Fall 41 (vereinfacht nach BGH NJW 2008, 1157): Der Kronprinz Wilhelm Prinz von Preußen (Erblasser) verstarb am 20.07.1951. Zuvor schloss er mit seinem Sohn Louis Ferdinand Prinz von Preußen (L) einen Erbvertrag, in dem L als Alleinerbe eingesetzt wurde. Zusätzlich ordnete er eine Testamentsvollstreckung zur Verwaltung des Nachlasses an. Diesbezüglich traf er folgende Bestimmung: „Die Verwaltung der Testamentsvollstrecker soll solange bestehen, als es das Gesetz zulässt (BGB § 2210), also mindestens 30 Jahre nach dem Tode des Kronprinzen, mindestens bis zum Tode des Erben und mindestens bis zum Tode der Testamentsvollstrecker oder ihrer Nachfolger.“ Der Kronprinz ernannte mehrere Testamentsvollstrecker und ordnete zusätzlich an: „Sind ein oder mehrere Testamentsvollstrecker fortgefallen, so soll der Präsident des Deutschen Bundesgerichts Ersatztestamentsvollstrecker nennen“. Der Sohn des Kronprinzen L verstarb am 25.09.1994. Die vom Kronprinzen persönlich ernannten Testamentsvollstrecker sind in der Zwischenzeit alle weggefallen. Derzeit amtierende, von dem Präsidenten des Deutschen Bundesgerichts ernannte Testamentsvollstrecker sind seit 2004 der A (Jahrgang 1940) und seit 1975 der B (Jahrgang 1948). Ist die Testamentsvollstreckung noch wirksam? Lösung zu Fall 41: A. Wirksame Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung durch Erbvertrag Der Kronprinz hat die Verwaltung des Nachlasses i.S.d. Dauertestamentsvollstreckung nach § 2209 S. 1 wirksam durch Erbvertrag (§ 2299 Abs. 1) angeordnet. B. Unwirksamkeit der Anordnung nach § 2210 S. 1 – Nach § 2210 S. 1 wird die Anordnung nach § 2209 unwirksam, wenn seit dem Erbfall 30 Jahre verstrichen sind. Das war am 20.07.1981 der Fall. – § 2210 S. 2 bietet dem Erblasser aber die Möglichkeit, das Fortdauern der Testamentsvollstreckung über die 30 Jahre hinaus von bestimmten Ereignissen abhängig zu machen. – Dieser Möglichkeit hat sich der Kronprinz durch die Bestimmung im Erbvertrag bedient, so dass die Testamentsvollstreckung nach § 2210 S. 1 nicht unwirksam ist. C. Unwirksamkeit der Anordnung durch Eintritt des vom Erblasser nach § 2210 S. 2 bestimmten Ereignisses I. Eintritt der vom Erblasser bestimmten Ereignisse? – Fraglich ist, ob die Testamentsvollstreckung endet, weil das vom Erblasser bestimmte Ereignis nach § 2210 S. 2 eingetreten ist. – Der Erbvertrag sieht die Testamentsvollstreckung mindestens bis zum Tode des Erben und mindestens bis zum Tode der Testamentsvollstrecker oder ihrer Nachfolger vor. – Der Erbe des Kronprinzen ist am 25.09.1994 verstorben, die durch den Präsidenten des Deutschen Bundesgerichts eingesetzten Nachfolger der Testamentsvollstrecker (A und B) sind noch am Leben. – Aus dem Erbvertrag lässt sich der eindeutige Wille des Kronprinzen entnehmen (§ 133), dass die Testamentsvollstreckung möglichst lange andauern soll. Die Tes1 tamentsvollstreckung soll danach also erst dann enden, wenn beide Bedingungen erfüllt sind. II. Zulässigkeit der kumulativen Anordnung – Fraglich ist, ob die kumulative Anordnung nach § 2210 S. 2 zulässig ist oder ob die Ereignisse in einem Ausschließlichkeitsverhältnis stehen. – Das in Bezug auf das Substantiv verwendete Wort „eines“ in § 2210 S. 2 kann als Zahlwort verstanden werden, so dass die Konjunktion „oder“ im Sinne eines ausschließenden „Oder“ zu verstehen ist. Der Erblasser könnte dann nur an ein Ereignis anknüpfen. – „Eines“ ist aber vielmehr als unbestimmter Artikel zu verstehen und die Konjunktion im Sinne eines nicht ausschließenden „Oder“. Diese Auslegung des § 2210 S. 2 entspricht der Testierfreiheit des Erblassers. Darüber hinaus ist es dem Erblasser nicht zuzumuten eine Prognose darüber abzugeben, welches Ereignis als letzteres eintritt um hieran das möglichst entfernte Ende der Testamentsvollstreckung anzuknüpfen. – Die Anordnung, bis zu welchem Zeitpunkt die Testamentsvollstreckung erfolgen soll, kann daher nach dem Willen des Erblassers sowohl alternativ als auch kumulativ erfolgen. – Der Kronprinz hatte eine kumulative Anordnung getroffen, so dass die Testamentsvollstreckung nicht allein durch den Tod des L am 25.09.1994 endete. D. Unbeschränkte Dauertestamentsvollstreckung – Fraglich ist, ob die Dauertestamentsvollstreckung überhaupt einer zeitlichen Bindung unterliegt. – Aus der isolierten Betrachtung des § 2210 S. 2 i.V.m. den §§ 2198 Abs. 1 S. 1, 2200 Abs. 1, wonach ein Dritter oder das Nachlassgericht ermächtigt werden kann, einen Testamentsvollstrecker zu ernennen, bzw. der Testamentsvollstrecker ermächtigt werden kann, einen Nachfolger zu ernennen (§ 2199 Abs. 2), könnte sich ergeben, dass die Dauertestamentsvollstreckung keiner zeitlichen Bindung unterliegt. – Durch die Möglichkeit der stetigen Neuernennung der Testamentsvollstrecker würde dann das Ereignis „Tod des Testamentsvollstreckers“ nicht eintreten. – In diesem Fall liefe die zeitliche Beschränkung der Testamentsvollstreckung ins Leere, da durch mögliche Endlosschleife der Dauerneuernennung das Ereignis nie eintreten könnte. – Die Möglichkeit einer zeitlich unbeschränkten Testamentsvollstreckung steht im Widerspruch zu dem in § 2210 enthaltenen Zweck gerade der zeitlichen Begrenzung der Verwaltungsvollstreckung. Der Nachlass soll nicht „für immer“ der Verfügung der Erben entzogen sein. Eine Bindung des Nachlassvermögens lässt sich auch durch die Gründung einer Stiftung erreichen, bei der bestimmte landesrechtliche Vorschriften zu beachten sind, die hierdurch umgangen würden. – Die Gestaltungsmöglichkeit des Erblassers nach § 2210 S. 2 steht also in einem Spannungsverhältnis zu einer unzulässigen zeitlich unbeschränkten Testamentsvollstreckung. 2 D. Zeitliche Begrenzung der Dauertestamentsvollstreckung Fraglich ist die Grenze der vom Erblasser erwünschten Ausdehnung der Testamentsvollstreckung unter Berücksichtigung seiner Gestaltungsfreiheit. I. Generationentheorie Nach der Generationentheorie soll in Anlehnung an § 2109 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 (Nacherbschaft) und § 2163 Abs. 1 Nr. 1 (Vermächtnis) maßgeblich sein, ob der (Ersatz-) Testamentsvollstrecker zur Zeit des Erbfalls bereits gelebt hat. Ist dies der Fall, so könne sich die Testamentsvollstreckung über 30 Jahre hinaus bis zu dessen Tod erstrecken. Hatte er noch nicht gelebt, so ende die Testamentsvollstreckung mit Ablauf von 30 Jahren nach dem Erbfall oder mit dem Tod des (Nach-)Erben. II. Kombinationstheorie Dieser Ansicht nach müsse der (Ersatz-)Testamentsvollstrecker entweder im Zeitpunkt des Erbfalls bereits gelebt haben oder binnen 30 Jahre nach dem Erbfall zum Testamentsvollstrecker ernannt worden sein um die Fortdauer der Testamentsvollstreckung über die 30 Jahre hinaus zu bewirken. III. Primat(ersatz)theorie Aus dem Wortlaut „bis zum Tode … des Testamentsvollstreckers“ in § 2210 S. 2 ergebe sich, dass die Testamentsvollstreckung über die 30 Jahre hinaus nur bis zum Tod des ersten Testamentsvollstreckers (bzw. vom Erblasser selbst namentlich bestimmten Ersatztestamentsvollstrecker) möglich sei. IV. Amtstheorie – Der BGH hat sich in dem genannten Urteil der weitergehenden Amtstheorie angeschlossen. Danach muss der Testamentsvollstrecker vor Ablauf von 30 Jahren seit dem Erbfall ernannt sein, damit die Testamentsvollstreckung bis zu seinem Tode fortwirken kann (ausführliche Auseinandersetzung mit den Theorien vgl. BGH NJW 2008, 1157, 1158 ff). – Problematisch an diesem Urteil ist, dass die Ernennung und der Amtsantritt (§ 2202) zeitlich auseinanderfallen können. Die Ernennung des (Ersatz-) Testamentsvollstreckers setzt nicht voraus, dass dieser bereits geboren war. Ausreichend ist allein, dass der Vollstrecker zum Zeitpunkt der Amtsannahme geschäftsfähig ist (§ 2201 BGB) und nach der Amtstheorie innerhalb von 30 Jahren nach dem Erbfall ernannt wurde. Das hat zwar eine zeitliche Begrenzung der Testamentsvollstreckung zur Folge, diese orientiert sich aber nicht daran, die Überschreitung der Frist von 30 Jahren auf das Nötigste zu begrenzen. Ausführlich hierzu Zimmer NJW 2008, 1125, 1127. 3 E. Übermaßverbot Nach Ansicht des BGH liegt kein Verstoß gegen das Übermaßverbot vor. Die Anordnung zeitlicher Ausdehnung der Vollstreckung führe nicht zur Entziehung einer von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition. Es bestehe keine Anwartschaft darauf, ohne eine solche Beschränkung Erbe zu werden, zumal § 2306 dem Erben die Mindestteilhabe am Nachlass als Pflichtteilsberechtigter sichere (vgl. BGH NJW 2008, 1157, 1160). Anmerkung: Dem A steht, obwohl er erst nach Ablauf der 30-Jahre-Frist ernannt wurde, gleichwohl die Verwaltungsbefugnis nach § 2205 zu, da der Erbvertrag ausdrücklich ein Gremium an Testamentsvollstreckern fordert. Nach seinem Ausscheiden kann auch ein neuer Ersatztestamentsvollstrecker ernannt werden. Auch ihm steht dann gemeinschaftlich mit B die Verwaltungsbefugnis nach § 2205 zu. Die Dauertestamentsvollstreckung endet mit dem Ausscheiden des B (vgl. KG ZEV 2008, 528, 529 f – es geht erneut um die Hohenzollern). 4
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