Schriftliche Kleine Anfrage - CDU

5. April 2016
Schriftliche Kleine Anfrage
des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 29.03.2016
und
Antwort des Senats
- Drucksache 21/3791 -
Betr.:
Gemeinschaftliche Vergewaltigung einer 14-Jährigen – wo befinden sich die
mutmaßlichen Täter?
Nach der erschütternden gemeinschaftlichen Vergewaltigung einer 14-Jährigen am 11. Februar 2016 in Harburg durch vier Jugendliche, die von einer weiteren Person gefilmt wurde, befanden sich zwischenzeitlich alle fünf Tatverdächtigen in Untersuchungshaft. Die Jugendlichen
sollen das besinnungslose Mädchen anschließend bei eisiger Kälte in einem Hinterhof abgelegt haben.
Einem Bericht vom Hamburger Abendblatt vom 15. März 2016 zufolge sollten voraussichtlich
zwei mutmaßliche Täter aus der Untersuchungshaft entlassen und in einer Jugendeinrichtung
untergebracht werden. Dort hieß es: „Die Staatsanwaltschaft prüfe eine entsprechende
Haftumstellung für die 16- und 14-jährigen Jugendlichen.“ „Die Umstellung wurde beantragt,
weil nach neuesten Erkenntnissen der dringende Tatverdacht des gemeinschaftlichen versuchten Mordes nicht mehr besteht“, sagte eine Sprecherin am Dienstag.
Es gibt Hinweise, dass sich der 14-jährige Tatverdächtige bereits wieder auf der Flucht befindet.
Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:
Untersuchungshaft gegen Jugendliche darf nur verhängt und vollstreckt werden, wenn ihr Zweck nicht
durch eine vorläufige Anordnung über die Erziehung oder durch andere Maßnahmen erreicht werden
kann (§ 72 Abs. 1 Jugendgerichtsgesetz (JGG)). Das JGG sieht die Möglichkeit vor, Jugendliche zur
Sicherung der Hauptverhandlung oder zur Abwendung von Untersuchungshaft in geeigneten Einrichtungen der Jugendhilfe unterzubringen. Die dort – ausschließlich aufgrund richterlicher Anordnung –
aufgenommenen Jugendlichen werden gemäß richterlicher Weisung betreut. Bei groben Regelverstößen oder bei erneuten Straftaten hebt der Richter die Betreuung auf, in diesem Fall erfolgt eine Rückführung in die Untersuchungshaft.
Davon zu unterscheiden ist die freiheitsentziehende Maßnahme der geschlossenen Unterbringung.
Die Geschlossene Unterbringung ist eine Form der „Hilfen zu Erziehung“ durch das Jugendamt, die in
keinem unmittelbaren Zusammenhang zu einer Begehung von Straftaten steht. Eine Unterbringung
des Kindes, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, bedarf der Genehmigung des Familiengerichts,
§ 1631 b BGB.
Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:
1.
2.
Was ergab das Ergebnis der beantragten Haftumstellung jeweils für den 14- sowie den
16-jährigen Jugendlichen?
Wann wurden sie aus der Untersuchungshaft entlassen?
Der 16-jährige Beschuldigte wurde am 21. März 2016 aus der Untersuchungshaft entlassen.
Der 14-jährige Beschuldigte wurde am 21. März 2016 von dem weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verschont.
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3.
Wo wurden sie jeweils sodann untergebracht? Bitte unter Angabe des Trägers und des
Bezirks angeben.
a. Handelt es sich um die „Jugendgerichtliche Unterbringung“ des LEB? Falls nein,
weshalb nicht und um welche Einrichtung(en) handelt es sich dann?
Der 16-jährige Beschuldigte wurde auf Grund eines auf §§ 71 Abs. 2, 72 Abs. 4 JGG gestützten Unterbringungsbeschlusses des Amtsgerichts Hamburg vom 21.03.2016 in der jugendgerichtlichen Unterbringung in Hamburg-Bergedorf aufgenommen.
Der 14-jährige Beschuldigte wurde in Ausführung der Weisungen aus dem Verschonungsbeschluss
des Amtsgerichts Hamburg vom 21.03.2016 am gleichen Tag in einer Wohneinrichtung des AlbertSchweitzer-Familienwerks Lüneburg in Reppenstedt aufgenommen.
Die getrennte Unterbringung war erforderlich, weil andernfalls zwischen den Beschuldigten die Gefahr
von Absprachen bestanden hätte.
b. Welches Betreuungskonzept und welcher Betreuer-Schlüssel bestehen in dieser
Einrichtung / diesen Einrichtungen?
Das Angebot der jugendgerichtlichen Unterbringung in Hamburg richtet sich an Jugendliche zwischen
14 und 18 Jahren (§ 1 Abs. 2 JGG) im Rahmen einer Unterbringung nach dem Jugendgerichtsgesetz
unter anderem nach einer richterlichen Anordnung von stationärer Jugendhilfe als vorläufige Anordnung über die Erziehung (§ 71 Abs. 2 JGG).
Im Vordergrund der Betreuung in der jugendgerichtlichen Unterbringung steht ein Leben ohne Straftaten, um drohende Untersuchungshaft und weitere Schädigungen Dritter möglichst zu vermeiden. Die
Jugendlichen sollen lernen, ihren Tagesablauf eigenverantwortlich zu planen und zu gestalten, ihr
Verhalten, seine Wirkungen und Konsequenzen zu reflektieren und sich mit den Wirkungen und Folgen begangener Straftaten auseinander zu setzen. Sie sollen eine eigene Lebensplanung entwickeln
und Schritte zur Umsetzung unternehmen sowie ihre soziale, schulische und berufliche Integration –
mit Unterstützung, aber eigenverantwortlich – weiterentwickeln.
Das Betreuungsangebot des „Projektes Reppenstedt“ richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene, die von Straffälligkeit bedroht sind, bereits straffällig geworden sind oder die sich in anderen
prekären sozialen Desintegrationslagen befinden und für die eine stationäre Erziehungshilfe erforderlich ist. Insbesondere richtet sich das Angebot an Jugendliche und junge Erwachsene, für die es zu
Beginn der Betreuung um die Durchführung von Untersuchungshaftvermeidung nach § 71 Jugendgerichtsgesetz geht.
Der Betreuer-Schlüssel für die jugendgerichtliche Unterbringung in Hamburg beträgt 1:1, 23 Betreuer,
der in Reppenstedt 1:1.
c.
Werden die Jugendlichen 24 Stunden betreut? Falls nein, weshalb nicht?
Ja.
4.
Befinden sich beide Jugendlichen noch immer in den Jugendeinrichtungen? Falls nein,
seit wann und aus welchen Gründen nicht mehr?
Nein.
Der 14-jährige Beschuldigte wurde am Abend des 21. März 2016 als abgängig gemeldet. Daraufhin
ordnete das Amtsgericht Hamburg auf Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 22. März
2016 erneut die Invollzugsetzung des Haftbefehls an.
Fahndungsmaßnahmen sind eingeleitet. Am 4. April wurde der Beschuldigte zur Fahndung ausgeschrieben.
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Der 16-jährige Beschuldigte wurde am Abend des 29. März 2016 als abgängig gemeldet. Er wurde
kurze Zeit später von Polizeikräften wieder ergriffen und der Untersuchungshaftanstalt Hamburg zugeführt. Das Amtsgericht Hamburg ordnete auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom 30. März 2016 am
gleichen Tage erneut die Untersuchungshaft an.
Diese wird derzeit vollstreckt.
5.
Wie ist der aktuelle Sachstand zur Errichtung der Geschlossenen Unterbringung in Bremen? Wann und mit wie vielen Plätzen wird diese eröffnet?
Siehe Drs. 21/3530. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.
6.
Befinden sich die anderen Tatverdächtigen noch in Untersuchungshaft? Falls nein, weshalb und seit wann nicht mehr? Falls nein, wo befinden bzw. wo befanden sie sich dann
zwischenzeitlich?
Zwei weitere männliche Beschuldigte befinden sich in Untersuchungshaft. Die weibliche Beschuldigte
wurde am 4. März 2016 aus der Untersuchungshaft entlassen, nachdem das Landgericht Hamburg
den Haftbefehl aufgehoben hatte. Nach Aufhebung des Haftbefehls liegt eine rechtliche Grundlage für
eine Überwachung des Aufenthaltes der Beschuldigten nicht vor. Die Beantwortung der Frage nach
dem derzeitigen Aufenthalt ist ohne die Angabe von Sozialdaten (vgl. § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X) nicht
möglich. Der Senat ist daher im Hinblick auf den Sozialdatenschutz gehindert, die Frage im Übrigen
zu beantworten.
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