Beurteilung + Wahrnehmung Die Beurteilung von Auszubildenden erfordert von AusbilderInnen einiges an Fingerspitzengefühl. Es gibt praktisch keine objektive Beurteilung, es sei denn, der zu Beurteilende kann eindeutig gemessen werden. Dies trifft allenfalls für genau quantifizierbare Leistungen zu, praktisch nie jedoch für die Beurteilung eines Menschen als Ganzes. AusbilderInnen und oder Frauen und Männern in Leitungsfunktionen sollten deshalb ihre Beurteilung vorsichtig vornehmen, da kein Mensch völlig frei von Vorurteilen und Fehleinstellungen ist. Hierzu hilft auch das beste Beurteilungssystem nicht, weil letztlich die Einschätzung meist eine individuelle und persönliche Ansicht der/s Qualifizierenden ist. Die qualifizierende Person sollte sich dessen bewusst sein, sich selbst beobachten und überprüfen. Wenn die/der Qualifizierende bereit ist, auch eine schon bereits gemachte Beurteilung auch zu korrigieren, wenn neue Fakten erkennbar werden – dann ist das ein Schritt in Richtung „Objektivität“. Beurteilungen sind an sich immer subjektiv und folgende Faktoren beeinflussen den Beurteilungsprozess- die Beurteilung: • Die Persönlichkeit der qualifizierenden Person • Die Beziehung zwischen BeurteilerIn und Beurteilte/r • Momentan wirksame situative Faktoren • Das Beurteilungsverfahren • Phänomene der Wahrnehmung Die Einstellung, das Bewusstsein und das Wissen über diese beeinflussenden Beurteilungsfaktoren ermöglicht dem Beurteiler sowie der zu beurteilenden Person die „Fehlerquellen“ der Beurteilung teilweise zu vermeiden. Worauf ist bei Beurteilungen zu achten und was ist zu berücksichtigen ? Projektion Von einem Selbst auf andere zu schliessen Übertragung Frühere Erfahrungen mit anderen Personen auf die Beurteilung einfliessen zu lassen Primacy Effekt Am ersten Eindruck festzuhalten. Der erste Eindruck ist oft sehr prägend für die spätere Einschätzung. Ein erster, spontan positiver Eindruck kann leicht das spätere (echte) Bild beeinflussen. Negative Verzerrungen Negative Informationen unverhältnismässig starkes Gewicht beizumessen. Halo-Effekt Von einem wahrgenommenem Merkmal auf andere Persönlichkeitseigenschaften zu schliessen. „einmal ein Dieb immer ein Dieb“„einmal lieb immer lieb“ Selffulling Prophecy Selbsterfüllende Prophezeiung „Ich kann es nicht, ich habe es gewusst“ „Ich kann es, ich habe es gewusst“ sabine graeser wylerstr. 15 3014 bern mobil 079 506 67 36 Pygmalion Effekt Ich sage einer Person: Du kannst es nicht, und die Person erfüllt es. Und auch umgedreht möglich. Sympathie/Antipathie Sympathie und Antipathie sind nie auszuschliessen. Diese grundlegende Einstellung wirkt sich aus dem Unbewussten auf die Beurteilung aus. Gutaussehende Menschen werden positiv beurteilt. Stereotypisierung/ Vorurteilsbildung Vorgefasste Meinungen über Menschentypen wird gebildet. Solche Vorurteile resultieren häufig aus bereits vorliegenden Urteilen, aus der kritiklosen Übernahme von Beurteilungen Dritter und aus Äusserlichkeiten, wie z. B., Namen, Nationalität, Aussehen, Kleidung.... Situationsbedingte Beurteilungsfehler Jedes Urteil ist von der momentanen Situation der BeurteilerIn abhängig, befindet sie sich in Hochstimmung, so wirkt sich das zugunsten des Beurteilten aus. Solche Einflüsse können von der körperlichen Verfassung, von persönlichen Problemen, von der äusseren Umgebung der BeurteilerIn ausgehen. Selektive Wahrnehmung Jede/r nimmt nur einen Teil seiner Umwelt wahr. Aufgrund der eigenen Persönlichkeit wird aus der Vielzahl von möglichen Informationen nur einen Teil ausgewählt. (blinder Fleck) Überstrahlungen Von einzigen auffallend guten oder schlechten Leistungen wird auf die gesamte Leistung geschlossen. Statusfehler (Hierarchieeffekt) Egoismus sabine graeser Mitarbeiterinnen der oberen Ebenen werden tendenziell besser beurteilt, als Mitarbeiterinnen niederer Ebenen. Eben- solches gilt für MitarbeiterInnen mit Titel gegenüber solchen ohne Titel. Egoistisches Verhalten der Vorgesetzten ist dann gegeben, wenn sie eine Mitarbeiterin bewusst schlechter oder besser qualifiziert, z.b., um zu vermeiden, dass sie wegen einer guten Qualifikation aus der eigenen Abteilung „wegbefördert“ wird. In die gleiche Kategorie gehören Beurteilungen die zu positiv ausfallen, weil die Vorgesetze eine gute persönliche Beziehung nicht gefährden möchte. (Was übrigens in den seltensten Fällen der Fall wäre) wylerstr. 15 3014 bern mobil 079 506 67 36 Trend zu Mitte Hemmung sich in einem Beurteilungsschema die Extremwerte zu wählen. Sie zeigen eine Tendenz zur Mitte und werten damit schlechte Leistungen auf und gute Leistungen ab. Der Grund dafür liegt oft am mangelnden Mut, festgestellte und begründbare Beurteilungen anzusprechen. Persönlicher Massstab Überall dort, wo keine messbaren Grössen der Beurteilung zugrunde gelegt werden können, muss die Beurteilerin auf ihren eigenen Maßstab zurückgreifen. Dieser Maßstab kann sehr ungerecht sein, wenn z. B., die Vorgesetze in einem Gebiet Spezialistin ist und selbst überragende Ergebnisse erzielt. Verglichen mit ihren Leistungen erscheinen alle anderen Leistungen höchstens noch durchschnittlich. BeurteilerinnenTyp Die Art und Weise, wie die Beurteilerin die Beurteilung angeht, wird sich dies auf das „Urteil“ auswirken. Man kann die folgenden BeurteilerInnentypen unterscheiden: die Objektive die Nachsichtige die Scharfe die Vorsichtige Natürlich kommen diese Typen kaum in Reinkultur vor. sabine graeser wylerstr. 15 3014 bern mobil 079 506 67 36 Lösungsansätze/Tipps/Empfehlungen zur Reduzierung von „Beurteilungsfehlern“..... • Das Vorurteil der eigenen Vorurteilslosigkeit abbauen • Interpretationen von Beobachtungen unterscheiden (Was sehe ich – was vermute ich ?) • Konkrete Verhaltensbeschreibungen verwenden, statt pauschale Bewertungen (wie dumm, faul etc) • Aufmerksam und offen bleiben für weitere Informationen • Das eigene Urteil am Urteil anderer überprüfen • Möglichst viele Informationen in das persönliche Urteil einbeziehen • Den zu Beurteilenden einbeziehen: Welches Bild hat er von sich Selbst ? Worin unterscheidet sich sein Selbstbild vom Fremdbild ? • Eigene Stimmungen, Motive, Einstellungen, Wertmassstäbe berücksichtigen • Die konkrete Situation im Auge behalten • Sich in den anderen hineinversetzen und einfühlen (Empathie) • Sich selbst im Urteil anderer kennen lernen: Wie wirke ich auf andere ? Wie beeinflusse ich ihr Verhalten ? sabine graeser wylerstr. 15 3014 bern mobil 079 506 67 36 Fragen/Checkliste für Beurteilende • Was für ein Beurteilerinnentyp bin ich ? • Ist mir die Beurteilte sympathisch oder unsympathisch ? • Erinnere ich mich an den ersten Eindruck ? Klammere ich mich daran ? • Sind meine Urteile aufgrund ausreichender und sorgfältiger Beobachtung gefällt ? • Habe ich private oder persönliche Interessen dem Beurteilten gegenüber ? Könnte dies eine Rolle spielen ? • Kenne ich besonders hervorstechende Einzelleistungen der zu beurteilenden Person ? • Haben mich diese positiv oder negativ beeindruckt ? • Welche Rolle spielen sie bei dieser Beurteilung ? • Sind meine Urteile in sich noch schlüssig ? Kann ich alles klar begründen ? • Haben mich Dritte beeinflusst ? • Habe ich mit jemand Anderen über die zu beurteilende Person gesprochen ? • Habe ich Schönfärberei betrieben, weil es sich um „ meine Schülerin/Angestellten/KursteilnehmerIn“ handelt ? • Ist mir der Gedanke durch den Kopf gegangen, was meine Vorgesetzten denken könnten? • Habe ich Dinge in die Bewertung miteinbezogen, für die es keine vollständigen Beweise gibt ? • Wie habe ich mich gefühlt, als ich die Beurteilung erstellte ? sabine graeser wylerstr. 15 3014 bern mobil 079 506 67 36
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