Fasnächtler begraben die Demokratie

Region
Zürichsee-Zeitung Obersee
Mittwoch, 4. November 2015
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Gruseliger Auftritt auf dem Rapperswiler Hauptplatz: Die Schellegoggi-Zunft mit Zunftmeister Urs Ingold (2. von links) präsentierte im Innern eines Sarges die neue Fasnachtsplakette mit dem Motto der Fasnacht 2016: Es lautet
«Adieu Demokratie».
Manuela Matt
Fasnächtler begraben die Demokratie
RAPPERSwIl-JONA Die Schellegoggi-Zünftler mutierten
gestern Abend zu Totengräbern: In einem Sarg präsentierten
sie die neue Plakette mit dem Motto der Rapperswiler
Fasnacht 2016: «Adieu Demokratie». Auf der Plakette lässt das
Volk die Hosen runter.
Nebel steigt auf, als die vier Gestalten aus der dunklen Gasse
schreiten. Mit gesenktem Haupt
marschieren sie auf den Rapperswiler Hauptplatz, im Hintergrund läuft «Spiel mir das Lied
vom Tod», mit ihren Händen
stützen sie – einen Sarg.
Mit diesem gruselig-dramatischen Auftritt zog die Rappers-
wiler Schellegoggi-Zunft gestern
Abend die Blicke aller Passanten
auf sich. Ein kleiner Kreis von
Fasnachtsfans hatte sich eingefunden, um einen Blick auf die
neuste Kreation der Fasnachtszunft zu werfen: die Plakette mit
dem Motto der Rapperswiler
Fasnacht 2016. Die SchellegoggiZunft enthüllt sie jeweils kurz
vor dem Fasnachtsauftakt, dem
11. 11.
Friedhof passt zum Motto
Er habe bewusst den Hauptplatz
gewählt, um einen Hinweis auf
das Motto zu liefern, sagte Zunftmeister Urs Ingold: Der Platz zwischen dem Rathaus, auf dem
früher regiert wurde, und dem
Schlossfriedhof passe hervorragend. Er öffnete den Sarg theatralisch: Hervor kam nicht nur ein
Skelett – «das wohl älteste Mitglied der Schellegoggi-Zunft» –
sondern auch die neue Plakette.
Das Motto steht zuoberst auf der
Münze im Grossformat: Es lautet
«Adieu Demokratie». Zu sehen ist
auf der einen Seite das Schloss
mit den regierenden Herren, den
«Totengräbern der Demokratie»,
wie Ingold sie nannte. Auf der anderen Seite steht das einfache
Volk mit heruntergelassenen
Hosen.
Das Motto ist eine Anspielung
auf die Debatte rund um das
Stadtparlament, erklärte Ingold:
Eigentlich seien Fasnächtler ja
gänzlich unpolitisch. Doch über
die Abstimmung zum Stadtparla-
ment diesen Sommer hätten die
Zünftler geschmunzelt: «Eine demokratische Institution eines
Stadtparlamentes wurde durch
eine urdemokratische Institutiton, der Bürgerversammlung,
«deutlich im Obersee versenkt»,
kommentierte der Zunftmeister.
Hobby: Freizeitpolitiker
Die Frage sei erlaubt, ob über ein
so wichtiges Geschäft wie das
Stadtparlament tatsächlich von
einer Handvoll Bürgern entschieden werden sollte und dieses
nicht eher an die Urne gehöre,
sagte Ingold. Denn: «Wer von diesen paar Hundert Freizeitpolitikern möchte sich schon durch
sein eigenes Zutun von seinem
liebsten Hobby verabschieden?»
Die Fasnachtsplakette wird ab
dem 11. 11. in vier Ausführungen
verkauft: Nebst den üblichen Versionen aus Kunststoff, Messing
und Silber gibt es heuer zum
40-Jahr-Jubiläum der Schellegoggi-Zunft eine Goldmünze. Mit
den Einnahmen finanziert die
Zunft die traditionelle dreitägige
Rapperswiler Fasnacht.
Ramona Kriese
Stiftung wird Besitzerin des Erziehungsschiffs Salomon
SCHMERIKON Das Schiff,
auf dem derzeit ein
Schmerkner Jugendlicher
erzogen wird, ist in den
Besitz der Stiftung Jugendschiffe gelangt. Ob aber die
Salomon nach August 2016
weiter segeln kann, ist
noch immer ungewiss.
derverordnung. Seither brauchen
auch Institutionen, die Jugendliche im Ausland betreuen, eine
Heimbewilligung. Eine solche
hatte die Stiftung Jugendschiffe
2013 beim Kanton Bern beantragt. Wegen pädagogischer Mängel und Zweifel an der Sicherheit
an Bord stellte das Jugendamt des
Kantons Bern der Salomon aller-
dings nur eine bis Mitte 2016
befristete Heimbewilligung aus.
Damit sollte der Stiftung ein geordneter Ausstieg ermöglicht
werden.
Die Stiftung Jugendschiffe
Schweiz ist in den letzten Jahren
in die Kritik geraten. Auf deren
Segelschiff Salomon sollen
schwierige Jugendliche durch
nautischen Drill und enge Betreuung auf den rechten Weg gebracht
werden. So auch aktuell ein Jugendlicher aus Schmerikon, der
auf Anordnung der Kesb Linth,
aber gegen den Willen der Mutter
2014 auf dem Schiff platziert wurde (die ZSZ berichtete). Inzwischen hat der heute 15-Jährige
über 70 Wochen auf dem Schiff
verbracht.
Sicherheit an Bord bezweifelt
Jahrelang waren zuvor die Betreiber ohne pädagogische Aufsicht
auf den Meeren gesegelt. Doch
dann wurde die Schraube angezogen: Nachdem ein Jugendheim in
Nordspanien 2006 für einen
Skandal gesorgt hatte, verschärfte der Bund 2013 die Pflegekin-
Die Salomon gehört seit Oktober der Stiftung Jugendschiffe. Den Unterhalt muss sie nun selbst berappen.
zvg
Diese will allerdings das Schiff
unbedingt auch nach August 2016
betreiben. Neuerdings ist die Stiftung sogar Eigentümerin des
Schiffs Salomon. Den 47 Meter
langen Dreimaster hat sie von der
Jugendheim Sternen AG geschenkt bekommen, welche das
Schiff bislang vermietete.
Bernhard Eichenberger, Geschäftsleiter der Jugendheim Sternen AG, bestätigt die Schenkung.
Nachdem der langjährige Verwaltungsratspräsident und Gesamtleiter Hansueli Birenstihl in den
Ruhestand getreten sei, habe man
entschieden, das seit Jahren nicht
mehr selbst betriebene Schiff abzugeben und sich damit definitiv
von der Schiffsarbeit zu lösen.
Laut Eichenberger entfallen
nun zwar für die Stiftung Jugendschiffe die Mietkosten, andererseits muss sie künftig in die Seetüchtigkeit des 105-jährigen
Schiffs investieren. So hätten
Wartungsarbeiten beim letzten
Werftaufenthalt diesen Sommer
deutlich mehr als 100 000 Franken gekostet.
Wohlwollend beurteilt
Davon unabhängig wird das Berner Jugendamt entscheiden müssen, ob es die unbefristete Bewilligung nun doch erteilen will. Im
Herbst 2014 hatte dies Amtsleiterin Andrea Weik kategorisch ausgeschlossen. In seinem Bericht
vom August 2015 äussert sich das
Jugendamt nun allerdings positiv: Die Stiftung Jugendschiffe erfülle alle Anforderungen des Kantons. Der Betrieb entspreche den
gesetzlichen Voraussetzungen.
«Das Wohl der Jugendlichen
scheint gesichert.»
Aufsichtsproblem ungelöst
Vorerst ungelöst ist jedoch das
Problem der Aufsicht. Die Behörden müssen den Betrieb nämlich
in regelmässigen Abständen kontrollieren können.
Das wäre auch auf einem Schiff
möglich, sei aber etwas anspruchsvoller, sagt Mario Schmidli, Co-Geschäftsleiter der Stiftung, gegenüber der Nachrichtenagentur SDA. «Dafür haben wir
im Moment keine Lösung.»
Schmidli ist dennoch zuversichtlich, dass die Stiftung eine definitive Betriebsbewilligung bekommt.
Das Jugendamt des Kantons
Bern will sich dazu nicht äussern.
Man sei mit der Stiftung im Gespräch, ein Entscheid sei aber
nicht vor Ende Jahr zu erwarten,
sagte Andrea Weik, Leiterin des
Jugendamts, auf Anfrage. sda/ua