Zahl der Flüchtlinge steigt rasant

Die Zahl der Flüchtlinge im Landkreis hat sich seit Jahresbeginn mehr als verdoppelt. Doch hinter der Statistik stecken Menschen.
Foto: dpa
Zahl der Flüchtlinge steigt rasant
SOZIALES Die Flüchtlinge
stellen auch den Landkreis
Schwandorf vor Herausforderungen. Ihre Zahl hat sich
seit Jahresanfang mehr als
verdoppelt.
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VON HUBERT HEINZL
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SCHWANDORF. Zahlen sind nur die halbe Wahrheit. Hinter Zahlen verschwinden die einzelnen Menschen
mit ihrem Schicksal, ihren Hoffnungen und Wünschen, ihren Glaubensvorstellungen oder Erwartungen.
Trotzdem soll im folgenden in erster
Linie von Zahlen die Rede sein. Denn,
einmal unabhängig von den unterschiedlichen Biografien, können sie
doch die Dimension des Themas verdeutlichen – oder zurechtrücken.
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Hans Prechtl, Pressesprecher am Landratsamt
Schwandorf
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ZUSÄTZLICHE KOSTEN
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➤ Bund und Länder: Flüchtlingen ein
Dach über dem Kopf und möglichst
auch noch eine Perspektive zu bieten,
kostet Geld. Den Löwenanteil tragen
Bund und Länder – vor allem für Unterbringung, Sach- und Geldleistungen
und Personal wie zusätzliche Lehrer,
Polizisten oder Verwaltungsrichter.
➤ Kommunen: Auch die Kommunen
sind gefordert. Der Landkreis Schwandorf etwa muss künftig zusätzliche Personalkosten stemmen. Im Ausländeramt wird die Zahl der Mitarbeiter laut
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Pressesprecher Hans Prechtl um drei
auf zehn ausgestockt. Und das, obwohl
die Regierung der Oberpfalz mit vier
ehemaligen Beamten aushelfen will, die
aus dem Ruhestand geholt wurden. Sie
sollen auf Teilzeitbasis in der neuen
Notunterkunft in der ehemaligen Triumph-Halle Schwandorf eingesetzt
werden. Weitere Kosten entstehen etwa
durch die steigenden Zuschüsse für
ÖPNV-Ermäßigungen, für neue Sozialpädagogen oder Netzwerker in der
Flüchtlingsarbeit. (hh)
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EINE WOCHE – EIN THEMA
➤ Der Schwerpunkt: Eine Woche lang
rückt die Mittelbayerische Zeitung die
Flüchtlingssituation im Landkreis
Schwandorf ganz besonders in den
Mittelpunkt der Betrachtung. In unserer morgigen Ausgabe spricht Martin
Neumeyer, der Flüchtlingsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung
im MZ-Interview.
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
➤ Diskutieren Sie mit uns auf www.facebook.com/schwandorf.mz
➤ Die Diskussion: Unter dem Motto
„Deutschland ist bunt – Willkommen
in Deutschland“ diskutieren Vertreter
der Regierung der Oberpfalz, des
Landkreises und der Stadt Schwandorf heute Abend ab 19.30 Uhr in der
Schwandorfer Spitalkirche gemeinsam mit Martin Neumeyer, dem
Flüchtlingsbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung über die
Flüchtlingssituation im Landkreis
Schwandorf.
Anfang des Jahres 526 Flüchtlinge
An den Brennpunkten der sogenannten „Flüchtlingskrise“, in der Stadt
Passau etwa, an der deutsch-österreichischen Grenze, kommen mitunter
Tausende Schutzsuchende an einem
Tag am Hauptbahnhof an. Die Situation im Landkreis Schwandorf ist mit
solchen Herausforderungen nicht zu
vergleichen. Aber auch hier hat die
Zahl der Flüchtlinge rapide zugenommen. Zum Jahresanfang verzeichnete
das Landratsamt laut Sprecher Hans
Prechtl genau 526 Asylbewerber – 410
Menschen in dezentralen Unterkünften, 116 Bewohner in der damals noch
einigen Gemeinschaftsunterkunft in
Teublitz-Koppenlohe.
In den vergangenen neun Monaten hat sich die Zahl der Asylbewerber im Landkreis mehr als verdoppelt.
Zum Stichtag 8. Oktober verzeichnet
eine Statistik, die die Schwandorfer
Volkshochschule zusammengestellt hat, 984 Menschen in
dezentralen Wohnungen.
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Neben Koppenlohe (zurzeit 129 Bewohner) sind weitere Gemeinschaftsunterkünfte entstanden – in Neunburg v. Wald (141) und den beiden sogenannten „Außenstellen“ Pfreimd
(57) und Schwandorf-Dachelhofen
(60). Ihre Bewohner haben bereits alle
einen Asylantrag gestellt und warten
im Landkreis Schwandorf
auf den Ausgang des
Asylverfahrens.
Eine Sonderrolle nehmen die 62 unbegleiteten
minderjährigen
Flüchtlinge im Landkreis ein, die
durch ihren
Status bis zur
Volljährigkeit prinzipiell vor einer
Ab-
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ge, allein durch die beiden Gemeinschaftsunterkünfte, die in Nittenau
(bis zu 75 Plätze) und im Schwandorfer Egelsee-Gebiet (bis zu 150 Bewohner). Und auch bei den dezentralen Unterkünften ist kein Ende in
Sicht – nach wie vor ist ein Mitarbeiter des Landratsamts damit beschäftigt, angebotene Immobilien im gesamten Landkreis auf ihre Eignung
hin zu überprüfen. Das bleibt natürlich nicht ohne Auswirkungen auf
den regionalen Wohnungsmarkt.
Der Schwerpunkt der Unterkünfte
für Schutzsuchende liegt im Landkreis eindeutig auf den größeren oder
zumindest gut erreichbaren Kommunen. Die Vorstellung von der idyllischen Flüchtlings-WG auf dem Land
ist eine Mär. Nur in 16 von 33 Gemeinden sind überhaupt Asylbewerber untergebracht.
Schwandorf der Spitzenreiter
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schiebung geschützt sind. Die Menschen in der provisorischen Erstaufnahmeeinrichtung oder „Notunterkunft“ in Wackersdorf – zum Stichtag
123 Personen – sind dagegen nicht gekommen, um länger zu bleiben. Sie
halten sich nur zu Registrierung und
Gesundheitscheck im Landkreis
Schwandorf auf, und bis ein Platz in
einer regulären Unterkunft für sie gefunden ist – wo auch immer. Die
durchschnittliche Verweildauer beziffert das Landratsamt auf etwa acht
Wochen.
Bei 144 000 Einwohnern ergibt
sich laut Aufstellung der Volkshochschule derzeit ein Flüchtlingsanteil
von einem Prozent. Anders formuliert: Jeder hundertste Landkreisbürger ist aus seiner Heimat geflohen,
um in Deutschland Schutz zu suchen.
Die Zahl wird noch steigen, keine Fra-
Die Stadt Schwandorf ist von der absoluten Zahl her mit Abstand Spitzenreiter bei der Flüchtlingsunterbringung und wird diese Position durch
die geplante neue Gemeinschaftsunterkunft sowie den Umzug der provisorischen Erstaufnahmeeinrichtung
von Wackersdorf in die ehemalige
Triumph-Halle auch noch ausbauen.
Zum 8. Oktober fanden in der Großen
Kreisstadt allein in dezentralen Unterkünften 352 Flüchtlinge eine Bleibe, in Bruck waren es 94, in Burglengenfeld 91, in Oberviechtach 57. Setzt
man die absoluten Zahlen jeweils in
Relation zur Bevölkerung, wird rein
rechnerisch so etwas wie die tatsächliche Belastung deutlich.
Aber was heißt das schon? Hinter
den Zahlen stecken Menschen. Wer
sich auf sie einlässt, kann ganz unterschiedliche Leute kennenlernen –
Überraschungen inclusive. Da gibt es
jesidische Friseure, allein reisende
Christen aus Damaskus, tschetschenische Moslems oder auch Albaner
evangelischer Konfession. Im Landkreis kümmern sich zahlreiche Ehrenamtliche um sie. Aber auch deren
Zahl steht in keiner Statistik.