Bildung und Sport PI-Symposium „Spuren hinterlassen...“, 27. & 28.10.2015 Schriftliche Workshopdokumentation Workshop Nr.:33 Thema: Miteinander, voneinander lernen: Erfahrungsaustausch und Peer-Tutoring Referierende: PD Dr. Silke Weisweiler, Katja Kraft M.A. Diese Dokumentation ist im Rahmen eines Kooperationsprojekts des Pädagogischen Instituts mit der KSFH München und der LMU München entstanden. Die nachfolgenden Aufzeichnungen geben den Eindruck der AutorInnen wieder und sind nicht mit den Referierenden der Workshops abgestimmt. AutorInnen: Julia Menzel Pädagogisches Institut • Symposium 2015 • Dokumentation • Workshop: Erfahrungsaustausch und Peer-Tutoring 1. Wissenschaftlicher Hintergrund zum Workshop Die Anfänge des Peer-Tutorings liegen in der Praxis und nicht in der Theorie begründet. An amerikanischen Hochschulen wurde festgestellt, dass Erstsemester_innen stärkere Schwierigkeiten im Studium haben, als es die Leistungen vermuten lassen. Trotzdem wurden die bestehenden Hilfsangebote, welche zumeist von qualifiziertem Lehrpersonal angeboten wurden, von den Studierenden kaum in Anspruch genommen. Eine neue Alternative zu den bereits existierenden Angeboten stellt das Peer-Tutoring dar (vgl. Bruffee, 2014, S. 395). Der Begriff „Peer“ geht zurück auf den Soziologen Charles H. Cooley. Mit Peer-Gruppen sind Bezugsgruppen ähnlichen Alters oder mit freundschaftlichen Verhältnissen gemeint (vgl. Schäfers, 2006, S. 133ff., zit. nach Westphal et al., 2014, S. 15). Die Mitglieder begegnen sich dabei auf Augenhöhe. Man spricht von einem „Prinzip der Gleichrangigkeit“ (Westphal et al., 2014, S. 15). Tutoring kann im Deutschen am ehesten mit „begleiten“ oder „betreuen“ übersetzt werden. Peer-Tutoring Programme werden besonders in Schulen und an Universitäten, aber auch in anderen Kontexten eingesetzt. Häufig geht es in solchen Programmen um die Vermittlung von Curriculumsinhalten der jeweiligen Institution. In vielen Fällen unterstützen Studierende aus höheren Semestern (die Tutor_innen) Studierende aus niedrigeren Fachsemestern. Kleiber (1999, S. 5) vermutet, dass Peer-Tutorien dazu geeignet sind, „die Motivation von leistungsschwächeren Schülern zu stärken, zur Selbstwertsteigerung und zur Förderung kreativer Problemlösungsstrategien beizutragen und konstruktives Sozialverhalten zu fördern.“ (zit. nach Strauß, 2012, S. 93). Es initiiert autonome, studierendenzentrierte Lernprozesse. Peer-Tutor_innen arbeiten meist in 1:1 Formaten oder in/mit Kleingruppen (vgl. Girgensohn, 2013, S. 1). Studierende sollen sich durch das Peer-Tutoring gegenseitig etwas beibringen. Peer-Tutoring ist somit eine Form des kollaborativen Lernens, bei dem der soziale Kontext, nicht aber die Lerninhalte verändert werden. Es zeigte sich, dass sich die Leistungen der Studierenden durch die Unterstützung von Peer-Tutor_innen deutlich verbesserten. Zudem lernten die Peer-Tutor_innen von den Studierenden. Es kann also von einer positiven Wirkungskraft in beide Richtungen gesprochen werden (vgl. Bruffee, 2014, S. 396). Das Ziel ist, miteinander und voneinander zu lernen. 2. Wesentliche Thesen und Ergebnisse des Workshops Feedback Eine wichtige Grundlage des Peer-Learnings und Peer-Tutorings, so die Dozentinnen des Workshops, ist das Geben und Nehmen von Feedback. Man kann nur dann miteinander und voneinander lernen, wenn die beteiligten Personen offen für Rückmeldungen des jeweils anderen sind. Durch Selbstreflexion, Teamreflexion oder Reflexion durch Externe setzen sich die beteiligten Personen effektiv mit der Realität auseinander. Feedback soll dabei immer als etwas Positives angesehen werden. Dem/Der Empfänger_in werden Verhaltensweisen und deren Wirkung(en) bewusst gemacht, Stärken und Schwächen aufgezeigt und somit Möglichkeiten zur positiven Weiterentwicklung eröffnet. Das sogenannte „Johari-Fenster“ differenziert einerseits, ob gewisse Verhaltensaspekte anderen/außenstehenden Personen bekannt oder unbekannt sind und zweitens, ob jene Verhaltensaspekte der Person selbst bekannt oder unbekannt sind. Von einem sinnvollen Feedback spricht man laut Silke Weisweiler dann, wenn dem/der Akteur_in Rückmeldung über ihm bis dato unbekanntes Verhalten gegeben wird. Dies ist der sogenannte „Blinde Fleck“. Beim Feedback ist darauf zu achten, dass gewisse Regeln eingehalten werden. Es sollte Verhalten beschreiben, konkret, zeitnah und direkt erfolgen, Auswirkungen beschreiben, „Ich“-Botschaften senden, Erwartungen und Wünsche äußern und wertschätzend und vertraulich formuliert sein. Im Workshop wurde deutlich, dass Feedback nur dann effektiv ist, wenn es konkret und auf die Aufgabenerfüllung bezogen ist, wenn Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden und gemeinsam Schritte zur Verbesserung bzw. Optimierung vereinbart werden. Der Umgang mit und die Grenzen des Feedbacks sind dabei von verschiedenen Variablen abhängig. Nicht in jedem Fall erfüllt das Feedback seinen eigentlichen Zweck. 2 Pädagogisches Institut • Symposium 2015 • Dokumentation • Workshop: Erfahrungsaustausch und Peer-Tutoring Peer-Learning, Peer-Tutoring, Peer-Mentoring Der Begriff „Peer“ bezeichnet Gleichgestellte und Ebenbürtige, die auf einer gleichen oder zumindest sehr ähnlichen sozialen Ebene interagieren (vgl. Falchikov, 2001). Im Kontext des Peer-Tutorings spricht man auch von Lernpartner_innen, den „fellow learners“ (Boud, 2001). Im Workshop wurde deutlich, dass es sich bei Peer-Learning um ein selbstgesteuertes und selbstverantwortliches Lernen unter Gleichgestellten handelt, bei dem die Peers gemeinsam im Diskurs Wissen erlangen bzw. austauschen. Die Peer-Gruppe agiert dabei weitestgehend selbstständig, ohne eine übergeordnete Autoritätsperson. Beim Peer Counseling fungieren Peers als Berater_innen, beispielsweise in Konfliktsituationen wie Mobbing. In der Peer Mediation handeln Peers als Streitschlichter_innen. Innerhalb des Peer- Mentorings helfen und begleiten Peers bei neuen Aufgaben und Herausforderungen. Peer-Tutoring ist im Vergleich zum Peer-Learning eine „Lehr-Lern-Methode“. Peer-Tutor_innen stellen in der Rolle von Impulsgeber_innen eine Lernbegleitung für Peers zur Verfügung. Anhand ausgewählter Forschungsergebnisse konnten sich die Workshop-Teilnehmenden von den vielfältigen Vorteilen des Peer-Learnings und Peer-Tutorings überzeugen. So kamen bspw. Studien zu dem Ergebnis, dass die kognitiven Lernleistungen im Vergleich zu alternativen Methoden besser waren (vgl. Rohrbeck et al. 2003). Im Schulkontext zeigten sich in verschiedenen Fächern positive Leistungseffekte (vgl. Büttner et al. 2012). Zusätzlich konnte positiver Einfluss auf die Sozialkompetenz (Ginsburg-Block et al. 2006) und die intrinsische Motivation festgestellt werden (Slavin, 1995). Praxisbeispiel P2P-Mentoring LMU Im Wintersemester 2012/2013 wurde das Peer-to-Peer-Mentoring Programm an der LudwigMaximilians-Universität in München eingeführt. Hierbei werden Studienanfänger_innen (Mentees) von erfahrenen Studierenden aus höheren Semestern, den sogenannten Mentor_innen, begleitet und unterstützt. Die jährlich bis zu 400 Mentor_innen unterstützen nach ihrer Mentor_innen-Ausbildung ca. 800 Mentees, z.B. in den Bereichen Studienablauf und organisation, Zeitmanagement und Lerntechniken. Praxisbeispiel Peer-Tutoring an der Europa-Universität Viadrina Im Jahr 2012 startete im Rahmen des Qualitätspakts Lehre des BMBF am Zentrum für Schlüsselkompetenzen und Forschendes Lernen der Europa-Universität Viadrina ein PeerTutoring Programm. Tutor_innen werden seitdem studienbegleitend ausgebildet, wobei die Ausbildung mit einem berufsrelevanten Zertifikat abgeschlossen wird. Die ausgebildeten PeerTutor_innen bieten Workshops, Lerngruppen, Tutorien, Lunchtime Lessons (z.B. zu den Themen Zeitmanagement, Zitation, effektive Klausurvorbereitung), studentische Beratung und Seminarbegleitung an. Besonderheiten dieses Programms sind das Arbeiten in Teams, zum Teil als Tandem und die Möglichkeit der Tutor_innen, Angebote eigenständig zu planen, zu organisieren und durchzuführen. Darüber hinaus werden die Tutor_innen aktiv in die Weiterentwicklung des Programms eingebunden. Zusätzlich gibt es regelmäßige Weiterbildungen und Supervisionen, welche die intensive Betreuung der Tutor_innen ergänzen. 3. Erlebte Wirksamkeitsfaktoren im Workshop Gleich zu Beginn des Workshops erhielten die Teilnehmer_innen die Möglichkeit, sich selbst einzuschätzen. Dabei wurde auf die Methode „Stanogramm“ zurückgegriffen. Die Teilnehmer_innen wurden gebeten, sich je nach Ausprägung („sehr“ bis „wenig“) im Raum zu verteilen. Es ging unter anderem darum, wie vertraut sich die Teilnehmer_innen mit dem Thema fühlten und wie viel Erfahrung sie bereits damit haben. Durch die Reflexion eigenen Erlebens und Denkens wurden gleichzeitig metakognitive Prozesse angeregt. Zudem wurden die Erwartungen der Teilnehmer_iinnen abgefragt und auf einem Flipchart festgehalten. 3 Pädagogisches Institut • Symposium 2015 • Dokumentation • Workshop: Erfahrungsaustausch und Peer-Tutoring Der Input des Workshops gliederte sich in drei Komponenten. Nach der Darstellung der Grundlagen zur Thematik wurden diese anhand von zwei ausgewählten Praxisbeispielen verdeutlicht und zugänglich gemacht. Das pädagogische Erleben, bei dem die theoretischen Impulse praktisch erfahrbar gemacht werden, wurde beispielsweise darin sichtbar, dass die Referierenden bereits in den Workshop Peer-Tutoring Methoden einbauten. Mit Hilfe der Methode „Gruppendrehbuch“ wurden die Begriffe Peer-Learning, Peer-Tutoring und PeerMentoring in Gruppen erarbeitet und im Anschluss den restlichen Workshopteilnehmer_innen vorgestellt. Auch das Geben und Nehmen von Feedback wurde durch diese Methode geübt. Der/die jeweils im Vorfeld der Gruppenarbeit gewählte „group faciliator“ erhielt nach der Vorstellung der Ergebnisse Feedback von den anderen Gruppenmitgliedern. Im Laufe des Workshops hatten die Teilnehmer_innen mehrmals die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen. Für diesen Austausch schafften die Referierenden bewusst Zeit und Raum. Es zeigte sich, dass von Seiten der Teilnehmer_innen ein lebendiger Diskurs erwünscht war. Offene Fragen wurden ebenfalls geklärt und es entstanden konstruktive Diskussionen, in denen Erfahrungen ausgetauscht wurden und Einblicke in die verschiedenen Berufsfelder gegeben wurden. Bereits während des Vortrags hatten die Teilnehmer_innen mehrmals die Möglichkeit, Rückmeldung an die Referierenden zu geben und Fragen zu stellen. Gelegenheit zum ausführlichen abschließenden Feedback wurde zum Ende des Workshops gegeben. 4. Offene Fragen Im Workshop wurden alle offensichtlichen Fragen beantwortet. 5. Weiterführende Literatur Boud, D., Cohen, R., Sampson, J. (Hrsg.) (2001): Peer Learning in Higher Education. Learning from & each other. London: Kogan Page. Bruffee, K. A. (1995): ‘Collaborative Learning. Higher Education, Interdependence and the Authority of Knowledge’. Baltimore and London: John Hopkins University Press. Bruffee, K.A. (2014): Peer Tutoring und ,das Gespräch der Menschheit’. In: Dreyfürst, S. & Sennewald, N. (Hrsg.): Schreiben. Grundlagentexte zur Theorie, Didaktik und Beratung. Opladen & Toronto: Barbara Budrich, S. 395-406. Büttner, G., Warwas, J. & Adl-Amini, K. (2012): Kooperatives Lernen und Peer Tutoring im inklusiven Unterricht. Zeitschrift für Inklusion . URL: http://www.inklusiononline.net/index.php/inklusion-online/article/view/61/61 (Stand: 02.07.2015). Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik (2015): http://degede.de/abcpeereducation.0.html (Stand: 02.07.2015). Peer Education. URL: Falchikov, N. (2001): Learning together. Peer tutoring in higher education. London: Routledge. Fröhlich, M. (o.A.): Arbeiten mit dem Gruppendrehbuch / Peer Facilitated Learning. URL: http://www.unigestalten.de/component/unigestalten/item/627.html (Stand: 23.10.2015). Ginsburg-Block, M. D., Rohrbeck, C. A. & Fantuzzo, J. W. (2006): A meta-analytic review of social, self-concept, and behavioral outcomes of peer-assisted learning. Journal of Educational Psychology, 9 8, 732 – 749. Girgensohn, K. (2013): Peer Tutoring – ein Format zur Stärkung von Schlüsselkompetenzen an Hochschulen. In: Tobina Brinker (Hrsg.): Schlüsselkompetenzerwerb im Lernraum europäische Bürgergesellschaft. Dokumentation der 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Schlüsselkompetenzen e.V.,S. 54-71. 4 Pädagogisches Institut • Symposium 2015 • Dokumentation • Workshop: Erfahrungsaustausch und Peer-Tutoring Hattie, J.A.C. Hohengehren. (2013): Lernen sichtbar machen. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Rohrbeck, C. A., Ginsburg-Block, M. D. Fantuzzo, J. W. & Miller, T. R. (2003): Peer-assisted learning interventions with elementary school students: A meta-analytic review. Journal of Educational Psychology, 95 , 240 – 257. Slavin, R. E. (1995): Cooperative learning: Theory, research, and practice. Boston: Allyn & Bacon. Strauß, S. (2012): Peer Education & Gewaltprävention. Theorie und Praxis dargestellt am Projekt Schlag.fertig. Freiburg: Centaurius Verlag. Westphal, P., Stroot, T., Lerche, E.-M. & Wiethoff, C. (Hrsg.) (2014): Peer Learning durch Mentoring und Coaching & Co. Aktuelle Wege in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern. Reihe: Theorie und Praxis der Schulpädagogik. Bd. 27. Immenhausen: Prolog-Verlag. 5
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