Einiges aus den Kirchenbüchern der Stadtpfarrei Velburg von Nikolaus Stolz in „Die Oberpfalz“, 1961, 49. (55.) Jahrgang, ab Seite 303 Kirchenbücher, auch Pfarrbücher oder Matrikel genannt, sind die unmittelbarsten Quellen der familiengeschichtlichen Forschung. Unmittelbar genannt, weil die Lebensdaten der Ahnen (Geburt, Taufe, Hochzeit und Sterben), soweit verzeichnet, unmittelbar aus den Kirchenbüchern entnommen werden können. Über den Bestand der Kirchenbücher der Diözese Eichstätt gibt das 1937 von der Bayerischen Archivverwaltung herausgegebene Pfarrbücherverzeichnis erschöpfend Auskunft, bearbeitet von Dr. Karl Puchner. Dieser schreibt in den Vorbemerkungen: „Was das Alter der Kirchenbücher betrifft, wird das Bistum Eichstätt, obwohl das kleinste bayerische Bistum, weitaus an der Spitze aller bayerischen Bistümer stehen: Haben sich doch hier bei 48 Matrikelstellen insgesamt 59 Kirchenbücher erhalten, die vor dem Jahre 1600 begonnen wurden! Nicht wenige von den älteren Kirchenbüchern bis ungefähr 1620 sind allerdings ursprünglich protestantische Kirchenbücher, vor allem aus den ehemals Neuburgischen und Kurpfälzischen Gebieten. Hierher gehört neben Deining (1559), Holnstein (1562), Pölling (1563), Velburg (1574) u.a., vor allem das älteste Kirchenbuch unseres Bistums in Hilpoltstein, das bereits 1542 beginnt. Für die katholischen Gebiete wurde bekanntlich erst durch einen Beschluss des Tridentiner Konzils vom Jahre 1563 die Matrikelführung verbindlich. Es dauerte allerdings vielfach geraume Zeit, bis der Beschluss in die Tat umgesetzt wurde. Für das Bistum Eichstätt scheint hier eine bischöfliche Verordnung von 1585 besonders wichtig gewesen zu sein, denn um die Zeit von 1585 bis 1590 beginnen auffallend viele Kirchenbücher. Wenn wir annehmen – und dazu haben wir guten Grund – dass alle damals bestehenden Pfarreien um die genannte Zeit Matrikeln anlegten, können wir den Verlust an älteren Kirchenbüchern, die vor allem – teilweise auch durch die Unterbrechung der regelmäßigen Pfarrorganisation – der 30-jährige Krieg verschuldete, erst richtig ermessen. Wie sehr übrigens die Einführung der Kirchenbücher durch die oft enge Nachbarschaft zu protestantischen Gebieten gefördert wurde, zeigt neben der an sich hohen Zahl älterer Kirchenbücher wohl auch die Tatsache, dass wir aus den stets katholisch gebliebenen Gebieten des Herzogtums Bayern und de Hochstifts Eichstätt ebenfalls Kirchenbücher besitzen, die bereits vor dem Tridentiner Konzil angelegt wurden, nämlich von Kipfenberg (1551) und von Lenting (1561)“. Soweit Dr. Karl Puchner. Es beginnen demnach die Kirchenbücher der Stadtpfarrei Velburg noch in der Zeit des im Pfalz - Neuburgischen Gebiet geltenden protestantischen Bekenntnisses im Jahre 1574 mit dem Taufbuche, welches bis zum Jahre 1618 (Wiedereinführung des katholischen Bekenntnisses) über die Taufen Aufschluss gibt. Trauungen sind erst ab 1618, im Band 6 beginnend, aufgezeichnet. Die früheren Trau- und Sterbebücher sind längst verloren gegangen. Sterbefälle erscheinen erst ab dem Jahre 1636. Wahrscheinlich haben die abziehenden protestantischen Geistlichen die Bücher ihrer Zeit gesichert. Es zeigt ja auch das noch vorhandene Taufbuch (1574 bis 1618) deutliche Spuren welche vermuten lassen, dass um dessen Besitz ziemlich handgreiflich gestritten wurde, sind doch zwei gegenüber liegende Seiten mit Erdspuren befleckt uns von einer Seite aus geht ein Messer- oder Dolchstich durch mehrere Blätter. Übrigens weist dieses Taufbuch noch eine Merkwürdigkeit auf. Die Eintragungen der Taufen von unehelich gezeugten Kindern ist erfolgt, indem der Kirchenbuchführer dabei das Buch sozusagen auf den Kopf stellte, die Schrift steht also verkehrt im Buch, so dass der Eintrag gleich auffiel. Man war streng in diesen Zeiten, gleich gar an den Orten, wo kalvinistische Prediger amteten, so im kurpfälzischen Gebiet, wo (wie z.B. in Lengenfeld) öfters in den Traumatrikeln die Braut als im Strohkranz getraut erscheint, auch wenn das erste Kind noch gar nicht geboren war. Wer sich über die nicht immer „gute alte Zeit“ im Bezirk Velburg näher unterrichten will, dem seien die „Oberweilinger Geschichten“ von Prälat Franz X. Buchner bestens empfohlen. Das Büchlein – außen gar nicht ansehnlich – birgt soviel an Wissen um die heimatliche Geschichte, wie selten gefunden. Erschienen ist das Büchlein schon vor Jahrzehnten bei J. M. Boegl, Neumarkt i.d. Opf. Bei dem ersten Taufbuch von Velburg fällt auf, dass die Schrift, insbesondere der ersten Blätter, eine der klarsten und säuberlichsten Schriften darstellt und sie dürfte von Forschern geradezu als eine Augenweide bezeichnet werden. Ihr Urheber wird der protestantische Pfarrer Johann Schnabel gewesen sein, laut der Visitationsprotokolle „ein feiner, gelehrter, fleißiger Mann“. Recht bemerkenswertes kann auch aus den Taufbüchern entnommen werden. Heute nicht recht verständlich war die Gepflogenheit und fast die Regel, den Kindern unbedingt den Vornamen des Paten zu geben, auch wenn ein älteres Kind gleichen Vornamens noch gesund und munter lebte. So kam es, dass unter mehreren Geschwistern zwei, ja sogar mehrere den gleichen Vornamen trugen. Diese Erfahrung hat der Bearbeiter bisher aus Aalten Kirchenbüchern von sieben Pfarreien der Umgebung von Velburg gemacht. Auch anderwärts, wenn auch nicht überall, scheint dieser Brauch im Schwang gewesen zu sein, erst Ende des 18. Jahrhunderts hörte dies auf, aber nicht ganz, denn 1817 sah sich die Obrigkeit veranlasst, ein direktes Verbot auszusprechen. Der Kinderreichtum, bzw. die Geburtenzahl war an sich groß, Ehen mit 12, 15 ja bis zu 23 Kindern waren nicht selten. Dafür aber auch die Kindersterblichkeit erheblich, wie auch das Sterben der Mütter „im Kindbett“. Drillingsgeburten sind in Velburg genannt in den Jahren 1585, 1617 und 1637, diese aber Totgeburten. Heute kaum mehr gebräuchliche, auch sonst in Velburg nicht mehr vorkommende Vornamen sind: Januaris (Namentag 19. September), Febronia (25. Juni), hingegen erscheint der Vorname Primianus (9. Juni) einige Male bei den Familien Röckl und Winter. Bei der Nennung von Taufpaten fällt manchmal auf, dass hochgestellte Personen oder deren Angehörige Patenstelle einnahmen bei den Täuflingen gering geachteter Eltern. Über die Gründe mag man Vermutungen anstellen. Waren es Werke besonderer Nächstenliebe oder Übung in Demut vor dem Schöpfer allen Lebens, wer weiß es? Es war z.B. Taufpate der Herr Johann Joseph Haas, Waldsassener Kastner zu Velburg, bei dem Söhnlein eines herumziehenden Schuhmachers aus Nabburg (im Jahr 1730), desgleichen Herr Rudolph v. Windisch, damals Vicepfleger und Kastner zu Velburg, Pate beim Söhnlein eines Umherziehenden namens Meithinger (im Jahr 1726) und andere mehr. In die für die Velburger Bürgerschaft in Sachen der Religionsausübung recht drangvolle Zeit um 1618 führt uns ein Vermerk im Taufbuch (Band I, S. 270) zurück, wonach der protestantische Pfarrer von Klapfenberg, Johann Zeidler, ab April 1618 für kurze Zeit noch Kinder von Velburger Eltern taufte. Zur Kentnis damaliger Zustände sei wieder auf Prälat F. X. Buchner`s „Oberweilinger Geschichte“, Seite 47, verwiesen. Recht bewegt hört sich ein Taufeintrag vom 14. November 1610 an, welchen Pfarrer Walter Christmann (protestantisch) zu Velburg im Band I, S. 192 eintrug: „Zu früh ein Viertel nach 4 Uhrn hat mein M. Walther Christmanns, Pfarrer und Superintendenten freundliche Liebe Hausfrau einen zwar schönen und vollkommenen, jedoch Todten Sohn auf diese Welt gebracht. Welcher am Donnerstag Geistlichen Gebrauchs nach bei S. Johannes zur Erden bestattet, dem Gott fröhliche Auferstehung verleihen und Uns vor meherem Creutz gnädig und Vätterlich behütten wolle. Amen“. Mit Humor aber ist Folgendes verzeichnet, datiert 28. Februar 1602: „Getauft ist das Kind Härmann des Schneiders Johann Preischel uns seiner Hausfrau Barbara und war Gevatter der Ehrenfeste und vornehme Herr Härmann Brostich (?), Kaufmann zu Nürnberg, welcher damals, als die Gaiß den Härmann, Ut = gleichsam den Bock gestossen, also zu Gevatter gebeten und ist das Kind Härmann genennet worden“. Brostich war also der Pate nach kräftiger Aufforderung dazu. Recht merkwürdig erscheint, dass – nachweislich – recht Jugendliche, sogar Kinder als Taufpaten zugelassen waren. So im Jahre 1593 eine Barbara, Tochter des Hans Leininger, da sie selbst 1581 geboren also erst 12 Jahre alt war. 1617 ein Heinrich, Sohn des Amtsknechts Ladner, war 1603 geboren, also 14 jährig. Sogar ein Mädchen mit 8 Jahren war Taufpatin. Geistliche waren bis in das frühe 19. Jahrhundert hinein Taufpaten, meistens innerhalb der Verwandtschaft. Des Öfteren ist ein schöner Brauch verzeichnet, wonach der Pate dem Taufpriester „eine Verehrung“ durch ein Ehrengeschenk erwies. So im Jahre 1594 Georg Reutter als Pate „welchher mir (dem Pfarrer), weil er niemals ein Kind „gehoben“, einen schönen und „lustigen“ Schreibzeug verehrte“. 1686 gab Michael Hayer als Pate des Kastnersöhnleins Johann Michael Helber, neben den 45 Kreuzern „ein romanisch paar Handschuh“. Der Taufstein in der Stadtpfarrkirche Velburg (in „Kunstdenkmäler Bayerns, Bezirksamt Parsberg“, Seite 222, als aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts bezeichnet) ist im Taufbuch, Band I, Seite 141, datiert 6. Oktober 1601 erwähnt: „Anna Merkel, ist das erste Kind so da in dem neuen Taufstein getaufet worden“. Abschrift: Alfred Kunz, Weiden
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