beginn der gay revolution durchsetzen. Waren 1960 die
kalifornischen Auseinander­setzungen und Proteste noch weitestgehend ungehört in einer
homophoben Um­gebung verpufft, ermöglichte gegen Ende des Jahrzehnts ein durch Forderungen und Erfolge der Bürgerrechtsbewegung sensibilisiertes gesellschaftliches Klima die
Freisetzung eines öf­fentlichen “individuellen Neins” zu staatlichen Repressionen von nicht
heterosexuellen Lebensentwürfen.
Die Erinnerungen an die Straßenschlachten zwischen Polizei und Gästen des Stonewall Inn
vom 27. bis zum 29. Juni 1969 anlässlich einer Razzia formten ein Jahr später den Anlass
zum ersten Christopher Street Liberation Day. Seit den 1970er Jahren haben sich vergleich­
bare Veranstaltungen mit unterschiedlich ausgeprägtem politischem Charakter in vielen
nord­amerikanischen, australischen, neuseeländischen und westeuropäischen Großstädten
etabliert. Fast immer werden die New Yorker Ereignisse als historischer Anlass des Protests, Geden­kens oder Feierns genannt.
Durch die Forderungen der neuen Bürgerrechtsbewegungen
entstandene gesellschaft­liche Brüche ermöglichten ein bis
dahin ungekanntes selbstbewusstes Auftreten.
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| Christopher Street Day | Mythos „Christopher Street“
Politische Forderungen
wurden plötzlich konkret
im öffentlichen Raum
präsentiert.
Die Stonewall-Riots in New York
Die in der Christopher Street gelegene, hauptsächlich von Schwulen frequentierte Bar
Stone­wall Inn hatte sich innerhalb ihres zweieinhalbjährigen Bestehens zu einer der
beliebtesten Bars des New Yorker Greenwich Village entwickelt. Obwohl die Bar laut Zeitzeugen ein heruntergekomme­nes und schmutziges Ambiente bot, verkörperte sie für viele
Besucher trotz der häufigen Razzien einen der wenigen sicheren Rückzugsorte aus dem
von staatlichen Repressalien dominierten Alltag. Während in allen New Yorker Bars der
Ausschank von Alkohol an Homosexu­elle verboten war, war hier sogar das Tanzen erlaubt.
Neben dem Protest gegen die als unver­hältnismäßig hart empfundenen, regelmäßigen Razzien und Sanktionen der Ordnungskräfte wurde durch die Ausbeutung der von Schwulen
frequentierten Lokale durch die Mafia, eine auf­geladene Stimmung als Grundlage für eine
physische Gegenwehr geschaffen.
Am 29. Juni 1969 kam es zu eine erneuten Polizeirazzia, die, entgegen der üblichen Praxis,
nicht mit den Betreibern der Bar abgesprochen war. Die Aktion richtete sich vor allem
gegen die anwesen­den, meist als Prostituierte arbeitenden männlichen crossdresser und
führte zu einem Ausbruch angestauter Frustrationen. Nachdem die Verhaftung mehrerer
solcher drag hustlers durch lautstarke Anteilnahme der Zuschauer vor dem Gebäude begleitet worden war, löste die Ankunft eines gepanzerten Transportfahrzeugs einen Stimmungsumschwung aus. Physische Gegenwehr zwang den überraschten Polizisten zu einem
zeitweiligen Rückzug und auch die angeforderte Verstärkung durch die Tactical Patrol Force
sah sich einer Phalanx singender und tanzender Drag Queens konfrontiert.
Die Stimmung des folgenden Tages wird von Zeitzeugen als ausgelassen geschildert
und nach einer weiteren Nacht von gewalttätigen Auseinandersetzun­gen machten sich
erste Verschiebungen innerhalb des noch zögerlich schwulen Bewusstseins bemerkbar.
Politische Forderungen wurden plötzlich konkret in Form von Graffitis und Plakaten oder
physisch im demonstrativen Austausch von Zärtlichkeiten zwischen Männern im öffentlichen Raum präsentiert.
2.2 Die gay liberation in den USA
Aber nicht alle politisch aktiven New Yorker Schwulen und Lesben zeigten sich zufrieden
mit dieser plötzlichen Radikalisierung. Die deutliche Präsenz von Drag Queens als denjenigen Stereotypen der schwulen Szenen, mit denen man möglichst nicht in Verbindung
gebracht werden wollte, kam erschwerend dazu. Die Leitung der New Yorker Mattachine
Society distanzierte sich daher in Form von Plakaten und Flugblättern, in denen sie zur
Ruhe und Mäßigung aufrief.
Viele bereits vor Stonewall politisch engagierte Schwule und Lesben sahen jedoch in der
plötzlichen Sensibilisierung ihrer Umgebung und einer jähen Radikalisierung der Ereig­
nisse die Chance für den Beginn einer neuen, weniger hierarchisch strukturierten Bewegung, dem Ausbau lokaler Netzwerke und einer verstärkten Kooperation von Schwulen und
Lesben. Diese Stimmung einer gay liberation materialisierte sich wenige Tage nach den
Unruhen in der Gründung der gay liberation front. Diese zeichnete sich, gemäß anarchisti­
scher Tendenzen in radikalen Teilen der Bürgerrechtsbewegung, vor allem durch ihre
lose, zellen­artige Struktur um gemeinsame Interessen und Ziele und eine führungsfreie
Versammlungs­kultur aus.
Während die bisherige Homophilenbewegung sich vor allem durch die Strategie der
Anpas­sung an heterosoziale Normen zwecks Förderung der Toleranz innerhalb einer
homophoben Gesellschaft ausgezeichnet hatte, war es das erklärte Ziel der gay liberation
front eine gay revolution durchzuführen. Diese sollte durch strukturelle Veränderungen
der Gesellschaft bessere Lebensbedingungen für nicht-heterosexuelle Lebensentwürfe
schaffen. Die Wahl anderer linksradikaler Organisationen als Partner bei der Durchführung
dieser Revolution sollte sich durch deren oftmals homophobe, frauenfeindliche und hierarchische Struktur als problematisch erweisen. Dennoch machte sich bald ein Wandel im USamerikanischen staat­lichen Umgang mit sexuellen Minderheiten bemerkbar. Abgesehen
von vielen kleineren Rechtsreformen auf lokalem und regionalem Niveau hatten bis 1977
neunzehn Bundesstaaten die Strafbarkeit homosexueller Handlungen abgeschafft oder angepasst. Die Schwulenbewe­gung zerfaserte im Laufe der 1970er Jahre jedoch weitgehend
aufgrund fehlender Grund­strukturen oder ideologischer Zerwürfnisse.
Wenn sie auch ihre radikalen Forderung und Strategien nicht über die Mitte der 1970er
Jahre hinaus zu transportieren vermochte, hatte sie jedoch eine breite Öffentlichkeit bezüglich einer Verortung schwuler und lesbischer Lebensentwürfe im amerikanischen Alltag
sensibili­siert. Die durch ihren Aktivismus ermöglichten Szenen erwiesen sich jedoch, vor
allem im schwulen Bereich, als extrem konsumorientiert, zeichneten sich durch ein großes
Interesse an der Erfahrung der eigenen Se­xualität aus und wurden erst durch die fatalen
Auswirkungen von AIDS zu Beginn der 1980er Jahre repolitisiert.
… das erklärte Ziel der gay liberation front war,
eine gay revolution durchzuführen.
Christopher Street Day | Mythos „Christopher Street“ | Alltagswelten – Expertenwelten Band 14 | www.schwules-netzwerk.de
10 | Christopher Street Day | Mythos „Christopher Street“
Der erste Christopher Street Liberation Day
Die heute vor allem in US-amerikanischen Metropolen mit einem großen, sichtbaren Anteil
schwul-lesbischer Bevölkerung wie New York oder San Francisco ausgerichteten Gay PrideParaden hatten bei ihrer Einführung 1970, ein Jahr nach den Unruhen, noch deutlich den
Charakter einer politischen Demonstration. Dieser wurde erste im Laufe der Jahre durch die
Spaßele­mente der Mainstream-Paraden überlagert.
Vor Stonewall wäre die angekündigte und organisierte Präsenz homosexueller Bürger mit
politischen Forderungen im öffentlichen Raum undenkbar gewesen. Noch 1966 verwarf
ein Mitglied der Mattachine Society auf einer Konferenz verschiedener schwuler Gruppen
offensives politisches Verhalten wie das Schwenken eines Banners als kontraproduktiven
und gesetzeswidrigen Akt.
Das im April 1965 erstmals von der East Coast Homophile Organizations (ECHO) or­
ganisierte picketing – einer strikten Vorgaben der Ordnungskräfte folgenden Demonstration – vor dem Pentagon, dem Sitz der Bürgerrechtskommission, dem Außenministerium
und dem Weißen Haus gegen die Diskriminierung Homosexueller in der US-amerikanischen
Armee gilt als die erste schwul-lesbische Demonstration im öffentlichen Raum. Da vor
al­lem der Protest vor dem Sitz des Präsidenten durch mehr als siebzig Teilnehmer und
zahlrei­che Medienvertreter ungeahnte Aufmerksamkeit erfuhr, fand die Idee eines vergleichbaren, aber regelmäßigen annual reminders am 4. Juli, dem Nationalfeiertag, großen
Anklang und bereits am 4. Juli 1965 demonstrierten 39 Personen eineinhalb Stunden lang
vor der Indepen­dence Hall in Philadelphia.
Diese regelmäßige Gedenkveranstaltung war in wesentlichen Zügen eine Idee des schwulen Bürgerrechtlers Craig Rodwell, dessen Plan eines Christopher Street Liberation Day zum
Gedenken an die Stonewall-Unruhen fünf Jahre später ebenfalls auf fruchtbaren Boden fiel.
Wie­derum lehnten Mitglieder der New Yorker Sektion der Mattachine Society eine derartige
Ak­tion als revolutionär und als Provokation erneuter Unruhen ab. Die Möglichkeit, weitere
Schwule und Lesben für eine Mitarbeit innerhalb der Bewegung zu motivieren und die Aussicht auf erhöhte öffentliche Präsenz führten schließlich wenige Monate vor der Demonstration zur offiziellen Unterstützung des Vorhabens durch die Eastern Regional Conference
of Homophile Organizations (ER­CHO). Ein Christopher Street Liberation Day Committee
wurde gegründet, obwohl die Orga­nisatoren um Rodwell eher ein grass roots project, unabhängig von kommerziellen Interessen und ideologischer Ausrichtung favorisierten.
Der erste Christopher Street Liberation Day wurde zunächst für den exakten Jahrestag der
Unruhen am Samstag den 27. Juni 1970 angesetzt, bald jedoch aus strategischen Grün­den
auf den folgenden arbeitsfreien Sonntag verlegt. Ein ursprünglich geplantes zweitägiges
Straßenfest wurde vorläufig aufgrund der von der Stadtverwaltung geforderten Kaution in
Christopher Street Day | Mythos „Christopher Street“ | 11
Vor Stonewall wäre die
angekündigte und
organisierte Präsenz
homosexueller Bürger mit
politischen Forderungen
im öffentlichen Raum
undenkbar gewesen.
Höhe von einer Million Dollar wieder fallen gelassen. Im April 1970 konzentrierten sich die
Pläne auf einen march for freedom durch Greenwich Village mit einer offen zugänglichen
Abschluss­veranstaltung im Central Park.
Die bis wenige Minuten vor Beginn des Marsches fehlende Genehmigung der Stadt­
verwaltung und die wenigen erschienenen Teilnehmer deuteten zunächst auf ein Scheitern
des Unternehmens. Obwohl die Organisatoren Übergriffe der Polizei befürchteten und den
Teilnehmern daher empfahlen, Brillen und losen Schmuck abzulegen, kam es zu keinerlei nennens­werten Zwischenfällen. Nach Angaben der Veranstalter und den anwesenden
FBI-Agenten nahmen in New York City etwa 2.000 Teilnehmer am ersten Stonewall Gedenkmarsch teil.
In Rundschreiben und Pressemitteilung waren landesweit schwul-lesbische Gruppen zu
Veranstaltung vergleichbarer Demonstrationen aufgefordert worden und sahen sich viel­
fach mit ähnlichen Vorbehalten und bürokratischen Schwierigkeiten konfrontiert. Dennoch
war die landesweite Verbreitung und Popularisierung des Phänomens der Pride-Paraden
nicht mehr aufzuhalten.
Christopher Street Days und Gay Pride Paraden weltweit
Aber nicht nur in den USA, wo 1978 in San Francisco bereits 350.000 Teilnehmende zu ver­
zeichnen waren, konnte die Strategie der geballten Präsenz im öffentlichen Raum Erfolge
verbuchen. Auch in anderen Ländern gewannen neue Diskurse von Stolz, Wehrhaftigkeit
und Sichtbarkeit Raum in der schwul-lesbischen politischen Landschaft.
London und Paris folgten bereits 1971 dem US-amerikanischen Vorbild. Der 1978 auf USamerikanischen Vorschlag etablierte International Gay Solidarity Day in Syd­ney/Australien
führte anfänglich zu zahlreichen Verhaftungen und Folgeprotesten. Er ent­wickelte sich
aber im Laufe der Jahre – ab 1981 in die australische Sommer-Saison (März) verlegt – in
deutlicher Analogie zum Karneval in New Orleans/Louisiana, zu einer lukrativen Touristenattraktion.
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Dennoch war die landesweite Verbreitung
und Popularisierung des Phänomens der
Pride-Paraden nicht mehr aufzuhalten.
12 | Christopher Street Day | Mythos „Christopher Street“
Die deutsche Schwulenbewegung griff ab 1979 die Idee des Christopher Street Days auf
und hielt, im Gegensatz zu den meisten anderen Veranstaltern, die bald den Bezeichnung
Pride vorzogen, auch an dieser Benennung fest. Im Verlauf der AIDS-Krise der schwullesbi­schen Szenen kam es zu einer erneuten Politisierung der Veranstaltungen und einer
zweiten Gründungswelle emanzipatorischer Bündnisse.
In den Niederlanden, wo eine erste Demonstration gegen die Altersschutzgrenze für homosexuelle Handlungen von 21 Jahren bereits am 21. Januar 1961 in Den Haag stattfand, wird
seit 1978 am letzten Samstag im Juni unter der Bezeichnung Roze Zaterdag zent­ral in einer
der größeren Städte des Landes demonstriert. Seit 1995 organisiert die Stiftung Gay Business Amsterdam (GBA) als Dachverband von schwulen und schwulenfreundlichen Firmen
eine „carnevalske botenparade“ durch die Prinsengracht. Dieser sogenannte Amsterdam
Pride hat nach Angaben der Organisatoren aber ausdrücklich keinen politischen oder
emanzipatorischen Hintergrund.
Seit 1992 erhält jährlich eine europäische Pride-Veranstaltung von der European Pride
Organizer‘s Association (EPOA) den Titel Europride. Nach Oslo im Jahr 2005 fand der
Europride 2006 zum zweiten Mal in London statt. Der von der International Associa­tion of
Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender Pride Coordinators (Interpride) unterstütze Worldpride fand erstmals 2000 in Rom statt. Die zweite Ausrichtung war ursprünglich für 2005 in
Jerusalem angesetzt, wurde aber aufgrund der politischen Situation mehrfach ver­schoben.
Erwähnenswert sind außerdem die in Schwellenländern vielfach an AIDS-Prävention gekoppelte Veranstaltungen wie beispielsweise die seit den späten 1990er Jahren veranstalte­ten
thailändischen Gay Pride Paraden in Bangkok, Phuket und Pattaya. In Sao Paulo/Brasilien
übertraf die Parade am 17. Juni 2006 mit 2,4 Millionen Zuschauern den Kar­neval von Rio
de Janeiro.
Seit einigen Jahren werden auch in Osteuropa Veranstaltungen wie der Pride March in
Riga/Lettland oder der „Marsch der Gleichheit“ in Warschau/Polen organisiert. Die Organisierenden stoßen dabei nicht nur auf bürokratische Hürden, sondern auch auf gewalttätige
Angriffe durch rechtsradikale und fun­damentalistische katholische und orthodoxe Gruppierungen. 2006 erhielten die Veranstaltun­gen in Moskau und Warschau und die Situation
Schwuler und Lesben in Osteuropa erhöhte mediale Aufmerksamkeit durch den Angriff auf
den Parlamentarischen Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen Volker Beck in
Moskau bzw. die Teilnahme weiterer deutscher Bundespolitiker an der Demonstration in
Warschau.
Christopher Street Day | Emanzipation in der Bundesrepublik | 13
3. Schwul-lesbische
Emanzipation in der
Bundesrepublik
Auch wenn Struktur und Ablauf heutiger schwul-lesbischer kultureller
Äußerungen in den meisten westlichen Ländern globalen, vielfach US-amerikanischen Vorlagen zu folgen schei­nen, gibt es im Rückblick markante
Unterschiede bezüglich der Emanzipationsbestrebungen und deren Erfolge im
20. Jahrhundert. Als Beispiel sei Verfolgung und Ermordung von Schwulen im
nationalsozialistischen Deutschland bei gleichzeitiger Sensibilisierung schwuler US-amerikanischer Soldaten durch erhöhte Kontakt- und Kommunikationsmöglichkeiten während
des Militärdienstes genannt.
Um den Kölner Christopher Street Day innerhalb seines gesellschaftspolitischen und kulturellen Kontexts verorten zu können, ist daher ein Blick in die Geschichte schwul-lesbi­scher
Emanzipation in der Bundesrepublik nach 1945 sinnvoll.
Die schwul-lesbische Emanzipationsbemühungen nach dem Zweiten Weltkrieg lassen sich
grob in drei Phasen unterteilen. Ein erster Abschnitt umfasst die gesell­schaftspolitische
Restauration und die damit einhergehende andauernde Verfolgung homosexueller Min­
derheiten bis zur Reform des Sexualstrafrechts im Jahr 1969. Auf die Entpönalisierung
folgte eine Phase des Abbaus von gesellschaftlichen Barrieren und Vorurteilen, die jedoch
mit dem Ausbruch von AIDS ein abruptes Ende fand. Schließlich bestimmten der Umgang
mit der Krankheit und ein parallel verlaufender Rückfall in homophobe Konzepte von Sexu­
alität Ziele und Strategien der Schwulenbewegung bis in die späten 1990er Jahre hinein.
Die mit dem Ende der Ära Kohl und der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die
Koa­lition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen einsetzenden gesellschaftlichen Reformen
und Erneuerungen fanden ihren Höhepunkt in der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes im Jahr 2002.
Alltagswelten – Expertenwelten Band 14 | www.schwules-netzwerk.de
Es sei eine der Pflichten des Staates,
gegen „ethisch besonders verwerfli­chen
und nach der allgemeinen Überzeugung
schändlichen Verhaltens“ vorzugehen,
14 | Christopher Street Day | Emanzipation in der Bundesrepublik
3.1. Der Paragraph 175
Bis in die 1930er Jahre hinein ermöglichte eine meist liberale Auslegung des Sexualstraf­
rechts sowie eine immer leichter zu erlangende ökonomische Unabhängigkeit junger
Men­schen – Voraussetzung für eine Emanzipation aus traditionellen familiären Strukturen
– eine gewisse Ausdifferenzierung schwul-lesbischer Lebensentwürfe. Verfolgung und
Ermordung sexueller Minderheiten im nationalsozialistischen Deutschland bereiteten der
ersten Selbstorganisation in Vereinen, wissenschaftlichen Komitees und Freundschaftsbünden bereits im Jahr der sogenannten Machtergreifung ein schnelles Ende. Auch wenn
unmittelbar nach dem Ende des Krieges im Mai 1945 eine Entschädigung oder gar Anerkennung als Op­fer des faschistischen Terrors noch lange nicht in Sicht war, schienen bisherige Rollenvertei­lung und Leitbilder durch die kriegsbedingte Zerschlagung der sozialen
Strukturen zunächst in Frage gestellt. Mit den bald einsetzenden gesellschaftspolitischen
Restaurationsbemühun­gen der Adenauer-Ära und der Beibehaltung einer verschärften Straf­
verfolgung auch nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Diktatur erwies
sich diese libertinäre Nachkriegsphase jedoch als Seifenblase.
In der neu gegründeten Bundesrepublik galten deviante, nicht den männlich-heterose­
xuellen Normen entsprechende Lebensentwürfe wiederum als konkrete Gefahr für die
Gesell­schaft. Im Unterschied zu nationalsozialistischen Lösungsansätzen des „Problems
Homosexu­alität“ verschob sich der Fokus von einer Bekämpfung der Vererbung auf die
Bekämpfung der Verführung. Die Intensität der Wut hingegen hatte sich jedoch kaum verändert. Bis in die 1970er Jahre blieb, neben der unausgesproche­nen Angst vor der Gefährdung der patriarchalischen Herrschaftsstruktur, vor allem der Jugendschutz die gängigste
Begründung für die durchgängige Verfolgung ho­mosexueller Handlungen.
Für homosexuelle Männer boten vor allem Orte anonymer sexueller Handlungen wie
öffentliche Toiletten (sogenannten Klappen) oder Kinos ein Ventil für ihre sexuellem Bedürfnisse, während die unmittelbar nach dem Krieg entstehende homosexuelle Kneipenszene hin und wieder auch Frauen die Möglichkeit für soziale Kontakte bot. Die Angst vor
straf­rechtlicher Verfolgung, religiöser Stigmatisierung oder gesellschaftlichen Sanktionen
war an ein extrem negatives Selbstbild gekop­pelt und führte vielfach zu Eheschließungen
und Fa­miliengründungen und somit zu einem Identität und Integrität schwer belastenden
Doppelle­ben. Die meisten Homosexuellen zogen sich daher in die häusliche Privatsphäre
zurück.
Christopher Street Day | Emanzipation in der Bundesrepublik | 15
Nationalsozialistisches Erbe
Die Übernahme des durch die Nationalsozialisten nach der Machtergreifung verschärften §
175 ab 1949 ist insofern mehr als nur strafrechtlich aufschlussreich, da sich anhand des
Um­gangs einer Gesellschaft mit ihrem Sexualstrafrecht Rückschlüsse über vorherrschende
Ideo­logien ziehen lassen. Der Status von Minderheiten ist dabei an das demokratische
Bewusstsein der Bevölkerung gebunden.
Während die DDR 1950 in einer Strafrechtsreform den ursprünglichen § 175 des Strafgesetzbuchs aus dem Jahr 1871, welcher „beischlafähnliche Handlungen“ als Vorausset­zung
für eine Verurteilung voraussetzte, wiedereinführte, griff das bundesrepublikanische Strafrecht ab 1949 auf die verschärfte Version aus dem Jahre 1933 und somit auf den Tatbe­
stand der „wollüstigen Absicht“ zurück. Die im Nationalsozialismus begonnene verschärfte
Verfolgung Homosexueller endete in der Bundesrepublik rechtlich erst 1969 mit der
Entpö­nalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen bzw. 1994 mit der endgültigen Streichung des Paragraphen. Faktisch aber blieb sie für die meisten traumatisierten
Opfer, durch die vollständige Tabuisie­rung des erlittenen Unrechts bis an ihr Lebensende
erhalten.
Reformatorische Bestrebungen bezüglich des Sexualstrafrechts blieben in den 1950er
Jahren zunächst erfolglos, waren die Sozialstrukturen der Vorkriegszeit in Form einer ideali­
sierten, patriarchalisch dominierten Familie doch erfolgreich restauriert worden. Außer­dem
kam es zusätzlich zu einer Funktionalisierung von homophoben Stereotypen und Kli­schees
innerhalb der ideologischen Auseinandersetzungen des Kalten Kriegs. Nicht nur in den
USA wurden linksverdächtige Intellektuelle und Politiker durch den Vorwurf der Homo­
sexualität ausgeschaltet, sondern auch in der Bundesrepublik wurde der kriminelle Aspekt
einer staatlichen Stigmatisierung um eine politisch-patriotische Komponente erweitert.
Klagen gegen den verschärften Paragrafen wurden von allen Instanzen abgelehnt. Der
Bun­desgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht entschieden 1951/52 bzw. 1957,
dass es sich bei der Beibehaltung nicht um die Übernahme nationalsozialistischer Rechtsauffassungen handele. Sie begründeten dies mit der erneuten Definition Homosexueller
als Kriminelle und soziale Gefahr. Es sei eine der Pflichten des Staates, gegen „ethisch
besonders verwerfli­chen und nach der allgemeinen Überzeugung schändlichen Verhaltens“
vorzugehen, auch wenn kein bestimmtes Rechtsgut verletzt werde.
Die Reformen des Sexualstrafrechts
Der mit der Formierung der Studentenbewegung einhergehende gesellschaftsklimatische
Wandel und die Beteiligung der Sozialdemokraten an der Großen Koalition ab 1966 führten
1969 zu einer Liberalisierung des Sexualstrafrechts unter der Federführung des SPD-Bun­
desjustizministers und späteren Bundespräsidenten Gustav Heinemann. Im Mai 1969
stimmte der Deutsche Bundestag der Aufhebung der grundsätzlichen Bestrafung homosexueller Handlungen und der Einführung einer Schutzaltersgrenze von 21 Jahren zu. Im Juni
1973 wurde letztere auf 18 Jahre gesenkt und lag somit bis zur endgültigen Abschaffung
des § 175 im Zuge eines Rechtsabgleichs mit den Ländern der ehemaligen DDR im Jahre
1994 weiterhin um zwei Jahre höher als die entsprechende Grenze für heterosexuelle
Handlungen.
Wenn ab 1969 homosexuelle Handlungen nicht mehr strafbar waren, bedeutete dies
keinesfalls das Ende gesellschaftlicher Diskriminierungen. Die einsetzende Solidarisierung Schwuler und Lesben im privaten Bereich wurde misstrauisch beäugt und weiterhin
vielfach als gefährliche Unterwanderung der heteronormativen Gesellschaft interpretiert
und sanktioniert. Dennoch war die Entpönalisierung gleichgeschlechtlicher Sexualität eine
wich­tige Voraussetzung für eine von Schwulen und Lesben getragene weitreichende Eman­
zipation.
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16 | Christopher Street Day | Emanzipation in der Bundesrepublik
3.2. Die Schwulenbewegung
Die Umsetzung schwul-lesbischer Lebensentwürfe in der Bundesrepublik blieb zu großen
Teilen nach 1969 weiterhin von der Tolerierung der sie umgebenden Gesellschaft abhängig. Möglichkeiten zur Selbstartikulation und Selbstbestim­mung wurden erst mit der
Studentenbewegung geschaffen. Mit der Durchset­zung neuer Lebensentwürfe wie der Ehe
ohne Trauschein, Wohngemeinschaften oder einem ge­wählten Single-Dasein erfuhr auch
die Machbarkeit homosozialer Lebensentwürfe eine neue Dimension. Die parallel einsetzende „sexuelle Revolution“ führte zu Lockerungen in sexual­moralischen Vorstellungen,
was einer erheblichen Beschränkung des kirchlichen Einflus­ses gleichkam. Die Umkehrung
der gesellschaftlichen Prüderie der Nachkriegsjahre in eine frivole Lust am Körperlichen
blieb jedoch weiterhin der gesellschaftlichen Norm ent­sprechenden Heterosexualität vorbehalten. Dennoch hatten die Forderungen der Studenten verknöcherte gesellschaftliche
Strukturen nachhaltig verändert und ermöglichten die ge­wünschte Selbstorganisation des
eigenen Lebens, durch alle gesellschaftlichen Schichten und für Minderheiten.
Aus Mangel an Vorbildern übernahmen die frühen schwulenemanzipatorischen Grup­pen
vielfach das gesellschaftspolitische Bild der linken Studentenbewegung und betrachteten
homophobe Repression als eine Sonderform der allgemeinen Unterdrückung. Führende Gruppen wie beispielsweise die 1971 gegründete Homosexuelle Aktion Westberlin
(HAW) hatten dabei das Ziel einer Integration schwul-lesbischer Aktionsbündnisse in die
Organisati­onen der Linken vor Augen. Aus den Bemühungen, die eigene Sexualität nicht
zum alleini­gen Fokus des politischen Bewusstseins zu machen, entwickelten sie den
Anspruch, dass ihre Mitglieder sich möglichst auch in anderen, nicht-schwulen, linkspolitischen Organisationen engagieren sollten. Mit der Parole „Die Unterdrückung der (Homo-)
Sexualität ist nur ein Spezialfall der allgemeinen Unterdrückung“ reihte sich 1972 erstmals
eine Gruppe von etwas 200 Schwulen und Lesben in eine Mai-Demonstration in WestBerlin ein. Die politische Studentenbewegung jedoch, vielfach männlich-patriarchalisch
strukturiert, verstand ihre Hauptaufgabe in der Abschaffung des herrschenden Systems
und nicht in der Befreiung von Homosexuellen oder anderen Minderheiten. Ihre nichtschwulen Aktivisten betrachteten die Umsetzung andersartiger Lebensentwürfe eher als
ein nebensächliches Schlachtfeld, welches nach der angestrebten Revolution von alleine
zur Ruhe kommen würde.
„Die Unterdrückung der (Homo-) Sexualität ist nur
ein Spezialfall der allgemeinen Unterdrückung“
Christopher Street Day | Emanzipation in der Bundesrepublik | 17
Zur zentralen Strategie schwul-lesbischer
Emanzipation wurde das Öffentlichmachen
der eigenen Sexualität.
Nach dem Auftritt mehrerer männlicher Teilnehmer in Frauenkleidung auf der Abschlussdemonstration des Pfingstreffens der HAW kam es zu heftigen Auseinandersetzungen
zwischen den sich selbst als „Tunten“ bezeichnenden Aktivisten und orthodoxem Marxisten, die eine Abschreckung der „revolutionären Klasse“ der Arbeiterschaft und damit
eine Gefährdung der gemeinsamen politischen Ziele durch derart provokantes Verhalten
voraussagten.
Rosa von Praunheims Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situa­tion,
in der er lebt“ zählt neben den Stonewall-Ereignissen zu den entscheidenden Schlüssel­
momenten einer eigenständigen Schwulenbewegung in der Bundesrepublik. Nachdem der
Film, dessen Regisseur nach eigenen Aussagen erst ein Jahre später von den Stonewall-Unruhen und den Forderungen der neuen Schwulenbewegung erfuhr, bei seiner Uraufführung
im August 1971 in Berlin zu engagierten Diskussionen im überwiegend homosexuellen
Publikum ge­führt hatte, stimulierte er in vielen anderen Städten der Republik die Gründung
emanzipati­onspolitischer Gruppen. Praunheims Film, der in überzogener Weise Mechanismen ange­passten schwulen Alltags in homophober Umgebung nachzeichnet, wollte bewusst auch die schwulen Szenen provozieren und aufzeigen, dass Veränderung nur durch
Selbstverteidigung der Betroffenen möglich sei.
Vielfach bestimmten nun, nach US-amerikanischem Vorbild der gay liberation front, nicht
wie bislang Integration und Assimilation, sondern Rebellion in Form von schwuler Prä­senz
im öffentlichen Raum und der Konfrontation mit einer homophoben, heteronormativen Gesellschaft das politisches Programm der meist in Hochschulnähe angesiedelten Gruppen.
Das Tabu der Nicht-Besprechbarkeit der Homosexualität wurde bewusst gebrochen. Hatten
die Aktivisten der 1920er und 1950er Jahre sich schamhaft als „homophil“ bezeichnet,
kenn­zeichnete sich die programmatische Abkehr von bürgerlichen Normen nun durch den
Gebrauch der Wörter „homosexuell“ oder „schwul“. Die aus Angst vor Strafe, Stigmatisie­
rung und Sanktionen entstandene Strategie, schwulen Stolz, Promiskuität und als deviant
be­trachtete Sexualpraktiken vor der Öffentlichkeit zu verbergen, wurde von den studentischen Emanzipationsgruppen abgelehnt. So folgten Städte wie Berlin, Hamburg und Köln
bezüglich der Namensgebung der sich formierenden Gruppen dem Beispiel der ersten,
Ende 1970 in Bochum gegründeten, studentischen Selbsthilfegruppe der Homosexuelle[n]
Aktionsgruppe Bochum (HAB).
Zur zentralen Strategie schwul-lesbischer Emanzipation wurde das Öffentlichmachen der
eigenen schwulen und später lesbischen Sexualität. Gesellschaftliche Veränderung war
nach Meinung der Aktivisten nur durch eine massive Konfrontation der heterosexuell be­
stimmten Umwelt mit Vertretern schwuler Gegenentwürfe möglich. Diese Strategie fand einen ihrer ersten medialen Höhepunkte im Selbst-Outing etlicher Schwuler auf der Titelseite
des Magazins Stern im Oktober 1978. 1991 bekam sie durch ein ohne das Einverständnis
der Betroffenen durchgeführtes Outing verschiedener Personen des öffentlichen Interesses
in einer Sendung eines Privatsenders eine neue mediale Dimension.
1972 lud die Homosexuelle Studentengruppe Münster (HSM) die etwa 50 in der Bun­
desrepublik existierenden Schwulengruppen zu einem Treffen zwecks Gründung eines
Dach­verbandes ein. Die erste bundesweite Initiative dieses Dachverbands Deutsche
Aktionsgemein­schaft Homosexualität (DAH) stellte die 1973 organisierte Aktion zur endgül­
tigen Abschaffung des § 175 dar, die neben einer Unterschriftenaktion zeitgleich mit den
parlamentarischen Beratungen abgehaltene Aktionstage umfasste.
Weitere Schritte schwuler Selbstorganisation folgten in Berlin mit der Gründung des ersten
schwulen Verlags (1975), der Eröffnung eines schwulen Buchladens (1978), eines schwulen Cafés (1977) und schließlich der Gründung des ersten deutschen Hochschulschwu­
lenreferats (1979).
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18 | Christopher Street Day | Emanzipation in der Bundesrepublik
„Schwuler Stolz“ in Deutschland
1979 kam es auch in der Bundesrepublik zu ersten Umzügen und Straßenfesten nach USame­rikanischem Vorbild. In Frankfurt am Main veranstaltete die Nationale Arbeitsgruppe
Repres­sion gegen Schwule (NARGS) das einwöchige Festival „Homolulu“, bestehend aus
Informa­tionsveranstaltungen, Kursen, Partys und einer sogar in der Tagesschau erwähnten
Ab­schlusskundgebung. Die im selben Jahr in Berlin und Bremen veranstalteten Paraden
stie­ßen ebenfalls vor allem in den schwulen Szenen auf ein reges Interesse. Diesem Bei­
spiel folgten bald Hamburg (1979) und München (1980). In einer zweiten Welle traten ab
den 1990er Jahren weitere Großstädte wie Köln, Hannover und Stuttgart, in Kooperationen
zusammengefasste Regionen wie beispielsweise der CSD Nord Kooperation, um auch
kleine­ren Szenen eigene Veranstaltung zu ermöglichen, sowie in den neuen Bundesländern gelegene Städte wie Dresden, Erfurt, Leipzig und Magdeburg auf den Plan.
Während Christopher Street Day Paraden und Straßenfeste nach US-amerikanischem
Vorbild sich ab 1979 also rasch zu einem erfolgreichen kulturellen Handlungsmuster entwi­
ckelten, veränderte sich der politische Charakter der Emanzipationsbewegung. Erste Anzei­
chen einer politischen Professionalisierung sowie generationsbedingte Konflikte begannen
sich bereits Ende der 1970er abzuzeichnen.
Die AIDS-Krise
Mit der Verbreitung von AIDS erlebten die schwulen Szenen zu Beginn der 1980er Jahre, ob nun politisch engagiert oder nicht, den heftigsten Umbruch seit der Reform des
Sexualstrafrechts. Einer Durchdringung sämtlicher sozialer Strukturen mit der Präsenz der
Krankheit schweißte schwule Identität und AIDS nahezu untrennbar zusammen. Im Gegensatz zu den USA, in denen der Ausbruch der Krankheit durch eine starke Gettoisierung
und andauernde staatliche Repression zu sozialer Verelendung ganzer Szenen führte, fand
in der Bundesrepublik der befürchtete gesellschaftliche Rückschritt in weit geringerem
Ausmaß statt. Aber auch wenn einhergehend mit der medialen Berichterstattung über AIDS
die Öffentlichkeit in einem bis­lang unbekannten Maße über kulturelle Aspekte schwul-lesbischer Lebensentwürfe informiert wurde, lebten durch eine scheinbare Beschränkung der
Krankheit auf Schwule, Prostituierte und Drogensüchtige alte Vorurteile wieder auf. Neben
einer dramatischen Desintegration schwulen sozialen Lebens, einem erneuten Rückzugs
ins Private und einem regelrechten Kneipen- und Diskothekensterben verursachte AIDS
zwangsläufig auch die Ausbildung einer vor­bildlichen schwul-lesbischen Infrastruktur
in Form von Krankenbetreuung, allgemeiner Ge­sundheitsvorsorge und Präventions­maß­
nahmen.
Generationswechsel und Kommerzialisierung
Verknöcherte Strukturen der „69er-Aktivisten“ in Form von immer länger werdenden
Kundge­bungen politischer Inhalte, die für jüngere Schwule und Lesben aufgrund des veränderten gesellschaftlichen Kontextes nur noch schwer nachvollziehen waren, sahen sich
plötzlich mit dem Auf­kommen interessengeleiteter Freizeitangebote wie Sportvereinen und
einer zunehmenden Ausdifferenzierung der schwul-lesbischen Kneipenszenen zu Beginn
der 1990er Jahre kontrastiert. Der Anteil politisch bewusster und engagierter Aktivisten
verkleinerte sich zusehends und immer mehr Schwule und Lesben distanzierten sich von
derart radikaler Gesellschaftskritik. Die so entstandene Spaltung der Szene in einen politischen und einen freizeitorientierten Teil führte rasch zu ei­ner Versandung der Aktionskraft
der verschiedenen Gruppen.
Während die zunehmende Entpolitisierung und Kommerzialisierung der schwul-lesbischen
Szenen von eher älteren Aktivisten als Verrat an den einstigen Zielen aufgefasst wird, sind
es vor allem jüngere, nach der gay liberation und der AIDS-Krise in gleichgeschlechtliche
Netzwerke sozialisierte Schwule und Lesben, die die gegenwärtige Emanzipationsbewegung bestimmen. Ihre nicht mehr zwingend dem äußerst linken politischem Spektrum
zuzuord­nenden Auffassung äußert sich beispielsweise in der von internationalen Sponsoren unterstützten und von einer breiten heterosexuellen Masse wohlwollend rezipierten
schwul-lesbischen Präsenz in Form eventi­sierter Gay Pride-Paraden.
Christopher Street Day | Emanzipation in der Bundesrepublik | 19
Die politische Motivierung, für die
eigenen Belange einzustehen, wird
von Verbänden und Vereinen zunehmend als mühselig empfunden.
3.3 Schwul-lesbische Emanzipation zu Beginn des
21. Jahrhunderts
Die eingangs genannte Periodisierung schwul-lesbischer Emanzipation in der Bundesrepublik verlief im Wesentlichen parallel mit den politischen Verhältnissen des Landes. Sie
ist grob einteilbar in die Legislaturperioden unter den jeweiligen Bundeskanzlern Konrad
Adenauer, Ludwig Erhard und Kurt-Georg Kiesinger, Willy Brandt und Helmut Schmidt,
sowie Helmut Kohl.
Mit dem Wegfall des § 175 im Rahmen eines Rechtsabgleichs mit den neuen Bundes­
ländern 1994 hatte die schwul-lesbische Emanzipationsbewegung formal eines ihrer wich­
tigsten Ziele erreicht. Nach der Wahl Gerhard Schröders 1998 zum Bundeskanzler waren,
unter anderem durch die Beteilung von Bündnis 90/Die Grünen an der Regierungskoalition, weitere Reform- und Gleichberechtigungsbestrebungen bezüglich nicht-heterosexueller
Le­bensentwürfe zu verzeichnen. Nachdem 2001 mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz eine
teil­weise Anerkennung nicht-heterosexueller Lebensgemeinschaften in den Augen vieler
Schwulen und Lesben ein weiteres Tabu gefallen ist, scheinen Themen wie die anhaltende
Bedrohung durch AIDS, das Anti-Diskriminierungsgesetz oder homophob motivierte Gewalt
kaum noch Interesse hervorzurufen. Die politische Motivierung, für die eigenen Belange
einzustehen, wird von Verbänden und Vereinen zunehmend als mühselig empfunden.
Mit der Großen Koalition seit 2005 und den wertkonservativen Bestrebungen der CDU
auf Bundesebene ist, einhergehend mit politi­schen Veränderungen auf der Landesebene
wie beispielsweise der neuen CDU/FDP-Regie­rung in Nordrheinwestfalen seit 2005, eine
erneute Politisierung der schwul-lesbischen Bewegung zu konstatieren. Diese richtet sich
zum einen auf drohende Rückschritte in Deutschland selbst, zum anderen auf eklatante
Menschenrechtsverletzungen in Osteuropa.
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20 | Christopher Street Day | Der Kölner Christopher Street Day
4. Der Kölner
Christopher Street Day
4.1 Schwul-lesbisches Köln
„lange Tradition der
weltoffenen Toleranz“
In seinem Grußwort für den schwul-lesbischen Szenenführers „Out in Cologne“ von 2005 beschwört Ober­bürgermeister Fritz Schramma Kölns „lange
Tradition der weltoffenen Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Anderslebenden“. Aber auch wenn lokale Politiker sich gerne mit dem Ruf der Stadt als Zentrum
der lesbisch-schwulen Szene brüsten, zeigt ein Blick in die jüngere Geschichte Kölns, dass
von einer breit getragenen Akzeptanz schwul-lesbischer Lebensformen keine Rede sein
kann, und tolerante Haltungen an die Entdeckung von Schwulen und Lesben als wirtschaftlichem und wahlpolitischem Potential in den 1990er Jahren gekoppelt sind.
Schwule und Lesben sind mittlerweile nicht nur zu einer politischen Größe geworden, son­
dern auch ihre wirtschaftliche Stärke wird von städtischer Seite nicht außer Acht gelassen.
Veranstaltungen wie der CSD 2006 mit geschätzten 600.000 Zuschauern und Zuschauerinnen oder den für 2010 angesetzten Gay Games haben sich zu einem wichtigen ökono­
mischen Potential für Köln entwickelt.
Nach 1969 ist zunächst
lediglich eine Duldung
unter der Voraussetzung
der Unsicht­barkeit zu
konstatieren.
Christopher Street Day | Der Kölner Christopher Street Day | 21
Homophobie in Köln nach 1945
Bald nach Kriegsende wurde die alljährliche Inszenierung scheinba­rer öffentlicher Toleranz
in Form des Karnevals unter Mottos wie „Leben und leben lassen“ oder „Jeder Jeck ist
anders“ wieder aufgenommen. Obwohl sie gegenwärtig vielfach als eine der Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Integration nicht-heterosexueller Lebensentwürfe in
die kulturelle Landschaft Kölns gesehen wird, änderten sich die Alltagsbedingungen von
Schwulen und Lesben erst nach der Reform des Sexualstrafrechts 1969.
Bis 1969 war es vor allem die Strafverfolgung möglicher homosozialer oder homoerotischer Handlungen im öffentlichen Raum durch die Ordnungsbehörden, die den homosexuellen Alltag be­stimmte.
Doch auch wenn sich bereits in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre, durch den von der Studentenbewegung ausgelösten Wandel auch unter Homosexuellen eine Aufbruchsstimmung
breitmachte, wurde erst mit der Straffreiheit die Möglichkeit für eine selbstbewusste und
selbstbestimmte Präsenz im öffentlichen Raum geschaffen. Vor allem jüngere Schwule und
Lesben, die die Bedrohung des Nationalsozialismus und die anhaltenden Repressalien der
frühen Bundesrepublik nur indirekt kennen gelernt hatten, legten hierbei ein bislang unge­
kanntes Selbstbewusstsein an den Tag.
Nach 1969 ist zunächst lediglich eine Duldung unter der Voraussetzung der Unsicht­barkeit
zu konstatieren. Als Beispiele sind die Mietkündigungen des von der Kölner gay liberation
front e. V. (glf) ab 1974 unterhaltenen schwulen Zentrums zu nennen. Diese ergingen 1976
wegen des offenen Transports eines Transparents durch den Hausflur sowie 1979 aufgrund
der Präsenz von Veranstaltungs­plakaten in einem ehemaligen Schaufenster der gemieteten
Räume. Ein weiteres Beispiel ist die späte Abschaffung der von der Bahnpolizei angelegten
sogenannten „rosa Listen“. Diese dienten der Erfassung der um den Bahnhof als Anlauf­
stelle männlicher Prostituierter aufgegriffenen Homosexuellen und wurden ersten 1988
eingestellt.
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22 | Christopher Street Day | Der Kölner Christopher Street Day
Schwul-lesbische Szenen in Köln
Auch in Köln kam es durch den Film von Rosa von Praunheim zu ersten schwulenpolitischen Formationsbemühungen. Die Programmkonferenz der ARD beschloss im Januar
1972, den im Auftrag des WDR produzierten Film nicht bundesweit auszustrahlen. Der
Westdeutsche Rundfunk zeigte daraufhin den Film am 31. Januar mit einer anschließenden
Live-Diskussion im dritten Programm.
Auf eine Anzeige im Kölner Stadtanzeiger hin kamen in einer Privatwohnung mehrere
poli­tisch motivierte schwule Männer zusammen und diskutierten die Gründung einer
emanzipato­rischen Organisation. Anlässlich einer Filmvorführung von „Nicht der Homosexuelle ist per­vers, sondern die Situation in der er lebt“ verteilten die Aktivisten in der
Ehrenstraße Flug­blätter mit der Einladung zu einem Informationsabend in der Evangelischen Studentenge­meinde. Nach grundsätzlichen Diskussionen um Zielrichtung und
Organisationsform wurde Anfang 1972 die gay liberation front e. V. (glf) gegründet. Diese
unterschied sich jedoch von ihrem amerikanischen Vorbild durch den Verzicht auf die
Forderung von gesellschaftspolitischer Veränderung als Voraussetzung für die Emanzipation von Schwulen. Daher spaltete sich bald die Homosexuelle Aktion Köln (HAK), später
Schwule Aktion Köln (SAK) ab.
Zwei Jahre später wurde der glf als erster Schwulenorganisation in Deutschland ein gemeinnütziger Status zuerkannt. 1974 eröffnete der Verein ein kleines Zent­rum und gründete das „glf-Sozialwerk“ als Informations- und Beratungsstelle. Ende 1975 organisierten die
Mitglieder eine erste Demonstration mit einem Informationstisch auf der Schilder­gasse und
einem Transparent mit der Aufschrift „Homosexuelle gehen auf die Straße“. 1976 kam es
innerhalb der Gruppe zu ersten Auseinandersetzungen bezüglich der politischen Ausrich­
tung, da das Programm des Vereins mittlerweile neben politischen Aktionen und Beratung
auch umfangreiche Angebote zur Freizeitgestaltung umfasste. Im selben Jahr wurden diese
Angebote zugunsten emanzipationspolitischer Arbeitsgruppen vermindert und erstmals
etab­lierte sich eine Lesbengruppe innerhalb des Vereins. Nachdem 1984 deutlich geworden war, dass trotz aller Bemühungen ein politisch motiviertes Zentrum nicht weiter aufrecht zu halten war, gründen die glf und elf der damals 16 Lesben- und Schwulengruppen
die Emanzipation e. V. als Trägerverein für ein leistungsfähiges, gemeinsames Zentrum,
welches im März 1985 als Schwulen- und Lesbenzentrum (SCHuLZ) eröffnet wurde. Doch
auch die rund 400 Quadrat­meter Nutzfläche einer ehemaligen Tanzschule erwiesen sich
bald aufgrund der hohen Besu­cherzahlen als nicht ausreichend. 1994 wurde das SCHuLZ
als Europas größtes Schwulen- und Lesbenzentrum in einer umgebauten Brauerei wiedereröffnet. Das SCHuLZ stellte eine um­fangreiche Infrastruktur für Kölner schwul-lesbische
Vereine in Form von Infothek, Biblio­thek, diversen Veranstaltungsräumen und Gastronomie
Christopher Street Day | Der Kölner Christopher Street Day | 23
War das Tanzen zweier männlicher
Partner grundsätzlich verboten, so
galt im Karneval eine Ausnahme, …
zur Verfügung. Nach neun Jahren regen Betriebs beschloss im Juni 2003 eine außerordentliche Mitgliederversammlung auf­grund von Pachtproblemen in der Gastronomie und
zunehmenden Lärmbelästigungsklagen die Schließung des SCHuLZ und die Auflösung der
Betreiberorganisation Emanzipation e. V.
Vor der Eröffnung unabhängiger schwul-lesbischer Einrichtungen wie dem SCHuLZ war es
vor allem die zunehmende Selbstorganisation der von Schwulen und Lesben frequentierten
Lokale und Gaststätten, die die Bildung von eigenen Netzwerken begünstigten. Eine gern
in Anspruch genommene Ausnahme heterosexueller Normen stellte der Karneval dar, da
er paradoxerweise das in schwulen Kneipen geltende Tanzverbot umging. War das Tanzen
zweier männlicher Partner grundsätzlich verboten, so galt im Karneval eine Ausnahme,
sobald einer der beiden Männer Frauenkleider trug. Eine frühe Querverbin­dung, die in den
1990er Jahren den Ausbau des schwul-lesbischen Karnevals erheblich be­günstigen und
sich auch bei der Gestaltung der CSD-Paraden als wichtig erweisen würde.
Während für einen Großteil der älteren Schwulen die Anpassung an geltende äußerli­che
Normen ein wichtiges Verhaltensmuster blieb und dem Auftreten in der bürgerlichen Uni­
form in Form von Anzug und Krawatte eine gewisse Schutzfunktion zukam, entwickelte sich
ab Ende der 1960er Jahre eine durch den sexuellen Fetisch Lederkleidung konstituierte
Teil­szene. Ihre Mitglieder schufen neben einer eigenen Infrastruktur in Form von Vereinen
und bald auch eigenen Kneipen vor allem ein unabhängiges System von Werten, Normen
und Zeichen. Sie versuchten nicht den geltenden bürgerlichen Vorgaben zu entsprechen,
sondern verkehrten die für Homosexuelle vorgegebene Rolle der effeminierten Tunte in
eine Darstel­lung extremer Maskulinität in Form des zweiten „Hautpanzers“ Ledermontur.
Zunächst von den meist heterosexuellen Wirten der Schwulenlokale nur bedingt geduldet, bildeten sie spä­ter das Grundfundament für unabhängige, selbstbestimmte schwule
Kneipenszenen und kam ihnen für Köln eine entscheidende Rolle bei der Etablierung des
Christopher Street Days zu Beginn der 1990er Jahre zu. Erstmals nach dem Krieg kam es,
abseits von politischen Querverbindungen innerhalb dieser Lederszene zu Kontaktaufnahme und Austausch mit Gleichgesinnten im In- und Ausland. Köln entwickelte sich zu einem
Zentrum der europäischen schwulen Lederszene und das innerhalb dieser Gemeinschaft
ge­knüpfte soziale Netz erwies sich auch während der AIDS-Krise als weitaus engmaschiger
als das der meisten anderen schwulen Gruppierungen.
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24 | Christopher Street Day | Der Kölner Christopher Street Day
Die AIDS-Krise
Für die schwulen Szenen Kölns bedeutete die Ausbreitung von AIDS nicht nur den Tod eines
beträchtlichen Teils ihrer Mitglieder, sondern auch den Zusammenbruch vieler sozialer
Netz­werke. Sehr bald wurde deutlich, dass das SCHuLZ als schwul-lesbische Beratungsstelle dem Ansturm Hilfesuchender nicht mehr gewachsen war, und ab 1985 bemühte
man sich um den Aufbau einer entsprechenden Hilfsorganisation. Diese trennte sich 1986
als AIDS-Hilfe Köln auch räumlich vom Schwulen- und Lesbenzentrum. Die studentischen
Strukturen der szeneeigenen Vereine und Gemeinschaften traten durch diese zwangsläufige Professionalisie­rung langsam in den Hintergrund. Die Revitalisierung der überwunden
geglaubte Koppelung von sexuellem Begehren an Krankheit und Tod führten zu einem
Bruch im mühsam erworbe­nen Selbstvertrauen. Um dieser pessimistischen Grundstimmung, einem deutlichen Rückzug in die Privatsphäre und der damit einhergehenden
umfangreichen Schließung der Kölner Sze­nenkneipen ein positives Moment der Identifikation entgegenzusetzen, beschloss eine Koopera­tion verschiedener Gruppen und Einzelpersonen aus der Schwulen- und Lesbenbe­wegung sowie der AIDS-Arbeit die Initiierung des
Kölner Lesben- und Schwulentags in Form einer Parade.
Der Gay Freedom Day
Auch wenn sich der Kölner Christopher Street Day in seiner heutigen Form erst ab 1991
etablierte, fand in den 1980er Jahren mehrmals der sogenannte Gay Freedom Day in Köln
statt. Diese Aktionstage wurden jedes Jahr in einer anderen nordrhein-west­fälischen Stadt
vom Bundesverband Homosexualität und der AIDS-Hilfe veranstaltetet. Außer vielfach
ungenauen oder falschen Informationen auf privaten Websites oder den Portalen schwullesbischer Organisationen sind hierzu jedoch kaum mehr Fakten zu ermitteln.
Der zweite Gay Freedom Day in Köln am 29. und 30. Juni 1984 unter dem Motto „Lasst die
Wende wackeln“ umfasste einen Floh- und Hobbymarkt, ein Diskussionsforum zu Zielen
der Schwulen- und Lesbenbewegung, einen Informationstisch in der Schildergasse sowie
einen Demonstrationszug vom Neumarkt zum Alter Markt. Nach einer Abschlusskundge­
bung mit Ansprachen und dem Auftritt eines schwulen Männercho­res auf dem Alter Markt
wurde der Tag mit einem gemeinsamen Picknick am Aachener Weiher und der im Bürgerzentrum Stollwerck veranstalteten „Gay-Freedom-Fete“ abgeschlossen.
Über den Gay Freedom Day von 1987 berichtete der Kölner Stadtanzeiger von etwa „700
homosexuellen Frauen und Männern“, die auf dem Kölner Heinrich-Böll-Platz parallel mit
dem durch die Kölner glf organisierten neunten Weltkongress der Inter­national Lesbian and
Gay Association (ILGA) gegen gesellschaftliche Diskriminierung de­monstrierten.
Die letzte, vor der Etablierung eines selbstständigen Kölner Lesben- und Schwulenta­ges,
unter dem Dach des Gay Freedom Day in Bottrop stattfindende Demonstration war nach
Angaben von Zeitzeugen eine „wenig erfreuli­che Veranstaltung“, die von lediglich etwa
300 Teilnehmern frequentiert und anhaltenden Pöbeleien von Demonstrationsgegnern
ausgesetzt war. Um den festgefahrenen Demonstrationscharakter zu durchbrechen,
politische Aussa­gen mit Spaß zu verbinden und der sozialen Desintegration der AIDS-Krise ein lebensbeja­hendes Moment mit lokalem Kolorit entgegenzusetzen, entwickelte ein
Zusammenschluss verschiedener schwul-lesbischer Organisationen und Privatpersonen
das Konzept eines Kölner Lesben und Schwulentags.
Die bloße Kombination von „schwul-lesbisch“
und einer Abbildung des Doms reichte aus, um
die patriarchalisch-hetero­normative Ordnung
in Gefahr zu sehen.
Christopher Street Day | Der Kölner Christopher Street Day | 25
„Lasst die Wende wackeln“
4.2. Der Kölner Lesben- und Schwulentag Köln
Im Oktober 1990 schlossen sich ver­schiedene Gruppierungen der Kölner Szenen wie die
Zukunftswerkstatt, das Bildungswerk Emanzipation e. V., Aktivisten der Kölner Sektion der
AIDS Coalition To Unleash Power (ACT UP) und verschiedene Einzelpersonen zusammen.
Ziel war, die Möglichkeiten eines Kölner Lesben- und Schwulentages nach Berliner Vorbild
zu diskutieren und den kaum noch wahrgenommenen jährlichen Veranstaltungen in Form
des Gay Freedom Days eine neue Form schwul-lesbi­scher Präsenz im öffentlichen Raum
entgegenzusetzen. Neben der dringend benö­tigten Entkoppelung der seit der AIDS-Krise
auch innerhalb der Szenen gängigen Glei­chung schwul=todkrank sollte die in der Einrichtung eines gemeinsamen Zentrums begon­nene Kooperation verschiedenster Gruppen
unter Einbeziehung der Wirte der Szenen intensi­viert werden, um so durch Vernetzung und
Verzahnung ein größeres politisches Gewicht ent­wickeln zu können.
Das Bildungswerk Emanzipation e. V. als Dachverband aller Trägergruppen im SCHuLZ
versuchte in einem Schreiben an Gruppen, Vereine und Wirte der Szenen vom 10. Oktober
1990, Interesse und Kooperationsbereitschaft zu sondieren.
Die Präsentation eines Videos mit Aufnahmen US-amerikanischer Pride-Paraden so­wie der
Wunsch lokale Brauchmuster zu integrieren, um die Ausbildung einer positiv besetzten
spezifischen Kölner schwul-lesbischen Identität zu stimulieren, führten schließlich zum
allgemeinen Konsens, eine Parade zu veranstalten. Neben den der Berliner Love Parade
erwies sich vor allem der Kölner Karneval als wichtige nationale Inspirationsquelle hinsicht­
lich einer erfolgreichen Kombination politischer Forderungen und der Teilnahme der kom­
merziellen Bereiche der Szenen.
Auch das von Gerhard Malcharek entworfenen Logo war durch die Verwendung der beiden
Domspitzen ein deutlich lokaler Bezug und wurde bis Ende der 1990er Jahre beispielsweise auf Biergläsern verwen­det. Die ursprüngliche Aufschrift „Cologne Lesbian/Gay-Freedom
Day and Celebration“ wurde ab 1992 durch den Zusatz „Kölner Lesben- und Schwulentag“
ergänzt, später ganz gegen die deutsche Bezeichnung ausgetauscht, die Dom­spitzen auf
zwei spitze Dreiecke reduziert. Diese Bezeichnung der Veranstaltungen, in den ersten
Jahren in der Presse und der internen und externen Kommunikation der Veran­stalter als
„Kölner LUST“ wurde im Laufe der Jahre zu KLuST verkürzt und bezieht sich gegenwärtig
ausschließlich auf die Ausrichter des ColognePride als Verein.
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26 | Christopher Street Day | Der Kölner Christopher Street Day
Schätzungsweise 5.000 Zuschauer
und Zuschauerinnen verfolgten die
am Sonntag, den 7. Juli ´91 stattfindende Parade von etwa 2.500
Schwulen und Lesben.
Trotz erheblicher Bedenken bezüglich erneuter Veranstaltungen in Köln bewirkte das
genannte Schreiben ausreichend Rückmeldung, um eine regelmäßig tagende Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines Konzeptes für einen Kölner Lesben- und Schwulentag formieren
zu können. Als wichtigste Elemente einer solchen Veranstaltung kristallisierten sich bald
eine von der AIDS-Hilfe Köln veranstaltete Eröffnungsgala, eine von der Emanzipation e. V.
und den „Schwulen und Lesben in der SPD“ (Schwusos) organisierte Parade, ein von der
„Schwulen Initiative für Pflege und Soziales“ (SCHWIPS) betreutes Straßenfest sowie eine
vom Party­veranstalter Coconut ausgerichtete Abschlussdisco heraus. Die bereits erwähnt
besondere Dichte des sozialen Netzwerks der Lederszene führte zu einer entsprechenden
eigenen Vorbe­reitungsgruppe.
Während die Parade als politische Demonstration problemlos bereits am 12. März 1991
angemeldet werden konnte, lehnte das Ordnungsamt die Nutzung der Stephanstraße, die
aufgrund der etlichen schwulen Kneipen für das geplante Straßenfest ausgesucht worden
war, zunächst ab. Die Arbeitsgruppe reagierte mit einem Schreiben mit der Bitte um Intervention an verschiedene lokale Politiker. Diese ersten Ansätze der Strategie des Einsatzes
des politi­schen Gewichtes hinsichtlich der Wahlkampfinteressen der lokalen Parteien
führten zum ei­nen zu einem offiziellen Gespräch zwischen Oberbürgermeister Norbert
Burger und einer Delegation schwuler und lesbischer Kölner und Kölnerinnen. Nach dem
letztendlichen Einlenken der Ordnungsbehörde kam es zur Formung eines kommunalpoliti­
schen Arbeitskreises. Dieser legte bislang 1992 und 2004 in einer „Kommunalpolitischen
Erklärung“ die Ziele des KLuST als einem der Vertreter der Szenen hinsichtlich einer Verbes­
serung schwul-lesbischer Lebensbedingungen in Köln fest.
Der erste Kölner Lesben- und Schwulentag begann nicht, wie ursprünglich anvisiert am
Jahrestag der Stonewall-Unruhen, sondern am 3. Juli 1991 mit der von der AIDS-Hilfe ausgerichteten Eröffnungsgala im Kölner Gürzenich. Das unter dem Motto „Jot Fründe kumme
zosamme“ zwischen dem 30. Juni und 7. Juli stattfindende Rahmenprogramm um­fasste
neben etlichen Partys, Informations- und Diskussionsveranstaltung zu emanzipations­
politischen Themen auch ein Lesben-Fußballturnier und eine Stadtführung zur schwulen Ge­
schichte Kölns. Schätzungsweise 5.000 Zuschauer und Zuschauerinnen verfolgten die am
Sonntag, den 7. Juli stattfindende Parade von etwa 2.500 Schwulen und Lesben. Eröffnet
wurde die Kernveranstaltung von Bürgermeisterin Renate Canisius mit ihrem eigens für den
ersten Kölner Lesben- und Schwulentag verfassten Gedicht „In unserem schönen Köln am
Rhein“.
Die anschließend in der Stephanstraße stattfindende Kombination von Abschlusskundgebung und Straßenfest konnte im Gegensatz zur Parade auf keinerlei von Schwulen und
Lesben or­ganisierte Vorbilder zurückgreifen und orientierte sich daher an der Tradition
der Kölner Stadtteilfeste („Veedelsfeste“). Ein möglicher Erfolg wurde zunächst vor allem
von den an­sässigen schwulen Wirten sehr in Frage gestellt, letztendlich besuchten jedoch
schätzungs­weise 5.000 Menschen das Fest. Die angestrebte Erweiterung des politischen
Charakters der bisherigen Gay Freedom Day-Demonstrationen um lokale und Unterhaltungselemente spie­gelte sich beispielsweise im Showprogramm, bestehend aus einem
Auftritt des schwulen Chores „Die Traviatas“ und einer Travestiesängerin sowie in der Versorgung der Besucher und Besucherinnen mittels einer Gulaschkanone und dem Verkauf
von Waffeln mit heißen Kirschen.
Christopher Street Day | Der Kölner Christopher Street Day | 27
Dieser erste Erfolg führte in den Folgejahren zu einem unerwartet starken Anstieg der Teil­
nehmer- und Zuschauerzahlen aller unter dem Oberbegriff Kölner Lesben- und Schwulen­
tag ausgerichteten Veranstaltungen und das Kölner Konzept wurde zu einem Vorbild für
an­dere deutsche Städte. Für Köln blieb es bei dem ersten Wochenende im Juli als Fixpunkt,
um den sich ein stets wachsendes Rahmenprogramm entwickelte, seit 2003 unter dem
Dach­label ColognePride zusammengefasst. 1992 kam es aufgrund der rasant ansteigenden
Teil­nehmer- und Besucherzahlen und undeutlich verteilter Zuständigkeiten zu ersten Spannungen innerhalb des Organisationsteams. Diese versuchte man mittels erster Ansätze
einer Professionalisierung in Form von verschiedenen für Straßenfest, Parade, Veranstaltungen mit Wirten, Finanzen, Öffent­lichkeitsarbeit und Bühnenprogramm zuständige
Arbeitsgruppen zu lösen.
Teilnehmer und Teilnehmerinnen
Während 1991 von 2.500 Teilnehmenden und 5.000 Besuchenden des Straßenfestes
die Rede ist, waren es 1992 bereits 4.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen und 10.000
Besu­cher und Besucherinnen. 1997 berichtet der Stadtanzeiger von 25.000 Schwulen und
Lesben sowie 600.000 Zuschauern. Ihren Zenit erreicht die Parade im Jahr 2002 mit der
Ausrichtung des Europride, geschätzten 70.000 Teilnehmenden und etwa einer Million Zuschauenden. Diese Gesamtzahl entspricht dem Zweihundertfachen der Angaben für 1991.
Die Anzahl der teilnehmenden Wagen war innerhalb von elf Jahren von drei einfachen LKW
auf 150 Festwagen gestiegen. Nachdem im folgenden Jahr die erwarteten 800.000 bis 1,2
Million Zu­schauer und Zuschauerinnen auf etwa 750.000 nach unten korrigiert werden
mussten, schei­nen sich die Zahlen mit 600.000 Besuchern und Besucherinnen in 2005
und 2006 eingependelt zu haben.
Die Anzahl der teilnehmenden Wagen war
innerhalb von elf Jahren von drei einfachen
LKW auf 150 Festwagen gestiegen.
4.3. Von der Demonstration zum Event
Alltagswelten – Expertenwelten Band 14 | www.schwules-netzwerk.de
28 | Christopher Street Day | Der Kölner Christopher Street Day
Das Straßenfest
Auch das Straßenfest sprengte bald die Grenzen des ihm zugewiesenen Raums. Bei den
Planungen zum zweiten Kölner Lesben- und Schwulentag hatte man vorsorglich eine
Auswei­tung der Straßensperrung auf den am Ende der Stephanstraße liegenden Marienplatz beantragt. 1993 fanden die Veranstaltungen erstmals auf dem Alter Markt statt.
Nachdem der Hauptausschuss eine Nutzung des Alter Markts für die Abschlusskundgebung
und das Straßenfest des CSD 1994 abgelehnt hatte, wurde nach wiederholten Protesten
des KLuST dem Ausweichen auf den Neumarkt zugestimmt. Trotz der unübersichtlichen
Situation des von Straßenbahntrassen und Hauptverkehrsadern umgebenen Platzes und
einer eher chaotischen Parade, kam zunächst für 1995 wiederum der Neumarkt ins Gespräch. Aus Sicherheitsgründen einigten sich Stadt und KLuST letztend­lich jedoch auf Alter
Markt und Rathausvorplatz. In den Jahren 1997 und 1999 wich man auf­grund der immer
weiter steigenden Besucherzahlen auf den weiter südlich gelegenen Müh­lenbach aus,
kehrte jedoch 2000 wieder in die Altstadt zurück. Da der von der Stadtverwaltung zugesagte Heumarkt aufgrund der Verlängerung der Ausstellung „Körperwelten“ Gunther von
Hagens’ nicht nutzbar war, genehmigte die Stadt, gegen den Willen des Erzbistums, auf
einstweilige Anordnung des Verwal­tungsgerichts die Nutzung des Roncalliplatzes.
2001 wurde mit Heumarkt, Alter Markt, Rathausvorplatz und Theo von Burauen-Platz
erstmals fast die gesamte Altstadt für Abschlusskundgebung und Straßenfest genutzt. Auf­
grund anhaltender Klagen der Anwohner bezüglich Lärmbelästigung wird die Hauptbühne
auf dem Heumarkt seit 2002 Richtung Reiterdenkmal ausgerichtet und werden verstärkt
Lärm­schutzkontrollen durchgeführt.
Mottos und Leitgedanken
Die Mottos der Veranstaltungen, seit einigen Jahren in öffentlichen Mottofindungsgruppen erarbeitet, stellen seit Beginn der Kölner Lesben- und Schwulentage ein wichtiges
Element des CSD dar. Die Mottos der beiden ersten Jahre standen mit „Jot Fründe kumme
zosamme“ und „Mir fiere uns und Kölle“ deutlich im Zeichen eines lokalen Charakters und
der struktu­rellen Nähe zum Kölner Karneval. Zwischen 1993 und 1996 standen die Veranstaltungen un­ter dem allgemeinen Leitgedanken „Flagge zeigen“, um der altbekannten
emanzipatorischen Forderung nach schwul-lesbischer Präsenz im öffentlichen Raum
Nachdruck zu verleihen. 1998 wurden die Forderungen mit „Freie Fahrt für die Homo-Ehe“
erstmals konkretisiert, die Forderungen nach der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher
Partnerschaften bestimmen auch in den folgenden Jahren mit „We are family“ (1999) und
„Im Namen des Volkes, traut Euch“ (2001) die politische Aufmerksamkeit der Veranstaltung. Nach dem Inkrafttreten des Lebens­partnerschaftsgesetzes richteten sich die Forderungen auf eine Antidiskriminierungsgesetz (2003), Schwule und Lesben im Alter (2005)
und die anstehenden Kürzungen in der öffentli­chen Förderung schwul-lesbischer Projekte
nach dem Regierungswechsel in Nordrhein-West­falen (2006).
Probleme und Konfliktpotentiale
Gestiegene Veranstaltungskosten von DM 850.000 hatten bereits 1998 zur Gründung der
CSD-Veranstaltungs-GmbH zur Abfederung der wirtschaftlichen Risiken des KLuST geführt.
Der quantitative Einbruch in den Besucher- und Besucherinnenzahlen sowie auf schlechtes
Wetter und Unregelmäßigkeiten in der Abrechnung mit den Standbetreibern und Wirten
zurückzuführende Altschulden aus den Veranstaltungen der Vorjahre führten 2002 jedoch
zur Zahlungsunfähigkeit der Veranstalter. Das auf die Bekanntgabe des Defizits in Höhe
von Euro 200.000 folgende Angebot einer Investorengruppe, das wirtschaftliche Risiko des
Straßenfestes tragen zu wollen, führten, nicht nur wegen der Zusicherung der Anonymität
des Investors durch den KLuST, zu erregten Diskussionen innerhalb der Szenen. Im Dezember einigte sich die Interessengemeinschaft Altstadt (IG Altstadt) unter ihrem Vorsitzenden
Hans Flock mit den Veranstaltern über die Gründung einer separaten Betriebsgesellschaft.
Diese übernimmt seit 2003 als CPV-GmbH ohne Einfluss auf politische Ausrichtung und
das Rahmenprogramm die Organisation des Straßenfestes auf dem Heumarkt, dem Alter
Markt und dem Rathausvorplatz. Das seit 2004 um die Kreuzung Schaafenstraße und Mauritiuswall stattfin­dende „Veedelsfest“ wird hiervon unabhängig durch eine Kooperation der
ansässigen Wirte organisiert.
Im Gegensatz zu vergleichbaren Veranstaltungen hat es in der Geschichte des Kölner CSD
keine nennenswerten grundsätzlichen Diskussionen über die Durchführung der Parade
gege­ben. So sind als öffentlich-rechtliche Konfliktpotentiale im Wesentlichen die Reibereien be­züglich der Genehmigung des Straßenfestes bzw. kleinere, wenn auch anhaltende
Auseinan­dersetzung mit den Kölner Verkehrsbetrieben (KVB) um die Unterbrechung des
Straßen­bahnverkehrs bzw. der Umlegung der Paradestrecke zu nennen. Mit der Verlegung
des Stra­ßenfests an den Mühlenbach 1997 wurde auch die Paradestrecke angepasst, um
sowohl genü­gend Teilnehmende aufnehmen bzw. ausreichend Zuschauenden Platz bieten
zu können. Nachdem die KVB 1999 zunächst auf einer Umlenkung des Zuges durch den
Tunnel unter dem Maritim-Hotel bestanden hatten, lenkten sie im letzten Moment ein
und un­terbrachen den Verkehr zwischen Rudolfplatz und Heumarkt während der Parade.
2000 nahm der Zug erstmalig rechtsrheinisch in Deutz Aufstellung, und Stadt und Polizei
richteten erstmals ein Bürgertelefon zur Beantwortung von Fragen bezüglich Verkehrsumleitungen und Straßensperrung ein. Nach dem großen Ansturm des Europride führten die
Verkehrsbetriebe 2003 ein vergünstigtes, 24 Stunden gültiges, Event-Ticket ein.
Ein weitaus langwierigeres Konfliktpotential stellen die Auffassungsunterschiede mit der
ka­tholischen Kirche dar. 1991 musste der von der Gruppe „Homosexuelle und Kirche“
(HUK) organisierte ökumenische Gottesdienst auf ein evangelisches Gotteshaus ausweichen, nach­dem das Erzbistum sich geweigert hatte, einen Kirchenraum zur Verfügung zu
stellen. Nachdem 2000 die Freigabe des unmittelbar neben dem Dom gelegenen Roncalliplatzes gegen den ausdrücklichen Willen des Domkapitels gerichtlich erzwungen worden
war, konnte die Kirche auch 2002 die Nutzung des Platzes als Village Square (Anlaufstelle
für Teilnehmer des Europride) nicht verhindern.
2004 ließ der KLuST im Vorfeld des CSD für seine Motto-Kampagne „Schluss mit den Mogelpackungen“ 20.000 Faltschachteln als Zigarettenschachtelumverpackung zum Überdecken der Gesundheitswarnungen drucken. Eines der sechs Motive zeigte, Bezug nehmend
auf eine Äußerung des Kölner Erzbischofs, Homosexualität sei in der Schöp­fungsordnung
nicht vorgesehen, das Logo einer fiktiven Zigarettenmarke namens „Schwarzer Heuchler“.
Zu sehen war ein Portrait Meisners mit der Unterschrift „Diskriminieren macht impotent“.
Das nordrhein-westfälische Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Fa­milie
wertete die Kampagne als persönliche Beleidigung des Kardinals, forderte den ge­währten
Druckkostenzuschuss zurück und verlangte die Einstampfung des Motivs. Diese verweigerte der KLuST jedoch mit dem Hinweis auf die „Wahrhaftigkeit unserer politischen Arbeit“
und verzichtet seither auf jede direkte Unterstützung des CSD durch öffentliche Mittel.
„Wahrhaftigkeit unserer
politischen Arbeit“
Christopher Street Day | Der Kölner Christopher Street Day | 29
Alltagswelten – Expertenwelten Band 14 | www.schwules-netzwerk.de
30 | Christopher Street Day | Der Kölner Christopher Street Day
4.4. Zwischen Politik und Kommerz
Medienrezeption
Die Umsetzung der konkreten Mottos bzw. die Vermittlung derselben in der Öffentlichkeit
ist einer der anhaltenden Diskussionspunkte bei der Positionierung des CSD zwischen Politik und Emanzipation, Spaß und Kommerz. Trotz des ausgesprochen schwachen Interesses
der Medien an Inhalten und Bildern jenseits von möglichst nicht-weißen „exotischen“
Drag Queens, männlicher nackter Körper sowie dargestellter Fetischpraktiken, ist die
wohlwollende Einstellung der in Köln ansässigen Medien, wie beispielsweise des Westdeutschen Rundfunks (WDR) oder des Kölner Stadtanzeigers (KStA) nicht zu unterschätzen.
Neben den, im Allgemeinen eher in kurzen Features des Boulevardbereichs angesiedeltem
Interesse der Privatsender, berichtete der WDR in den Jahren 1998 bis 2000 analog zur
Übertragung des Rosenmontagszugs in einer zwei­einhalbstündigen Livesendung. Nach
nicht zu lösenden Konflikten mit dem KLuST aufgrund der vom Sender als unverhältnismäßig groß empfundenen Lücken in der Zugfolge wurde die­ses Komplettübertragung ab 2001
auf Zusammenschnitte im späteren Abendprogramm redu­ziert.
Der Kölner Stadtanzeiger berichtet von 1991 an in zunehmendem Umfang über den Kölner CSD. 1995 tauchte in der Ausgabe nach dem CSD-Wochenende erstmals ein kleiner
Hinweis auf der Titelseite auf, ein Jahr später wurde mit einem Farbfoto und einem kleinen
Artikel auf der Titelseite berichtet. 2001 war bereits im Vorfeld des CSD eine ganzseitige
Berichterstattung zu finden. 2003 widmete sich das Blatt eine Woche lang jeden Tag unter
dem Titel „Mein CSD“ der Bedeutung des anstehenden Ereignisses aus dem Blickwinkel
von Einzelpersonen. 2004 war mit einer Fotografie auf der Titelseite erstmals ein lesbisches Paar zu sehen.
Der CSD als Politische Plattform
Die Präsenz nicht-lesbischer Frauen hingegen ist seit 1991 durch die Teilnahme und
Schirm­herrinnenfunktion verschiedener Politikerinnen an den Veranstaltungen viel beachtet. So stand die Eröffnungsgala zwischen 1993 und 1997 unter der Schirmherrschaft
der damaligen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, 1999, 2002 und 2003 unter der der
Bundesministerinnen Andrea Fischer (Gesundheit), Renate Künast (Verbraucherschutz,
Ernährung und Land­wirtschaft) und Ulla Schmidt (Gesundheit).
Der CSD wurde 1995 erstmals durch Norbert Burger in seiner Funktion als Oberbürgermeis­
ter der Stadt Köln eröffnet, nachdem er sich in den Jahren zuvor durch seine Vertreterin
Re­nate Canisius bzw. das Ratsmitglied Cornelia Klien hatte vertreten lassen. Sein Nachfolger Harry Blum, der sich bereits in seiner Funktion als stellvertretender Bürgermeister um
eine Vermittlung im Konflikt um des Veranstaltungsortes des Straßenfestes bemüht hatte,
verstarb vor dem ersten CSD seiner Amtsperiode. Fritz Schramma, seit 2000 Oberbürgermeister, nahm erstmals 2003 gemeinsam mit Berlins regierendem Bürgermeister Klaus
Wowereit am CSD teil, ließ sich seither jedoch durch Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes
vertreten. Scho-Ant­werpes fühlt sich nach eigenen Angaben durch ihr Engagement in der
Kölner AIDS-Arbeit seit Beginn der 1980er Jahre von Anfang an mit dem Kölner CSD verbunden.
Auf landes- und bundespolitischer Ebene waren es in den 1990er Jahren vor allem Politiker
und Politikerinnen von Bündnis 90/Die Grünen, die, wie schon in der Schirmherrinnenschaft der Eröffnungsgala, durch eine Teilnahme am CSD ihre Unterstützung der emanzipatorischen Anliegen zum Ausdruck brachten. Neben der regelmäßigen Präsenz des Kölner
Bundestags­abgeordneten Volker Beck sind in diesem Zusammenhang der ehemalige stellvertretende nordrhein-westfälische Ministerpräsident Michael Vesper, die Fraktionsvorsitzende Kerstin Müller, der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin, die Bundesvorsitzende Claudia Roth sowie der ehemalige Bun­desaußenminister und Vizekanzler Joschka
Fischer (erstmals 2002) zu nennen. Mit einer zunehmenden Entdeckung Schwuler und
Lesben als Wählerpotential zeigten sich auch Politiker und Politiker der anderen Parteien,
wie die Bundesjustizministerinnen Hertha Däubler-Gmelin (2002) und Renate Zypries
(2004). Die FDP ist seit 2000 durch ihren schwulen Parteivorsitzenden Guido Westerwelle
vertreten. Stellvertreter der Unionsparteien auf Landes- oder Bundesebene sind bisher
nicht in Erscheinung getreten.
5. Motivationen
und Erfahrungen
Erfahrungen von Gemeinschaft
Durch die Unterbre­chung des Alltags durch Feiern und Tanzen während der
Parade und auf dem Straßenfest entstehen Erinnerungsmomente im Lebenslauf. Für viele nicht-heterosexuelle Menschen nimmt die erstmalige Teilnahme
an einer CSD-Parade einen zentralen Platz in der Erinnerung des Coming-out-Prozesses ein.
Für die vielen ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen ist das Gefühl von Solidarität trotz
der teils aufreibenden Organisationsarbeit jedes Jahr wieder Anlass zu neuem Engagement.
Die im CSD gemachte Erfahrung von Gemeinschaft verfügt auch über eine körperliche
Komponente. Die individuellen Körpererfahrungen werden im Idealfall im Fest aufgelöst.
Der 2005 auf dem Hamburger CSD unter dem Motto „Get in Touch!“ initiierte sogenannte
group hug, bei dem nach Angaben der Veranstal­ter 16.000 Paradeteilnehmenden und
Besuchenden sich mindestens zehn Sekunden in den Arm nah­men, ist ein Beispiel für eine
zielge­richtete Verstärkung dieser physischen Erfahrung. Das temporäre Empfinden, Teil
eines kollektiven Körpers zu sein, ermöglicht zum einen den Abbau von Barrieren zwischen
der Teilnehmenden und führt somit zu einer Ausdifferenzierung und Verdichtung des sozialen Netzwerks. Zum anderen ist das in der Gemeinschaft aufgehende nicht-heterosexuelle
In­dividuum für die Dauer der Veranstaltung vor den homophoben Sanktionen und Angriffen
der Umwelt geschützt.
Der durch die Erfahrung von Gemeinschaft entstehende Wunsch nach Wiederholung wird
von den Veranstaltern des CSD genutzt, um Besucher und Besucherinnen, Teil­nehmer
und Teilnehmerinnen zu motivieren, sich ehrenamtlich zu betätigen und so durch ei­nen
freiwilligen Einsatz das Erlebnis zu intensivieren. In den Programmheften der letzten Jahre
ist über dem Antrag auf Mitgliedschaft im KLuST in Form eines Formulars eine Fotografie der Abschlussveranstaltung zu sehen. Die Auf­nahme ist vom hinteren Teil der Bühne
gemacht und zeigt den Blick über die Köpfe der Arm in Arm den Abschluss des ColognePride feiernden Organisatoren in die Men­schenmenge auf dem nächtlichen Heumarkt. Die
Bildunterschrift lautet. „SEI DABEI! Mit­glied werden im KLuST.“ Positioniert ist die Anzeige
auf den letzten Seiten des offiziellen, kostenlos erhältlichen Programmhefts. Die Fotografie zeigt mit der Abschlussveranstaltung am Abend nach der Parade genau jenen „verdichteten“ Moment des Festes, in dem Gemeinschaft als Zustand der unvermittelten und
momentgebundene Erfahrung eines homogenen, egalitären Kollektivs geschaffen wird. Die
Sehnsucht nach einem erneuten, vergleichbaren Erleb­nis tritt durch den Hinweis auf die
jährliche Ausrichtung der Veranstaltung in den Vorder­grund. Eine noch intensivere Erfah-
Das temporäre Empfinden, Teil eines kollektiven
Körpers zu sein, führt zu einer Ausdifferenzierung
und Verdichtung des sozialen Netzwerks.
Christopher Street Day | Motivationen und Erfahrungen | 31
Alltagswelten – Expertenwelten Band 14 | www.schwules-netzwerk.de
Im Vordergrund standen positive
Impulse für die Zukunft.
32 | Christopher Street Day | Motivationen und Erfahrungen
rung wird mit der Mitgliedschaft im Kreis der Träger­gruppe in Aussicht gestellt, die durch
das Anmeldeformular in greifbare Nähe rückt. Die frei­willige Mitarbeit an der Ausrichtung
von Parade und ColognePride stellt hier somit die tem­poräre Verschmelzung von Anspruch
und Wirklichkeit dar. Nicht nur die Teilnahme am CSD ist das ideale Ziel, sondern die aktive
Mitgestaltung des Brauchs als Repräsentation eines soziokul­turellen Systems und gegenseitiger Verständigung über gemeinschaftliches Handeln.
Mit dem Wunsch nach einer Wiederholung der gemeinschaftlichen Erfahrung stiegen die
Besucher- und Besucherinnenzahlen in Köln stetig an und der CSD stieß Mitte der 1990er
Jahre an seine wirtschaftlichen und räumlichen Grenzen. Die Verfestigung der Strukturen
einer ursprünglich unvermittelten Erfahrung war in diesem Zusammenhang aus organisatorischen und auch ökonomischen Gründen unumgänglich. Die mit dieser Entwicklung einhergehende Veränderung des CSD ist zwischen Erfolgen der emanzipatorischen
Bemü­hungen, der zunehmenden Toleranz nicht-heterosexueller Menschen im öffentlichen
Raum der Stadt und einem gesteigerten Selbstbewusstseins im Umgang mit dem eigenen
Lebensentwurf zu sehen.
Ausbruch aus dem Alltag
Für viele Teilnehmer und Teilnehmerinnen stellen Straßenfest und Parade einen Ausbruch
aus dem Alltag dar. Die gemachten Erfahrungen bleiben dabei weit über die Dauer der
Veranstaltung hinaus lebendig. Nicht nur die Unterbrechung des täglichen Trotts ist von Be­
deutung, sondern der CSD beziehungsweise die CSD werden im Rückblick zu Erinnerungs­
momenten, mit denen Anfang und Ende bestimmter Lebensabschnitte wie Coming Out oder
erste Beziehung verknüpft werden.
Stolz als ein Element des lebensbejahenden Charakters eines Festes und seine Funktion als Vergewisserung einer positiven Existenz haben bei der Konzeption und der Or­
ganisation des ersten Kölner CSD im Rahmen der AIDS-Krise eine entscheidende Rolle
gespielt. Im Vordergrund standen positive Impulse für die Zukunft und weniger die
Erinnerung an die Vergangenheit. Ein spezifisches Gedenken bezüglich des in Deutschland
während und nach dem Nationalsozialismus geschehenen Unrechts wäre dabei mit der
oben genannten lebensbejahenden Grundeinstellung des Festes kollidiert. Das mit den
amerikanischen Pride-Paraden verknüpften Moment des Gedenkens an Stonewall wurde
1991, anders als deren fröhlicher Erscheinung, eher beiläufig übernommen. In den gegenwärtigen Veranstaltungen hingegen spielt das Gedenken an die an den Folgen von AIDS
verstorbenen Mitmenschen, beispielsweise in Form der Gedenkminute am Vorabend der
Parade, eine wichtige Rolle.
Christopher Street Day | Lokale Identität | 33
6. Lokale Identität
Die CSD-Stimmung in Köln wird oft als umfassendes, karnevaleskes Erlebnis
der ganzen Stadt beschrieben, während die Parade in Berlin entsprechend
des Vorbildes Love Parade mit riesigen Wagen in Verbindung gebracht
wird. Diese Rückgriffe auf vorhandene örtliche Brauch­muster bei der Etablierung deutscher CSD sind einerseits auf eine pragmatische Übernahme
der Brauchinfrastruktur zurückzuführen, andererseits wird die Heraushebung lokaler
Be­sonderheiten bewusst eingesetzt, um die angestrebte Erfahrung von Gemeinschaft zu
verstärken.
Der Kölner Lesben- und Schwulentag griff auf die im Kölner Karneval erfolgreiche Verknüp­
fung von Unterhaltung und politischer Botschaft zurück. Diese Anleihen konzeptioneller
Art haben sich im Laufe der Jahre zu weit reichenden Ana­logien mit dem Rosenmontagszug
entwickelt. Der Vorbildcharakter des frühen Kölner Lesben- und Schwulentags als Form des
öf­fentlichen Feierns mit politischer Willensäußerung, die die Demonstrationen der 1980er
Jahre ablösten, wird bei der Beschreibung anderer CSD immer wieder betont. Vor der
Etablie­rung eines Kölner CSD beschrieb das schwule Magazin Männer Aktuell im Mai 1991
die Berliner Parade als ein Ereignis, dessen Ausgelassenheit den Kölner Jecken in nichts
nachstehen würde. 15 Jahre später hat der ehemalige Kölner Lesben- und Schwulentag die
mittlerweile in ver­schiedene CSD aufgespalteten Berliner Veranstaltungen zahlenmäßig
weit hinter sich gelas­sen.
Die Nähe der CSD-Parade zum Rosenmontagszug wird vor allem durch die Presse immer
wieder betont. Das Verhältnis zwischen Karneval und CSD bewegt sich dabei in einem
Spannungsfeld zwischen Wettbewerb und wohlwollendem Vergleich. Der Rosenmontagszug dient den Ausrichtern des CSD als Referenzpunkt in der Auseinanderset­zung mit
den städtischen Ordnungsbehörden um die Inbesitznahme des öffentlichen Raums. Als
beispielsweise für den CSD 2004 eine den Zugfluss behindernde Straßenlaterne an der
Ecke Hohestraße und Gürzenichstraße dauerhaft entfernt wurde, betonte der KLuST in
sei­nem Jahresbericht die vergeblichen vergleichbaren Bemühungen der Organisatoren
des Ro­senmontagszugs der Vorjahre. In den jährlichen Verhandlungen mit den Kölner
Ver­kehrsbetrieben über eine mögliche Kreuzung des Umzuges mit den Straßenbahnlinien
wurde in der Vergangenheit jedoch wiederholt auf eine größere Kooperationsbereitschaft
der KVB beim Rosenmon­tagszug hingewiesen.
Alltagswelten – Expertenwelten Band 14 | www.schwules-netzwerk.de
Das Fest CSD fungiert in
mehrfacher Hinsicht als
eine therapeutische
Entlastung des All­tags.
34 | Christopher Street Day | Lokale Identität
Die Etablierung des Kölner CSD fiel in die Verschiebung der Aufmerksamkeit schwul-lesbischer Emanzipation auf lokale Schauplätze und die Konzentra­tion auf konkrete Veränderungen innerhalb der Gesellschaft. Für viele Teilnehmer und Teilnehmerinnen bedeutet
dieses Lokalkolorit der Parade die Schaffung eines Heimatgefühls.
Die seit Beginn der Veranstaltung bewusst eingesetzte Strategie, durch die
Referenzmöglich­keit „Karneval“ Erlebnisse von Gemeinschaft zu ermöglichen, wird in den
letzten Jahren allerdings durch einen veränderten Rezeptionsschwerpunkt in den Medien unterlaufen. Die Assoziatio­nen des Umzugs mit dem Karneval bleiben erhalten. Doch
durch eine Konzentration in Wort und Bild auf nicht-weiße Drag Queens und entsprechende
Bildunterschriften wie „Kar­neval in Rio oder CSD in Köln?“ oder „Catherina und Carla aus
Brasilien lieben den CSD fast so sehr wie Karneval in Rio“ (KStA und BILD vom 4. Juli 2005)
wird die Aufmerksamkeit auf den brasilianischen Karneval gelenkt. Der in Deutschland nur
wenig bekannte Sachverhalt, dass die Pride-Parade in Sao Paolo mit 1,5 Millionen im Jahr
2005 und 2,4 Millionen Besuchern und Besucherinnen im Jahr 2006 den Karneval in Rio de
Janeiro bereits weit hinter sich gelassen hat, bleibt uner­wähnt.
Vertreter des schwul-lesbischen Karnevalsszene Kölns sind hingegen in den letzten Jahren
immer stärker in der CSD-Parade präsent. Seit der Gründung der „Rosa Sit­zung“ 1994/95
haben sich die Karnevalsveranstaltungen der schwul-lesbischen Szenen zu einer festen
Größe entwickeln können. 2005 nahmen die „Statt Garde Kolonia Ahoj“, die „Kölsche
Schöckelgarde e. V.“ und die „Rosa Funken Köln von 1995 e. V.“ an dem Umzug teil. Während die meisten sogenannten Traditionsvereine ein striktes Auftrittsverbot ihrer Mitglieder
außerhalb der Session überwachen, sind die schwul-lesbischen Karnevalsvereine in der
Mehrzahl in der CSD-Parade vertreten.
Einhergehend mit dieser Präsenz haben Teilnehmer und Teilnehmerinnen, Besucher und
Besucherinnen des CSD die Grußformel „Kölle Aloha“ des schwul-lesbischen Karnevals
übernommen. Aloha, als hawaiische Grußformel und Ausdruck für Liebe und Zuneigung
bezieht sich zum einen alliterierend auf den Ausdruck „Alaaf“, zum anderen auf „warme“
und somit im übertragenen Sinn schwul-lesbische Assoziationen mit der Inselgruppe. Die
Kom­munikationsformel trägt somit verschiedene Elemente in sich. Zum einen ist sie als
Parodie auf die im nicht-schwul-lesbischen Karneval verwendete Grußformel „Kölle Alaaf“
zu sehen, zum anderen stellt sie durch das „schwule“ Abknicken des Handgelenks einen
spielerischen Umgang mit den von der heteronormativen Gesellschaft projizierten Stereotypen dar.
Der Rückgriff auf lokale Brauchmuster stellt im Falle der Übernahme von karnevalis­tischen
Elementen in den meisten Fällen ein Identifikationsangebot auch für heterosexuelle Kölner
und Kölnerinnen dar. Die Aneignung lokaler Symbole kann jedoch auch zu gegenteiligen
Reaktionen führen. Das von Gerhard Malcharek 1991 entworfenen Logo des Kölner Lesbenund Schwulentag stellt mit den beiden Turmspitzen des Kölner Doms, die im Laufe der Jahre auf die stilisierte Darstellung zweier spitzer Dreiecke reduziert wurden, einen wichtigen
Bezug zum Veranstaltungsort her.
Aufschlussreich ist die Reaktion der zwischen 1991 und 1993 in Fraktionsstärke im Rat
der Stadt Köln vertretenen Deutschen Liga auf diese Aneignung des bekanntesten Wahrzeichens der Stadt. Der Vorläufer der gegenwärtigen rechtsradikalen Bürgerbewegung Pro
Köln e. V. publizierte 1992 in seinem Mitteilungsblatt „Kölner Dom Spitzen“ das Logo des
KLuST mit der Bildunterschrift: „Das Emblem des ‚Kölner Lesben- und Schwulentages’
dokumentiert das äußerste Selbstbewusstsein und den Herrschaftsanspruch der Homosexuellen über die Domstadt.“ Der im Schriftzug enthaltene Hinweis auf den temporären
Charakter und die Abweisung jeg­licher hegemonialer Ansprüche in Form der Formulierung
Cologne Lesbian/Gay Freedom Day and Celebration wurde nicht als solcher verstanden. Die
bloße Kombination von „schwul-lesbisch“ und einer Abbildung des Doms reichte aus, um
die patriarchalisch-hetero­normative Ordnung in Gefahr zu sehen.
Christopher Street Day | Lokale Identität | 35
Karneval im Sommer?
Das Fest CSD fungiert in mehrfacher Hinsicht als eine therapeutische Entlastung des
All­tags. Zum einen ermöglicht es, ganz unabhängig von seiner gesellschaftspolitischen
Intention, eine in der Gemeinschaft geschützte individuelle schwule oder lesbische
Anwesenheit im öf­fentlichen Raum. Zum anderen ist die Teilnahme nicht-heterosexueller
Selbsthilfegruppen, Ver­eine und Organisationen an der Parade und die Präsenz ihrer Informationsstände auf dem Straßenfest ein wichtiger Ausdruck ihrer Fähigkeit zur Selbstorganisation und damit Voraussetzung einer erfolgreichen Emanzipation. Die im Fest zutage
tretende zeitlich begrenzte, offen struktu­rierte Gemeinschaft projiziert, neben einem von
Travestie und Nacktheit bestimmten Bild nach außen, Möglichkeiten und Potenzial nicht
der Norm entsprechenden Lebensentwürfe nach innen. Der schrillen Parade steht das
Gefühl von Geborgenheit gegenüber.
Die Teilnahme schwul-lesbischer Karnevalsvereine an der CSD-Parade deutet ne­ben einer
Verdichtung entsprechender Netzwerke auch auf funktionale Unter­schiede zwi­schen Karneval und CSD hin. Die konstanten Vergleichsziehungen zwischen dem Rosenmon­tagszug
und dem „Rosa Karneval“ sind auf der einen Seite bezüglich der Integra­tion und Akzeptanz
schwul-lesbischer Lebensentwürfe schmeichelhaft, auf der anderen Seite negieren sie je­
doch eine mögliche politische Schlagkraft des CSD.
Diese kollektive Inszenierung der Gemeinschaft beim CSD funktioniert jedoch mit einem
grundlegend anderen gesellschaftlichen Impetus. Im Karneval werden moralische Regeln
und Konventionen des Alltags bewusst nur für einen beschränkten Zeitraum außer Kraft
gesetzt, um die Funktionen des Zusammenlebens außerhalb des Karnevals nicht aus
dem Gleichge­wicht zu bringen. Die im CSD ihre Lebensfreude und Daseinsberechtigung
demonstrierenden Menschen kommen jedoch nicht unter der Vorgabe zusammen, dass
alles anders sein „könnte“, sondern dass ihrer Auffassung nach alles anders sein „sollte“.
Die temporäre Be­schränkung der durch die Masse der Teilnehmer ermöglichte Außerkraftsetzung der gelten­den Normen ist hier keine freiwillige Maßnahme. Sie wird vielmehr
durch rigide ver­bale und körperliche Sanktionen einer oftmals mehrheitlich homophoben
Umwelt erzwungen. Die schmerzhafte Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist die
Erfahrung, dass der eigene Lebensentwurf im öffentlichen Alltag außerhalb der CSD-Veranstaltungen immer noch von Teilen der Gesellschaft abgelehnt wird.
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36 | Christopher Street Day | Lokale Identität
Gleichzeitig kann je­doch die Markierung
des „Anderen“ als „schrill“, „falsch“ oder
„unecht“ bestehende gesellschaftliche
Normen festigen.
Die Fixierung der nicht-schwul-lesbischen Berichterstattung in den lokalen und überregionalen Medien auf die Überschreitung von Gendergrenzen in der Parade kann als othering
bezeichnet werden. Dieser literaturwissenschaftliche Begriff bezeichnet den Vorgang, in
dem Subjekte, die als Bedrohung für die gesellschaftliche Ordnung empfunden werden,
als „an­ders“ und somit als nicht der eigenen Gemeinschaft zugehörig markiert werden. Der
Auftritt der is­raelischen Transgender-Sängerin Dana International auf dem Straßenfest des
CSD 1998 deutet darauf hin, dass dieses othering neben einer Exklusion durch eine weiße
hetero-normative Umwelt auch eine Strategie der Inklusion der auf Vielfalt bedachten
schwul-lesbischen Szenen darstellen kann. Gleichzeitig kann je­doch die Markierung des
„Anderen“ als „schrill“, „falsch“ oder „unecht“ bestehende gesellschaftliche Normen
festigen. Die Präsenz des „anderen“ Körpers im Sinne eines verzerrten und überzogenen
Klischees von Geschlecht­lichkeit ermöglicht im Idealfall das Außerkraftsetzen von Erwartungen und vorgefertigten Klischees und eine neue, flexiblere Konzeption von Rollenbildern.
In diesem Zusammenhang verdient die Teilnahme der Kölner Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes der Stadt Köln an den CSD der letzten Jahre besondere Aufmerksamkeit. Scho-Antwerpes, die bereits seit 1991 regelmäßig an der Parade teilnimmt, trug ein aufwändiges
Kleid, in dessen großen Kragen etliche Armbanduhren eingearbeitet waren. Mit einem
Fächer in der Hand nahm sie, in Begleitung zweier ebenfalls aufwändig kostümierter
Drag Queens, innerhalb der Fußgruppe des KLuST an der Parade teil. Durch Verkleidung
und Habitus übernahm sie die zwischen Teilnehmenden und Zuschauenden ausgehandelte Rolle einer Drag Queen. Durch ihre Erscheinung als biologische Frau in der gender
performance eines biologischen Mannes in einer weiblichen gender role erweiterte sie die
vielschichtige Beziehung zwischen Original und Imitation um eine weitere Ebene. Darüber
hinaus unterläuft sie mit der CSD-Teilnahme in ihrer Funktion als Bürgermeisterin bewusst
die beschriebene Dichotomie zwischen der heteronormierten Stadt auf der einen und den
schwul-lesbischen Szenen auf der anderen Seite. Der CSD wird auf diese Weise über den
Status eines betriebswirtschaftlichen oder wahlpolitischen Status hinausgehoben, er wird
Teil der Stadt und erfüllt somit seinen emanzipatorischen Anspruch.
Christopher Street Day | Strategien gegen die Unsichtbarkeit | 37
7. Strategien gegen die
Unsichtbarkeit
Die wichtigsten Strategien im Kampf gegen die gesellschaftliche Unsichtbarkeit von nicht-heterosexuellen Lebensentwürfen sind Hypermaskulinität und
Travestie. Die jährliche Aufmerksamkeit der Medien gegenüber Fummeltunten
und Muskelschwestern wirft nicht nur in Köln immer wieder die Frage nach
der Effektivität von Pride-Veranstaltungen bezüglich der Forderungen nach
Akzeptanz andersartiger Lebensentwürfe auf. Trotz des großen Verständnisses für den
Wunsch nach gemeinschaftlichen Erfahrungen nennen Kritiker die Reduktion der medialen
Rezeption der Paraden auf Drag Queens, Lederkerle und Dykes on Bikes in Form eines 20
Sekunden dauernden Zusammenschnitts in den Nachrichten als Preis der Zentrierung der
individuellen Sexualität.
7.1. Hypermaskulinität
Die auch in den Paraden des Christopher Street Days in Köln sichtbare geballte Anwesenheit von männlichen, nahezu nackten und vor allem muskulösen Körpern ist als
Hypermaskulinität zu bezeichnen. Hierbei wird das Stereotyp eines weiblich-weichen,
defensiven Schwulen durch die Präsentation eines harten, die Genderrolle “männlich”
über­zeichnenden Körpers subversiv unterwandert. Die zentralen körperlichen Elemente
homophober Zuschreibungen wie das abgeknickte Handgelenk, ein affektierter Gang und
Anspielung auf die sexuelle Unzu­länglichkeit werden durch einen stereotypisierten männlichen, aber gleichzeitig schwulen Körper konterkariert.
Diese subtile Subversion des für schwule Männer vorgegebenen sozialen Geschlechts
beschränkt sich in diesem Fall nicht auf das temporäre „Überstreifen“ einer anderen Rolle
in Form von Make-up und Kostümierung, sondern umfasst auch den Alltag außerhalb der
Pa­rade. Das Spiel mit den Stereotypen von Männlichkeit wird, vielfach unbewusst, durch
lang­fristiges und zeitintensives körperliches Training betrieben.
Der nackte, muskulöse, männliche Körper im Kontext der Parade verfügt über ein gro­ßes
subversives Potential. Abweichend von der Präfiguration patriarchalischer Männlichkeit wird der „über-männliche Körper“ zu einem sexuellen Körper, zu einem Objekt des
Begeh­rens. Der geformte Körper sendet Signale einer sexuellen Bereitschaft aus, die die
patriarcha­lisch-heterosexuelle Positionierung der Frau im Zentrum des Begehrens in Frage
stellen. Gleichzeitig entspricht er jedoch durch die Präsenz physischer und sexueller
Potenz, durch Muskeln und die durch knappe Bekleidung betonten primären männlichen
Geschlechtsorgane dem Stereotyp des aggressiven, omnipotenten Mannes. Er lässt sich
auf diese Art weder dem Stereotyp des effeminierten Schwulen noch dem des omnipotenten Heterosexuellen zuordnen.
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38 | Christopher Street Day | Strategien gegen die Unsichtbarkeit
Der Einsatz von Hypermaskulinität als subversiver Strategie schwuler Emanzipation wurde
durch eine Brechung der von der Umwelt auferlegten Stereotype ermöglicht. Da sich feminin besetzte, nicht-devote lesbische Rollenbilder nur langsam gegen das gängige Kli­schee
der maskulinen Lesbe durchsetzen, ist ein entsprechendes lesbisches Pendant im Sinne
einer Hyperfemininität bislang nicht zu beobachten. Barbusige lesbische Teilnehmerinnen,
wie sie in den ersten Jahren in der Parade häufiger als Ausdruck von lesbischem Selbstbewusstsein und sexueller Selbstbestimmung zu sehen waren, sind in den letzten Jahren
eher zur Ausnahme geworden.
7.2. Drag Kings and Queens
Der englische Ausdruck für einen biologischen Mann in der einer weiblichen Genderrolle
zugeschriebenen Kleidung lautet Drag Queen. Er ist abgeleitet von dem Verb to drag –
schleppen, schleifen – und bezieht sich auf die Schleppe eines hinter dem Träger herschlei­
fenden Kleids. Der in den USA der 1920er Jahre geprägte Ausdruck und seine neuere weibliche Entsprechung Drag King sind dem deutschen Begriff „Transvestit“ vorzuzie­hen, da sie
den unterhaltsamen, parodistischen Aspekt der Travestie beinhalten. Der „Trans­vestit“, in
seiner im Duden angegebenen Definition als sexuelle „Bevorzugung von Klei­dungsstücken,
die für das andere Geschlecht typisch sind“ beschränkt sich streng genommen auf die
medizinische Perspektive einer devianten Sexualität. Travestie bricht jedoch bewusst mit
der ihr zugesprochenen Rolle.
Auch im Einsatz des Crossdressings als subversiver Strategie ist eine männlich-schwule
Dominanz zu verzeichnen. Die in Köln durchaus vorhandene Drag King-Szene unterläuft als
Gemeinschaft biologischer Frauen durch die Parodie männlicher Genderrollen die Präfigurationen von Geschlechtlichkeit. Während diese gender parody mittlerweile auch in den
Medien rezipiert wird, wird ihre Präsenz bei Veranstaltungen wie dem CSD weiterhin sowohl von anderen Teilnehmenden als auch Besuchenden ignoriert. Dies mag zum einem an
der noch undeutlichen gesellschaftlichen Verortung des Phänomens liegen, zum anderen
an der geringeren Spekta­kularität der Erscheinung von Drag Kings. Während Drag Queens
durch ihre bunte, überzogene Parodie weiblicher Rollen auffallen, ist die weibliche Imitation männlicher Stereotypen viel­fach weniger einfach auszumachen. Die Drag King-Szene
zeichnet sich weniger durch eine Konzentration auf festgeschriebene Geschlechterrollen
– wie beispielsweise die Ausrichtung männlicher Travestie auf die Rolle der weiblichen
Diva – sondern eher durch einen subtileren, experimentellen Umgang mit Geschlechterrollen aus. Sie verfolgt vielmehr den Anspruch die Bedingungen der Konstruktion von Zweigeschlechtlichkeit und der entsprechenden Rollenzuteilung sichtbar zu machen.
Christopher Street Day | Strategien gegen die Unsichtbarkeit | 39
7.3. Gender bending
Rückblickend erscheinen Motivation und Funktion von Travestie inner­halb der schwullesbischen Bewegung der 1970er Jahre als grundsätzlich ver­schieden von der bloßen
Imitation von Frauen. Körper- und Gesichtsbehaarung wurde bewusst nicht entfernt und
der öffentliche Auftritt im Fummel stellte eine der wenigen Möglichkeiten dar, als schwuler Mann in der Öffentlichkeit überhaupt wahrgenommen zu werden. Dieser strategische
Einsatz von Crossdressing innerhalb der schwulen Emanzipationsbewe­gung hatte zum
einen das Ziel, gängige Geschlechterrollen in Frage zu stellen. Zum anderen stellte er – vor
der Einführung einer käuflich erwerbbaren Regenbogensymbolik – die einzige Möglichkeit
dar, durch die Kombination männlicher und weiblicher Attribute auf schwule Existenzen
aufmerksam zu machen.
Eine in der Parade 2005 gemachte Fotografie einer unbekannten Drag Queen verdeut­
licht die enge Koppelung der gender parody im Sinne Judith Butlers an den durch sie
hervorgerufe­nen komischen Effekt. Die Drag Queen zeichnet sich durch einen grotesken
Gegensatz zwischen körperlich-männlichen Merkmalen wie einer Glatze, einem über das
Geländer hängenden Bauch und überzogenen Aspekten von Weiblichkeit in Form von übergroßen Brüsten und einer enormen Gummiperücke. Hinzu kommen ein mit der femininschwulen Genderrolle einhergehender erotisierter Habitus durch eine zwischen den Zähnen
gehaltene Plastikrose und das unvermeidliche abgeknickte Handgelenk.
Die abgebildete drag performance erfüllt die Merkmale von Travestie in Form der Verletzung einer Regel oder Norm sowie die Durchführung dieser Überschreitung durch eine
unwürdige, minderwertige und abstoßende Person. Die Verletzung einer Norm ist durch die
Überschreitung festgelegter Geschlechterrollen gegeben. Die, die Norm über­schreitenden
Handelnden sind durch die Hervorhebung der von den körperlichen Idealen ab­weichenden
„Defekte“ wie Übergewicht und Kahlköpfigkeit als hässlich und abstoßend mar­kiert. Travestie ist somit ein reziproker Prozess homophober Zuschreibungen und deren subversiver
Unterlaufung durch Entsprechung und karikaturenhafte Überzeichnung.
In einer Fotografie zweier Teilnehmer des dritten Kölner CSD von 1993 ist die Funk­tion
von Travestie als Berührungen zwischen Sexualorientierung und Geschlechterrollen noch
deutlich zu erkennen. Wiederum handelt es sich um die groteske Gegenüber­stellung männlicher und weiblicher sekundärer Geschlechtsorgane in Form von Bärten und Brüsten sowie
um die Kombination weiblich konnotierter Kleidung und Frisuren und dem maskulinen Objekt Motorrad. 13 Jahre später hat sich die konzeptionelle Basis der in der Pa­rade zu beobachtenden männlich-schwulen Travestie grundlegend verändert. Das System ab­weichender
Genderrollen ist durch die Koordinaten weibliche Travestie und eine angemesse­ne Unterscheidung von Drag Queens und Transgender-Menschen erweitert worden. Darüber hinaus
hat sich die kollektive Markierung von devianter Sexualität der gay revolution hin zu einer
Darstellung individueller Figuren und Rollen entwickelt.
So verweisen die gut inszenierten Kostüme verschiedener Drag Queens in den Paraden der
vergangenen Jahre auf kreative und handwerkliche Fertigkeiten, lassen den Sachverhalt
der gender parody jedoch in den Hinter­grund treten. Weder physische noch soziale noch
performative Präfigurationen werden in Frage gestellt oder unterlaufen. Nicht das Klischee
der „Tunte“ wird neu verhandelt, sondern ein namentlich in der Presse genannter Travestie-Künstler zelebriert den eigenen Auftritt. Die Forderung auf dem Plakat eines Teilnehmers der Parade aus dem Jahr 2004 mit der Aufschrift: „Tunte sein ist politisch und nicht
nur Dekoration!“ wird somit zum Anachronismus.
„Tunte sein ist
politisch und
nicht nur
Dekoration!“
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40 | Christopher Street Day | Der CSD im öffentlichen Raum
8. Der CSD im
öffentlichen Raum
Die seit 2004 in Köln stattfindende Diskussion um die Beflaggung öffentlicher
Ge­bäude mit der Regenbogenfahne für die Dauer des CSD lässt die Mechanismen und Beweg­gründe der Verweigerung eines gleichberechtigten, sichtbaren
Platzes für nicht-heterosexuelle Lebensentwürfe innerhalb der Gesellschaft
deutlich werden. Eine zeitlich und räumlich begrenzte Inbesitznahme des
öffentlichen Raumes in Form einer Parade ist unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen
Potenzials von Schwulen und Lesben gestattet. Die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Le­
bensentwürfe in Form einer symbolischen Beflaggung der von ihnen mitgewählten Organe
und Institutionen der Gesellschaft hingegen wurde ihnen lange verwehrt.
In Berlin wird seit 1997 von verschiedenen Bezirksrathäusern die Beflaggung mit der Regenbogenfahne angeordnet. In Köln hingegen wurde 1998 ein Antrag von Bündnis 90/Die
Grünen auf entsprechende Beflaggung von Rathaus und Hauptbahnhof mit den Stimmen
von SPD und CDU abgelehnt. Bei den 1999 stattfindenden Kommunalwahlen zogen nach
einer Diskussionsrunde im Rahmen des Straßenfests die anwesenden OB-Kandidaten
bzw. deren Vertreter spontan zum Rathaus, um – gegen den ausdrücklichen Willen von
Oberbürgermeis­ter Burger – gemeinsam die Regenbogenflagge zu hissen. 2004 wurde
von den Bezirksvertre­tungen verschiedener Stadtteilen wie Lindenthal oder Ehrenfeld auf
Antrag des KLuST eine entsprechende Beflaggung angeordnet.
Paraden wie der Kölner CSD stellen mit einer Teilnahme von bis zu 70.000 Menschen
(2002) bei einer Gesamteinwohnerzahl von einer knappen Million einen durchaus
ernstzunehmenden politischen und ökonomischen Faktor dar. So trug ein Teilnehmer des
CSD 2005 ein Schild mit der Aufschrift: „Wir sind kein Milieu, wir sind Mil­lionen.“ Diese
Präsenz, die das herkömmlich patriarchalische, männlich-heteronormierte Gesellschafts­
bild bedroht, hat in der Vergangenheit immer wieder zu Abwehrreaktionen bei städtischen
Vertretern und Ordnungsbehörden geführt.
Der ehemalige Kölner Oberbürgermeister Norbert Burger bezog als Vertreter dieser gefestigten Ordnung deutlich Position. Bei dem 1991 erstmalig stattfindenden Empfang einer
Delegation von Kölner Schwulen und Lesben im Kölner Rathaus beendete er das Gespräch
nach Augenzeugenberichten mit der Frage „Wie viele sind sie eigentlich?“. Ein Jahr später
erteilten die städtischen Ordnungsbehörden erst wenige Stunden vor der Eröffnung des
Stra­ßenfests eine entsprechende Genehmigung, was neben einem Gefühl der Ohnmacht
eine krisenhafte Stimmung innerhalb der Szenen verursachte.
In den ersten Jahren des Kölner Lesben- und Schwulentags tauchten wiederholt Konflikte zwischen den Organisierenden und der städtischen Vertretung auf. Nachdem der
CSD bei seiner dritten Ausrichtung 1993 mit schätzungsweise 30.000 Teilnehmenden
eine Zukunftsperspektive als feste Größe im Veranstaltungskalender der Stadt erworben
hatte, kam es zu einer Ausein­andersetzung zwischen KLuST und Stadtverwaltung um die
Christopher Street Day | Der CSD im öffentlichen Raum | 41
Parade 1992, Zugweg
„Wir sind kein Milieu,
wir sind Mil­lionen.“
Teilnahme des Bürgermeisters oder dessen direkter Vertretung. Nachdem Bürgermeisterin
Renate Canisius den CSD 1991 und 1992 in Vertretung von Oberbürgermeister Norbert
Burger eröffnet hatte, ließ sich dieser 1993 durch die Ratsfrau Cornelia Klien vertreten. Der
KLuST beharrte darauf, dass bei zu­nehmender Gewalt gegen Schwule und Lesben nur die
Anwesenheit des Spitzenrepräsentan­ten oder seiner direkten Vertreter „das jetzt notwendige Signal der Solidarität und des gesell­schaftlichen Miteinanders“ setzen könne. Burger
drohte daraufhin mit dem vollständigen Rückzug städtischer Präsenz. Die letztendlich von
Ratsfrau Klien gehaltene Ansprache fand in einer entsprechend aufgeladenen Stimmung
statt und wurde von der Mehrheit der Anwesenden ausgebuht.
Über die Hintergründe der Weigerung des Oberbürgermeisters, selbst zu sprechen oder
eine direkte Vertretung zu entsenden, ist aus heutiger Sicht nur noch zu mutmaßen. Eine
bewusste Verweigerung städtischer Teilnahme auf höchstem Niveau liegt jedoch angesichts der Größe der Veranstaltung und des bereits fast ein Jahr vorher bekannt gegebenen
Datums auf der Hand. Diese Verweigerung städtischer Vertretung oberhalb des Status
eines Ratsmit­glieds kann hier durchaus als ein symbolischer Akt der Negation schwul-lesbischer Präsenz in Köln gewertet werden.
In einem im Juli 2001 in der RIK veröffentlichten Kommentar zum CSD 2001 nennt der
derzeitige Oberbürgermeister Fritz Schramma den CSD „eine gelungene Mischung aus
fröhlicher Feier, gesellschaftspolitischer Demonstration und rosa Karneval“, die zeige, dass
in Köln die schwul-lesbische Szenen längst zum Alltag gehören. Gleichzeitig fordert er die
Teilnehmer und Teilnehmerinnen der anstehenden Parade zur Zurückhaltung auf: „Die Lesben und Schwulen sollten aber auch Rücksicht auf den Teil der Bevölkerung nehmen, der
mit den schrillen und teilweise anstößigen Szenen nicht allzu viel anfangen kann.“
Was auf den ersten Blick als eine Anmahnung eines demokratischen Aushandlungs­
prozesses des öffentlichen Lebens aussieht, entpuppt sich bei genauerer Hinsicht jedoch
als subtile Strategie einer Untermauerung gegengeschlechtlicher Normalität. Durch eine
Fixierung der Öffentlichkeit und der Medien auf die karnevalesken Elemente der Parade
werden die direkten politischen Aussagen des CSD größtenteils ignoriert. Eine gesellschaftspolitische Sprengkraft der Massenveranstaltung Christopher Street Day ist allenfalls
noch in der Subver­sion von Geschlechterrollen durch Travestie oder Nacktheit vorhanden.
Die von Schramma geforderte freiwillige Selbstkontrolle mit einem Verzicht auf „schrille
Szenen“ würde der intendierten Demonstration der Vielfalt von Lebensentwürfen die Basis
entziehen. Der CSD wäre somit gänzlich seiner indirekten politischen Botschaft beraubt
und sowohl in Form als auch Inhalt von anderen Volksfesten nicht mehr zu unterscheiden.
Während Schwule und Lesben versuchen, innerhalb dieser Auseinandersetzung um Repräsentation und Präsenz das ihnen aufgezwungene Rollenbild abzuwerfen oder subversiv zu
sabotieren, ist eine heteronormative Mehrheit an einer Erhaltung des Status quo interessiert. Die Duldung subversiver Praxis durch ein dominantes System befindet sich somit
immer in einer fragilen Balance zwischen gezielter Funktionalisie­rung als machtstabilisierender Faktor auf der einen und Öffnung und Integration auf der einen Seite.
Parade 2005, Zugweg
Alltagswelten – Expertenwelten Band 14 | www.schwules-netzwerk.de
42 | Christopher Street Day | Wem gehört der CSD?
9. Wem gehört der CSD?
Die monatliche Umfrage des schwulen Magazins BOX fragte im Mai 2006 seine Leser, wie wichtig ihnen die CSD-Feiern seien. Im Folgemonat veröffentlichte die Zeitschrift die Ergeb­nisse, in denen 42 % der Leser in den CSD „immer
noch Demonstrationen für unser Anliegen“ sahen, 42 % die Veranstaltungen
als „nur noch Party“ betrachteten und 16 % der Antworten die Parade als
„eine Art rosa Sommerkarneval“ bezeichneten. Die Ergebnisse dieser Umfrage sind nicht
unbedingt repräsentativ, ihre Fragestellung mit den drei vorgegebenen Antwortmöglichkeiten ist jedoch aufschlussreich. Sie verdeutlicht mit den Begriffen „Demonstration“ und
„Party/Sommerkarneval“ die beiden Pole des Diskurses hinsichtlich einer Positionierung
des CSD zwischen politisiertem Brauch und kommerzialisiertem Event.
Wie beschrieben ging die Entwicklung des Christopher Street Days in Köln einher mit quantitativen und qualitativen Veränderung der Veranstaltung, ihrer Konzeption und Durchführung. Neben den bis 2002 stetig steigenden Teilnehmenden- und Besuchendenzahlen sind
vor allem die Professionalisierung des Ausrichters einerseits sowie die „Privatisierung“ des
Straßenfests andererseits zu nennen. Diese Prozesse blieben in den schwul-lesbischen
Szenen nicht unkommentiert und wurden teilweise mit scharfer Kritik bedacht.
Die Kommerzialisierung des CSD
ist daher nicht zwangsläufig als
Entwicklung zu betrachten, die
den politischen Grundgedanken
der Veranstaltung pervertiert.
Christopher Street Day | Wem gehört der CSD? | 43
Die zentrale Forderung der gay revolution
– die Veröffentlichung des Privaten –
wird somit wieder rückgängig gemacht.
9.1. Sponsoring
Auf besondere Kritik stießen in den letzten Jahren die Aktivitäten von Sponsoren innerhalb der Parade und bei der Finanzierung des Straßenfests. Der ColognePride 2005 zählte
beispielsweise insgesamt mehr als vierzig Sponsoren und Partner, die sich in verschiedene
Kategorien einteilen lassen. Ein Großteil der finanziellen und organisatorischen Hilfestellung kam von Gruppen, Initiativen und Einrichtungen der schwul-lesbischen Szenen Kölns.
Darüber hinaus waren einige größere Konzerne als Sponsoren zu verzeichnen. Neben
Firmen mit einer ausschließlich marktwirtschaftlich orientierten Motivation, wie beispiels­
weise Coca Cola, Jägermeister, German Wings oder Deutsche Bank Köln, gab es einige Be­
triebe, die sich durch eine besonders integrative oder antidiskriminatorische Firmenpolitik
auswiesen. Die Kommerzialisierung des CSD ist daher nicht zwangsläufig als Entwicklung
zu betrachten, die den politischen Grundgedanken der Veranstaltung pervertiert.
Die Mehrzahl der Sponsoren zeichnete sich jedoch eher durch ein oberflächliches Interesse
an den politischen Inhalten der Veranstaltung aus. 2005 bezeichnete eine Modefirma als
eine der Sponsorinnen der Parade das tolerante Umfeld des ColognePride als passend zum
Geschäftskonzept. Die beworbene Kollektion wurde aus absatzstrategischen Gründen an
das Image der Vielfältigkeit gekoppelt, die schwul-lesbischen Teilnehmenden sollten durch
die Präsenz der Marke zum Kauf der Ware motiviert werden. Der CSD wurde mit dieser Aussage zu einer bloßen Trägerveranstaltung kommerzieller Werbung degradiert. Die äußere
Form wurde hier nicht den Inhalten angepasst, sondern eine verkaufsverträgliche Softversion der Demonstration nicht-heterosexueller Lebensentwürfe wurde als „tolerantes Umfeld“
zur idealen Werbemöglichkeit. Aus der gay liberation wurde, so die Tagline der Werbekampagne, eine „Charming Fashion Revolution“.
9.2. Volksfest CSD?
Mit der Einführung des „Fantasypride“ als schwul-lesbischer Auftakt zum Co­lognePride
im Vergnügungspark Phantasialand in Brühl im Jahr 2003 weitete sich der volksfestartige
Charakter der Veranstaltung aus. Die Veranstalter folgten dem US-amerikanischen Muster
des seit 1990 im Vergnügungspark Disneyland Or­lando/Florida ausgerichteten gay day.
Mit den erhobenen Eintrittsgebühren von Euro 26,50 ist ein schrankenloser Zugang für alle
Teilnahmewilligen, nämlich unabhängig von ihrem Einkommen, hinfällig. Gleichzeitig wird
durch die zusätzlich stattfindenden Veranstaltungen der öffentliche Raum als Austragungsort der Aushandlung der Position gleichgeschlechtlicher Lebensentwürfe verlassen. Die
zentrale Forderung der gay revolution – die Veröffentlichung des Privaten – wird somit wieder rückgängig gemacht. Die im CSD zusammentretende schwule Gemeinschaft – lesbische
Präsenz wird nicht explizit angesprochen – tritt mit ihren Gleichberechtigungsforderungen
nicht mehr in die Öffentlich­keit, sondern zieht sich in das selbst gewählte Getto Vergnügungspark zurück.
Ein weiterer Streitpunkt in der Diskussion um die politische Effizienz der CSD-Veranstaltung betrifft die Ausrichtung des Bühnenprogramms. Die Auftritte von Schlagerinterpreten
und -interpre­tinnen wie Mary Roos, Vicky Leandros oder Patrick Lindner und somit eine
inhaltliche und formale Annäherung an Volksfeste mit einem rein unterhalten­den Charakter
ermöglichen den weiteren Abbau von Vorurteilen, gleichzeitig verwischen sie jedoch die
schwul-lesbischen Aspekte der Demonstration und damit das politische Anliegen.
Mit der beschriebenen Veränderung des politischen Anspruchs von Travestie von der Aushandlung und Subversion gesellschaftlich bestimmter Geschlechter­rollen hin zu einem inszenierten Auftritt des Individuums hat sich das Äußere der Parade grundlegend geändert.
Das auf Provokation abzielende Crossdressing schwuler Aktivisten der 1970er Jahre ist
einem immer professionelleren, nicht mehr unbedingt an eine gender parody ge­koppelten
Rollenspiel gewichen. Damit ist die Parade nur noch schwerlich von vergleichba­ren
Veranstaltungen mit einem anderen Ursprung zu unterscheiden. So zeigte ein Beitrag des
Fernsehsenders CNN International über das Verbot einer schwul-lesbischen Demonstration
in Moskau am 27. Mai 2006 zum Vergleich Bilder der Gay Prides in London, New York und
Sydney sowie der Love-Parade in Berlin.
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44 | Christopher Street Day | Wem gehört der CSD?
9.3. Gegenwelten
Politisch diffuse und unverbindliche Ziele und somit eine Deinstitutionalisie­rung der
schwul-lesbischen Emanzipationsbewegung traten bereits auf, nachdem die Koppe­lung
der politischen Ausrichtung an linksradikale studentische Gruppierungen mit einer
zunehmenden Liberalisierung der Gesellschaft in den 1970er Jahren weggefallen war.
Die Etablierung des CSD in Köln als Reaktion auf die AIDS-Krise brachte die ausrichtende
Ge­meinschaft des Festes zunächst wieder mit dem gemeinsamen Ziel der Bekämpfung
der Krankheit unter einem Dach zusammen. Als begrenzte medizinische Erfolge beispiels­
weise in Form von lebensverlängernden Langzeittherapien einsetzten, schwand das
Empfinden von AIDS als Bedrohung schwuler Lebensentwürfe. Die Funktion der Parade als
lebensbejahen­des Signal gegen Krankheit, Tod und Stigmatisierung rückte immer weiter
in den Hinter­grund. Nach und nach traten mehr oder weniger ausformulierte emanzipationspolitische For­derungen an ihre Stelle. Diese Entwicklung lässt sich in der zunehmenden konkretisierten Form der Mottos nachzuvollziehen. Diese waren zunächst dem
Karneval entlehnt („Jot Fründe kumme zosamme“ – 1991) und entwickelten sich dann über
allgemeinere Leitgedanken wie „Flagge zeigen“ (1993-1996) hin zu konkreten politischen
Aussagen zu schwulen oder lesbischen Aspekten von Familie („We are family“ – 1999)
oder rechtlicher Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften („Im Namen des
Volkes, traut Euch“ – 2001). Im Zuge der endgültigen Abschaffung des § 175 im Jahr
1994 und einer zunehmenden Integration schwul-lesbischer Lebensentwürfe durch die
Politik der rot-grüne Koalition zwischen 1998 und 2005, vor allem mit der Einführung des
Lebenspartnerschaftsgesetztes 2002, schienen aber auch diese Ziele erfüllt. Neue Ziele
wie die Durchsetzung schwul-lesbische Aspekte im Antidiskriminierungsgesetz oder die
organisierte Solidarität mit Schwulen und Lesben in Osteuropa stoßen hingegen wieder auf
verstärkte Resonanz innerhalb der schwul-lesbi­schen Szenen.
In der sogenannten „Kölner Erklärung“ aus dem Jahr 2000 protestierten verschiedene
sexualeman­zipatorische Gruppen aus NRW gegen eine „Heimholung ins Hetero-Reich“
durch verän­derte Form und angepassten Inhalt. Aus der AIDS-Initiative „Maria HIV“ ging
beispielsweise die Formation „queergestellt“ „von Menschen unterschiedlicher sexueller
Identitäten“ hervor. Die deutlich linkspolitisch orientierte Gruppe protestierte während der
Parade 2002 in Form einer mit Ein­kaufswagen ausgestattete Fußgruppe gegen die zunehmende Vereinnahmung der CSD-Veran­staltungen durch Sponsoren und Partyveranstalter.
Bei einer von „queergestellt“ vor der KLuST-Veranstaltung ausgerichteten Gegenparade
2003 zogen etwa 500 Teilnehmer über die Ringe nach Ehrenfeld, um auf dem dortigen
Neptunplatz an einer Abschlusskundgebung teilzunehmen. Im Juni 2003 übertitelte der
Express einen Bericht zu dieser sogenannten off-pride mit: „Muss dass denn sein? [...] Gibt
Christopher Street Day | Wem gehört der CSD? | 45
„Muss dass denn sein? [...] Gibt es
jetzt zwei Nackedeiparaden in Köln?“
es jetzt zwei Nackedeiparaden in Köln?“. Die Gefahr einer Spaltung der Parade in gegenläufige Teile erwies sich jedoch als unbegründet, da die Inten­tion von „queergestellt“ nicht
in der Etablierung eines weiteren Umzugs, sondern in der Ver­mittlung von Denkanstößen
liegt.
Auch in Oberhausen hat sich mit der vom „Netzwerk der Queerulanten“ veranstalteten
Freakweek seit 2001 eine ähnliche Veranstaltung neben dem CSD etablieren können, die
auf ihrer Internetseite direkt auf den „Sommerkarneval“ in Köln Bezug nimmt:
Der KLuST hingegen wertete den politischen Gehalt beispielsweise der Parade 2005 in
seinem Jahresbericht als vorbildlich in Umsetzung des Mottos und Reduzierung der kommerziellen Wagen. Auch in Gesprächen mit Organisatoren und Organisatorinnen, Teilnehmern und Teilnehme­rinnen wird deutlich, dass die Parade 2005 als angenehm repolitisiert
empfunden wurde.
Bezüglich einer Kommerzialisierung des CSD muss jedoch unterschieden werden zwischen
einem das Bild nach außen hin konstituierenden Auftreten in der Parade und der bereits ge­
nannten Projektion des Potenzials und der Möglichkeiten der schwul-lesbischen Gemeinschaft nach innen. Während ein Blick in die Presse nach dem CSD-Wochenende 2005 zeigt,
das die Rezeption von außen deutlich auf den Unterhaltungscharakter der Parade ausgerichtet ist, prägen die an Schwule und Lesben gerichteten Veranstaltungen des Rahmenpro­
gramms ein ganz anderes Bild.
Dass Abkehr und Abspaltung von den zahlenmäßig großen CSD-Veranstaltungen nicht
immer nur in einer anti-kommerziellen Haltung zu suchen sind, zeigt das Beispiel des CSDOstwestfalen-Lippe (CSD-OWL). Die in Bielefeld stattfindende Veranstaltung wird seit ihrer
Etablierung 1996 vollständig ohne Sponsorengelder finanziert. Trotzdem organisierte die
Initiative „Queertreiben“ ein alternatives Kulturfest im ArbeiterInnenjugendzentrum.
Die genannten Alternativveranstaltungen in Köln, Oberhausen und Bielefeld lassen sich
ne­ben einer politisch-ideologischen Unterscheidung als Wunsch nach Wiederholung der
Erfahrung von Gemeinschaft interpretieren, die neue Fest- und Erlebnisformen entstehen
lassen.
Alltagswelten – Expertenwelten Band 14 | www.schwules-netzwerk.de
… eine letzte Chance für die Köl­ner
Schwulen und Lesben „ein wenig
„unter sich“ zu feiern.“
46 | Christopher Street Day | Wem gehört der CSD?
9.4. Rückeroberung
Gleichzeitig haben die Öffnung des CSD für kommerzielle Aspekte und sein rasantes
Wachstum durch gestiegene Sicherheits- und Organisationskosten – auch bei rechtlicher
Beibehaltung des Demonstrationsstatus – den geziel­ten Einsatz von Sponsoring auf Kosten
der Sichtbarkeit der politi­schen Botschaft unumgänglich gemacht. Diese Entwicklung kann
jedoch bei aller Kritik auch als eine emanzipatorische Chance gesehen werden, da sie
neuen Gruppierungen und Ideen einen Nährboden bietet. Eine solche Ausdifferenzierung
gesellschaftlicher und ökonomischer Nischen innerhalb des Systems CSD ist nicht nur
in den besprochenen Alternativangebo­ten des „antikommerziellen“ Sektors schwul-lesbischer Szenen, sondern auch innerhalb der reinen Unterhaltungsangebote zu finden. So
wurde im offiziellen Programmheft des ColognePride 2006 die Eröffnung des Straßenfestes
in der Altstadt besonders empfohlen, da die meisten auswärtigen Gäste noch nicht eingetroffen seien. Darüber hinaus ist seit einigen Jahren eine Bewegung weg vom mehrtägigen,
überfüllten Straßen­fest auf Heumarkt, Alter Markt und Rathausvorplatz hin zu der wesentlich kleineren, seit 2000 von den Wirten der umliegenden schwulen Kneipen organisierten
Veranstaltung im Vorfeld des ColognePride zu verzeichnen. Die RIK bezeichnete das 2002
während des Europride von der Wirtegemeinschaft Altstadt am Agrippabad veranstaltete
Straßenfest als „vor dem ‚Big Bang’ back to the roots“ und als gelungen, weil „übersichtlich und gemüt­lich“. Dieser „kleine CSD“ versuchte gezielt die Atmosphäre der Anfänge in
der Stephan­straße aufzugreifen, und sich von der Massenveranstaltung abzugrenzen um
eine spezi­fische Zielgruppe anzusprechen. Das Magazin BOX nannte das Straßenfest 2005
im sogenannten Ber­mudadreieck den „Geheimtipp der Kölner Community“ und eine letzte
Chance für die Köl­ner Schwulen und Lesben „ein wenig „unter sich“ zu feiern.“
Diese prozesshafte Rückeroberung des CSD durch die lokalen schwul-lesbischen Szenen soll an einem letzten, vom Autor am Rande der Veranstaltungen 2005 beobachteten
Beispiel ver­deutlicht werden: Das zwei Wochen vor der Parade von den Wirten der anliegenden Kneipen in der Schaafenstraße veranstaltete „Veedelsfest“ erwies sich auch
2005 als großer Erfolg. Die Organisatoren hatten dem Ansturm der vorhergehenden Jahre
Rechnung getragen und die die Kreuzung Schaafenstraße/Mauritiuswall für diesen Abend
vom Ordnungsamt für den Autoverkehr sperren lassen. Aufgrund der guten Stimmung und
des günstigen Wetters fanden sich eine Woche später, zwei Nächte vor der Parade, erneut
mehrere tausend Besucher ein, sodass der Straßenverkehr auch ohne städtisches Zutun
zum Erliegen kam und die Durch­fahrt bis in die frühen Morgenstunden unpassierbar blieb.
Christopher Street Day | Interviews | 47
Interviews
Interview mit Reinhard Klenke,
Mai 2006
Wie hat Dir der CSD 2005 gefallen?
Mir persönlich hat der CSD 2005 gut gefallen, weil
ich in manchen Bereichen Anklänge an die Ursprungsidee des CSD
wiedergefunden habe. Das konnte man ganz konkret an den vielen
Fußgruppen und kleinen Vereinen festmachen. Anders als in den
vergangenen Jahren war die Parade nicht so sehr von den großen
Firmen dominiert. Das war so ein bisschen back to the roots.
Also weniger Karneval im Sommer?
Wir haben ja in der Anfangszeit, als es darum ging, den CSD für
Köln quasi neu zu erfinden, durchaus in allen möglichen Bereichen Ideenklau betrieben. Einer davon war sicherlich der Kölner
Karneval. Wir haben dabei ganz bewusst bestehende Traditionen
aufgegriffen. Das, was mit dem Kölner Karneval verbunden wird,
der ja ursprünglich auch eine politische Funktion hatte, wollten
wir in der Parade übernehmen. Es sollte auch Spaß machen und
nicht mehr so eine todernste Geschichte sein, wie die ersten
CSD-Demonstrationen. Wir wollten eine politische Aussage mit
einer phantasievollen und auch witzigen Form verbinden. Das war
unserer Ursprungsidee.
Der CSD greift also in Köln auf bestehende Brauchmuster zurück?
Es gab ja als Vorgänger einen NRW-CSD, der in verschiedenen
Städten stattfand. An der letzten Veranstaltung gegen Ende der
Achtziger Jahre haben etwa 300 Leute teilgenommen. Das war eine
wenig erfreuliche Veranstaltung. Diese Gay Freedom Days hatten
einen viel stärkeren Demonstrationscharakter, die Schwulen- und
Lesbenbewegung kam ja letztendlich aus der Studenten- und der
Frauenbewegung. Man hat den Begriff Parade, anders als in den
USA, hierzulande ganz bewusst vermieden. Es handelte sich um
eine für Deutschland typische Demonstration. Es gab auch keine
Straßenfeste, sondern man ging durch eine Stadt, demonstrierte
und ging wieder auseinander. Dieser Demonstrationscharakter
hatte sich festgefahren.
Der politische Charakter sollte erhalten bleiben, wir wollten hier
nichts Unpolitisches machen. Nur war uns die Verbindung mit
Lebensfreude sehr wichtig. Unsere Idee war daher, lokale Identität
aufzugreifen und als lokales Ereignis anzubieten. Das machte den
Charme der Anfangsjahre aus. Die Mottos der ersten Veranstaltungen wie Jot Vründe ston zusamme und Mer fiere us un Kölle hatten
einen ausdrücklich kölschen Hintergrund. Auch beim Straßenfest
haben wir uns an den Festtraditionen hier in den Veedels orientiert.
Das Konzept wurde angenommen und hatte großen Erfolg.
Innerhalb weniger Jahre sind die Besucherzahlen von zunächst
zweitausend auf zwanzig-, dreißigtausend und dann immer weiter
angestiegen. Für mich liegt das Erfolgsrezept in Köln in diesen
Bemühungen um einen Lokalkolorit. Viele Lesben und Schwule hier
sind keine Kölner und haben sich so ein Stück Heimat schaffen
können. Das Konzept hat ja dann auch in anderen Städten Anklang
gefunden.
Welche Rolle spielte AIDS bei der Etablierung des Kölner CSD?
Ich glaube, diese Entwicklung wäre ohne die AIDS-Krise nicht möglich gewesen. Die Schwulenbewegung war zu dieser Zeit noch sehr
stark studentisch geprägt und durch diese Auseinandersetzung
mit der AIDS-Problematik sind viel weitere Kreise aus bürgerlichen
Zusammenhängen an die Lesben- und Schwulenbewegungen
herangeführt worden. Viele wurden durch AIDS zwangsgeoutet.
Eine Parade ermöglichte unmittelbaren Zugang und war weniger
hochschwellig als die Demonstrationen der Vergangenheit.
In den ersten Jahren übernahmen die beiden AIDS-Hilfen NRW
und Köln die Organisation des CSD. Es ging um ein Signal in die
eigene Szene hinein, gegen die Mutlosigkeit und die Untergangsstimmung, die immer weiter um sich griff. Zu dieser Zeit kam es
tatsächlich zu einem Kneipensterben in der schwulen Szene. Alles
war auf Rückzug programmiert und dem wollten wir etwas entgegensetzen. Wir wollten nach Innen wieder Mut geben, mobilisieren,
deutlich machen, dass das Leben lebenswert ist. Wir haben eine
Zukunftswerkstatt veranstaltet, weil wir dachten, dass man der
ganzen Trauer etwas Neues entgegensetzen muss, eine lebensbejahende Geschichte. In dieser Werkstatt haben wir alle möglichen
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Wir wollten nach Innen wieder
Mut geben, mobilisieren,
deutlich machen, dass das
Leben lebenswert ist.
48 | Christopher Street Day | Interviews
Projekte gesammelt. Eine Idee war, die in den USA so erfolgreichen
parades nach Deutschland zu holen und hier in Verbindung mit
einem Straßenfest umzusetzen.
War der Kölner CSD von Anfang an eine Erfolgsgeschichte?
Wir haben den ersten CSD zusammen mit den Wirten der Kneipen
in der Stefanstraße gemacht. Die glaubten zunächst einmal nicht
an einen Erfolg der Veranstaltung und hatten beim Ordern der
Getränke nicht mit so einem Massenansturm gerechnet. Ich selbst
war im ersten Jahr davon überzeugt, dass ein paar tausend Leute
kommen würden. Mit der rasanten Entwicklung der Jahre danach
hatte ich allerdings auch nicht gerechnet.
Es gab im ersten Jahr nur drei oder vier Wagen. Alles war noch sehr
bemüht. Wir hatten einen merkwürdigen Paradeweg vom Alter
Markt aus durch die Altstadt an den Touristenlokalen vorbei. Die
Parade zog durch die Außengastronomie hindurch. Das war für alle
Beteiligten eine Begegnung der dritten Art. Es war halt ein Versuch.
Als wir am Alter Markt losgingen, waren viele sich nicht ganz sicher,
ob sie mitgehen sollten, oder nicht. Als der Kopfwagen losfuhr
haben sich dann immer mehr Leute eingereiht. Die damalige
stellvertretende Bürgermeisterin Canisius hat dann noch so ein
aufmunterndes Gedicht zur Eröffnung der Parade vorgetragen.
Die Stadt hat uns ansonsten zunächst nicht sonderlich euphorisch
unterstützt. Eine Delegation von uns ist damals von Oberbürgermeister Burger empfangen worden. Als der uns verabschiedete hat
er, um den ganzen nun ja nicht zuviel Bedeutung zu geben, gesagt:
„Ja gut, ich hätte natürlich auch die Zeugen Jehovas empfangen,
wenn die um einen Gesprächstermin gebeten hätten. Und nochmal,
damit sie’s wissen – wieviel sind sie denn überhaupt?“ Für mich
persönlich war das eine Herabsetzung. Gleichzeitig war es aber
auch ein Ansporn, möglichst viele Leute für die Parade und das
Straßenfest zu mobilisieren, um solchen Leuten zu zeigen, dass wir
mehr als nur 50 Schwule und Lesben in dieser Stadt sind.
Beim zweiten CSD wussten wir am Freitag noch nicht, ob die Stadt
das Straßenfest genehmigen würde. Das Verfahren wurde bis zum
letzten Moment herausgezögert. Es gab auch Anwohner, die versucht haben, das Straßenfest vom Verwaltungsgericht verbieten zu
lassen. Erst im letzten Moment konnten diese Klagen abgewendet
werden. Ich glaube, wenn das Straßenfest verboten worden wäre,
wären die Leute nicht einfach nach Hause gegangen, dann hätte
es wirklich Theater und Randale gegeben. Viele Schwule und auch
Lesben hatten wirklich den Eindruck, sie stünden mit dem Rücken
an der Wand.
Ist der CSD über seine Grenzen hinausgewachsen?
1994 bekam der CSD Dimensionen, die meiner Meinung nach mit
unserer ehrenamtlichen Struktur nicht mehr zu stemmen waren. Wir
hatten den Neumarkt zugewiesen bekommen, weil die Stadt uns
nicht glauben wollte, dass wir einen größeren Standort brauchten.
Der Platz war in Nullkommanichts total überfüllt und ringsum ging
der Verkehr weiter. Dass da niemand unter die Straßenbahn geraten ist, ist ein Wunder.
Darüber hinaus hat der CSD sich leider sehr schnell für kommerzielle Teilnehmer geöffnet. Man konnte als Wirt Mitglied im Verein
werden und auf diese Weise sozusagen über die Richtung mitentscheiden. Ich habe immer die Meinung vertreten, dass jemand,
der ein vornehmlich finanzielles Interesse hat, nicht über seine
Standgebühren beim Straßenfest mitbestimmen darf. Irgendwann
sind CSD und Straßenfest zu einem Geschäft geworden, mit dem
eine Menge Geld verdient wurde.
Wird es in Zukunft nur noch ein großes Regenbogenevent geben,
oder wird sich eine Repolitisierung der Paraden durchsetzen können?
Das eine schließt das andere nicht aus. Der CSD ist eine große,
auch kommerzielle Veranstaltung, das lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Ich finde das eigentlich auch nicht falsch. Es gibt auch
andere gesellschaftliche Gruppen, die sich ihrer wirtschaftlichen
Stärke bewusst sind, das auch nach außen demonstrieren und
auch für sich nutzen. Es wird aber auch immer mehr Nischen geben, wo der ursprüngliche Charakter wieder auftaucht und wo auch
neues möglich ist. Es werden sich automatisch neuere, andere,
lebendigere oder zeitgemäße Formen entwickeln.
Christopher Street Day | Interviews | 49
Interviews
Interview mit Elfi Scho-Antwerpes,
Mai 2007
Wie hat Ihnen der CSD 2006 gefallen?
Ich habe ihn als anders empfunden. Er war, im Vergleich zu den vergangenen Jahren, endlich wieder politischer. Man
kann sagen: Er hatte eine hochpolitische Aussage. Das hat mir sehr
gut gefallen. Ich glaube, dass sich das jetzt fortsetzen wird.
Grundsätzlich ist zu sagen: Der CSD hat längst einen festen Platz
im Kölner Veranstaltungskalender. Er gehört fest zu Köln. Im Laufe
der Jahre hat sich der CSD auch entwickelt: Er ist inzwischen mehr
als ein Protest- und Demonstrationstag von Lesben und Schwulen,
er ist auch Ausdruck von Selbstbewusstsein und Lebensfreude. Ja,
man kann sagen: Die Kölner CSD-Parade ist ein richtiges Highlight.
Nicht von ungefähr kommen Besucherinnen und Besucher aus ganz
Deutschland und sogar aus dem Ausland zum CSD in unsere Stadt.
Insofern ist der CSD auch ein interessanter Wirtschaftsfaktor.
Welche Aufgaben hat der CSD Ihrer Meinung nach?
Die Hauptaufgabe des CSD besteht für mich darin, deutliche
Zeichen zu setzen - gegen Intoleranz und Diskriminierung, für
gegenseitigen Respekt und ein friedliches Miteinander. Denn bei
allem gesellschaftspolitischen Fortschritt in den vergangenen
Jahren ist auch klar: Die Integration von Lesben und Schwulen ist
ein ständiger Prozess. Die gesellschaftliche Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensstile und ihrer Lebensgemeinschaften muss
weiterhin gefördert werden. Hier gilt es fortwährend Bewusstseinsarbeit zu leisten, möglichst viele Köpfe zu erreichen. Und dabei
kann eben auch der CSD eine wichtige Rolle spielen – spielt er zum
Glück ja auch.
Und wenn wir beim Kölner CSD deutlich Flagge zeigen, dann wird
das ja auch andernorts wahrgenommen. Insofern hat der CSD eine
gewisse Vorbildfunktion für andere Städte, auch im Ausland. Ich
denke da zum Beispiel an Polen, Russland und die Türkei. Dort gibt
es offenbar noch sehr viel zu tun hinsichtlich der gesellschaftlichen
Akzeptanz von Schwulen und Lesben. Deshalb war ich im Juni 2006
auch beim CSD in Warschau. Angesicht der Bedrohung Homosexu-
eller in Polen ging es für mich darum, ein Zeichen zu setzen. Das
hat mich auch motiviert, noch mehr zu tun. Da war es nur konsequent, auch polnische Politiker auf das Thema anzusprechen. Kattowitz ist ja eine der Partnerstädte von Köln. In einem Gespräch mit
dem Stadtoberhaupt habe ich über dieses Thema gesprochen. Er
gilt als liberal und ich habe ihm erzählt, wie hier der CSD abläuft.
Er konnte sich zum Beispiel überhaupt nicht vorstellen, dass das
öffentlich-rechtliche Fernsehen über unsere Parade berichtet. Ich
finde, dass wir auch und gerade im zusammenwachsenden Europa
enger zusammen stehen müssen. Die Emanzipationsbewegung
muss europaweit gestärkt werden. Da müssen wir auch auf den
EG-Vertrag pochen, der ausdrücklich die Achtung der Rechte von
Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender vorschreibt.
Aber natürlich müssen wir auch bei uns in Deutschland nach wie
vor wachsam sein. Denn in Gesellschaften mit wirtschaftlichen
Problemen und Massenarbeitslosigkeit besteht die Gefahr, dass
rechtsextreme Kräfte Stimmung gegen gesellschaftliche Minderheiten machen. Menschen mit Migrations-Hintergrund, aber auch
Lesben und Schwule müssen da als „Prügelknaben“ herhalten. Das
macht mir große Angst. Das dürfen wir als Gesellschaft und Solidaritätsgemeinschaft nicht zulassen! Wehret den Anfängen!
Wie oft haben Sie schon am CSD teilgenommen?
Eigentlich von Anfang an. Ich erinnere mich noch an das kleine
familiäre Straßenfest in der Stephanstraße. Meine Verbindung zum
CSD rührt aus meiner langjährigen Arbeit in der AIDS-Hilfe. Seit
2004 bin ich Mitglied des Rates der Stadt Köln und Bürgermeisterin. Aber ich war schon immer ein politischer Mensch und habe
mich für gesellschaftliche Minderheiten eingesetzt. Als Kreisvorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes trete ich ja auch
für Menschen ein, die nicht immer auf der Sonnenseite des Lebens
stehen. Das gilt auch für meine Arbeit bei der AIDS-Hilfe.
1991 gab es durchaus noch Widerstand von Seiten der Stadt.
Da hat sich viel, viel geändert. Es gibt gelegentlich zwar noch
Leute, die bei diesem Thema lächeln oder hämische Bemerkungen
machen. Das sollte man nicht durchgehen lassen, da muss man
Alltagswelten – Expertenwelten Band 14 | www.schwules-netzwerk.de
50 | Christopher Street Day | Interviews
den Mund auf machen. Und das tue ich auch.
Und dass sich auch bei der Stadt etwas verändert hat, zeigt sich
daran, dass es heute eine „Arbeitsgemeinschaft Lesben, Schwule
und Transgender“ gibt. Das hat der Rat beschlossen. Die Arbeitsgemeinschaft ist beim Sozialdezernat angesiedelt und bildet
eine Kommunikationsplattform für Politik, Verwaltung sowie den
Organisationen, Vereinen und Initiativen der schwul-lesbischen
Bewegung in Köln. Sie ist ein wichtiges Instrument, um auf kommunaler Ebene die gesellschaftliche Akzeptanz gleichgeschlechtlicher
Lebensstile und Lebensgemeinschaften zu fördern. Für die SPD
gehöre ich der Arbeitsgemeinschaft an. Ich finde: Die Einrichtung
dieser Arbeitsgemeinschaft ist ein politischer Erfolg. Und das höre
ich auch aus der Kölner Community so.
Heute liegt das größte Konfliktpotential in der Auseinandersetzung
mit der katholischen Kirche.
Neulich hat das „Domradio“ eine Sendung über mich und meine
Aktivitäten gemacht. Darin habe ich gesagt, dass ich es sehr interessant fände, mit Herrn Kardinal Meisner ein Gespräch zum Thema
Homosexualität zu führen. Ein solches Gespräch finde ich heute
immer noch interessant.
Gibt es für Sie innerhalb der Parade Grenzen, die nicht überschritten werden sollten?
Ich glaube, eine gewisse freiwillige Selbstkontrolle, was beispielsweise Nacktheit angeht, wäre hilfreich für die Akzeptanz. Ich
bekomme immer wieder zu hören: Muss das denn sein? Ich persönlich habe da kein Problem mit, aber im Hinblick auf Integration
wäre es sicherlich hilfreich. Zuviel nackte Haut macht nicht immer
den besten Eindruck und man verprellt unter Umständen damit
Leute. Es ist im Grunde genommen ein Fest für alle. Die schwule
Szene feiert sich, aber es ist ein Fest für alle. Und das ist ja eigentlich das Schöne daran. Ob es dann sein muss, dass sich einzelne
in den Vordergrund drängen, ist eine andere Frage. Wenn der KluST
vorneweg geht mit der Botschaft, dann geht es um die Botschaft.
Dass dann Leute versuchen, mit ihrer Verkleidung ins Blickfeld der
Kameras zu kommen, muss auch nicht zwingend sein.
Für Sie ist der CSD also ein fester Bestandteil der kulturellen Identität Kölns.
Unbedingt. Ich bin ja auch kulturpolitisch engagiert. Und da sage
ich: Der CSD ist fester Bestandteil der Kulturstadt Köln. Und das ist
auch gut so!
Was halten Sie von dem diesjährigen Motto „100 % NRW – Nur
mit uns“, das sich gegen die Kürzungen der Landesregierung im
Bereich der schwul-lesbischen Selbsthilfe richtet?
Ich halte es für absolut wichtig, dass die Leute auf die Straße gehen und die Bevölkerung darauf aufmerksam machen, dass diese
Kürzungen kurzsichtig sind. Ich befürchte: Diese Einsparungen werden fatale Folgen haben, Errungenschaften werden verloren gehen.
Das können wir uns als Gesellschaft nicht leisten.
Werden Sie 2007 beim CSD dabei sein?
Ja klar!
Und wenn wir beim Kölner
CSD deutlich Flagge zeigen,
dann wird das ja auch
andernorts wahrgenommen.
Christopher Street Day | Interviews | 51
Interviews
Interview mit Volker Beck,
Juli 2006
Wie hast Du den letzten CSD 2005 hier in Köln erlebt?
Der CSD 2005 stand für mich im Zeichen des Bundestagswahlkampfes. Neben dem Feiern war ich bei Parade und
Straßenfest daher auch etwas in Sachen Überzeugungsarbeit unterwegs. Insgesamt hätten die Paraden der letzten Jahre auch noch
etwas politischer sein können, ohne das man in punkto Fun Abstriche machen müsste. Es gab 2005 das Motto „lebenslang liebenswürdig“, aber das Thema Alter hat die Parade und das Programm
auf der Hauptbühne nicht wahnsinnig beeinflusst. CSD heißt auch
trinken, feiern und tanzen. Das sollte uns niemand vermiesen.
Aber ich frage mich immer, ob alle überhaupt noch mitkriegen, wie
sich bestimmte politische Lager zum Thema Lesben und Schwule
verhalten und dass noch ein ganzes Stück zum Glück fehlt.
Was hältst Du von großen Firmen als Sponsoren des CSD?
Sponsoring ist wichtig, ebenso aber die Beachtung ethischer
Maßstäbe. Macht beispielsweise ein Unternehmen nur am CSD bei
der Zielgruppe Schönwetter oder transportiert es die Botschaft „Diversity“ auch in seiner allgemeinen Geschäftspolitik weiter? Wenn
es da eine Konsistenz gibt, finde ich es OK. Die Forderung nach
Konsistenz gilt auch für die globale Geschäftspolitik. Es ist wichtig,
große Firmen für den CSD in Deutschland zu gewinnen, aber es darf
nicht sein, dass sie gleichzeitig womöglich in den USA die religiöse
Rechte in ihrer antihomosexuellen Politik finanziell unterstützen.
Wie sieht es aus mit der Kommerzialisierung des Straßenfests?
Einiges, was an den Ständen angeboten wird, finde ich schon etwas befremdlich. Manche Angebote haben mit Lesben und Schwulen recht wenig zu tun. Es fehlt nur noch, dass da an der Ecke
einer einen Gemüsehobel anpreist. Man muss aufpassen, dass
der Charakter eines solchen Festes nicht beliebig wird. Denn wenn
das Besondere einmal weg ist, dann ist das auch das Ende der Erfolgsgeschichte. Deshalb muss man immer wieder an der Identität
arbeiten: Am Programm und auch an den Forderungen, die man an
unsere Regierung und diese Welt stellt. Was ist politisch notwendig? Wo drückt der Schuh am stärksten? In welchen allgemeingesellschaftlichen Debatten wie der Familienpolitik müssen und
können wir als Lesben und Schwule mitmischen? Was verlangen wir
von uns selbst als Community, wo wollen wir rücksichtsvoller oder
integrativer werden? Wenn man solche Fragen vernachlässigt, kann
das zwar noch eine Reihe von Jahren gut gehen, aber dann wird es
ein Bierfest wie jedes andere auch.
Was ist am Kölner CSD besonders „kölsch“?
In Köln ist der CSD sicher besonders fröhlich und er ist besonders
integriert in das Leben der Stadt. In Berlin sind die Schwulen und
Lesben auch auf ihre Art und Weise fröhlich und ausgelassen, aber
die Stadt reagiert darauf weniger. In Köln denken sich auch die
Heteros: „Ach der Zoch kütt, den schauen wir uns mal an, dann
rollen wir unser Kölsch-Fässchen vor die Tür, nehmen unseren Gettoblaster und feiern einfach mit.“ In Berlin erhält die Parade zwar
ebenfalls viel Beifall vom Straßenrand, aber der Preuße bleibt doch
etwas reservierter in der Zuschauerrolle. Da wird die Distanz nicht
wirklich überwunden, während man hier eigentlich das Gefühl hat,
die Stadt nimmt teil und freut sich mit.
Ist der CSD nur ein ökonomischer Faktor für Köln?
Der CSD ist auch über den Tag hinaus ökonomisch von Bedeutung
ist. Köln hat ein schwulen- und lesbenfreundliches Image. Das
bringt auch an den anderen Wochenenden Touristen und Geld in
die Stadt. Wenn man nicht immer nach Amsterdam pilgern und mal
was anderes erleben will, dann fährt man auch mal nach Köln.
Das Ökonomische ist wichtig, um Veranstaltungen dieser Größe
überhaupt zu stemmen, aber keineswegs die Hauptsache. Das
Ideelle zählt. Der CSD lebt von den vielen ehrenamtlich Engagierten. Die kommen aus den unterschiedlichsten Organisationen.
Ohne inhaltliche Anliegen gäbe es keine Motivation für solches
Engagement. Auch wenn Parade und Straßenfest nicht bierernst
daherkommen: Kern des CSD ist eine Demonstration für Selbstbestimmung, Bürgerrechte und Vielfalt der Lebensweisen. Ein CSD
auf rein kommerzieller Basis würde nicht funktionieren. Dann ginge
etwas verloren und das spüren auch die Leute, die in erster Linie
hierher kommen, um ein Wochenende Fun zu haben und vielleicht
jemanden abzuschleppen. Auch die hätten dann irgendwie das
Gefühl, dass dem Ganzen die Seele fehlt.
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52 | Christopher Street Day | Interviews
Interviews
Interview mit Tomasz Baczkowski,
Februar 2007
Wie ist der CSD in Polen entstanden?
Einen CSD gibt es bei uns seit inzwischen sechs
Jahren. Die ersten Versuche waren spontane, politische Demos.
Bei der ersten im Jahr 2000 gab es sechs Teilnehmer. Die standen mit verdecktem Gesicht auf dem Marktplatz in Warschau und
hatten Zettel in der Hand auf denen beispielsweise stand: „Ich bin
Lehrer und trotzdem schwul.“ Die zweite Demo war mit 300 Leuten
schon sehr viel größer und die dritte mit etwa 1.000 Menschen
ein richtiger Erfolg. Aber dann hat sich die politische Landschaft
in Polen verändert und Homophobie wurde zur offiziellen, staatlichen Politik. Das haben wir zum Anlass genommen, uns besser
zu organisieren und mehr Lobby-Arbeit zu machen. Die Stiftung
für Gleichberechtigung, die den CSD in Warschau organisiert, ist
entstanden, weil den beiden schwul-lesbischen Organisationen
in Polen logistische oder finanzielle Kompetenz fehlte. Ich habe in
Deutschland studiert und war hier jahrelang in der Schwulenbewegung aktiv. Aber als Pole zieht es mich nach Polen und ich wollte
meine Erfahrungen hier nutzen. Ich habe dann die anderen Organisationen überzeugen können, gemeinsam einen Dachverband
zu formen. Das hat geklappt. Vor drei Jahren wurde unsere Stiftung
gegründet. Jetzt sind wir sieben Leute, die das hauptberuflich
machen und etwa 30 bis 40 Freiwillige.
Wie läuft der CSD in Warschau ab?
2006 hat der CSD am 10. Juni stattgefunden. Wir melden die
Parade als politische Demonstration an, was viel komplizierter
ist als in Deutschland. Eine Demonstration kann man erst einen
Monat vorher anmelden. Das ist sehr knapp. Eine mögliche Absage
kann, ganz legal, auch erst einen Tag vorher kommen. Die Demo
vor zwei Jahren wurde ganz verboten, wir haben sie aber trotzdem
durchgeführt. Wegen der kurzen Fristen haben wir im letzten Jahr
beim Obersten Verwaltungsgericht geklagt und Recht bekommen.
Auch eine zweite Klage beim Verfassungsgericht zur Frage, ob
man grundsätzlich eine solche Demo verbieten kann, haben wir
gewonnen. Ein drittes Verfahren beim Europäischen Gerichtshof
für Menschenrechte, in dem es um das Verbot von 2005 geht, läuft
noch. Da sind wir guter Hoffnung.
Auch die Route können wir nicht selbst bestimmen, wir können lediglich einen Vorschlag machen und dann verhandeln. Am liebsten
würde man uns irgendwo an den Stadtrand schicken, darum ist die
Paradenstrecke immer ein Kompromiss. Ich weiß noch nicht, wo wir
in diesem Jahr lang gehen werden. Im letzten Jahr haben wir außerdem keine Erlaubnis für eine Rednerbühne bekommen. Wir haben
dann improvisiert und einfach einen der Wagen als Bühne genutzt.
Nach zehn Minuten kam dann allerdings ein Polizeihubschrauber, der so tief geflogen ist, dass niemand mehr etwas verstehen
konnte. Das sind die Methoden, die gegen uns eingesetzt werden.
Organisatorisch war das eine Katastrophe. Nicht, weil wir das nicht
konnten, sondern weil wir Steine in den Weg gelegt bekommen
haben.
In den vergangenen Jahren wurden wir von katholisch-rechts-konservativen Organisationen attackiert und mit Steinen und Eiern
beworfen. Dazu kommt noch der politische Druck vom heutigen
Staatspräsidenten und dem Premierminister. Es gibt in Polen sehr
wenig Organisationen oder Institutionen, die uns gezielt unterstützen. Die linken Parteien, die nicht im Parlament vertreten sind,
geben uns moralische oder verbale Unterstützung. Ich hoffe, dass
die Politik in Polen kapiert hat, dass die Lesben und Schwulen ein
großes Wählerpotential sind, das man nicht so einfach links liegen
lassen sollte.
Auch das ökonomische Potential muss erst noch entdeckt werden.
Bislang hat es in Polen keine kommerziellen Sponsoren bei den
CSD-Veranstaltungen gegeben. Auch das liegt an der politischen
Lage. Die meisten Firmen wollen sich nicht zu weit aus dem Fenster
lehnen. Sogar die Hersteller von Kondomen wollen bei uns keine
Werbung machen.
Wie sieht es aus mit Unterstützung?
Viele Journalisten betrachten den CSD als politische Demonstration
gegen die Kaczynski-Brüder, die schwul-lesbischen Themen sind
ihnen eher egal. Künstler und Künstlerinnen nehmen kaum teil.
Christopher Street Day | Interviews | 53
Nach zehn Minuten kam dann allerdings ein Polizeihubschrauber, der
so tief geflogen ist, dass niemand
mehr etwas verstehen konnte.
Sie haben Angst, dass sie, wenn sie sich outen oder zu uns stehen,
keine Aufträge mehr bekommen.
Vor zwei Jahren gab es eine komische Geschichte. Die polnische
Sängerin Alicja Majewska ist hier so etwas wie für Deutschland
Hildegard Knef. Eine schwule Ikone. Sie ist bei uns aufgetreten,
obwohl sie am selben Abend ein Konzert mit patriotischen Songs
für Kaczynski gegeben hat. Direkt von diesem Konzert aus ist sie in
ein Taxi gestiegen und zu uns gekommen, um bei uns drei Lieder zu
singen.
Die ausländische Beteiligung war im letzten Jahr sehr hoch. Wir
schätzen, dass mindestens tausend Deutsche dabei waren. Am
Anfang hatte ich Angst, dass unsere schwierige gemeinsame
Geschichte wieder hochkommen würde, aber das war Gott sei Dank
nicht der Fall.
In Deutschland gibt es auch Kritik an der deutschen Beteiligung.
Das bringt unglaublich viel. Viele polnische Schwulen und Lesben
haben Angst teilzunehmen, weil sie die Bilder von fliegenden
Steinen und Flaschen im Kopf haben. Deutsche Teilnehmer und
Teilnehmerinnen sind eine gute Motivation für die polnische Polizei
und die polnischen Behörden, internationale Skandale zu vermeiden. Egal wie schlecht diese Regierung ist, so was wissen die
schon zu vermeiden.
Vor zwei Jahren tauchte die damalige stellvertretende Premierministerin, die gleichzeitig auch Regierungsbeauftragte für Gleichstellung bei der Auftaktveranstaltung auf. Sie wusste, dass die Parade
verboten worden war, aber sie wollte sich trotzdem der Form halber
zeigen. Nach ein bisschen politischem Blabla wollte sie sofort
wieder verschwinden. Ich habe damals zu Claudia Roth gesagt:
„Du nimmst die jetzt unter den Arm und wir gehen spazieren.“ Weil
Claudia sie nicht mehr losgelassen hat und weil die Kameras immer
dabei waren, musste sie die ganze Route mitgehen. Das war für uns
ein voller Erfolg.
Das Interesse aus anderen Ländern war bislang sehr groß. Jetzt
habe ich Angst, dass alle denken, dass es in Polen ja schon klappen würde und man sich deshalb auf andere Länder konzentrieren
kann. Natürlich gibt es Länder, wo es noch schlimmer ist, wie
beispielsweise in Russland oder im Baltikum. Aber auch für Polen
sollten wir noch etwa zwei Jahre abwarten. Trotz der politischen Bedenken bin ich da optimistisch – in zwei Jahren haben wir vielleicht
schon zwanzig- bis dreißigtausend Leute auf der Straße.
Wie siehst Du die Zukunft der polnischen CSD?
Ganz allgemein müssen wir Strategien entwickeln. Wir sind in
Polen noch in der Phase, in der wir ums Überleben kämpfen. Ich
sehe auch über die momentane politische Lage hinaus sehr viele
Probleme. Niemand kümmert sich beispielsweise um ältere Schwule und Lesben. Die haben im Kommunismus gelebt und hatten
überhaupt keine Kneipen. Und jetzt stehen sie am Rande, weil sie
zu alt für Kneipe oder Disko sind und sitzen Zuhause. Die wollen
wir auch nicht alleine lassen. Außerdem müssen wir die Jüngsten
aktivieren. Es soll ja schließlich weitergehen. Ich hoffe, dass wir
größer werden, aber meine größte Hoffnung ist eigentlich, dass
das normaler wird. Unser Ziel ist, dass der CSD als ein buntes Fest
gesehen wird, nicht mehr und nicht weniger.
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54 | Christopher Street Day | Literatur
Literatur zum Thema
schwul-lesbische Szenen in Köln
Kristof BALSER, Mario KRAMP, Jürgen MÜLLER, Joanna GOTZMANN (Hgg.): Himmel und
Hölle. Das Leben der Kölner Homosexuellen 1945 – 1969. Köln 1994
Gerhard GRÜHN: Troubles in Paradise. 30 Jahre Schwulen- und Lesbenzentren in Köln.
Ausstellungskatalog, Köln 2005
Christopher Street und Pride Paraden
Martin DUBERMAN: Stonewall. New York 1993
Detlev GRUMBACH (Hg.): Over the Rainbow. Ein Lesebuch zum Christopher Street Day.
Hamburg 2001
Richard K. HERREL: The Symbolic Strategies of Chicago’s Gay and Lesbian Pride Day Parade. In: Gilbert HERDT (Hg.): Gay Culture in America. Essays from the field. Boston 1992, S.
225-252
Lynda JOHNSTON: Queering Tourism : Paradoxical Performances at Gay Pride Parades.
London 2005
Queer Theory
Annamarie JAGOSE: Queer Theory – Eine Einführung. Berlin 2001
Andreas KRAß (Hg.): Queer Denken. Queer Studies. Frankfurt/Main 2003
Christopher Street Day | 55
Impressum
Abbildungsverzeichnis
Christopher Street Day – Der CSD im Spannungsfeld zwischen schwul-lesbischer Emanzi- Nicht aufgeführte Abbildungen:
pation und kommerzieller Spaßkultur
Dokumentation des CSD in Köln zwischen
1992-2005
Herausgeber
Quelle: Viktor Vahlefeld und Volker Glasow,
Schwules Netzwerk NRW e.V.
vvg-koeln Fotodokumentationen, www.
in Zusammenarbeit mit der
vvg-koeln.de
LAG Lesben in NRW e.V.
Titelseite Mitte
V.i.S.d.P.
Picketing vor dem Weißen Haus,
Alexander Popp
Washington DC, 29. Mai 1965
Quelle: Martin Duberman:
Autor
Stonewall. New York 1993
Johannes Jakob Arens
S. 4
Gestaltung und Produktion
Erste gemeinsame Demonstration aller
Kai Kullen
deutschen Schwulengruppen, Münster
design-distillery.de
1972
Quelle: Monika HINGST u. a. (Hgg.):
gefördert aus Mitteln des Ministeriums für
Goodbye to Berlin. 100 Jahre SchwulenGenerationen, Familie, Frauen und Integration bewegung. Ausstellungskatalog,
des Landes Nordrhein Westfalen
Berlin 1997, S. 279
Kontakt
Schwules Netzwerk NRW e.V.
Lindenstraße 20
50674 Köln
[email protected]
www.schwules-netzwerk.de
LAG Lesben in NRW e.V.
Ackerstraße 144
40233 Düsseldorf
[email protected]
www.lesben-nrw.de
Stand
Februar 2007
S. 5
Amsterdam Pride 2006, Prinsengracht,
6. August 2005
Quelle: Autor
S. 7
Fred McDarrah: Stonewall Inn im Juni 1969
Quelle: http://www.villagevoice.com/
specials/0543,50th6675,69195,31.html
S. 7
DVD-Hülle des Spielfilms von Nigel Finch
Privatbesitz
S. 8
Fred McDarrah: Stonewall Inn im Juni 1969
Quelle: http://www.villagevoice.com/
specials/0543,50th6675,69195,31.html
S. 12
Besucherin der CSD-Parade, 3. Juli 2005
Quelle: Autor
S. 11
Quelle: photocase.com
S. 16
Erste gemeinsame Demonstration aller
deutschen Schwulengruppen, Münster
1972
Quelle: Monika HINGST u. a. (Hgg.):
Goodbye to Berlin. 100 Jahre Schwulenbewegung. Ausstellungskatalog, Berlin
1997, S. 279
S. 33
Plakat der Stadt Köln zum CSD 2006
Quelle: Autor
S. 34
Schöckelgarde Köln
Quelle: Brian Dinjus, Schöckelgarde
S. 41
Kai Kullen
S. 47
Quelle: Aidsstiftung Köln
S. 52
CSD 2005 in Warschau
Quelle: LSVD-Zeitschrift respekt! (2/2005)
Foto: A. Zinn
S. 46
Spontanes Straßenfest Ecke Schaafenstraße/Mauritiuswall, 14. Juli 2006
Quelle: Autor
S. 9
Christopher Street Liberation Day,
New York, 18. Juni 1970
Quelle: Martin Duberman: Stonewall.
New York 1993
S. 10
Gay Freedom Day in Köln, 1984
Quelle: glf Köln Journal, Juni/Juli 1984
Alltagswelten – Expertenwelten Band 14 | www.schwules-netzwerk.de
www.schwules-netzwerk.de