„Ein Bett und keine Schüsse“ Das Vinzenzwerk Handorf e. V

„Ein Bett und keine Schüsse“
Das Vinzenzwerk Handorf e. V. arbeitet bereits viele Jahre mit Kindern und Jugendlichen aus anderen Ländern. Die Schwestern Unserer Lieben Frau haben schon immer
Kindern und Jugendlichen aus verschiedenen Ländern Haus und Heimat geboten. Entsprechend unseres christlichen Menschenbildes haben wir uns dem Thema der aktuellen Flüchtlingsproblematik gestellt.
Im Oktober 2015 haben wir ein neues Betreuungsangebot für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge eröffnet.
Durch entsprechende Fortbildungen sind die pädagogischen Mitarbeiter auf die Betreuung und Versorgung dieser Kinder und Jugendlichen vorbereitet.
Für spezielle Hilfsangebote wie Therapie, Beratung zu bestimmten Themen (medizinisch, rechtlich, administrativ) steht uns ein bewährtes Netzwerk von Kooperationspartnern zur Verfügung, das je nach Anforderung erweitert werden kann.
Weitere Unterstützer wie Dolmetscher, Kulturmittler und Sprachlehrer sind bereits vorhanden und werden ständig nach Bedarf ermittelt.
Wir arbeiten an folgenden Themen und Inhalten:
 schulische und/oder berufliche Perspektive entwickeln
 sich mit der deutschen Kultur auseinandersetzen
 die deutsche Sprache erlernen
 entsprechend den Wünschen des Jugendlichen Beheimatung anbieten
 den weiteren Reiseweg vorbereiten
 notwendige therapeutische Begleitung einrichten
 Angebote der örtlichen Vereine (z. B. Sport, Freizeit)
 Unterstützung bei der Familienzusammenführung
 Verselbständigung
Wir suchen weitere Appartements und Wohnungen auch auf dem freien Wohnungsmarkt, was sich in Münster aufgrund der vielen Studenten schwierig erweist.
Entsprechende Schulen mit sogenannten Auffangklassen, berufsorientierende Maßnahmen, Ärzte oder Therapeuten können mit Hilfe des gut ausgebauten Verkehrsnetzes in Münster erreicht werden.
Besonderheiten bedingt durch Kultur, Religion oder regionale Zugehörigkeit versuchen wir zu berücksichtigen, zu unterstützen und zu fördern.
Wir bemühen uns die körperliche, soziale und psychische Entwurzelung zu mildern
und die Jugendlichen aufzufangen.
Kontakte zu den Behörden werden durch uns begleitet
Wir nennen unsere neue Gruppe „Kum rin“, das ist Plattdeutsch und lässt sich mit
„Komm herein“ übersetzen. Damit möchten wir auf unsere Art alle Jugendlichen, unabhängig ihrer Herkunft, willkommen heißen. Wohl wissend, dass Sprache eine große
Hürde darstellt, möchten wir jeder Kultur einen Platz in der Gemeinschaft unserer Einrichtung geben.
Die Umstände der Flucht haben für unsere junge Menschen Erfahrungen gebracht, die
tiefe Spuren in ihrem Erleben und ihrer Wahrnehmung hinterlassen haben. Der erste
Kontakt ist daher vorrangig durch menschliche Begrüßungsriten geprägt.
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Ungewohnte Wohn- und Lebensformen in der Gruppe, die Konfrontation mit aus unserer Sicht selbstverständlichen kulturellen Begebenheiten, der fremden Sprache, unbekannten Essgewohnheiten etc. stellen eine große Hürde für die Jugendlichen dar. Andererseits können der dem Jugendlichen gegenüber gezeigte Respekt und das entgegengebrachte Verständnis eine wichtige Stütze und Vertrauensbasis sein, um sich in
die neue Lebenssituation in einem fremden Land einzufinden.
Für die Unterbringung der Jugendlichen wurde
die ehemalige Wohnung unserer Mitschwestern
umgebaut. Es entstand eine eigene Wohneinheit
mit vier Doppelzimmern, einem Einzelzimmer,
mit Küche und Aufenthaltsraum.
Zunächst gilt es, die Grundbedürfnisse der jungen Menschen zu befriedigen durch Bereitstellung einer ausgewogenen Ernährung, angemessener Bekleidung, von Möglichkeiten der Entspannung, medizinischer Versorgung, eines eingerichteten Wohnraums,
von Kommunikationsmöglichkeiten und sozialer Beziehungen. Grundbedürfnisse lassen
sich schwer allgemeingültig definieren. Insbesondere hinsichtlich der Ernährungsgewohnheiten sind die spezifische Lage der Jugendlichen und gegebenenfalls der
Wunsch, die Herkunftsidentität zu pflegen, zu berücksichtigen.
Wir verfügen über Dolmetscherkapazitäten um Sprachbarrieren in der Betreuung und
Versorgung der Jugendlichen zu überwinden.
Die Jugendlichen sind zwischen 14 und 17 Jahre alt und kommen aus den Ländern Algerien, Syrien, Albanien, Irak, Afghanistan. Der 14-jährige Ali aus Syrien sagt im gebrochenen Deutsch „Ich schlafe in einem Bett und höre keine Schüsse. Das ist gut.“ Sein
Vater hat die Schlepper bezahlt, die ihn aus dem Bürgerkriegsland gebracht haben. Das
Smartphone und das Internet sind für viele dieser jungen Menschen der einzige Weg,
Kontakt zur alten Heimat zu halten.
Wir wissen natürlich nicht, wie sich die Lage weiterentwickeln wird, aber die Jugendlichen wollen möglichst schnell Deutsch lernen und dann eine Arbeit finden, eine Ausbildung oder ein Studium beginnen.
Sr. Mechtild Maria Knüwer
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