Zusammenfassung des Gutachtens „Auswirkungen der Initiative ‚Ja zum Schutz der Privatsphäre‘ auf die Banken und ihre Mitarbeiter“ von Prof. Dr. René Matteotti, Universität Zürich Dieses Dokument fasst die Auswirkungen zusammen, die nach René Matteotti für Banken und ihre Mitarbeitenden zu befürchten wären, wenn die sogenannte Matter-Initiative angenommen würde. Zusammenfassung In einem Gutachten kommt Prof. René Matteotti zum Schluss, dass die Matter-Initiative nachteilige Folgen hat, die auch die Banken betreffen. Steuerunehrliches Verhalten wird gefördert. Die Mittel zur Informationsbeschaffung, die die Steuerbehörden heute haben, würden eingeschränkt. Die Umsetzung internationaler Standards, insbesondere der FATF, wird dadurch erschwert. Um den Nachteil, dass sie nur noch über das Veranlagungsverfahren an Informationen kommen, auszugleichen, könnten Steuerbehörden vermehrt Zwangsmittel einsetzen. Banken könnten vermehrt in Verfahren verwickelt werden. Die einkommensgerechte Besteuerung ist eine tragende Säule des Schweizer Steuersystems. Weil die Initiative das Veranlagungsverfahren erschwert, müssten die Behörden, um die Gerechtigkeit zu gewährleisten, Dritte (die Banken eben) mehr in die Pflicht nehmen. Diese Punkte zeigen, dass den Banken im Falle einer Annahme der Matter-Initiative mehr Verantwortung bei der Erfüllung der Steuerpflicht ihrer Kunden aufgebürdet wird. Dadurch erhöhen sich auch die Haftungsrisiken der Banken. Die Banken lehnen die Matter-Initiative aus diesen Gründen ab. Wichtig ist jedoch, dass der Souverän die hoch politische Frage nach der Verankerung des Bankkundengeheimnisses in der Verfassung entscheiden kann. Inhaltsverzeichnis 1. Einführung ............................................................................................................... 2 2. Zeitplan ................................................................................................................... 2 3. Statement der SBVg vom 20. Mai 2015................................................................... 3 4. Die Hauptkritikpunkte des Gutachtens .................................................................... 3 5. 4.1. Rechtliche Grundsätze ..................................................................................... 3 4.2. Veranlagungsverfahren .................................................................................... 4 4.3. Steuerstrafuntersuchungen .............................................................................. 4 4.4. Folgen für die Banken ...................................................................................... 4 4.5. Auswirkungen auf andere Steuerdossiers ........................................................ 4 Weitere Kritikpunkte ................................................................................................ 5 5.1. Inhaltliche Unschärfen ...................................................................................... 5 5.2. „Auskünfte von Dritten“..................................................................................... 5 5.3. Politischer Hintergrund ..................................................................................... 5 6. Die Gegenargumente des Initiativkomitees ............................................................. 6 7. Fazit ........................................................................................................................ 8 1. Einführung Die Tragweite der finanziellen Privatsphäre gegenüber den Steuerbehörden ist eine politische Frage und muss vom Souverän entschieden werden (vgl. Statement SBVg vom 25.09.2014, http://www.swissbanking.org/stellungnahme-20140925.htm). Im letzten Herbst hat der Verwaltungsrat der SBVg entschieden, die Initiative „Ja zum Schutz der Privatsphäre“ nicht zu unterstützen. Im Anschluss daran wurde vom VR gewünscht, dass die Geschäftsstelle die steuerrechtlichen Auswirkungen der Initiative, insbesondere im Hinblick auf die Situation der Banken und Bankmitarbeitenden, wissenschaftlich untersuchen lässt. Mandatiert wurde René Matteotti, Professor für schweizerisches, europäisches und internationales Steuerrecht an der Universität Zürich. Das Gutachten, datiert vom 19. März 2015, führt dazu, dass der Verwaltungsrat der SBVg nun die Matter-Initiative ablehnt. 2. Zeitplan Die Bundeskanzlei informierte am 27.10.2014, dass die Initiative zustande gekommen ist. Die parlamentarische Beratung der Initiative ist für die zweite Hälfte des Jahres 2015 bis ca. Mitte 2016 geplant. Die Volksabstimmung findet voraussichtlich im Jahr 2017 statt. 26. Juni 2015 Sindy Schmiegel Werner 2 3. Statement der SBVg vom 20. Mai 2015 Das „Gutachten Matteotti“ führt zu einer ablehnenden Haltung des Verwaltungsrates der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) zur Matter-Initiative. Wichtig bleibt, dass der Souverän diese politische Frage am Ende beurteilen kann. Begründung Die Privatsphäre ist ein schützenswertes Gut mit einem hohen Stellenwert für die SBVg. Aus diesem Grund ist es richtig, dass gesetzliche Veränderungen in diesem wichtigen und hoch politischen Bereich durch den Souverän entschieden werden müssen. Ebenso klar ist aber auch, dass dann den Banken und ihren Mitarbeitenden keine höheren Haftungsrisiken und keine grössere Verantwortung für die Steuererfüllung ihrer Kunden entstehen dürfen. In einer ersten Beurteilung der Initiative „Ja zum Schutz der Privatsphäre“ (MatterInitiative) kam die SBVg zum Schluss, dass diese beiden Grundsätze mit einer Annahme verletzt würden. Die SBVg hat zeitgleich bei René Matteotti, Professor für schweizerisches, europäisches und internationales Steuerrecht an der Universität Zürich, ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die steuerrechtlichen und steuerpolitischen Aspekte vertieft prüfen sollte. Das Gutachten verstärkt die Befürchtungen des Verwaltungsrates der SBVg: Die Initiative verletzt den Verfassungsgrundsatz zur rechtsgleichen Besteuerung. Nach diesem soll jeder Bürger nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden. Steuerunehrliche Personen würden bei Annahme der Initiative gegenüber den steuerehrlichen geschützt. Gemäss Gutachten könnte sich dadurch der Anreiz zu steuerunehrlichem Verhalten erhöhen. Professor Matteotti macht zusätzlich deutlich, dass bei einer Annahme der Initiative die Verantwortung und die Haftungsrisiken für Banken und ihre Mitarbeitenden erheblich ansteigen. Der Verwaltungsrat der SBVg lehnt deshalb die Matter-Initiative in der heutigen Form ab. Ohne materielles Entgegenkommen des Initiativkomitees wird die SBVg auch im Abstimmungskampf gezwungen sein, diese ablehnende Position einzunehmen. Die SBVg veröffentlicht das Gutachten von Professor Matteotti, damit eine sachliche Diskussion über die befürchteten Implikationen der Matter-Initiative geführt werden und sich der Souverän ein umfassendes Bild machen kann. Das Gutachten ist abrufbar unter: Gutachten von Professor René Matteotti. 4. Die Hauptkritikpunkte des Gutachtens 4.1. Rechtliche Grundsätze In der Bundesverfassung ist der Grundsatz zur rechtsgleichen Besteuerung festgeschrieben: Jeder soll im gleichen Verhältnis zu seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden. Nach Matteotti verletzt die Initiative den Grundsatz, denn steuerunehrliche Personen werden zu Lasten der steuerehrlichen geschützt. Dadurch erhöht sich der Anreiz zu steuerunehrlichem Verhalten. Wenigstens teilweise kompensiert werden würde dies nach Matteotti, indem Instrumente bei Untersuchungen stark verschärft werden könnten. Dies gefährdet das Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Staat. Falls ausländische Steuerbehörden bzw. ausländische Finanzinstitute als Dritte betrachtet würden, dürfte die Schweiz keine AIA-Abkommen mit Reziprozität 26. Juni 2015 Sindy Schmiegel Werner 3 abschliessen bzw. die aus dem Ausland erhaltenen Bankinformationen nicht für Steuerverfahrenszwecke verwenden. 4.2. Steuerunehrliche Personen würden bei einer konsequenten Umsetzung im Veranlagungsverfahren besser behandelt, weil die Veranlagung einzig auf ihren Angaben und Dokumenten beruht. Als einzige Verifikationsmittel bleiben der Steuerbehörde die Steuererklärung des Steuerpflichtigen und öffentlich zugängliche Informationen. Die Mitwirkungspflichten verschiedener Dritter wären bei einer konsequenten Umsetzung der Initiative aufzuheben (Arbeitgeber/Lohnausweis, Berufliche Vorsorge, Selbstvorsorge, Darlehensgläubiger etc.). Dadurch würden die Steuerbehörden von diesen Informationen abgeschnitten. 4.3. Folgen für die Banken Haben die Behörden weniger Verifikationsmöglichkeiten, könnten die Banken durch die öffentliche Diskussion unter Druck geraten, den Steuerstatus des Kunden zu überprüfen. Machen die Banken von ihrem Aussageverweigerungsrecht zu häufig Gebrauch, werden sie in der öffentlichen Debatte sehr schnell in die Ecke der Gehilfen oder sogar Anstifter zu Steuerdelikten im Inland gedrängt. Dadurch dürfte der politische Druck, die Banken bei Steuerfragen auch im Inland mehr in die Pflicht zu nehmen, steigen. Die Kosten für die Banken dürften steigen, wenn sie gezwungen würden, Steuerehrlichkeit der Kunden regelmässig zu überprüfen. Im Zuge vermehrter Steuerstrafverfahren könnten Bankmitarbeitende als Dritte öfter in Verfahren verwickelt werden. Dies könnte u. U. zu Hausdurchsuchungen und anderen Zwangsmitteln führen. 4.5. Steuerstrafuntersuchungen Behörden kommen nur noch im Rahmen von richterlich bewilligten Untersuchungen zu Informationen. Das dauert lange und erhöht die administrativen Kosten für alle. Die Hürde für die Annahme eines Verdachts auf fortgesetzte Hinterziehung grosser Steuerbeträge dürfte von den Zwangsmassnahmengerichten eher tief angesetzt werden. Aufgrund der Informationsdefizite im Veranlagungsverfahren dürften Steuerstrafverfahren zunehmen, denn sie wären für Behörden das einzige Mittel, zweifelhafte Angaben von Steuerpflichtigen zu verifizieren. Das Bankkundengeheimnis wird in einem solchen Fall durchbrochen. Die Initiative entfaltet also keine Wirkung, wenn Steuerstrafuntersuchungen stark zunehmen sollten. Bei den richterlich bewilligten Untersuchungen besteht die Gefahr, dass vermehrt in die Rechte auch Dritter eingegriffen wird (gerichtliche Bewilligungen werden einfacher erteilt, mehr Beschlagnahmungen und Hausdurchsuchungen, auch bei Banken). 4.4. Veranlagungsverfahren Auswirkungen auf andere Steuerdossiers Um den Grundsatz der rechtsgleichen Besteuerung zu wahren, müsste der Bund eigentlich ein Quellensteuerverfahren einführen, bei dem alle Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit (1., 2., 3. Säule, Versicherungen, Kapitalvermögen etc.) automatisch an der Quelle besteuert würden. Die Abzüge würden durch die Banken erfolgen, die damit der verlängerte Arm der Steuerbehörden würden. 26. Juni 2015 Sindy Schmiegel Werner 4 Der Druck auf einen Wechsel vom Schuldner- auf das Zahlstellenprinzip würde zunehmen. Dadurch müssten Banken aber Veranlagungspflichten für inländische Steuerzahler erfüllen, also Steuern erheben und abführen. Sie haben dadurch einen höheren Aufwand und setzen sich Umsetzungsrisiken aus. Ausserdem könnten Banken dadurch weiterhin unversteuerte Vermögenswerte zufliessen, was diese durch regelmässige Abklärungen des Steuerstatus‘ des Kunden verhindern wollen würden. Die Initiative würde es verbieten, bei Verdacht auf qualifizierte Steuervergehen die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) direkt zu informieren, wie es eigentlich die Financial Action Task Force (FATF)-Vorgaben fordern. Dadurch setzt sich die Schweiz dem Risiko aus, nicht mehr als FATF-konform betrachtet zu werden, denn sie könnte die internationalen Geldwäschereipräventionsstandards nicht umsetzen. Das könnte wiederum zu einer internationalen Ächtung der Schweiz als unkooperatives Land führen. Die Initiative steht quer in der Landschaft zur Umsetzung der FATF-Vorgaben, zur Steuerrechtsrevision, zu Sorgfaltspflichten der Banken etc. Eine von der SBVg geforderte Gesamtschau der Steuerdossiers ist so nicht möglich. 5. Weitere Kritikpunkte 5.1. Inhaltliche Unschärfen Wer genau sind „Dritte“? Sind damit nur Banken, Treuhänder u. ä. gemeint? Oder auch, Arbeitgeber, Geschäfts- und Vertragspartner oder Teilhaber der Steuerpflichtigen? Was genau ist eine „Auskunft“? Sind damit Informationen im Rahmen eines Verfahrens gemeint? Oder auch Tipps, spontane Informationsübermittlung und automatische Behördenmeldungen? 5.2. „Auskünfte von Dritten“ Der Initiativtext bezieht sich nicht nur auf Informationen von Banken, sondern er beschneidet heute bestehende Auskunftsmöglichkeiten der Steuerbehörden gegenüber anderen Dritten. Bei den direkten Steuern hätten die Steuerbehörden z. B. keine direkte Möglichkeit mehr, beim Arbeitgeber die Lohnausweise einzufordern oder Informationen von Geschäftspartnern, Teilhabern oder Treuhändern der Steuerpflichtigen zu erhalten. Noch deutlicher zeigt sich diese Beschneidung der Kompetenz bei den indirekten Steuern, wo die Steuerbehörden grundsätzlich den direkten Zugang zu Bankunterlagen und Informationen von Dritten verlieren würden. Die Initiative geht hier deutlich hinter den status quo zurück. 5.3. Politischer Hintergrund Die Lektüre der Erläuterungen des Initiativkomitees offenbart nach Matteotti, dass die Initianten gegenüber dem Parlament Misstrauen hegen und dessen Handlungsspielraum einschränken wollen. Auf dem Buckel der Steuergesetzgebung ist das jedoch verfehlt. Die unsorgfältige Redaktion des Initiativtextes dürfte zu grossen Auslegungsstreitigkeiten führen, die letztendlich vom Bundesgericht entschieden werden müssen. 26. Juni 2015 Sindy Schmiegel Werner 5 6. Die Gegenargumente des Initiativkomitees Gegenargumente des Initiativkomitees Kommentar der SBVg http://www.privatsphaereschuetzen.ch/aktuell/medienmitteilungen/auswirkungen-derinitiative-stellungnahme.html Dem Gutachter wird unterstellt, er sei gegen der Schutz der Privatsphäre. Die Privatsphäre ist schon heute in Art. 13 der Bundesverfassung verankert. Dazu gehört auch die finanzielle Privatsphäre. Für die Regelung prozessualer Fragen, wie sie die Initiative im Sinn hat, braucht es keine Änderung der Bundesverfassung. Der Gutachter steht schon der heutigen Rechtslage zum steuerlichen Bankkundengeheimnis ablehnend gegenüber. Es ist nur logisch, dass er deshalb auch gegen die Initiative urteilt. Es handelt sich nicht um ein politisches, sondern ein akademisches Gutachten eines profilierten Juristen, der auf praktische Folgen einer Annahme der Initiative aufmerksam macht. Das Stimmvolk muss wissen, dass eine Annahme der Initiative negative Folgen für alle hat. Der Gutachter bringt deutlich zum Ausdruck, dass er nicht an die Steuerehrlichkeit der Bürger glaubt. Matteotti bezieht sich auf Ergebnisse bereits publizierter finanzwissenschaftlicher Studien, vgl. S. 16: „So schätzt etwa der an der Universität Luzern lehrende Finanzwissenschaftler Christoph Schaltegger zusammen mit seinen Koautoren in einer 2008 publizierten Studie, dass je nach Kanton zwischen 15 und 30% der Einkünfte nicht deklariert werden.“ Die überwiegende Mehrzahl der Steuerzahler in der Schweiz ist also ehrlich, aber die Höhe der unversteuerten Einkünfte rechtfertigen, dass die Steuerbehörden Instrumente für die Kontrolle der Steuerehrlichkeit brauchen. Das Gutachten wurde für die SBVg erstellt, und der Gutachter argumentiert darum aus Sicht (und im Interesse) der Banken. Er kritisiert dabei etwa, dass das Erfordernis eines gerichtlichen Verfahrens zur Durchbrechung des Bankgeheimnisses gemäss der Initiative häufiger dazu führen könnte, dass die Banken Unterlagen von Kunden herausgeben müssen. Ob dies zutrifft, sei dahingestellt. Es handelt sich nicht um ein Gefälligkeitsgutachten. Das Gutachten zeigt vielmehr die praktischen Folgen für die Banken auf. Sie wollen keine höheren Verantwortlichkeiten und Risiken eingehen. Dem Initiativkomitee zufolge würden die gemäss den Übergangsbestimmungen unmittelbar massgebenden Absätze 2 und Der Gutachter sagt in N. 8 und N. 14 genau das Gegenteil: Die Absätze 2 und 4 gehen einem widersprechenden Bundesgesetz 26. Juni 2015 Sindy Schmiegel Werner 6 4 der Initiative einem widersprechenden Bundesgesetz nicht vorgehen (N. 8). Es ist in der Rechtslehre anerkannt und leuchtet leicht ein, dass bei einem Konflikt zwischen unmittelbar anwendbaren Rechtsnormen ob sie nun in der Verfassung oder in einem Gesetz stehen - nach allgemeinen Kollisionsregeln jedenfalls eine neuere und speziellere Norm Vorrang geniesst. klar hervor. Das gesamte Gutachten basiert auf dieser zentralen und unbestrittenen Feststellung. (N. 14: „Da nach der geplanten Übergangsbestimmung der das steuerliche Bankkundengeheimnis betreffende Verfassungstext für alle rechtsanwendenden Behörden direkt anwendbar sein wird, wird das Bundesgericht überprüfen können, ob gesetzliche Bestimmungen, auf welche Einzelentscheide abgestützt werden, mit dem verfassungsrechtlich vorgesehenen Schutz der finanziellen Privatsphäre kompatibel sind.“). Im Endeffekt dürfte der Initiativtext also zu Auslegungsstreitigkeiten führen, die letztlich vom Bundesgericht entschieden werden müssen. Das Initiativkomitee kritisiert auch Matteottis Aussagen über die spontane Meldung von Banken an die Steuerbehörden. Diese könnten durch eine entsprechende Gesetzesbestimmung nicht untersagt werden, weil nur freiwillige Mitteilungen von Kundeninformationen durch den Initiativtext verboten würden (N. 9). Eine solche Auslegung ist, selbst wenn man ganz spitzfindig sein wollte, falsch: Wenn Dritte nur in den im Initiativtext genannten Fällen "berechtigt" sind, Auskünfte gegenüber Behörden zu teilen, sind sie es in allen anderen Fällen nicht, weder freiwillig noch aufgrund einer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung (was bedeutet, dass das Gesetz keine solche Verpflichtung aufstellen darf). Grundsätzlich besteht hier keine Differenz der Banken zum Initiativtext. Im Einzelnen sagt der Gutachter auch hier (N. 9) genau das Gegenteil: Matteotti stellt zwar fest, dass der Initiativtext unpräzis ist. Dennoch gelangt er aufgrund einer Auslegung nach Treu und Glauben zu Gunsten der Initianten zum Schluss, dass Dritten in den im Initiativtext genannten Fällen keine Verpflichtung zur Auskunft auferlegt werden darf. (N. 9: Eine rein grammatikalische Auslegung von Art. 13 Abs. 4 würde zum absurden Ergebnis führen, dass die Verfassungsnorm bloss die Voraussetzungen für die freiwillige Mitteilung von Kundeninformationen formuliert.) In N. 13 führt er explizit aus, dass er bei der Auslegung in all denjenigen Fällen vom strikten Wortlaut abweicht, in denen dieser zu einem absurden Ergebnis führt, den man den Initianten nach Treu und Glauben nicht unterstellen darf. Matteotti spricht sich daher klarerweise zu Gunsten der von den Initianten vertretenen Auslegung aus. Absurde Auslegungsergebnisse, die sich aus einer wörtlichen Auslegung ergeben könnten, lehnt er kategorisch ab. 26. Juni 2015 Sindy Schmiegel Werner 7 7. Fazit Prof. Matteotti steht der Initiative sehr skeptisch gegenüber, da eine Annahme grundlegende Prinzipien des Schweizer Steuerrechts abschaffen würde. Das Gutachten zeigt, dass die Initiative ihr Ziel verfehlt. Zwar wird der Zugang der Steuerbehörden zu Informationen im Veranlagungsverfahren stark eingeschränkt. Dies könnte jedoch dazu führen, dass bei Untersuchungen viel stärker Druck auf Steuerpflichtige und Dritte – wie z. B. Banken – ausgeübt wird. Das Vertrauensverhältnis zwischen Steuerpflichtigem und Staat könnte dadurch grossen Schaden erleiden. Für die Banken würden höhere Kosten, administrative Mehraufwände und Rechtsrisiken entstehen und sie riskieren, öfter in Steuerstrafverfahren verwickelt zu werden. Die Summe dieser Bedenken unterstützt die Haltung der SBVg, die Initiative abzulehnen. Die SBVg vertraut dagegen auf den bestehenden gesetzlichen Rahmen aus Bankkundengeheimnis und bewährter Steuergesetzgebung. Wichtig ist, dass der Souverän diese politische Frage entscheiden kann. 26. Juni 2015 Sindy Schmiegel Werner 8
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