Prof. Dr. Michael Kahlo Leipzig, den 14./21. Oktober 2015 Gliederung zur Vorlesung „Strafrecht I: Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs (StGB), Teil 1“ Wintersemester 2015/16 14. und 21. Oktober 2015: A. Grundlegung: Recht, Unrecht, Verbrechen und Strafe I. Die Rechtsordnung als systematisches Reglement gemeinschaftlichen Freiheitsdaseins (in Abgrenzung besonders zu Moral und Sitte) II. Unrecht als fremde Freiheit verletzendes Handeln in unterschiedlichen Hinsichten: - Privatrechtliches Unrecht (vgl. z. B. §§ 823 ff. BGB) Unrecht im Sinn des öffentlichen Recht (z. B. polizeirechtswidriges Handeln) Unrecht im strafrechtlichen Sinn (Kriminalunrecht) III. Der Begriff des Kriminalunrechts (Verbrechens i. w. S.) 1.) Verbrechen im formellen Sinn (vgl. § 12 StGB) 2.) Der materielle Verbrechensbegriff (1) Der Schuldgrundsatz (Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG) als tragendes Prinzip des Strafrechts (2) Konzepte der Bestimmung des materiellen Verbrechensbegriffs a) b) c) d) Handlungs- und Erfolgsunwert als konstitutive Elemente Das Konzept des „Sozialschadens“ Verbrechen als Normverletzung Das Rechtsgutskonzept Dazu: BVerfGE 120, 224 ff. – „Inzestentscheidung“ Michael Kahlo: Über den Zusammenhang von Rechtsgutsbegriff und objektiver Zurechnung im Strafrecht, in: Roland Hefendehl/Andrew von Hirsch/Wolfgang Wohlers (Hrsg.), Die Rechtsgutstheorie. Legitimationsbasis des Strafrechts oder dogmatisches Glasperlenspiel?, Baden-Baden 2003, S. 26 - 38 e) Verbrechen (Kriminalunrecht) als gesetzesförmiges, strafbewehrtes Verbot von Handlungen, die fremde Freiheit im gegenseitigen Anerkennungsverhältnis verletzen oder (konkret) gefährden. 2 Dazu: Diethelm Klesczewski: Strafrecht. Allgemeiner Teil – Das examensrelevante Kernwissen im Grundriß, 2. Auflage, Leipzig 2012, § 1 Grundlagen, S. 1 – 20. Roland Hefendehl: Der fragmentarische Charakter des Strafrechts, Juristische Arbeitsblätter (JA) 2011, 401 ff. Vertiefend: Michael Köhler: Strafrecht. Allgemeiner Teil, 1. Auflage, Berlin/Heidelberg/New York 1997, Kapitel 1: Unrecht, Verbrechen, Strafrecht, SS. 3 – 52, bes. S. 20 – 29 Ernst Amadeus Wolff: Die Abgrenzung von Kriminalunrecht zu anderen Unrechtsformen, in: Winfried Hassemer (Hrsg.), Strafrechtspolitik. Bedingungen der Strafrechtsreform, Frankfurt a. M. usw. 1987, S. 137 Rainer Zaczyk: Die Notwendigkeit systematischen Strafrechts – Zugleich zum Begriff „fragmentarisches Strafrecht“, Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (ZStW) 123 (2011), 691 ff. (3) Übergang zum Strafgesetzlichkeitsprinzip IV. Das Strafgesetzlichkeitsprinzip (Art. 103 Abs. 2 GG; Art. 7 EMRK; § 1 StGB) 1.) Die Elemente des Strafgesetzlichkeitsprinzips: (1) Das Verbot unbestimmter Strafgesetze: Keine Strafe ohne inhaltsbestimmtes Gesetz (2) Das Rückwirkungsverbot: Keine Strafe aufgrund rückwirkender Strafgesetze (3) Das Verbot strafbegründenden (richterlichen) Gewohnheitsrechts: Keine Strafe ohne geschriebenes Gesetz (4) Das Analaogieverbot „in malam partem“: Keine Strafe aufgrund strafbegründender oder -schärfender Analogie 2.) Begründungen der Strafgesetzlichkeit 3.) Probleme des Strafgesetzlichkeitsprinzips, mit Beispielen problematischer Strafgesetzlichkeit Dazu: Diethelm Klesczewski: aaO., § 2 Gesetzlichkeitsprinzip, S. 21 – 32 Aus der (verfassungsgerichtlichen) Rechtsprechung beispielhaft: BVerfGE 73, 206 (243) – „Blockade I“ BVerfGE 76, 211 ff. – „Blockade II“ BVerfGE 92 ,1 ff. – „Blockade III“ [alle zur Frage der GewaltBVerfGE 104, 92 ff. – „Blockade IV“ nötigung (§ 240 StGB)] und dazu: Wessels/Hettinger, Strafrecht. Besonderer Teil 1: Straftaten gegen Persönlichkeits- und Gemeinschaftswerte, 38. Auflage, Heidelberg 2014, § 8 Rn. 383 – 399 V. Die Legitimation der Kriminalstrafe („Straftheorien“) 3 Dazu: Diethelm Klesczewski, aaO., S. 8 – 14 Vertiefend: Michael Köhler, aaO., S. 37 – 52 Primärtexte zu den Grundpositionen: 1.) Zur Individual- oder Spezialprävention Franz von Liszt: Der Zweckgedanke im Strafrecht, ZStW 3 (1883), 3 ff., bes. S. 39 ff. unter Ziffer V. (Die Strafe als zweckbewußter Rechtsgüterschutz) und dazu weiterführend bzw. kritisch: Klaus Lüderssen: Krise des Resozialisierungsgedankens im Strafrecht?, in: Juristische Arbeitsblätter (JA) 1991, 222 ff., bes. S. 225 ff. Wolfgang Naucke: Die Kriminalpolitik des Marburger Programms 1882, in: ZStW 94 (1982), 525 ff., bes. S. 540 f. 2.) Zur Generalprävention (1) In der Fassung des Abschreckungskonzepts (sog. negative Generalprävention) Paul Johann Anselm Feuerbach: Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts, Band I (1799), S. 45 und S. 52 ff. („psychologische Zwangstheorie“) (2) In der Fassung der Integrationsprävention (sog. positive Generalprävention) Claus Roxin: Strafrecht. Allgemeiner Teil. Band I, Grundlagen – Der Aufbau der Verbrechenslehre, 4. Auflage, München 2006, § 3 Rn. 1 ff., bes. Rn. 26 – 31 mit weiteren Nachweisen (m. w. N.) Weiterführend und kritisch zu generalpräventiven Konzepten der Straf(rechts)begründung: Hassemer/Lüderssen/Naucke: Hauptprobleme der Generalprävention, 1979 Ernst Amadeus Wolff: Das neuere Verständnis von Generalprävention und seine Tauglichkeit eine Antwort auf Kriminalität, ZStW 97 (1985), 786 ff. (zur Kritik der generalpräventiven Ansätze bes. S. 793 ff.) 3.) Zu sog. absoluten Strafteorien (1) Die sog. absolute Theorie Kants Immanuel Kant: Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, Allgemeine Anmerkung E. zum Staatsrecht, Edition Weischedel, Band 7 (1798), S. 452 – 460 (sog. absolute Theorie) Dazu klärend: 4 Wolfgang Naucke: Die Reichweite des Vergeltungsstrafrechts bei Kant, in: Schleswig Holsteinischer Anzeiger (SchlHA) 1964, 203 ff. Vertiefend: Michael Kahlo: Die Handlungsform der Unterlassung als Kriminaldelikt, Frankfurt am Main 2001, bes. S. 106 – 178 Rainer Zaczyk: Staat und Strafe – Bemerkungen zum sogenannten InselBeispiel in Kants Metaphysik der Sitten, in: Veröffentlichungen der Joachim Jungius-Gesellschaft für Wissenschaft (Hamburg), Band 87, 1999, S. 73 ff. (2) Die sog. absolute Theorie Hegels Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, Edition Johannes Hoffmeister, 4. Auflage, Hamburg 1955 (Verlag Felix Meiner), §§ 90 ff., bes. §§ 99 – 103 Dazu klärend: Kurt Seelmann: Hegels Straftheorie in seinen ›Grundlinien der Philosophie des Rechts‹, in: Juristische Schulung (JuS) 1979, 687 ff. Vertiefend: Diethelm Klesczewski: Die Rolle der Strafe in Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft. Eine rechtsphilosophische Analyse des Verbrechens- und Strafbegriffs in Hegels ›Grundlinien der Philosophie des Rechts‹, Berlin 1991 Michael Köhler: Strafbegründung im konkreten Rechtsverhältnis, in: Winfried Küper u. a. (Hrsg.), Festschrift für Karl Lackner zum 70. Geburtstag, Berlin/New York 1987, S. 11 ff. Kurt Seelmann: Anerkennungsverlust und Selbstsubsumtion. Hegels Straftheorien, Freiburg/München 1995 4.) Die sog. Vereinigungstheorien (aktuell h. M.): (1) Die additive Vereinigungstheorie der Rechtsprechung (Rspr.) Bundesverfassungsgericht: BVerfGE 39, 1 (57) – „1. Abtreibungsentscheidung“ BVerfGE 45, 187 (253 f.) – „Lebenslange Freiheitsstrafe I“ Bundesgerichtshof in Strafsachen (BGHSt): BGHSt 7, 28 (32) BGHSt 20, 264 (266 f.) BGHSt 29, 319 (320) (2) Die sog. dialektische Vereinigungstheorie Roxins Claus Roxin: Sinn und Grenzen staatlicher Strafe, in: JuS 1966, 377 ff. Dazu kritisch: Michael Köhler, aaO., S. 44 (auch S. 581 ff. und 600) 5 28. Oktober 2015: B. Das rechtsstaatlich-praktische Straftatsystem: Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuldhaftigkeit als Elemente des allgemeinen Verbrechensbegriffs C. Das vorsätzliche Tätigkeitsdelikt I. Der Tatbestand des vorsätzlichen Tätigkeitsdelikts 1.) Der objektive Tatbestand (1) Die potentielle Tathandlung (2) Der Taterfolg (Verletzung) (3) Der objektive Zusammenhang von Tathandlung und Taterfolg a) Der Kausalzusammenhang aa) Kausalprinzip, Kausalgesetze und Kausalzusammenhang bb) Die Äquivalenztheorie (Bedingungstheorie) cc) Die Kausalitätsformeln: - Die conditio-sine-qua-non-Formel (BGHSt) - Die Formel der gesetzmäßigen Bedingung (h. L.) Zur Nacharbeit wird empfohlen: Diethelm Klesczewski, StrafR AT (Das examens- relevante Kernwissen im Grundriss), 2. Aufl., Leipzig 2012, § 3 (Tatbestandslehre) Rn. 76 – 150, Rn. 151 – 174 m. w. N. 1. Übungs-Fall
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