Montag, 29. Juni 2015 / Nr. 147 NEUE LUZERNER ZEITUNG NEUE ZUGER ZEITUNG NEUE NIDWALDNER ZEITUNG Sport NEUE OBWALDNER ZEITUNG NEUE URNER ZEITUNG 23 BOTE DER URSCHWEIZ Dieser Titelkampf bleibt in Erinnerung STREETHOCKEY Die Weltmeisterschaft in Zug ist zu Ende. Die Slowakei verteidigt ihren Titel erfolgreich. Als Sieger können sich aber auch die Organisatoren fühlen. KOMMENTAR Sportredaktor Marco Morosoli zieht WM-Bilanz MARCO MOROSOLI [email protected] Eine WM der Herzen Die Weltmeisterschaft ist gestern Abend mit dem Finalspiel zwischen den USA und der Slowakei zu Ende gegangen. Den Osteuropäern gelang dabei nach einem nervenaufreibenden und hochspannenden Spiel ein 4:3-Sieg nach Verlängerung. Damit verteidigt die Slo- D wakei ihren Titel. Für die USA ist es das erste Mal, dass sie an einer WM eine Medaille gewinnen. Schweizer haben zugelegt Sportlich darf die Schweizer Delegation der Swiss Streethockey Association (SSHA) zufrieden sein. Das Männerteam hat den sechsten Platz geholt und damit besser abgeschnitten als vor zwei Jahren in St. John’s (Kanada). «Wir haben einen Schritt nach vorne zu den Top-Nationen Kanada, Tschechien und der Slowakei gemacht», bilanziert denn auch der Schweizer Nationalcoach Tibor Kapanek. Das hat auch das letzte Spiel gegen Kanada gezeigt, welches die Schweizer in der Verlängerung unglücklich verloren (siehe Box). Das Gros der Schweizer Mannschaft wird zusammenbleiben, was Hoffnung für die nächste WM in zwei Jahren in Pardubice (Tschechien) macht. Auch die Schweizer Frauen haben sich achtbar geschlagen. Sie holen den fünften Platz. «Das ist das Maximum, das die Schweiz momentan zu leisten vermag.» Ein Konzept, das funktioniert Gepunktet haben aber nicht nur die Schweizer Auswahlteams, sondern auch die Organisatoren. «Das war die beste Platz 5 für die Schweizerinnen FRAUEN-WM mo./pd. Gestern Vormittag ist die diesjährige Streethockey-WM für die Schweizer Frauen mit einem Erfolgserlebnis zu Ende gegangen. Im Platzierungsspiel gegen Italien siegten die Schweizerinnen mit 6:0 (3:0, 2:0, 1:0). In der Gruppenphase hatte die Schweizer FrauenAuswahl gegen den gleichen Gegner noch mit 2:6 verloren. Die Schweizerinnen haben sich an der Heim-WM teuer verkauft. Gegen die USA kämpften sie tapfer, verpassten aber beste Abschlussmöglichkeiten. Gegen Italien nun löste sich der Knopf. «Ich bin mit diesem Abschluss sehr zufrieden», sagte der Schweizer Nationaltrainer Stefan Ruch nach dem Spiel. Er rühmte dabei das grosse Engagement seiner Spielerinnen. Ruch freute sich auch, dass der Abstand zur Spitze nicht mehr so gross sei. So verloren die Schweizerinnen gegen Tschechien nur knapp. Aber Ruch nennt auch Unterschiede: «Während Topnationen öfter gegeneinander spielen, müssen meine Spielerinnen gegen Männer antreten.» WM-Pokal für die Slowaken in der Zuger Bossard-Arena: Die Osteuropäer sind ihrer Favoritenrolle gerecht geworden. Weltmeisterschaft, die wir je hatten», sagt Georges Gortsos. Er ist Chef der International Street & Ball Hockey Federation (ISBHF). Der Kanadier muss es wissen. Er ist seit der ersten Weltmeisterschaft von 1996 immer bei den Titelkämpfen zugegen gewesen. Gortsos zeigt sich vor allem vom Konzept des Organisationskomitees begeistert. Die 85 WM-Spiele und das reich befrachtete Rahmenprogramm konnten dank Sponsoren wie Sika und anderen Geldgebern gratis besucht werden. Gortsos sagt denn auch schon fast ehrfurchtsvoll: «So etwas habe ich an einer Streethockey-Weltmeisterschaft noch nie gesehen. Da hat Zug Geschichte geschrieben.» Im Vorfeld der Veranstaltung hatten die Organisatoren rund um Maurus Schönenberger noch pro Tag mit einem Zuschauerzuspruch von rund 1500 Personen gerechnet. Gekommen sind in den zehn WM-Tagen 50 000 Besucher. Bild Maria Schmid «Die Kombination von Sport und Unterhaltung machte es aus.» M AU R U S S C H Ö N E N B E R G E R , O K- C H E F Schönenberger ist von dieser Zahl «beeindruckt». Damit hätten er und das ganze Organisationskomitee wie auch all die über 300 Helfer nicht gerechnet. Er sei den auch vom Ergebnis «über- wältigt». Er sage danke «für die Wertschätzung, welche die Zuger dem Streethockeysport» entgegengebracht hätten. Schönenberger, der in den letzten Tagen wie viele seiner Mitstreiter kaum zum Schlafen gekommen ist, ist mit etwas für den Einsatz entschädigt worden: «Ich habe tausend glückliche Gesichter gesehen.» Auf dem ArenaPlatz bei der Bossard-Arena habe ein «Volksfest» stattgefunden. Was Schönenberger auch freut: «Mit Randalierern und den Nachbarn hatten wir keine Probleme.» Jetzt ist der Arena-Platz eingeweiht So gesehen ist der Arena-Platz etwas mehr als vier Jahre nach seiner «Eröffnung» nunmehr – etwas verspätet – eingeweiht worden. Stadtrat Urs Raschle stellte den Organisatoren im Namen seiner Kollegen ein grosses Kompliment aus. «Das OK hat hervorragend gearbeitet, Werbung für Zug gemacht.» Schweiz verpasst gegen Kanada eine Sensation PLATZIERUNGSSPIEL mo. Gestern hat die Schweiz beim Spiel um den fünften Platz dem fünffachen Weltmeister Kanada alles abgetrotzt, aber letztlich nach der Verlängerung unglücklich mit 5:6 (1:0, 1:4, 3:1, 0:1) verloren. Spiele gegen die Überseer endeten in der Vergangenheit mit einem klaren Sieg für Kanada – das letzte Mal vor einer Woche mit 7:2. Doch so nahe an einem Erfolgserlebnis wie gestern Nachmittag vor 3143 Zuschauern in der Bossard-Arena sind die Schweizer noch nie gewesen. Einen Rückschlag korrigiert Die Schweizer schaffen es, bis zur 22. Minute mit 2:0 in Führung zu gehen. Die Kanadier verschärfen in der Folge das Tempo und treffen innerhalb von knapp zehn Minuten zwischen der 18. und der 27. Minute gleich vier Mal. Die Schweizer, die gestern trotz des achten Spiels in den letzten zehn Tagen noch einmal alle Kräfte mobilisieren, können das Geschehen durch zwei Tore von Nicola Fuchs (32.) und Marc Aegerter (35.) aber wieder ausgleichen. Auch nach dem 5:4 der Kanadier in der 37. Minute geben sich die Schweizer nicht geschlagen und können durch Ismael Métroz nochmals zum 5:5 ausgleichen (45.). Eine Verlängerung wird notwendig, in dieser hat die Schweiz viele gute Chancen, aber die Kanadier agieren cleverer. Nach einer harten Strafe gegen Yannick Sterchi nutzt Kanada das Powerplay nach nur 14 Sekunden aus, um den entscheidenden Treffer zum 6:5 zu erzielen. Coach ist stolz auf das Team Der Schweizer Coach Tibor Kapanek ist nach dem «plötzlichen Tod» enttäuscht, sagt aber: «Ich bin stolz auf diese Mannschaft. Sie hat alles gegeben und Charakter gezeigt. Es war die bisher stärkste WM, die wir gespielt haben.» Kapanek bedankt sich auch für die tolle Unterstützung durch die Zuschauer über die ganze Weltmeisterschaft hinweg. Auch der Schweizer Teamcaptain Mathias Beiersdörfer findet nach der bitteren Niederlage schnell wieder die Fassung: «Wir sind erhobenen Hauptes vom Feld gegangen und haben uns nochmals ‹zerrissen›.» Wie Kapanek hat auch ihn das Zuger Publikum beeindruckt: «Sensationell, wie die Fans uns in jedem Spiel unterstützt haben – und vor allem, wie viele gekommen sind.» Zeit, um noch ein wenig Kräfte für den Alltag zu tanken, hat Beiersdörfer nicht. Er ist heute Morgen um 4 Uhr in der Frühe aufgestanden, um seinen Dienst bei der Luzerner Polizei anzutreten. Schweiz - Kanada 5:6 (1:0, 1:4, 3:1, 0:1) n. V. Bossard-Arena. – 3143 Zuschauer. – SR Michal Skrobak, Petr Skrobak (Tsch). – Tore: 9. Marc Müller (Métroz, Nicola Fuchs, Ausschluss Corbell) 1:0. 17. Stucki (Sterchi, Raphael Melliger) 2:0. 18. Daoust (Giustini, Tremblett, Ausschluss Aegerter) 2:1. 23. Kuczmarski (Roy, Ausschluss Schildknecht) 2:2. 23. D’Abadie (Ghilarducci), 2:3. 27. Escott (D’Abadie (Ghilarducci) 2:4. 32. Fuchs (Marc Müller, Henzi, Ausschlüsse Pasternak, Corbell) 3:4. 35. Aegerter (Fuchs, Ausschluss Corbell) 4:4. 37. Ghilarducci (D’Abadie, Escott) 4:5. 43. Métroz (Henzi, Marc Müller, Ausschluss Ghilarducci) 5:5. 51. Giustini (Roy, Ausschluss Sterchi) 5:6. – Strafen: 5-mal 2 Minuten gegen die Schweiz; 8-mal 2 Minuten gegen Kanada. Zug. WM. Männer. Final: USA - Slowakei 3:4. – Um Platz 3: Tschechien - Griechenland 6:1. – Um Platz 5: Schweiz - Kanada 5:6 n. V. – Um Platz 7: Portugal - Finnland 3:2. Frauen. Final: Kanada - Tschechien 5:1. – Um Platz 3: Slowakei - USA 5:1. – Um Platz 5: Schweiz - Italien 6:0. ie StreethockeyWeltmeisterschaft in Zug ist Geschichte. Zehn Tage lang gab es in und um die BossardArena ein Treffen der Völker, das kaum einer in dieser Art und in dieser Intensität erwartet hätte. Die Veranstalter haben es geschafft, eine Randsportart in den Fokus des Interesses zu rücken – unter anderem, indem sie die Wettkämpfe äusserst geschickt mit einem Unterhaltungsprogramm kombinierten: Wer bei freiem Eintritt ein Spiel besuchte, bekam quasi als Dessert auch noch ein tolles Konzert serviert. Bands wie Pegasus, Lo und Léduc oder die Schlagersängerin Beatrice Egli haben den sonst ‹toten› Arena-Platz zum Vibrieren gebracht. Die Politik hat dafür Hand geboten, die entsprechenden Bewilligungen erteilt, vereinzelte Klagen aus der Nachbarschaft in Kauf genommen und damit die behördliche Basis für eine friedliche Dauerparty geschaffen – und überdies für einen Sportevent, der bei den Athleten für Freudentränen sorgte. Der oberste Funktionär sprach am Eröffnungstag gar vom «besten Moment in der Geschichte unseres Sports». Kein Wunder: Denn die Schweizer Spiele waren durchwegs sehr gut besucht. Bei der Partie gegen Kanada meldete der Stadionspeaker gar eine ausverkaufte BossardArena. Auch das gestrige Finalspiel sahen noch 4300 Zuschauer. Plötzlich war sogar das Schweizer Fernsehen vor Ort. Und kam am gestrigen Tag gar noch ein zweites Mal. Womöglich hat dieser Anlass hierzulande das Eis für das Streethockey gebrochen. Das wäre dem dynamischen und sympathischen Sport, bei dem noch Amateure am Werk sind, sehr zu wünschen. Solchen Sportlern verzeiht man den einen oder anderen Fehler mehr als hoch bezahlten Profis, die oft lustlos auf dem Eis oder auf dem Rasen wirken. Die WM in Zug eroberte fraglos die Herzen. Sie wird den Beteiligten noch lange in Erinnerung bleiben, und sie war beste Werbung für die Region. MARCO MOROSOLI [email protected]
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