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Quelle: MSimage/Michael H. Schmitt
Gemeinsam statt einsam
12. Februar 2016
Das Ruwer-Örtchen Kasel beherbergt die kleinste Winzergenossenschaft Deutschlands.
Die Mitglieder der Manufaktur sind mächtig stolz auf ihren Riesling und das System
„Solidarität“.
Seit 1934 existiert die Genossenschaft als Zusammenschluss einiger Landwirte, die damals bloß
die Vermarktung ihres Produktes Rebenmost vereinheitlichen wollten. Heute können sich die
wenigen Mitglieder über die mehr als ordentliche Rendite ihrer Arbeit freuen. Die Stimmung im
Verein ist ebenso gut wie die Produkte, die die Winzer im Nebenerwerb herstellen. „Heuer, im
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dritten Jahr in Folge, erwirtschaften wir, das heißt unsere Genossenschaft, so viel mehr, dass
nicht nur unsere Mitglieder vernünftig entlohnt werden können, sondern auch noch Rücklagen
gebildet werden, um weiter in die Zukunft zu investieren und uns weiterhin unabhängiger machen
zu können“, sagt der Vorsitzende der rheinland-pfälzischen Weinmanufaktur Kasel, Gerhard
Biewer.
Der 2015er-Jahrgang ist von besonders hoher Qualität
Josef Scholtes, Kellermeister der Kooperative, fügt nicht ohne Stolz an: „2015 war mal wieder so
ein Jahr, das nicht einschätzbar war. Sehr früh setzte die Rebblüte ein, über Monate fehlte
genügend Niederschlag, und wie überall konnten auch die Nebenerwerbswinzer im Ruwertal nicht
absehen, wie gesund die Trauben bleiben und wie hoch letztlich der Gesamtertrag ausfallen würde.
Aber die Geduld hat sich ausgezahlt. Mit dem Jahrgang 2015 haben wir einen absoluten
Spitzenjahrgang von vorzüglicher Qualität geerntet, dessen Menge zum Vergleich der Vorjahre
auch nicht viel geringer ausfiel.“
Als die Genossenschaft im September
1934 gegründet wurde, war die
wirtschaftliche Not im gesamten
Ruwertal groß. Es existierten fast
ausschließlich
bäuerliche
Mischbetriebe. Ein, zwei Kühe,
vielleicht noch eine Ziege, ein paar
Schafe und ein Ackergaul – damit war
der Bestand an Tieren im besten Fall
gedeckt. In den flachen Niederungen in Ruwernähe bauten die Bauern noch ein wenig Frucht wie
Weizen, Mais, Gemüse und Obst an. Wer kleine Flächen in Schiefer-Steillage besaß, nutzte
diese als Weinberg. Damals verkaufte man die Trauben – meist aber den Most – an große
Kellereien an der Mosel. Heute kann man es sich kaum vorstellen, wie die Arbeit der
Nebenerwerbswinzer entlohnt wurde: zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig. Die Idee der
Genossenschaft rettete diejenigen, die es sich nicht leisten konnten, ihre kleine Weinanbaufläche
zu veräußern. Denn waren die Erträge auch noch so gering – darauf angewiesen war die
Landbevölkerung allemal.
Die Geschäftsidee, gemeinsam zu ernten und zu vermarkten, kam damals bei 13 Winzern im
Ruwertal gut an. Ehrenamtliches Engagement und Weinbau auf 3,4 Hektar im Nebenerwerb ist bis
heute geblieben. 15 Winzer bessern so ihr Jahreseinkommen mehr als 80 Jahre später um einiges
auf. Und die Basis – „Gemeinsamkeit und Solidarität“, nicht Gewinnstreben zum Selbstzweck –
motiviert auch weiterhin, gute Weine zu keltern. Allerdings ist auch der wirtschaftliche Anreiz
keineswegs zu leugnen, zahlte die Genossenschaft ihren Mitgliedern doch 2015 mehr als den
dreifachen Literpreis im Vergleich zu den Fassweinpreisen, die Kellereien unter Absprachen in
einer ganzen Reihe von Weinbauregionen festlegen. „Eine angemessene Entlohnung ist auch
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unbedingt notwendig, um weiterhin Anreiz zu geben“, sagt Gerhard Biewer. „Die Handlese in den
steilen Hängen des Ruwertales ist Knochenarbeit.“ Bei aller Vorfreude auf diese Arbeit im
Weinberg genössen die Winzer hinterher durchaus „die Ruhe des nahenden Winters“.
Etwa 25.000 Flaschen pro Jahr
An der Ruwer wird auf kargen, fast 400 Millionen Jahre alten Devon-Schieferböden traditionsgemäß
Riesling angebaut. Die Lagen Kaseler Kehrnagel, Kaseler Hitzlay und Kaseler Nies´chen sind
meist nach Süden ausgerichtet und gehören zu den besten im Ruwertal. Die Wurzeln der Reben
drängen oft mehr als zehn Meter tief ins Erdreich und sprengen sprichwörtlich das Gestein, um an
ausreichend Nährstoffe zu gelangen. Nicht nur in besonders guten Jahren wie 2015 sind dies beste
Voraussetzungen, um schlanke, filigrane und mineralische Rieslinge mit moderatem, also
geringem Alkoholgehalt zu erzeugen.
Schon lange sind die Steillagen entlang
des
Flüsschens
Ruwer
Weinkulturlandschaft. Vor den Römern
waren bereits die Kelten mit den
Methoden der Weinherstellung vertraut.
Sie bedienten sich vorrangig der Rebe
des Echten Wilden Weins („Vitis
vinifera sylvestris“) und kelterten daraus
einen Wein, den sie unverdünnt tranken
– anders als die Römer, die später die
Region
bevölkerten.
Römischen
Legionären, die die Regionen nördlich
der Alpen eroberten, war vertraglich
zugesichert, täglich einen Liter Wein zu
erhalten. Zum einen schmeckte ein
solches Getränk besser und war bekömmlicher als das meist stark verunreinigte Trinkwasser jener
Tage, das allerlei Magen-Darm-Erkrankungen mit sich brachte. Zum anderen steigerte der „kleine
Rausch“ den Kampfeswillen und die Eroberungslust.
Um hunderttausende Eroberer mit dem damaligen Wein zu versorgen, was logistisch einfach
unmöglich war, wurden die besten Gebiete ausgesucht, um Reben zu pflanzen. Dazu gehörten
unter anderem die Steillagen an Mosel, Saar und Ruwer. Das Römische Reich ist längst
vergangen. Geblieben sind allerdings 200 Hektar Rebfläche, die heute zu mehr als 90 Prozent mit
Riesling bepflanzt sind. Mancher Winzer bessert sein Portfolio mit kleinen Mengen Chardonnay,
Weißem Burgunder oder einigen Rotweinsorten auf. Das Gros der Weinbauern allerdings besinnt
sich auf die Tradition des Rieslings, ganz in der Verantwortung einer Verfügung des Trierer
Kurfürsten Clemens Wenzeslaus von 1787. Der verfügte, in seinem Herrschaftsbereich alle
schlechten Rebstöcke herauszureißen und die besseren Riesling-Reben zu pflanzen.
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Die Weinmanufaktur Kasel befindet sich heute noch in
dem Gebäudeensemble, das 1938, vier Jahre nach
Gründung der Genossenschaft, in der Kaseler
Schulstraße gekauft wurde. Bis dahin hatte sich die
Mitgliedschaft auf 32 Familien, einige aus den
Nachbardörfern Mertesdorf und Waldrach, erweitert. Die
Wirtschaftsgebäude
und
der
darunterliegende
Gewölbekeller dienen heute als
Kelterhalle mit
Weintankkeller, Verkaufsraum und einer Probierstube.
Aus logistischen Erwägungen wird der Gewölbekeller nur
noch als Flaschen- und Gerätelager genutzt. Viel mehr
Platz braucht die Winzergenossenschaft auch nicht, denn
üblicherweise konzentriert sich der Weinausbau aus einer
ertragsreduzierten Handweinlese auf etwa 25.000
Flaschen pro Jahr.
Nachdem man jahrzehntelang Fasswein für Weinkellereien
produziert hatte, füllten die Mitglieder Anfang der 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts
zunächst versuchsweise Flaschenweine ab und verkauften diese entweder en gros oder einzeln an
Privatkunden. In den 1970ern setzte man auf strukturelle Neuerungen und füllte nur noch in
Flaschen. Erst schleppend, dann aber stetig wuchs ein Stamm treuer Kunden heran.
„Früher kamen die besseren Herrschaften mit einem Wagen, der einen etwas größeren Kofferraum
hatte, und deckten sich oftmals für ein halbes oder gar ein ganzes Jahr mit Wein ein. Viele hätten
sich damals schon die teuren Weine der alten Ruwerweingüter leisten können, aber offensichtlich
schmeckte den Herren der weniger teure Wein genauso gut“, berichtet Josef Scholtes mit einem
Augenzwinkern.
Preise zwischen
fünf und acht Euro
Kommt die Rede auf eine Erweiterung der
Mitgliedschaft
oder
gar
der
Wirtschaftsfläche, wiegeln die beiden
Vorsitzenden ab. „Natürlich können wir hier
noch den Ertrag von zusätzlich einem
halben bis einen Hektar verkraften, aber
dann wiederum müssen wir die Mengen
auch umschlagen können“, sagt Gerhard
Biewer. „Käme mal ein sogenannter
Großkunde, der auf einmal 3.000 bis 4.000
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Flaschen abnimmt, wäre eine Zunahme zu
überlegen. Fällt der aber wieder weg, bleibt
die
Manufaktur
darauf
sitzen
beziehungsweise hätten die Mitglieder
geringere Einnahmen zu erwarten, oder man müsste sich um Ersatz kümmern, was mit
immensem Aufwand verbunden wäre. „Aber genau das wollen wir als Genossenschaft ja nicht.“ Ziel
sei nicht die Expansion, sondern zufriedene Mitglieder und zufriedene Kunden.
„Seit zwei Jahren haben wir uns neu sortiert“, sagt Biewer weiter. „Wir bieten Weine aus
verschiedenen Linien. Wir keltern sortenreine, unkomplizierte Alltagsweine. Diese Gutsweine sind
nach dreien unserer Mitglieder benannt.“ Er meint zum einen Leo’s, trocken ausgebaut mit
maximal acht Gramm Restzucker pro Liter (g/l) Wein; dann Jupp’s, einen „harmonischen
Klassiker“ mit etwa 14 g/l und drittens einen feinherben Wein namens Anne’s, ein spritziges
Riesling-Hochgewächs mit etwa 26 g/l. „Unsere fruchtsüßen Weine mit etwa 40 bis 50 g/l
Restzucker kommen aus den Kaseler Lagen Nies’chen und Hitzlay“, merkt Biewer an. „Als
einzigen weißen Ausreißer führen wir einen Weißburgunder trocken und im Rotbereich Leo’s
Rotwein trocken.“
Die Weinpreise der Genossenschaft bewegen sich zwischen moderaten fünf und acht Euro. Im
renovierten Gebäude zur Straße hin wurden jüngst wieder eine Vinothek und das Weinlokal
Weinzeit eröffnet. Das liebevoll gestaltete Innere lädt ein, die Weine der Manufaktur zu verkosten
und dabei eine vernünftige Brotzeit oder gar einen der vielen Flammkuchen zu verzehren.
Michael H. Schmitt
INFO:
Weinmanufaktur Kasel eG
Schulstraße 1
54317 Kasel
Telefon 0651-53512, Gerhard Biewer, 1. Vorsitzender
Telefon 06500-917722, Josef Scholtes, 2. Vorsitzender
[email protected]
www.weinmanufaktur-kasel.de
www.weinzeit-kasel.de
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