OTMAR SCHICK Trauerrede 28.11.2015

Nachruf für Otmar Schick
Altbürgermeister und Ehrenbürger von Laupheim
am 28.11.2015 in der Aussegnungshalle
Gehalten von Hans-Jürgen Fischer,
ehemaliger Erster Baugeordneter und Stadtbaumeister a.D.
“Das Bessere ist der Feind des Guten“
„Gegen Adam Riese kommt keiner an.“
„Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause
tragen.“
„Es wird schon recht werden und meistens wird’s recht.“
„Wenn einer einen Traum hat, ist es ein Traum. Wenn viele den
gleichen Traum träumen, kann er wahr werden.“
Nie mehr werden wir diese geflügelten Worte aus dem Mund von Otmar
Schick hören.
Montag, der 23. November war ein denkwürdiger Tag in der
Stadtgeschichte der Stadt Laupheim, aber ganz besonders für alle, die
Otmar Schick herzlich verbunden sind.
Liebe Ingeborg und Familie, liebe Geschwister Schick mit Familien, sehr
geehrte Trauergäste.
Wir nehmen heute Abschied von Otmar Schick, dem langjährigen
Bürgermeister und Ehrenbürger unserer Stadt. Wohl selten wurden
einem Bürgermeister so viel Respekt, Anerkennung, Vertrauen und
Ehrerbietung entgegen gebracht wie ihm. Selten hat jemand mit einer
derartigen Begeisterung, Schaffenskraft, ja ansteckender Euphorie und
gleichzeitig mit einer großen Selbstverständlichkeit, Ehrlichkeit,
Berufsethos und Empathie ein Gemeinwesen geprägt, weiterentwickelt
und im wahrsten Sinne des Wortes verkörpert:
Otmar Schick war Laupheim und Laupheim war Otmar Schick!
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Otmar ist zwar von uns gegangen, aber ganz vieles von ihm bleibt bei
uns.
Das gilt liebe Ingeborg und Angehörige, liebe Familien Schick natürlich
gerade für diejenigen, die ihm besonders nahe gewesen sind. Wir fühlen
mit Ihnen.
Wir verlieren in ihm einen wichtigen Wegbegleiter. Gemeinsam mit ihm
haben viele von uns den phänomenalen Aufschwung der Stadt
Laupheim von einer sehr dörflich geprägten Gemeinde zu einer echten
Stadt mit hervorragender Infrastruktur und hervorragenden Perspektiven
erlebt, die jetzt sogar Große Kreisstadt wird.
Ich persönlich verliere in ihm nicht nur meinen früheren ein- und
mitfühlsamen, toleranten und großzügigen Vorgesetzten, sondern einen
Freund und meinen wichtigsten beruflichen und in all den Jahren auch
privaten Wegbegleiter.
Otmar und ich kennen uns seit 34 Jahren. Kennengelernt habe ich ihn
1981 auf einer Reise der Architektenkammer zur Besichtigung der Städte
New York, Boston, Washington, Philadelphia und Chicago. Ich war
damals beim Baudezernat der Stadt Ulm und in die Organisation dieser
Reise involviert. Mich wunderte bei der Anmeldung, wieso ein
Bürgermeister einer doch relativ kleinen Stadt eine solche
Fortbildungsreise in Sachen Architektur mitmacht – später, als ich ihn
näher kennenlernte, wunderte es mich nicht mehr.
Besonders aufgefallen in dieser Reisegruppe ist Otmar dadurch, dass er
eines Abends ankam und erzählte, er sei bis ins Vorzimmer des
damaligen Bürgermeisters von New York „Ed“ Koch vorgedrungen, er
wollte ihn - ohne ihn zu kennen, quasi von Kollege zu Kollege –
besuchen, aber dieser sei leider nicht da gewesen. Alle starrten Otmar
an wie das 7. Weltwunder an: er hatte es doch tatsächlich geschafft ohne
Anmeldung bis ins Vorzimmer des Bürgermeisters einer Metropole mit
fast 19 Mio. Einwohner zu gelangen und das ohne große englische
Sprachkenntnisse und ohne Besuchervisum.
Das war aber typisch Otmar.
Überrascht war ich schon damals über seine Neugierde und
Aufgeschlossenheit, über seinen regelrechten Wissensdurst: alles in
enger Symbiose: was kann ich in Laupheim davon umsetzen?
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Es ist für mich sehr beklemmend und gefühlsmäßig nicht einsortierbar ,
vielleicht auch nur eine Duplizität der Ereignisse, dass auf den Tag, als
er von uns ging, er mich vor 31 Jahren (1984) gefragt hat, ob ich
Stadtbaumeister in Laupheim werden will.
Ich habe in all den Jahren viel von ihm gelernt und so mischt sich in
meine Trauer auch Dankbarkeit mit ihm gearbeitet zu haben.
Für Otmar war – nach eigenen Angaben – das Amt des Bürgermeisters
der schönste Beruf – mit Ausnahme des Stadtbaumeisters, wie er flugs
zu ergänzen pflegte. Die Architektur war eben sein großes Faible.
Man würde Otmar Schick nicht gerecht werden, würde man seine
Leistungen auf die rein statistisch und empirisch nachvollziehbaren
Daten wie Zuwachs an Einwohnern, Anzahl der Wohnungen oder
Arbeitsplätzen oder Vorhaben der Infrastruktur beschränken. Otmar
Schick war ein ausgesprochen sensibler, feinfühlender und mitfühlender
und christlich handelnder Mensch, der den Gedanken „Stadt ist Stein“
nicht mochte, sondern der Auffassung war, dass der Geist, die
Atmosphäre und das gute menschliche Miteinander den wahren
Charakter einer Stadt ausmachen.
Der Geist, der in Laupheim herrscht, das große ehrenamtliche
Engagement der Vereine und Institutionen, aber auch der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben mit ihren Ursprung in seinem
unermüdlichen Einsatz für die Stadt und der ihm eigenen, manchmal
sogar belächelten Art, wenn er bei einer Veranstaltung mal wieder ganz
dick auftrug, in höchsten Tönen Lob verteilte oder wenn er ständig neue
Attribute in der Preisung seiner Stadt fand, wie Schulstadt, Sportstadt,
Garnisonsstadt, Gartenstadt, Kulturstadt, Stadt der guten
Dienstleistungen und innovativen Unternehmen usw. Man könnte diese
Reihe fast beliebig fortsetzen.
Wenn es sein musste, war er fast rund um die Uhr am Wochenende bei
Veranstaltungen im Einsatz. Darauf oft von mir angesprochen sagte er
nur, ich zitiere: „Diese Menschen opfern ihre Zeit im weitesten Sinn auch
für die Stadt, folglich haben sie auch einen Anspruch, dass der
Bürgermeister zu ihren Veranstaltungen kommt.“
Das Resultat gab ihm Recht: ob Vereine, Feuerwehr, Bundeswehr,
Schulen oder … oder… oder… nie gab es ein NEIN, wenn wir sie
brauchten.
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Abschied nimmt man nicht mit dem letzten Händedruck oder dem „Ade“.
Abschied nimmt man, indem man Begegnungen, Schritt für Schritt in der
Erinnerung zurücklegt.
Die Zusammenarbeit mit Otmar war geprägt von Verlässlichkeit,
Vertrauen, Menschlichkeit und dem Streben, das Beste für die Stadt zu
erreichen. Otmar und ich hatten das Glück – wenn man es überhaupt so
nennen kann - auf der gleichen Wellenlänge zu funken. Die Arbeit war
gewiss nicht immer vergnügungssteuerpflichtig. Er war manchmal nicht
ganz einfach - ich ohnehin auch nicht - aber wir haben uns trotzdem
prächtig verstanden, beruflich wie privat, wir haben uns einfach vertraut,
wir haben uns gemocht.
Und wenn wir unterschiedlicher Meinung waren, wurde das quasi im
stillen Kämmerlein ausgetragen und ging nie nach außen. Nach außen
stand Otmar immer wie ein Kapitän vor seiner Mannschaft, die er gerne
als seine städtische Familie bezeichnete. So war es für ihn
selbstverständlich, dass er sich auch um die privaten Sorgen und Nöte
der Mitarbeiter kümmerte.
Seine Persönlichkeitseigenschaften weisen viele Facetten auf. Sehr
nahe kommen die Worte des französischen Schriftsteller und Piloten
Saint Exupery: „Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht die
Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und
Arbeit zu verteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten,
endlosen Meer.“
Nur mit dieser Charaktereigenschaft, mit der Aufgeschlossenheit für
Neues – mit Ausnahme des Umganges mit dem PC und der Elektronik mit dieser außergewöhnlichen Begabung für Zukunftsplanung, ist zu
erklären, dass eine Stadt der Größe Laupheims ein national
anerkanntes Planetarium hat oder ein landesweit bekanntes Museum zur
Geschichte von Christen und Juden oder ein Kulturhaus mit diesem
unverwechselbaren Flair, um das uns viele beneiden, um nur wenige
Beispiele zu nennen. Laupheim sollte immer besser sein als andere
Städte, sollte was Besonderes sein.
Mit dieser Eigenschaft und dieser ihm eigenen Leidenschaft für solche
Aufgaben zu kämpfen, motivierte er auch seine Mitarbeiter.
Insbesondere die Durchsetzung des Baues des Planetariums war eine
große Zerreißprobe im Gemeinderat, stand doch die Forderung für den
Bau des Bauhofes auf der Agenda als Nr. 1.
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Hier zeigte sich, dass Otmar nicht nur ein Mann des Wortes war,
sondern auch ein Mann der Vernunft, der phantastische Analysen liefern
konnte. Die überwiegende Mehrheit dieser Analysen waren aber so
gestaltet, dass er mit seinen Argumenten fast immer im Vorteil lag und
zum Schluss dann doch alles so gemacht wurde, wie er es von Anfang
an wollte.
Ein weiteres heftig umstrittenes Projekt war das heutige Kulturhaus. Dies
war ein äußerst schwieriges Vorhaben, da unterwegs mehrfach die
Nutzung geändert werden musste bis es die heutige Form erhielt. Er gab
nie auf, den eingeschlagenen Weg zu verlassen, wenn gleich er zur
Erreichung dieses Zieles hasenähnlich mehrere Haken schlug. Für
dieses Projekt ergatterte er sehr hohe Zuschüsse. Wie diese
Bezuschussung zu Stande kam, bleibt lieber unser Geheimnis – ich kann
nur so viel sagen: Otmar durchlief bei den Ministerien ständig das Tal
des Jammerns.
Oder wenn ich an die Aussiedlung der Fa. Kässbohrer, Pistenbully,
denke. Wir lagen in Konkurrenz mit anderen Städten und bekamen
wegen Standortvorteile und beharrlichem Lobpreisen den Zuschlag.
Allerdings mussten wir die Verpflichtung eingehen, innerhalb von 1.5
Jahren die heutige Fläche ebenerdig und voll erschlossen zu
übergeben, allerdings lag zum Zeitpunkt der Entscheidung auf dieser
ganzen Fläche noch Kies mit einer Mächtigkeit von über 10 m.
Otmar sagte nur: „Wir schaffen das“ – ein heute ja sehr geflügeltes
Wort.
Ich glaube selbst der damalige Landrat und heutige
Sparkassenpräsident Peter Schneider, der uns maßgeblich unterstützt
hat, bezweifelte diese Aussage. Otmar entwickelte ein solches Wir Gefühl, dass der Ehrgeiz und das Engagement eines jeden Mitarbeiters,
der mit dieser Ansiedlung beschäftigt war so angestachelt und
angespornt waren, dass freiwillig jegliche Arbeitszeiten über Bord
geworfen wurden. Das war Motivation pur und hinterher wurde auch
gefeiert.
Beim Gemeinderat und den Journalisten hatte er manchmal so seine
Probleme, wenn er zu Projekten oder Vorgängen befragt wurde, die noch
nicht ganz in trockenen Tüchern waren.
Er war kein Ankündigungsbürgermeister.
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Vielmehr packte er seine ganze rhetorische Begabung aus, wenn er über
aus seiner Sicht noch ungelegte Eier berichten sollte, appellierte an die
Damen und Herren des Gemeinderats mit Gewissensfragen und
Feststellungen wie: „Sie können mir vertrauen, habe ich Sie jemals
belogen oder Sie können mich doch nicht hängen lassen.“
Das endete dann bei wesentlichen Beschlusspunkten fast immer in
einstimmigen Beschlüssen, wobei der Gemeinderat immer wusste, dass
Otmar Schick niemals etwas gemacht hätte, was auch nur im Ansatz der
Stadt hätte schaden können. Er wollte unbedingt mindestens bei großen
Vorhaben, aber am liebsten immer, diese Einstimmigkeit, weil es für sein
politisches Verständnis bedeutend war, dass der ganze Gemeinderat
sich mit der dann beschlossenen Angelegenheit identifizieren kann und
wird.
Mit Otmar Schick zum Zuschuss ergattern zum Regierungspräsidium
oder Ministerium zu fahren, war eine Lehrstunde in Schauspielkunst.
Niemand konnte so echt jammern und den regelrecht am Hungertuch
Nagenden spielen wie er.
Der Satz von Max Weber „Politik heißt dicke Bretter bohren“ hieß bei
ihm, dass er nach dem gelungenen Bohren nach Möglichkeit Brett und
Bohrer gleich mitnahm.
Otmar Schick war aber kein Mann von Schnellschüssen – er war
ideenreich, aber die Ideen mussten Hand und Fuß haben, mussten
umsetzbar sein. Er war ein sogen. Teamplayer, wenn gleich das Team
relativ klein war und es fast immer dieselben Mitarbeiter betraf. Erst
wenn ein Projekt von oben bis unten, von hinten bis vorne durchleuchtet
war, dass es regelrecht nichts mehr zu beleuchten gab und wir als seine
Mitarbeiter sagen mussten:“ jetzt ist es genug, es gibt nichts mehr“, dann
ging es los. In dieser Vorgehensweise liegt auch begründet, dass er
dann im Gemeinderat und der Öffentlichkeit auf jede Frage eine Antwort
wusste.
Von Otmar Schick habe ich auch gelernt, wie wichtig Heimat ist.
Für ihn war dies Laupheim. Ich persönlich habe noch nie einen
Menschen kennengelernt, der mit einer so großen Empathie und
Verbundenheit an einer Stadt hängt. Kaum war er im Urlaub - wenn er in
Urlaub ging - rief er schon an, was es Neues gibt. Seine Sekretärin,
Frau Schlumberger, kann ein Lied davon singen.
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Sein Pflichtbewusstsein und seine innere Verbundenheit gingen soweit,
dass er einmal offiziell zum Heimatfest nicht da sein konnte, weil er nach
Frankreich zu einer familiären Hochzeit musste. Schon vorher plagten
ihn heftige Gewissensbisse, die ich ihm mit Vehemenz auszutreiben
versuchte. Er fuhr nach Frankreich. Herrn Braig und mich traf der
Schlag, als er dann doch kurz nach 18 Uhr mit Ingeborg zur
Heimatstunde im Rosengarten erschien. Begründung zu mir: „Das
Heimatfest ist für unsere Stadt so wichtig, da muss der Bürgermeister
einfach da sein“.
Das war einfach Otmar Schick. So war er eben.
Ironie des Schicksals, wir hatten wegen strömenden Regens kurz vorher
die Heimatstunde abgesagt.
Unsere traditionsreiche Stadt ist zwar reich an Persönlichkeiten, die über
die Grenzen der Stadt gewirkt haben. Heute verneigen wir uns in tiefer
Trauer und unendlicher Dankbarkeit vor einem der Größten in dieser
Stadtgeschichte.
Seit Montag ist Otmar Schick leider nur noch ein Teil dieser
Geschichte, aber in unseren Herzen wird er weiterleben.
Laupheim, den 28.November 2015
Hans-Jürgen Fischer
(Erster Beigeordneter und Stadtbaumeister a.D.)
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