wenn geld versickert

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september 2015
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wenn geld versickert
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(3. Teil)
Massgebend für den Erfolg und eine gute Zusammenarbeit im Team eines Unternehmens ist Vertrauen. Wenn jedoch Vertrauen auf mangelnde Ethik trifft, kommt es vor, dass dieses Vertrauen missbraucht wird und sich Einzelne zu Lasten der Firma bereichern.
Aus dem Alltag der BDO Forensiker
Heinz, seit gut fünf Jahren Buchhalter bei der Johansson Medizinaltechnik AG¹ , hat finanzielle Sorgen. Nicht dass er ein mageres Gehalt hätte, aber Heinz befindet sich gerade mitten in der Scheidung und sieht sich mit hohen Unterhaltszahlungen für Frau und Kinder konfrontiert - und das kurz nachdem die Familie ihr Traumhaus gekauft hatte.
Die Johansson AG, gegründet um 1900 als Stanzwerk und noch immer im Familienbesitz, ist ein florierendes Unternehmen. Die 12
Enkelkinder des Gründers teilen sich das Aktienkapital und stellen sowohl den Verwaltungsrat als auch den Vorsitzenden der Geschäftsleitung (CEO) und den Finanzchef (CFO), jedoch gibt es immer wieder Diskussionen über Dividenden, Investitionen und Strategien. Insbesondere bei der Strategie werden Machtkämpfe deutlich: CEO und CFO drücken die Expansion gegen den Willen des VR
durch - was ein offenes Betriebsgeheimnis ist.
Heinz trat hier die Nachfolge einer altgedienten Buchhalterin an, ist direkt dem CFO unterstellt und sowohl für die Verbuchung des
operativen Geschäftes als auch für den Jahresabschluss verantwortlich - der CFO sieht sich eher als Stratege und ist seit Heinz' Eintritt mit der expansionsbedingten Vergrösserung der Produktionsanlagen beschäftigt. Er hat volles Vertrauen in Heinz und die fünf
Mitarbeitenden der Buchhaltung und will sich auch nicht um das Tagesgeschäft kümmern.
Die Stimmung in der Buchhaltungsabteilung ist nicht die beste - Heinz ist als Eigenbrötler bekannt und kann seine Mitarbeitenden
nur schlecht motivieren. Es kommt zu vielen Kündigungen. Dies bereitet Heinz jedoch wenig Sorgen: Er kann frei temporäres Personal ordern, da «in der derzeitigen Expansionsphase schnelles Reagieren Trumpf» sei, wie der CEO an einer Kadersitzung meinte. Die
Produkte der Johansson Medizinaltechnik AG werden etwa zur Hälfte in Länder exportiert, die nicht zu den kreditwürdigsten gehören, weshalb oft auf Vorauskasse bestanden wird. Heinz bewirtschaftet diese Vorauszahlungen alleine und will hier keine Hilfe. Es
brauche Erfahrung, um die Zahlungsmoral der Kunden einschätzen zu können. Denn: Vorgaben dazu gibt es nicht und er muss seine
Erfahrungen mit dem Kunden einbringen. Er weiss, wer wann eine Vorauszahlung zu leisten hat - und das bis zu 90 Tage im Voraus.
Die Bombe platzt
Krankheitsbedingt ist Heinz für einige Tage abwesend, in dieser Zeit geht eine telefonische Anfrage eines Kunden ein, wohin er die
zweite Rate einer Anzahlung zu überweisen habe. Der Stellvertreter von Heinz sucht die Anzahlung im System, wird jedoch nicht
fündig. Skeptisch sucht er bei weiteren Kunden aus kritischen Ländern nach Anzahlungen, findet aber nur Schlussrechnungen. Da es
um wesentliche Beträge geht und die Angelegenheit nicht nachvollziehbar ist, sucht der Stellvertreter den CFO auf. Auch er kann
den Sachverhalt nicht erklären, weshalb er sich mit dem CEO trifft und diesem seine Verdachtsmomente mitteilt. Gemeinsam versuchen die drei noch am selben Abend den Sachverhalt aufzuklären, aber je mehr sie sich in die Sache vertiefen, umso mehr Fragen
tun sich auf. Schlussendlich brechen sie die Übung ab und kontaktieren den Verwaltungsratspräsidenten.
¹der Firmenname ist erfunden, die im Artikel erläuterten Sachverhalte stammen jedoch aus Praxisfällen, wurden für diesen Artikel leicht angepasst, um der Vertraulichkeit Rechnung zu tragen.
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Dieser beruft am Folgetag eine ausserordentliche VR-Sitzung ein, der eine externe Untersuchung in Auftrag gibt.
Untersuchung
Am nächsten Tag trifft bereits ein kleines Team von BDO AG vor Ort ein. Der Verwaltungsrat möchte kein Aufsehen erregen, weshalb die Forensiker, die Betrugsaufklärungsspezialisten von BDO, diskret und unter einem Deckmantel mit der Untersuchung beginnen.
Zum Glück widerstanden die Verantwortlichen der Johansson Medizinaltechnik AG der Versuchung, direkt auf den Laptop von
Heinz zuzugreifen. Dies ermöglicht es, die Daten gerichtsverwertbar vom Computer abzuziehen und gezielt nach Schlagwörtern zu
suchen. Die Analyse des E-Mailverkehrs lieferte Hinweise, dass Mitarbeiter eines Kunden Hand zu Unterschlagungen geboten hatten.
Trotz starker Indizien wurde Heinz nicht fristlos entlassen sondern freigestellt, dies ermöglichte es BDO, mit Heinz Interviews zu
führen, die schlussendlich in einem Geständnis mündeten.
Die Suche nach nicht manipulierten Drittdokumenten musste immer weiter ausgedehnt werden, erst viereinhalb Jahre in der Vergangenheit wurde die so genannte Nullprobe gefunden. Dies ist ein runder, überschaubarer Betrag, den der Betrüger bei Entdeckung
jederzeit hätte zurückzahlen können und so oft als erster Test verwendet wird, ob das Betrugsschema funktioniert. Wenn das Vorgehen klappt, werden die Beträge erhöht. Die Gesamtschadenshöhe belief sich auf CHF 800'000, pro Jahr waren zwischen
CHF 100'000 und CHF 250'000 veruntreut worden.
Die Analyse der Bankdokumente zeigte, dass Heinz schon kurz nach dem Antritt seiner Stelle kriminell tätig geworden war. Normalerweise benötigt ein potentieller Täter mehrere Jahre, um die Schwachstellen in den Prozessen seines Arbeitgebers zu erkennen
und für seine Zwecke auszunutzen. Die Befürchtungen von BDO, dass mangelnde interne Kontrollen den Betrug (doloses Handeln)
erleichtert hatten, bestätigten sich nicht nur, es zeigte sich, dass Heinz auf einem bestehenden Betrugskonzept seiner Vorgängerin
aufbauen konnte. Sie hatte bereits Anzahlungen auf ihr eigenes Konto umgeleitet. Es existierte zwar ein internes Kontrollsystem
(IKS) in der Firma, aber dieses wurde nicht gelebt. Neue Mitarbeitende hatten teilweise weder Stellenbeschreibungen erhalten noch
kannten sie die für ihre tägliche Arbeit notwendigen Regularien und Weisungen.
Von BDO waren nicht nur die Forensiker involviert, sondern auch die Treuhandmitarbeitenden, da die Buchhaltung für die letzten
acht Monate nachgebucht werden musste. Um seine Taten zu vertuschen hatte der Buchhalter Buchungen ohne wirtschaftlichen
Hintergrund vorgenommen und von seiner Weisungskompetenz Gebrauch gemacht. Da sich aufgrund des Betrugs die Umsatzzahlen als falsch erwiesen, kamen Steuer- und Mehrwertsteuerexperten mit ins Boot um der Johansson Medizinaltechnik AG in diesem
Bereich den Rücken freizuhalten.
Ein gerichtsverwertbarer Report wurde der Staatsanwaltschaft übergeben, welche sodann die Vermögenswerte des Täters blockierte. Anklage ist erhoben, das Urteil steht jedoch noch aus. Es ist damit zu rechnen, dass rund 50 % der Schadensumme sichergestellt
werden kann.
Versagen
Der CFO war primär mit der Expansionsstrategie beschäftigt. So hatte Heinz einerseits das volle Vertrauen des CFO, anderseits
fehlte ihm jedoch jegliche Unterstützung bei Problemstellungen - Heinz fühlte sich sehr unter Druck und war frustriert. Er war aufgrund der vielen personellen Wechsel und Temporärmitarbeitenden quasi als Einzelkämpfer unterwegs, niemand hinterfragte seine
Arbeiten kritisch.
Die Scheidung und die damit verbundenen Unterhaltszahlungen führten bei Heinz zu einem viel höheren finanziellen Bedarf - er sah
sich immer am Rande des Privatkonkurses. Dies liess ihn nach neuen Geldquellen suchen. Bereits nach kurzer Zeit waren ihm die Lücken in den internen Kontrollen seines Arbeitgebers aufgefallen. Er konnte alleine Rechnungen erstellen und mit seiner Einzelunterschrift Gelder verschieben - so leitete er Anzahlungen auf sein Konto um. Gelegenheit, Motivation und Rechtfertigung für diese
Tat waren vorhanden, dies sind die drei Elemente des «Fraud-Triangle».
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Lösung
Mit wenigen funktionierenden Kontrollen hätte dieser Betrug verhindert werden können. Da Vorauszahlungen bei der Johansson
Medizinaltechnik AG zweifellos einen wesentlichen Prozesszyklus darstellen, sind Kontrollen in diesem Bereich zu erwarten. Die
Funktionentrennung innerhalb der Johansson Medizinaltechnik AG war in den wesentlichen Bereichen zu schwach und so bestand
keine ausreichende 4-Augen-Kontrolle. Heinz konnte sowohl verbuchen als auch direkt auf die Bankkonten zugreifen. Des Weiteren
wurde die Liquidität zu wenig überwacht - nur so war es möglich, dass der Zahlungseingang so stark verzögert werden konnte.
Besonders wichtig für das Verhalten der Mitarbeitenden ist die Vorbildwirkung des Managements. Die Integrität des Managements
beeinflusst das Handeln der Mitarbeitenden. Bei der Johansson Medizinaltechnik AG wurden Machtkämpfe offen ausgetragen und
Vorgaben auch von CEO und CFO bewusst umgangen.
Weiteres Vorgehen
Die Johansson Medizinaltechnik AG ist stark gewachsen, ohne die Organisation darauf auszurichten. Gerade starke Veränderungen
verlangen jedoch auch, regelmässig die eigene Organisation zu hinterfragen.
Eine regelmässige Risikoanalyse und Prüfung der implementierten Überwachung hätte dem Management frühzeitig Indikatoren gegeben, dass Defizite bestehen. BDO verfügt über Spezialisten die ihnen hätten helfen können, ihre Prozesse sowie das Interne Kontrollsystem kritisch zu hinterfragen und auf die Strategie auszurichten. Potentiale entdecken und Sicherheit bieten sind hierbei die
Maximen von BDO.
Eine Whistleblowing Hotline hätte dazu beitragen können, diesen Fall bereits früher zu entdecken. BDO hat bereits vielen Kunden
bei der Implementierung einer solchen Hotline geholfen und kennt auch die Probleme im Bereich Compliance, der Einhaltung von
Richtlinien und Gesetzen.
Im Falle der Johansson Medizinaltechnik AG konnte BDO Spezialisten aus dem Bereich Forensik einsetzen - sie kommen bei konkreten Verdachtsmomenten zum Einsatz. Diskretion und schnelle Einsatzbereitschaft zeichnen sie aus - gerichtsverwertbare interne
Untersuchungen und Kommunikation sind ihre Kernkompetenzen.
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Autoren
Stephan Kühn, Partner, BDO AG, Zürich, Tel: 044 444 36 63, E-Mail: [email protected]
Ramon Winterberg, Manager, BDO AG, Zürich, Tel: 044 444 37 39, E-Mail: [email protected]
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Haben Sie Fragen?
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