Der Rechtsanwalt im weiteren erstinstanzlichen Verfahren Handout RiOLG Dr. Karsten Schmidt Stand: 31. Juli 2015 ___________________________________________________________________ Inhaltsverzeichnis A. Beweis- und Beweiswürdigung ....................................................................... - 2 I. Beweiserheblichkeit ......................................................................................... - 2 II. Einstiegsfragen ............................................................................................... - 3 III. Beispielsfälle .................................................................................................. - 4 IV. Zusammenfassung: Beweisfragen im Zivilurteil ........................................... - 11 B. Die Klagerücknahme .................................................................................... - 13 I. Die gesetzliche Regelung .......................................................................... - 13 II. Folgen der Klagerücknahme ...................................................................... - 13 III. Die teilweise Klagerücknahme im Urteil ................................................. - 13 IV. Anwaltstaktische Überlegungen ............................................................. - 15 V. Klagerücknahme nach Versäumnisurteil.................................................... - 15 C. Die Erledigung des Rechtsstreits.................................................................. - 16 I. Allgemeines und Literatur .............................................................................. - 16 II. Beispielsfälle .............................................................................................. - 16 D. Der Prozessvergleich ................................................................................... - 18 I. Grundsätzliches ............................................................................................. - 18 II. Beispielsfälle ................................................................................................. - 18 E. Parteiänderungen ......................................................................................... - 20 I. Parteiwechsel ................................................................................................. - 20 1. Gesetzliche Regelungen ........................................................................... - 20 2. Gewillkürter Parteiwechsel ........................................................................ - 21 a. Wechsel auf Klägerseite ........................................................................ - 21 b. Wechsel auf Beklagtenseite ................................................................... - 22 c. Behandlung des Parteiwechsels im Urteil .............................................. - 23 II. Parteierweiterung .......................................................................................... - 24 Anhang: Rubrumsberichtigung.......................................................................... - 25 - Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout A. Beweis- und Beweiswürdigung Allgemeine Literaturhinweise: Kaiser, Beweisrecht in der zivilrechtlichen Anwaltsklausur, JA 2004, Seite 640 Grundsatz: ZPO verlangt VOLLBEWEIS, § 286 Abs. 1 ZPO I. Beweiserheblichkeit Behauptungs- und Beweislast beschränkt sich auf TATSACHEN → iura novit curia Ausnahme? Beweisbedürftigkeit von Tatsachen: 1. Tatsache ist streitig Tatsache ist (wirksam) bestritten, § 138 Abs. 3 ZPO und der Gegner hat diese nicht nach § 288 ZPO eingestanden 2. Tatsache ist für die Entscheidung erheblich 3. Tatsache muss im Verfahren berücksichtigt werden 4. Tatsache ist bisher noch nicht erwiesen worden Nicht beweisbedürftig sind: 1. Offenkundige Tatsachen, § 291 ZPO 2. Zugestandene Tatsachen - ausdrücklich: Geständnis, § 288 ZPO - konkludent, da nicht bestritten, § 138 Abs. 3 ZPO - bei unzulässigem Bestreiten mit Nichtwissen: es gilt § 138 Abs. 3 ZPO 3. Tatsachen, die man als wahr unterstellen kann - Erheblichkeit 4. Tatsachen, deren Beweis vom Gegner vereitelt wird (je nach Wirkung!) 5. Vermutete Tatsachen, § 292 ZPO 6. Tatsachen, die aufgrund von Hilfstatsachen feststehen 7. Tatsachen, die einer Schadensschätzung, § 287 ZPO zugänglich sind Beachte aber: die Schätzung ist nur eine Beweiserleichterung! -2- Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout II. Einstiegsfragen 1. Was bedeutet Strengbeweis, was Freibeweis? 2. Was versteht Gegenbeweis? man unter dem Hauptbeweis, was unter dem Beispiel: K fordert von B die Zahlung eines Kaufpreises für ein Pferd. B bestreitet den Kauf. Er habe das Pferd nur in Kommission genommen, einen Käufer aber nicht gefunden. 1. Alt.: K bietet Zeugenbeweis an. Z bestätigt die Angaben des K und ist persönlich glaubwürdig. → FOLGE: 2. Alt.: Benennt auch B einen Zeugen und bestätigt dieser die Version des B → FOLGE: 3. Was versteht man unter Glaubhaftmachung? Nennen Sie Beispiele 4. Nennen Sie Beispiele für gesetzliche Regelungen zur Verteilung der Beweislast. 5. Nennen Sie gesetzliche Vermutungen zu Beweisfragen. 6. Was versteht man unter einer Beweisvereitelung? Wo ist dies geregelt? 7. Eine Partei kann nicht Zeuge sein. Welche Konsequenz hat es, wenn sie – fälschlicherweise – als Zeuge vernommen wird? -3- Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout III. Beispielsfälle 1.) Rabatt/Skonto K verlangt von B den Restkaufpreis für ein Fahrzeug. B hat eine Zahlung geleistet. Streitig ist, ob dem B Rabatt und Skonto gewährt wurde. B behauptet dies – daher sei seine Zahlung umfassend und es bestehe kein Zahlungsanspruch mehr. Beide Parteien bieten Zeugenbeweis an. Die Zeugen widersprechen sich. 2.) Vertreterhandeln K verklagt B auf Rückzahlung eines Darlehns. B wendet ein, den Darlehnsvertrag nicht im eigenen Namen, sondern als Geschäftsführer der A-GmbH – die mittlerweile vermögenslos geworden ist – geschlossen zu haben. Es gibt keine Darlehnsurkunde. Der von K benannte Zeuge kann sich an Einzelheiten nicht erinnern. 3.) Erfüllung K verkauft B Heizungsanlagen, die bei der Firma X lagern. Die Parteien einigen sich über den Eigentumsübergang und K tritt seinen Herausgabeanspruch gegen X an B ab. Gegen die Kaufpreisforderung des K wendet B ein, K sei nicht Eigentümer der Heizanlagen gewesen. K weist mit Urkunden nach: sie hat die Heizanlagen ein Jahr vor dem Verkauf zu Eigentum erworben. -4- Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout 4.) Beweislast und negative Feststellungsklage K und B streiten sich über die Pflicht des K, ein Darlehn an B zurückzuzahlen. B hat K mehrfach zur Zahlung aufgefordert. K klagt auf Feststellung, dass er nicht verpflichtet sei, dem B 5.000 Euro aus Darlehn zurückzuzahlen. K hat von B unstreitig 5.000 Euro erhalten. K beruft sich aber auf eine Schenkung, B auf ein Darlehn. 5.) Pauschalpreisvereinbarung B hat K mit der Herstellung und dem Einbau mehrerer Türen beauftragt. Nach Abschluss der Arbeiten verlangt K von B 1.500 Euro Werklohn. Dies entspricht auch der normalen Vergütung derartiger Arbeiten. B erkennt aber (nur) 1.000 Euro an und behauptet, man habe sich auf diesen Betrag geeinigt, als er die Türen bestellt habe. 6.) Beispiel: K verlangt von seiner Tochter B die Herausgabe eines Klaviers. Er behauptet, dieses Klavier vor Jahren gekauft und bezahlt zu haben. Er habe es der B, die bei ihm wohnte, zur alleinigen Benutzung überlassen. Er habe ihr jedoch ausdrücklich verboten, das Klavier aus dem Haus zu schaffen (Beweis: Parteivernehmung der B). Dennoch habe sie das Klavier bei ihrem Auszug mitgenommen. B behauptet, K habe ihr das Klavier geschenkt. Als er das Klavier in der Wohnung aufgestellt habe, habe er zu B gesagt, sie könne das Klavier behalten, da er eh nicht mehr spiele (Beweis: Parteivernehmung des K) -5- Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout 7.) Feuchtigkeitsschäden K kaufte von B dessen Hausanwesen. Im Kaufvertrag Sachmängelgewährleistung des B wirksam ausgeschlossen. wurde die Drei Monate nach dem Kauf stellt K im Keller des Anwesens Feuchtigkeitsflecken fest. Er beauftragt einen Sachverständigen damit, deren Ursache festzustellen. Dieser kommt zu dem Ergebnis, dass das Haus nicht mit der nach der zum Zeitpunkt seiner Errichtung geltenden DIN erforderlichen Abdichtung versehen ist und daher von außen Feuchtigkeit eindringe. K verlangt von B die Rückgängigmachung des Kaufvertrages. Nachdem B dies verweigert, erklärt K den Rücktritt. Kann K erfolgreich die Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen? 8.) Der Scheunenbrand Die Klägerin parkte ihr Fahrzeug in der Nähe einer Feldscheune in Rudolstadt. Diese geriet gegen 15 Uhr in Brand und stand gegen 15:22 Uhr vollständig in Flammen. Aufgrund des Brandes wurde auch das Fahrzeug der Klägerin beschädigt. Die beiden damals 11 Jahre alten Beklagten befanden sich kurz vor Ausbruch des Feuers in der Scheune und hatten dort mit einem in der Scheune gefundenen Feuerzeug hantiert. Beide versuchten das Feuerzeug in Gang zu setzen. Dies wurde auch einmal entzündet. Das Feuerzeug hatten sie in der Scheune gefunden. In der Scheune lagerten zu dem Zeitpunkt ca. 100 Ballen Heu, 180 Strohrollen sowie 200 Holzweidepfähle nebst diversen Landmaschinen. Die Feldscheune wurde auch von Jugendlichen der Umgebung als Treffpunkt genutzt. Auf dem Gelände der Agrargenossenschaft wurden ausweislich der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte zum Zeitpunkt des Brandausbruches drei erwachsene Personen gesehen. Ferner fuhr eine männliche, dem Linienbusfahrer unbekannte Person mit dem ab 15.10 Uhr verkehrenden Linienbus von Saalfeld nach Rudolstadt. Durch den Großbrand wurde das Fahrzeug der Klägerin beschädigt. Die Klägerin verlangt Ersatz der Reparaturkosten in Höhe von 944,47 Euro sowie Nutzungsausfallentschädigung für die vom 23. – 26.10.2006 andauernde Fahrzeugreparatur in Höhe von 175 Euro. Die Klägerin hat behauptet, die Beklagten hätten den Brand verursacht und diese deshalb auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens in Anspruch genommen. -6- Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout Zu Recht? 9.) Das Wackelknie K stürzt in Fahrstuhlschacht der B. Dabei zieht sie sich einen Kreuzbandriss zu und hat ein „Wackelknie“. Zwei Jahre später stürzt sie auf der Straße und erleidet Prellungen und Hautabschürfungen. Unter der Behauptung Ursache hierfür sei ihr „Wackelknie“ verlangt sie von B Schmerzensgeld. 10.) Beispiel: K fordert von B 3.000 Euro aus Darlehn. B bestreitet ein Darlehn, K habe ihm das Geld geschenkt. K legt eine Darlehnsurkunde mit der Unterschrift des B vor. B bestreitet nicht, dass es sich dabei um seine Unterschrift handelt, will sie aber nicht unter diesen Text gesetzt haben. Klausurhinweis – Darstellung im Tatbestand: Die Partei kann auf die Urkunde Bezug nehmen, § 137 Abs. 3 ZPO. Aufgrund des Beibringungsgrundsatzes darf dies jedoch nicht pauschal erfolgen. Der Inhalt der Urkunde gehört daher in den Tatbestand. In der Regel genügt eine kurze Schilderung und im Übrigen ein Verweis: Die Parteien haben am 07.10.2010 über das Grundstück des Klägers einen notariell beurkundeten Kaufvertrag geschlossen. Darin ist festgehalten, dass der Kläger für Mängel der Kaufsache nicht haftet. Hinsichtlich des weiteren Inhalts wird auf Bl. 1821 der Akte Bezug genommen. -7- Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout Schaubild1: Beweiskraft der Urkunde: mängelfreie Urkunden Urkunde mit Mängeln = frei Beweiswürdigung (§ 419 ZPO) Öffentliche Urkunden Vermutung der Echtheit § 437 I Privaturkunde echte Unterschrift Vermutung, dass auch Text echt ist, § 440 II Voller Beweis der Abgabe, nicht der Wahrheit der Erklärung, § 416 über Willenserklärungen (§ 415) über amtliche Entscheidung (§ 417) Zeugnisurkunde (§ 418) Voller Beweis über Abgabe, Ort, Zeit der WE voller Beweis voller Beweis, wenn eigene Wahrnehmung der Urkundsperson Dagegen nur Beweis der Falschbeurkundung § 415 III nicht widerlegbar Dagegen Beweis der Unrichtigkeit § 418 II 1 Schellhammer, Zivilprozess, 14. Aufl. 2012, nach Rn. 591. -8- Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout 11.) „Hörfalle“ K klagt gegen den Autohändler B auf Schadensersatz aus einem PKW-Kaufvertrag. Er behauptet, das Fahrzeug habe einen schweren Unfallschaden gehabt. Davon habe B gewusst, ihm diesen Umstand aber verschwiegen. B bestreitet dies. Zum Beweis bietet K eine heimliche Tonaufnahme an. Er hat mit seinem Mobiltelefon das gesamte Verkaufsgespräch aufgezeichnet. Daraus ergibt sich u.a., dass K ausdrücklich nach Unfallschäden gefragt und B diese verneint habe. Ist die Tonaufnahme im Prozess verwertbar? 12.) Nachweis der Schadenshöhe Sie sind RA des K. Der B ist mit seinem PKW vor dem Hausanwesen des K aufgrund überhöhter Geschwindigkeit von der Straße abgekommen und hat das vor dem Haus (ordnungsgemäß) geparkte Fahrzeug des K und Teile des Vorgartens beschädigt. B bestreitet vor allem die Höhe des geltend gemachten Schadens. Welche Überlegungen stellen Sie in den Zweckmäßigkeitserwägungen einer Rechtsanwaltsklausur an? -9- Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout Übersicht:2 Überzeugung des Gerichts: volle Überzeugung (§ 286 I ZPO) Schadensschätzung (§ 287 I ZPO) gesetzliche Regel Beweiserleichterungen als gesetzl. Ausnahme volle Behauptungs- und Beweislast volle Behauptungs- und Beweislast nur für Schätzgrundlage Aufnahme aller angebotenen erheblichen Beweise Ermessen ob und welche Beweise, § 287 I, 2 Parteivernehmung nur nach §§ 445 ff. Schätzungsvernehmung des Beweisführers nach Ermessen, § 287 I, 3 Angabe der Gründe im Urteil nur Angabe und Auswertung der Schätzungsgrundlage 2 Schellhammer, Zivilprozess, 14. Aufl. 2012, Rn. 575. - 10 - Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout IV. Zusammenfassung: Beweisfragen im Zivilurteil Tenor: → grds. keine Besonderheiten → Bei vorangegangenem selbständigem Beweisverfahren dies bei Kosten erwähnen. „Die Kosten des Rechtsstreits und des selbständigen Beweisverfahrens LG Saarbrücken – 7 OH 28/15 – tragen der Kläger zu ¾, die Beklagte zu ¼.“ Tatbestand: → Beweiseinreden: Wenn eine Partei Tatsachen behauptet, um darzulegen, dass ein Beweismittel unzulässig oder unglaubwürdig ist → erwähnen → Unerledigte Beweisantritte: str. → e.A.: im Tb hinter dem jeweiligen Sachvortrag in Klammer (Beweis: Zeugnis des Herrn Müller…) → a.A.: allein in Entscheidungsgründen hervorzuheben und zu bescheiden3 → Prozessgeschichte am Ende des Tatbestandes: - Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom … Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom …. Bezug genommen - Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom … Bezug genommen. oder: Das Gericht hat über die Behauptung des Klägers, die Fußgängerampel in der Rheinstraße habe zum Unfallzeitpunkt grün gezeigt, Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … und …. Hinsichtlich des Ergebnisses … - Die Strafakten des Amtsgerichts Saarbrücken Az.: …. waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung Entscheidungsgründe: → § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO: (bei streitigen Tatsachen) Angabe der Gründe, die für die richterliche Überzeugung leitend waren Formulierungsvorschlag in einer Urteilsklausur: Den ihm obliegenden4 Beweis für …hat der Kläger nicht geführt. 3 so Störmer, JuS 1994, 238, 243; Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht, 11. Aufl. 2013, A-Rn. 55. 4 Zur Frage, wer die Beweislast trägt, müssen Sie ggf. nähere Ausführungen machen. - 11 - Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout Aufgrund der Beweisaufnahme ist das Gericht im Rahmen der ihm nach § 286 Abs. 1 ZPO obliegenden freien Beweiswürdigung, nicht zu der Überzeugung gelangt, die streitige Behauptung sei wahr. Danach ist ein Beweis erst dann erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung überzeugt ist. Für die Überzeugung des Gerichts im Sinne von § 286 ZPO ist dabei ein für die praktische Lebensführung brauchbarer Grad an Gewissheit erforderlich, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie gänzlich auszuschließen. Dieser Grad an Gewissheit ist vorliegend nicht erreicht. Der Zeuge … → bei bewiesenen Tatsachen: Zuerst das überzeugende Beweismittel: - Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für das Gericht fest, dass der Beklagte dem Kläger einen Tritt gegen dessen rechtes Bein versetzte. Hierdurch brach das Schienbein. - Das Gericht folgt insoweit der Aussage des Zeugen …(Glaubhaftigkeit der Aussage, Glaubwürdigkeit des Zeugen) - Die Angaben des ebenfalls vernommenen Zeugen … wecken an der Richtigkeit der klägerischen Darstellung keine Zweifel. Zwar gab der Zeuge an … Jedoch … (Glaubhaftigkeit der Aussage, Glaubwürdigkeit des Zeugen) → bei nicht bewiesenen Tatsachen - Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist nicht erwiesen, dass der Beklagte dem Kläger einen Tritt gegen dessen Schienbein versetzt hat. - Zwar bestätigte die Ehefrau des Klägers deren Darstellung. Ihre Aussage war jedoch nicht glaubhaft, da … → Ist kein Beweis zu erheben: Der Beklagte hat den Unfall auch zu vertreten. Dies folgt aus den Grundsätzen des Anscheinsbeweises. Danach …5 5 Aus Elzer, Prüfungswissen ZPO für Rechtsreferendare, Rn. 1496. - 12 - Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout B. Die Klagerücknahme I. Die gesetzliche Regelung § 269 ZPO Jederzeit möglich o ab Rechtshängigkeit - bis zur Rechtskraft o Ausfluss der Dispositionsmaxime § 269 Abs. 1 ZPO: Ab Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache aber nur noch mit dessen Zustimmung möglich o Grund: o Frage: Wann beginnt die mündliche Verhandlung in diesem Sinn? o Beachte: II. Folgen der Klagerücknahme III. Die teilweise Klagerücknahme im Urteil K klagt 10.000 Euro ein. Nach Beginn der mündlichen Verhandlung nimmt er die Klage in Höhe von 5.000 Euro zurück. Der Beklagte stimmt zu. In Höhe der restlichen 5.000 Euro ist die Klage zulässig und begründet. - 13 - Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout Rubrum Tenor o Hauptsache o Kosten o Vorläufige Vollstreckbarkeit Tatbestand o Erste Prozessgeschichte vor den Anträgen Erwähnen: • Ursprünglicher Antrag • Erklärung der Klagerücknahme • ggf. Widerspruch des Beklagten Entscheidungsgründe o Prüfung der Wirksamkeit der Klagerücknahme zu Beginn „Nachdem der Kläger die Klage in Höhe von 5.000 Euro zurückgenommen hat, ist nur noch über den restlichen Teil der Klageforderung zu entscheiden. Insoweit ist die Klage zulässig und begründet. Die teilweise Klagerücknahme ist wirksam. […] Infolge der somit wirksamen teilweisen Klagerücknahme ist insoweit die Rechtshängigkeit erloschen, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO und hinsichtlich - 14 - Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout dieses Teils nur noch über die Kosten im Rahmen einer einheitlichen Kostenentscheidung zu befinden.“ o Ausnahme? o Bei Begründung der Kostenentscheidung auf § 269 Abs. 3, 4 ZPO eingehen. IV.Anwaltstaktische Überlegungen Warum „lohnt“ sich eine Klagerücknahme für den Anwalt? V. Klagerücknahme nach Versäumnisurteil Fallbeispiel: K klagt gegen B auf Zahlung von 4.000 Euro. Im Verhandlungstermin erscheint K nicht. Auf Antrag des B ergeht gegen ihn ein VU. K legt hiergegen Einspruch ein. Im folgenden Termin nimmt er seine Klage (4.000 Euro) in Höhe von 1.000 Euro zurück. Frage: Muss der Beklagte einwilligen, § 269 Abs. 1 ZPO? Zur Nacharbeitung und Vertiefung siehe hierzu: - Brammsen/Leible, JuS 1997, Seite 54, 56 - OLG Saarbrücken, MDR 2000, Seite 722 - 15 - Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout C. Die Erledigung des Rechtsstreits I. Allgemeines und Literatur Die Erledigung ist in allen – vier – Varianten regelmäßig Gegenstand von Examensklausuren. Gerade in der Urteilsklausur müssen die Auswirkungen auf die verschiedenen Teile des Urteils (Tenor, Tatbestand, Entscheidungsgründe) geläufig sein. Literaturhinweise: Knöringer, Die Erledigung der Hauptsache im Zivilprozess, JuS 2010, S. 569 ff. Schreiber, Die Erledigung der Hauptsache im Zivilprozess, JURA 2012, S. 782 ff. II. Beispielsfälle 1.) Reaktionen auf Beklagtenseite Sie sind Rechtsanwältin/Rechtsanwalt des Beklagten. Dieser hatte bei dem Kläger eine Solaranlage montiert. Aufgrund vermeintlicher Mängel der Anlage nimmt der Kläger den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 8.000 Euro in Anspruch. Sie haben – neben anderen Einwänden gegen die Klageforderung – vor Gericht erstmals die Einrede der Verjährung erhoben. Der Kläger erklärt den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Wie werden Sie reagieren? 2.) Der unsichere Kläger Sie vertreten als Rechtsanwältin/Rechtsanwalt den Kläger im Prozess. Dieser macht einen Zahlungsanspruch aus einem Maklervertrag geltend. Der Beklagte hatte gegen den Klageanspruch zahlreiche Einwände erhoben. Hierzu wurde teilweise Beweis erhoben; das Ergebnis der Beweisaufnahme ist für den Kläger günstig. Nunmehr erklärt der Beklagte die Aufrechnung mit einer an ihn abgetretenen, die Klageforderung übersteigenden Kaufpreisforderung. Der X habe an den Kläger eine Computeranlage für dessen Maklerbüro verkauft, die noch nicht bezahlt sei. Diese offene Forderung habe er an den B abgetreten. - 16 - Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout Der Kläger bestätigt Ihnen gegenüber den Kauf und dass er den Kaufpreis noch nicht gezahlt habe. Er macht allerdings Mängel geltend, die der Beklagte wiederrum bestritten habe. Zudem zweifelt er an, dass X seine Ansprüche wirklich an B abgetreten hat. Was werden Sie tun? - 17 - Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout D. Der Prozessvergleich I. Grundsätzliches Die ZPO regelt den Prozessvergleich nicht explizit, setzt ihn aber voraus o Siehe: §§ 98, 160 Abs. 3 Nr. 1, 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Doppelnatur Wirkungen II. Beispielsfälle 1.) Arglistige Täuschung K und B schlossen in einem Verfahren vor dem Landgericht Saarbrücken hinsichtlich der Ausgleichsansprüche des K aufgrund Ausscheidens aus einer BGB-Gesellschaft einen Vergleich, wonach B an K 7.500 Euro zahlt. K hatte die Zahlung von 11.000 Euro begehrt. Im Nachhinein erfährt K, dass das Gesellschaftsvermögen wesentlich höher als von ihm angenommen war. Er geht davon aus, dass B hiervon wusste und ihn getäuscht hat. Was werden Sie als Rechtsanwältin/Rechtsanwalt des K tun? Welche Anträge sind zu stellen? 2.) Der Streit um die Geschäftsgrundlage K und B haben einen Nachbarschaftsstreit geführt. In einem Prozessvergleich hat B sich verpflichtet, „die Birnenbäume im Norden seines Grundstücks zu entfernen.“ Nach Vergleichsschluss weigert sich B nunmehr, die Obstbäume zu entfernen, da er - 18 - Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout mittlerweile ein Obsthandelsgewerbe betreibe und somit auf die Früchte angewiesen sei. Sie sind Rechtsanwältin/Rechtsanwalt des B. Was ist zu tun? 3.) Die Vergleichswirkungen K will ein Pferd des V erwerben. Zur Klärung von dessen Gesundheitszustand beauftragt K den Tierarzt T mit einer sog. Ankaufsuntersuchung. Nachdem T keine Auffälligkeiten feststellt, erwirbt K das Tier von V. Kurze Zeit nach Übernahme des Pferdes beginnt dieses zu lahmen. Weitere tierärztliche Untersuchungen ergeben, dass die entsprechenden gesundheitlichen Probleme bereits bei Übergabe des Pferdes vorlagen und dies dem T bei ordnungsgemäßer Untersuchung hätte auffallen müssen. K tritt daher vom Kaufvertrag zurück und erhebt Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises, Erstattung von Unterstellkosten, der Tierarztkosten sowie Futterkosten in Höhe von insgesamt 100.000 Euro. Im gerichtlichen Verfahren schließen K und V einen Prozessvergleich, wonach mit Zahlung von 75.000 Euro alle Ansprüche aus dem Pferdkauf abgegolten sind. Hiernach erhebt K eine Klage gegen T. Er begehrt die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 25.000 Euro (100.000 Euro abzüglich 75.000 Euro). T wendet ein, durch den Vergleich zwischen K und V seien alle Ansprüche des K aus dem Pferdekauf abgegolten, so dass er – T – keinen Schadensersatz schulde. Zu Recht? - 19 - Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout E. Parteiänderungen I. Parteiwechsel → Es gilt der formelle Parteibegriff: Jeder von dem oder gegen den im eigenen Namen gerichtlicher Rechtsschutz begehrt wird → Bezeichnung im Mahn- bzw. Klageantrag ist entscheidend → ggf. Auslegung → Unbeachtlich ist gegen wen sich der Anspruch materiell-rechtlich richtet Beispiele für Parteiwechsel: - eine natürliche oder juristische Person wechselt mit einer anderen - statt oHG die Gesellschafter - Vertreter tritt an Stelle des Vertretenen 1. Gesetzliche Regelungen Unterteilung in zwei Gruppen: Parteiwechsel mit dem vom Gesetz genannten Ereignis o § 239 ZPO (Tod) o § 240 ZPO (Insolvenz) § 80 InsO, §§ 85, 86 InsO Parteiwechsel gesetzlich geregelt – Eintritt hängt vom Parteiwillen ab o § 265 ZPO - 20 - Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout 2. Gewillkürter Parteiwechsel → gesetzlich nicht geregelt → Rechtsprechung: Wendet §§ 263, 267 ZPO analog an: Klageänderungstheorie → Literatur: analoge Anwendung von §§ 265 Abs. 2 Satz 2, 267, 269 ZPO a. Wechsel auf Klägerseite Beispiel: K klagt auf Regulierung eines Kasko-Schadens gegen die Versicherung. Später wird festgestellt, dass die Ehefrau des K Versicherungsnehmerin ist. → Unstreitig: Erforderlich ist eine entsprechende Erklärung (Prozesshandlung) von altem und neuem Kläger → STREITIG: Muss der Beklagte mitwirken? (1.) BGH: Klageänderungstheorie → Parteiwechsel ist Sonderfall der Klageänderung → §§ 263, 267 ZPO gelten analog → Keine Zustimmung bei Sachdienlichkeit (2.) Lit.: Theorie der Regelungslücke/Gesetzeslücke → Parteiwechsel ist eigenständiges Rechtsinstitut: Wertungen der §§ 265 Abs. 2 Satz 2, 269 ZPO → § 269 ZPO analog: Zustimmung, wenn Wechsel nach Beginn der mündlichen Verhandlung (3.) Anders/Gehle6 → Bezüglich Ausscheiden des alten Klägers gilt § 269 Abs. 1 ZPO analog ← K darf sich nicht ohne Zustimmung des B einer Sachentscheidung entziehen → Bezüglich Eintritt des neuen Klägers gelten §§ 263, 267 6 Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht, 11. Aufl. 2013, R. Rn. 15. - 21 - Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout b. Wechsel auf Beklagtenseite → entsprechende Erklärung des gebliebenen Klägers erforderlich → STREITIG: müssen die Beklagten mitwirken? Es stellen sich folgende Fragen: - ist der bisherige Beklagte ausgeschieden? - ist der neue Beklagte Partei des Rechtsstreits geworden? a) neuer Beklagter: (1.) Rechtsprechung: §§ 263, 267 analog → nur Zustimmung, wenn keine Sachdienlichkeit vorliegt (2.) Literatur: (a.) VOR mündlicher Verhandlung: § 269 ZPO analog → keine Zustimmung erforderlich (b.) NACH mündlicher Verhandlung: (-) → Gegen neuen Beklagten könnte auch neue Klage erhoben werden b) alter Beklagter: Rechtspr./Lit.7: § 269 Abs. 1 ZPO analog → Zustimmung bei Wechsel nach Beginn der mündlichen Verhandlung ← Parteiwechsel ggü. dem urspr. Beklagten ist diesem ggü. eine Klagerücknahme ← allgemeine Wertung des § 269 Abs. 1 ZPO: Dem Beklagten darf Anspruch auf abschließende Sachentscheidung nicht ohne seine Zustimmung genommen werden 7 BGH, NJW 1981, 989; NJW 2006, 1351, 1353. - 22 - Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout → Der neue Beklagte muss den Prozess in der Lage übernehmen, in welcher er ihn vorfindet → Aber: die materiellen und prozessualen Wirkungen der Klage treffen ihn erst ab Zustellung der Klageschrift an ihn → Prozesszinsen, § 291 Verjährungshemmung Beweisaufnahme auf sein Verlangen hin zu wiederholen c. Behandlung des Parteiwechsels im Urteil Rubrum: → alte und neue Partei historisch durchnummeriert nennen → keine weiteren Zusätze, wie „früherer Kläger“, „jetziger Kläger“ Tenor: Bei Unzulässigkeit des Parteiwechsels: Der erklärte Parteiwechsel auf den Kläger zu 2.) ist unzulässig. Der ausscheidende Beklagte hat entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO einen Kostenerstattungsanspruch; nach wohl h.M. wird die Baumbach´sche Formel angewandt8. Der ausscheidende Kläger trägt seine Kosten selbst: Ansichten: 1. die bis zum Klägerwechsel anfallenden Kosten9 2. die infolge seiner Klageerhebung entstandenen Mehrkosten10 3. Grundsätze bei Streitgenossen11 4. keine Kostentragung insoweit, als der neue Kläger sie nach dem Ergebnis des Rechtsstreits tragen muss12 8 vgl. Anders/Gehle, R. Rn. 12. OLG Stuttgart, NJW 1973, 1756. 10 OLG Düsseldorf, MDR 1974, 147;OLG Zweibrücken, JurBüro 2004, 494. 11 LG Frankfurt, MDR 1987, 591; OLG Brandenburg, MDR 2004, 842. 9 - 23 - Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout Tatbestand: → Da i.d.R. der Parteiwechsel die Anträge beeinflusst → → Darstellung in der Prozessgeschichte vor den Anträgen Geht es ausschließlich um die Kostenentscheidung → Darstellung in zweiter Prozessgeschichte am Ende des Tatbestands Entscheidungsgründe: (1.) Zulässigkeit des Parteiwechsels bzw. Ermittlung der richtigen Partei Beispiel: Der Kläger zu 1.) ist nicht mehr Partei des Rechtsstreits. Im Wege des zulässigen Parteiwechsels ist vielmehr der Kläger zu 2.) an seine Stelle getreten. (2.) Zulässigkeit der Klage (3.) Begründetheit der Klage II. Parteierweiterung Beispiel: Schmerzensgeldklage gegen einen Schädiger. Während des laufenden Prozesses kann der Kläger Name und Adresse eines weiteren Schädigers ausfindig machen und erweitert die Klage auf diesen. → Erforderlich ist eine den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügende Klageschrift → Voraussetzungen: a. Sachdienlichkeit, § 263 ZPO – da Klageänderung b. Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 59 ff ZPO c. Vorliegen der Voraussetzungen des § 260 ZPO 12 OLG Hamburg, OLGR 2001, 399. - 24 - Der RA im weiteren erstinstanzlichen Verfahren - Handout Bei fehlender Sachdienlichkeit: Verfahrenstrennung, § 145 ZPO → Tritt ein neuer Kläger bei, müssen die bisherigen nach §§ 59 ff ZPO zustimmen. Anhang: Rubrumsberichtigung → bloße Klarstellung der Parteibezeichnung → setzt voraus, dass Identität feststeht und durch geänderte Bezeichnung nicht berührt wird Beispiele: - Insolvenzverwalter erhebt irrtümlich nicht als Partei kraft Amtes – also selbst als Kläger – Klage, sondern als „gesetzlicher Vertreter“ des Gemeinschuldners - K will die A-GmbH verklagen, gibt in der Klageschrift jedoch die A-oHG – die es nicht gibt – an Darstellung in Gutachten und Urteil: → im Rubrum wird nur die berichtigte Bezeichnung erwähnt → Tatbestand: Prozessgeschichte vor die Anträge, wenn Streit oder Unklarheit besteht: Der Kläger hat die Klage ursprünglich gegen die A-oHG gerichtet. Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits hat er jedoch erklärt, die richtige Beklagtenbezeichnung laute „A-GmbH“. Er ist der Ansicht, hierin liege kein Parteiwechsel, sondern eine bloße Rubrumsberichtigung. → Entscheidungsgründe: Zu Beginn im Rahmen einer Klärung der Prozessbeteiligung zur Abgrenzung Parteiwechsel – Rubrumsberichtigung siehe BGH, NJW-RR 2013, 394 - 25 -
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