Unschön, aber klug

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Hummler
Standpunkte
6. Dezember 2015 | sonntagszeitung.ch
Die andere Sicht von Peter Schneider
Ich mache mir Sorgen
um die Sicherheit
unserer Tornados!
Die Zunge an
der Waage
Nun wird natürlich heftig spekuliert und manipuliert im Hinblick auf die Bundesratswahlen
vom kommenden Mittwochmorgen. Recht so.
Das steigert den Unterhaltungswert unseres eher
wenig aufregenden Landes und verhilft den
Medien vor den Weihnachtstagen noch einmal zu
einem auflagesteigernden Kick. In der Sache ist
die Personenfrage allerdings höchstens zweitrangig. Aeschi, Gobbi oder Parmelin – die meisten
Menschen haben ihre Begabungen, und alle
haben ihre Fehler. Das gilt auch für die Damen
und Herren Berset, Burkhalter, Leuthard, Maurer,
Schneider-Ammann und Sommaruga. Jahrhundertbegabungen wie Ador, Nobs, Obrecht oder
Wahlen sind halt selten; Jahrhundertbegabungen
stellen sich ein, man kann sie nicht suchen. Und
deshalb sollte man es besser sein lassen.
Wichtiger wäre es, dass wir nun unser Haus
institutionell in Ordnung bringen. Es ist gewiss
richtig, wenn ab Mittwoch die zwei stärksten Parteien in unserem Land, die SVP und die SP, mit
angemessenem Gewicht in der Regierung vertreten sind. Aber die Zusammenarbeit in einer Führungsequipe mit dermassen weit auseinanderliegenden Präferenzen kann nur gelingen, wenn ein
paar – offen geäusserte oder auch nur still und
heimlich abgemachte – Spielregeln aufgestellt
und dann im Sinne eines Gentleman’s Agreement
eingehalten werden. Dass
es zu solchen Spielregeln
kommt, dafür können die
«Mitteparteien», nämlich
FDP und CVP, sorgen.
«Zuwahl
und
Wiederwahl
müssen
ihren Preis
haben»
Spielregel Nummer 1
lautet: Wer in der Regierung angemessen vertreten ist, verzichtet fortan
auf das Instrument der
Volksinitiative, sowohl bei
der Lancierung als auch
bei der Unterstützung. Die Volksinitiative ist als
Mittel gedacht, dass sich eine Minderheit (und
nicht eine gewichtige Regierungspartei!) beim
Volk Gehör verschaffen und Regierung und Parlament zu einer Kursänderung zwingen kann. Die
Initiative als parteipolitischer Hebel für Kräfte mit
Regierungsverantwortung kommt einem Missbrauch des direktdemokratischen Instruments
gleich. Die SP und ihre Entourage haben in den
vergangenen Jahren diesen Missbrauch mehrfach begangen (Grundeinkommen, Erbschaftssteuern, 1:12) – der SVP kann man Gleiches
nicht vorwerfen, denn ihr hatte man ja seit dem
Rauswurf Blochers aus dem Bundesrat die Mitverantwortung faktisch entzogen. Die Masseneinwanderungsinitiative war so gesehen legitim,
wäre es aber nicht gewesen, wenn die Bundesversammlung die Kalberei mit der Zuwahl von
Frau Widmer-Schlumpf nicht begangen hätte.
Spielregel Nummer 2: Versteckte Agenden in
der Verwaltung sind zu eliminieren. Die Führung
unseren Landes liegt beim Bundesrat, nicht bei
Chefbeamten. Was diese gerne auch noch
möchten, darf nicht den Gang der Dinge bestimmen, ob es sich nun um das Fernziel eines EUBeitritts und die Übernahme des Euro handle
oder um die Abschaffung der Fettleibigkeit oder
des Privatverkehrs. Versteckte Agenden haben
dem Verhältnis zwischen Bürger und Staat in
den letzten Jahrzehnten enorm geschadet. Der
Bundesrat befindet sich gegenüber seinem Volk
diesbezüglich in der Schuld.
Spielregeln sind wichtiger als die Frage, wer
konkret am Tisch mitspielen wird. FDP und
CVP haben es in der Hand, sowohl nach links
als auch nach rechts die richtigen Signale zu
senden. Spieltheoretisch war die Konstellation
noch selten so ideal, nicht Zünglein, sondern
Zunge an der Waage zu spielen. Zuwahl und
Wiederwahl müssen einen Preis haben!
Konrad Hummler ist Verfasser der «Bergsicht»
und Strategieberater mehrerer Firmen
Keine Angst,
wir betanken die mit
Drei-Wetter-Taft.
Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mit Volker Wieker, dem Generalinspekteur der Bundeswehr
Foto: Keystone
Unschön, aber klug
Der Bundesrat hält am Vorschlag einer Frauenquote fest. Für Karin Kofler der richtige Entscheid.
Denn der politische Druck bringt die Unternehmen auf Trab
Gegen die Frauenquote zu sein, ist
Mainstream. Jeder, der halbwegs
liberal denkt – die Schreibende inklusive –, muss eine gesetzliche
Quote als Eingriff in die unternehmerische Freiheit empfinden. Doch
der Bundesrat schlägt nun genau
das vor. Trotz heftiger Kritik in der
Vernehmlassung zum neuen Aktienrecht hält die Landesregierung
an der Idee fest, eine Frauenquote
von 30 Prozent für Verwaltungsräte und 20 Prozent für Geschäftsleitungen von 250 börsenkotierten
Firmen einzuführen. Es ist absehbar, dass die Quote im nach rechts
gerückten Parlament kaum eine
Chance haben wird, und es ist ein
Leichtes, den Bundesrat wegen sei-
Karin Kofler,
Autorin Wirtschaft
nes politisch unkorrekten Vorschlags zu verspotten.
Doch die Regierung handelt
klug. Sie setzt mit der Vorlage ein
klares Signal, dass ihr die Förderung weiblicher Karrieren am Herzen liegt. So wie sie das schon mit
der Einführung der Quote für Bundesbetriebe getan hat. Durch die
Debatte, die das Traktandum in den
Räten auslösen wird, bleibt das Thema Frauen auf der Agenda, und das
ist dringend nötig. 6 Prozent Frauen sitzen gemäss Schilling-Report
in den Geschäftsleitungen der grossen Schweizer Unternehmen,
15 Prozent sind es auf Verwaltungsratsstufe. Damit sind wir im internationalen Vergleich keine Welt-
meister, auch wenn sich in den VRs
viel getan hat in den letzten Jahren.
Aber mittlerweile steht selbst die
deutlich weniger internationalisierte deutsche Wirtschaft besser da in
Sachen Frauen als die Schweiz. Ein
Vergleich zwischen Unternehmen,
die in den Börsenindizes DAX
(Deutschland) und SMI (Schweiz)
geführt werden, zeigt unser Land
im Hintertreffen. Deutschland führt
auf 2016 auch eine Quote für Aufsichtsräte sowie den Zwang zum
Setzen von eigenen Zielen in Sachen Frauen ein.
Nun kommen dank des Bundesratsvorschlags hoffentlich auch
die Schweizer Unternehmen in die
Gänge.
Tatort.ch
IS-Terror: Symbolwirkung des Strafrechts
Dass die Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der Kantone angesichts des Phänomens der IS-Reisenden und der diffusen Terrorangst – Anschläge können uns alle treffen – mit
Augenmass aktiv sind, ist richtig. Allerdings wäre
es verfehlt, zu glauben, dadurch liesse sich
Sicherheit auch nur ansatzweise gewährleisten.
Anklagen und Verurteilungen sind auch nicht
geeignet, den Menschen Angst zu nehmen.
mitteln ausgerüsteten IS-Terroristen. Nicht zuletzt deshalb sollte das dem technischen Fortschritt angepasste Gesetz zur Überwachung
des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf) umgehend in Kraft gesetzt werden. Es dient ausschliesslich der Strafverfolgung sowie der
internationalen Rechtshilfe und hat, wie von
idealistisch verblendeten Gegnern behauptet
wird, mit «Schnüffelstaat» nichts zu tun.
Strafrecht ist weitestgehend Rückschau auf
bereits Geschehenes. Sein präventiver Aspekt,
die Besserung der Täter sowie das Abhalten
von potenziellen Tätern von Delikten, stösst bei
Terroristen, die allzeit bereit sind, sich auch
selbst aus dem Leben zu sprengen, völlig ins
Leere.
Augenmass wird auch bei der gerichtlichen
Beurteilung von Taten mit terroristischem Hintergrund gefragt sein, dies insbesondere bei
kleinen Rädchen im Terrorgetriebe. Gerade in
Fällen, die Volkszorn und Angst verständlich
und nachvollziehbar erscheinen lassen, ist
Besonnenheit besonders gefragt. Viele spätere
Terroristen wurden erst in (französischen)
Gefängnissen radikalisiert.
Religion darf nicht weiter missbräuchlich als
Angstmacher, Brandbeschleuniger oder Rechtfertigung für machthungrige, verblendete Fanatiker dienen. Vielmehr sind nun Emanzipation
und Integration gefordert – weit bessere Ansätze zur Gewährleistung von Sicherheit der Bevölkerung als Repression. Wir haben uns (auch) in
der Schweiz vor Augen zu halten: «Eines wissen Terroristen genau. Der wirksamste Sprengstoff ist die Angst.» ( Georg Skrypzak, *1946).
Neben der Repression ist die Schweiz auf
allen Ebenen – Bund, Kantone, Gemeinden –
vorab im Bereich der eigentlichen Prävention
Andreas Brunner war Leitender Oberstaatsanwalt des Kantons Zürich. Er schreibt einmal
im Monat über Themen des Strafrechts
Wichtig ist indessen, den Strafverfolgern
zeitgemässe Instrumente zur Bekämpfung
schwer krimineller Taten in die Hände zu
geben. Dies auch im Hinblick auf die weltweit
agierenden, mit modernsten Kommunikations-
gefordert. Es gilt zusammen mit der grossen
Mehrheit der in der Schweiz lebenden Muslime und Musliminnen den Nährboden für
gewaltsame Radikalisierung auszutrocknen.
Das kann vorab an gemeinsamen Anlässen,
in Gesprächen und beim gemeinsamen Nachdenken über Werte von Gesellschaft und
Religionen erfolgen.