Der einsame Hausmann vom Dorf

ZO/AvU
Freitag, 24. Juli 2015
Bezirk Hinwil l 3
Der einsame Hausmann vom Dorf
H
ausmann Marc Bach­
mann hat ein Ritual. Er
verlässt an vielen Wo­
chentagen morgens bei jedem
Wetter mit seiner zweieinhalb­
jährigen Tochter Rina die Bärets­
wiler Blockwohnung und macht
seine Tour. Zuerst gehts zum Hof
Oberdorf, einem biologisch-dy­
namisch geführten Bauernhof
mit Wohn- und Arbeitsplätzen
für behinderte Menschen. Rina
besucht das fette Schwein Paula,
wirft den Kühen Gras hin und
streichelt die Pferde. «Girmai,
ein dunkelfarbiger Bewohner, ist
fast immer da und grüsst uns
mit erhobenem Daumen», er­
zählt Vater Bachmann. Rina
zwitschert dann vor sich hin:
«Girmai, Girmai, Girmai.»
und halte sich bezüglich der
dörflichen Kinderangebote wie
gemeinsames Turnen oder
Schwimmen zurück. «Ich versu­
che mit anderen Eltern auch
über Themen zu reden, die nicht
explizit mit den lieben Kleinen
zu tun haben. Das kommt meist
schlecht an.» Punkte könne er
nur sammeln, wenn er beispiels­
weise damit auftrumpfe, dass
seine Tochter bereits windelfrei
sei. «Ich finde das lächerlich,
denn primär sollte es darum ge­
hen, ob das Kind glücklich ist,
und nicht darum, was es schon
alles kann.» Auch alle seine Vor­
stösse, beispielsweise einen ge­
meinsamen Mittagstisch einzu­
richten, seien samt und sonders
gescheitert. «Ich dringe damit
einfach nicht durch», stellt der
Hausmann fest. «Obwohl es das
Alltagsleben aller erleichtern
würde.»
Persönlich
Marc Bachmann
fühlt sich als Hausmann in Bäretswil als Exot. Spielplatzbegegnungen mit Müttern sind meist
unergiebig – auch weil er nicht
nur über Windeln reden will.
Weiter gehen die beiden durch
die untere Gasse, an den Geissen
vorbei, den Aabach entlang, kurz
zum Einkauf beim Beck, zum
Spielplatz beim Schulhaus und
wieder nach Hause. Rina hüpft
fröhlich umher, lässt sich immer
wieder tragen, klagt über ein
Steinchen in ihrer Sandale oder
staunt einen Baum an.
Es sind meist einsame Spazier­
gänge, denn das Dorfleben tickt
nicht nach den Bedürfnissen von
Hausmännern und ihren Töch­
tern. «Seit einem Jahr geht nun
meine Frau hauptamtlich ihrem
Beruf als Hebamme nach, und
ich bleibe zu Hause», sagt Bach­
mann. «Es ist sehr schwierig, im
Dorf mit Leuten in Kontakt zu
kommen – vor allem auch als
Mann, der seine Tochter Vollzeit
betreut.» Treffe er auf einem der
Dorfspielplätze auf Mütter mit
Kindern im selben Alter wie
Rina, werde zwar halbherzig
­gegrüsst, es sei aber schon vor­
gekommen, dass er eine Viertel­
stunde später allein vor Ort war.
«Oder ich beteilige mich an
einem laufenden Gespräch, zum
Beispiel über gesunde Ernäh­
rung», erzählt der Hausmann.
«Um die Stimmung aufzulo­
ckern, mache ich einen ironi­
schen Spruch wie: ‹Ich kaufe al­
les bei Bofrost.›» Darauf würden
die Mütter kurz einhalten, ihn
dann ignorieren und unterein­
Verwaltungsrat
für Mojuga
Im Wydum kann gebaut werden
REGION Die Mojuga AG hat
mit Aaron Steinmann erstmals
einen externen Verwaltungsrat
gewählt, der nicht im operativen
Geschäft aktiv ist. Dies schreibt
die Mojuga in einer Mitteilung.
Das vierköpfige Verwaltungs­
ratsgremium ist für die strate­
gische Ausrichtung des in den
Gemeinden Wetzikon, Pfäffikon,
Bubikon, Grüningen, Bäretswil,
Mönchaltorf, Dürnten, Hom­
brechtikon und Eschenbach SG
tätigen Dienstleisters im Bereich
der Kinder- und Jugendförde­
rung zuständig.
Der 40-jährige Winterthurer
ist ursprünglich Sozialarbeiter
und hat auf kirchlicher Anbieter­
seite die offene Jugendarbeit der
Stadt Winterthur aktiv und ent­
scheidend mitgeprägt. Ausser­
dem hat er Erfahrung in der
Schulsozialarbeit, war bei einer
Zürcher Fachstelle für Lehrlings­
unterstützung tätig und amtet
momentan als Gesamtleiter bei
einer Institution der Stiftung
Zürcher Kinder- und Jugendhei­
me. Sobald Steinmann die Moju­
ga besser kennengelernt habe,
wolle er seine Berufserfahrung
strategisch einbringen, heisst es
weiter. zo
WETZIKON Lange Zeit lag im Wydum ein Stück Bauland
brach. Dank einem Gestaltungsplan steht einem Bauprojekt
nun nichts mehr im Weg. Dies hat Konsequenzen für die
Wydum-Garage, deren Mietvertrag in einem Jahr ausläuft.
Allein mit seiner Tochter unterwegs: Hausmann Marc Bachmann sucht erfolglos Kontakt im Dorf.
Es ist eine Wohnlage, wie sie
sich Investoren wünschen: keine
fünf Gehminuten vom Wetziker
Stadtzentrum entfernt, gute Ver­
kehrsanbindung in alle Richtun­
gen, ein Naherholungsgebiet vor
der Haustür. All dies trifft auf
das Landstück zwischen Wyd­
um- und Weststrasse zu. Doch
bisher hatte die Liegenschaft
einen Schönheitsfehler: Für das
Gebiet galten strenge Auflagen.
Nach zahlreichen komplexen
Verfahren verlangten Stadt und
Kanton einen privaten Gestal­
tungsplan für das Grundstück.
Schutz gegen Umfahrung
Nun sind die Inhaber der Lie­
genschaft, eine Erbengemein­
schaft, dieser Auflage nachge­
kommen. Nach dem Wetziker
Stadtrat hat auch die kantonale
Baudirektion zugestimmt. Es
wurden dagegen keine Rechts­
mittel ergriffen, der Gestal­
tungsplan ist rechtskräftig.
Beim Gestaltungsplan ging es
dem Kanton darum, sicherzu­
ander weiterreden. Er habe so­
gar schon einmal eine Mutter ge­
troffen, die sagte, es sei schon
­etwas einsam hier im Dorf, fährt
Bachmann fort. «Anstatt dem
mit gemeinsamen Aktivitäten
abzuhelfen, hat sie sich verab­
stellen, dass der Lärmschutz ge­
währleistet ist. Die Massnahmen
sollten allerdings nicht auf die
heutigen Lärmemissionen aus­
gerichtet sein, sondern auch für
den Fall genügen, dass die West­
strasse zur Westumfahrung um
das Wetziker Zentrum ausgebaut
würde (wir berichteten). Dies
­ungeachtet des Umstands, dass
nach wie vor fraglich ist, ob die
Umfahrung je gebaut wird.
Die Wetziker Architekturfir­
ma Konzeptwerk nahm sich der
Aufgabe im Auftrag der Erbenge­
meinschaft an und hat sie gelöst.
Mit der Inkraftsetzung des Ge­
staltungsplans Mitte Juli steht
einem Bauprojekt nichts mehr
im Weg. Die Erbengemeinschaft
wird den Bau allerdings nicht
selbst in Angriff nehmen. Sie
sucht einen Käufer, wie Christi­
na Trösch von der Erbengemein­
schaft auf Anfrage bestätigt.
Gut 2,2 Millionen wert
Es handelt sich um rund 3000
Quadratmeter Bauland. Laut
schiedet.» Nach einem Jahr ortet
Vater Bachmann auch das Auto
als Grund für das Manko an
öffentlichem Familienleben im
­
Dorf. «Viele Mamis verlassen ihr
Heim nur mit dem Auto, gehen
kurz einkaufen und ziehen sich
dem Statistischen Amt des
­Kantons Zürich lag der Durch­
schnittsquadratmeterpreis in
Wetzikon bei 740 Franken. Da­
bei handelt es sich um einen
Durchschnittspreis. Somit dürf­
te der Wert der Liegenschaft
«Die Situation
ist für uns eine
Herausforderung.»
Itka Rogg, Autogarage Wydum
über 2,2 Millionen Franken lie­
gen. Laut der Firma Konzept­
werk können auf dem Land zirka
24 Wohnungen erstellt werden.
Die Verwandlung des Land­
stücks in Bauland setzt den heu­
tigen Mieter in Zugzwang. Die
Seraina Boner
wieder in ihre eigenen vier
­Wände zurück.»
Klar mache er, der hier aufge­
wachsen ist und nie woanders
lebte, nicht in einem Verein mit,
sei in keiner Freikirche Mitglied
Autogarage Wydum hat einen
Mietvertrag, der bis Ende Au­
gust 2016 läuft. Die Situation sei
sicher eine Herausforderung,
sagt Mitinhaberin Itka Rogg.
Man habe vor, bei dem Verkauf
mitzubieten – möglicherweise
mit einem Partner.
«Sollten wir den Zuschlag nicht
erhalten, werden wir mit den
neuen Besitzern das Gespräch su­
chen», sagt Rogg. Mit dem Ziel,
dass die Garage in das Projekt in­
tegriert würde, unter Umständen
in abgespeckter Form. «Schliess­
lich sind wir ein langjähriger
Gewerbebetrieb auf dem Platz
­
Wetzikon und bilden seit Jahren
Lehrlinge aus.» Rogg betont:
«Wir sind für alles offen.»
Mit dem Gedanken, die Gara­
ge an einen anderen Ort zu zü­
geln, hätten sie sich «sehr wohl
ebenfalls befasst» und allfällige
Möglichkeiten bereits parallel
aufgegleist. Es ist zwar bekannt,
dass es in Wetzikon nicht eben
viel freie Gewerbefläche hat.
«Aber es gäbe schon Alterna­
tiven. Doch es liegt ja auf der
Hand, dass wir, wenn irgendwie möglich, eine Lösung an der
Heimatadresse anstreben.»
Michael von Ledebur
«Ich wurde Hausmann, weil
meine Frau ihren Beruf lieber
hat als ich meinen», erklärt
Bachmann, der noch rund einen
Tag pro Woche als selbständiger
IT-Berater arbeitet. Er sieht in
vielen Reaktionen auf sein Haus­
mann-Dasein eine subtile Kritik
– auch von Kollegen, die fast alle
zu 100 Prozent arbeiten und da­
mit dem klassischen Familien­
modell folgen. «Viele sagen
schnell, dass sie sich das finan­
ziell nicht leisten könnten, auch
weil die Frauen mit ihrem KVAbschluss nie und nimmer
das Familienbudget bestreiten
könnten.» Frauen meinten, dass
sie schon lieber «für ihr Kind da
sein wollten».
Bachmann irritieren solche
Aussagen, da sie sich nicht mit
einer neuen Rolle, wie er sie
­einnimmt, auseinandersetzen,
sondern sich nur an den alther­
gebrachten Strukturen orien­
tieren. «Ein Opfer bin ich des­
halb aber nicht», stellt er klar.
«Ich gehe einfach einen anderen
Weg, weil es mir sehr wichtig
ist, dass ich wirklich dabei
bin, wenn meine Tochter auf­
wächst.»
So drehen Vater und Tochter
weiter ihre einsamen Kreise in
Bäretswil und erfreuen sich an
der Natur und den Tieren.
Andreas Leisi
Spaziergang
zu den Blüten
GRÜNINGEN Im Botanischen
Garten Grüningen findet am
Sonntag, 2. August, um 11 Uhr die
fünfte von sieben Sonntagsfüh­
rungen statt. Der kostenlose
Rundgang durch den Garten
steht unter dem Motto «Blüten –
schön und schmackhaft» und
richtet sich an ein Publikum ohne
spezielle Fachkenntnisse. Er dau­
ert rund eine Stunde. Treffpunkt
ist am Eingang des Gartens. Die
Führungen finden bei jeder Wit­
terung statt. zo
In Kürze
WETZIKON
Irish-Americana-FolkRock in der Kulti
Am Montag, 27. Juli, spielt die iri­
sche Band Rackhouse Pilfer im
Innenhof der Kulturfabrik Wet­
zikon mitreissenden Irish-Ame­
ricana-Folk-Rock. Die Band aus
Sligo gehört in ihrer Heimat be­
reits zu den ganz Grossen. Bar ab
19 Uhr, Konzert ab 20.30 Uhr. zo