Text - ESTD Symposium

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ESTD Referat Symposium 2016
Ausführliches Referat zu den Folien im Anhang
Folien zum Referat siehe im Anhang:
Fachgerechtes Vorgehen bei Opfern von Sexualdelikten
im Ermittlungsverfahren (siehe Folie 1)
Diese Straftaten gehören zu den schwersten unserer Gesellschaft. Sie sind häufiger als man denkt.
Themen (siehe Folie 2)
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Besondere Herausforderungen für Opfer von Sexualdelikten
und polizeiliche Ermittlerinnen
Umgang mit der Unterschiedlichkeit von Opfern
Das Problem des Beweises und die Crux der vielen intimen Fragen
Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Rollen seitens Ermittler,
Ärztinnen, Psychotherapeutinnen, Opferberaterinnen
Schnittstellen: Empfehlungen für Polizei und Justiz
Wenn wir fachgerechtes Vorgehen explorieren wollen, müssen wir uns den aufgezeigten Themen
stellen. Wir sitzen heute in dieser „Artenvielfalt“ zusammen, weil wir uns in der Arbeit mit Opfern an
den Schnittstellen berühren, an diesen zum Teil ineinandergreifen, ja sogar miteinander verwoben
sind. So verschieden unsere Fachgebiete und Ziele sein mögen, ein Ziel haben wir gemeinsam: Das
Wohl der Opfer - der Menschen. Sich Berühren heisst im tieferen Sinne auch, sich gegenseitig
einlassen, etwas Wissen vom Anderen, so dass wir uns dort wo wir uns berühren, fachlich verstehen.
Das ist ein unbedingter Weg, um die Opfer-Arbeit professionell ausüben zu können.
Aus der Sicht der Polizei stellt sich zuerst die Frage: Wer ist Opfer im Sinne des Gesetzes?
Siehe Folie 3: Nach der Schweizerischen Strafprozessordnung gilt eine geschädigte Person als Opfer,
die durch die Straftat in ihrer physischen, psychischen und sexuellen Integrität unmittelbar
beeinträchtigt worden ist. „Unmittelbar“ betrifft hier nicht die Zeit, sondern das Opfer direkt an
seiner eben genannten Integrität. Dem „heil sein“, im Zustand vor der Straftat.
Besondere Herausforderungen für Opfer von Sexualdelikten und polizeiliche Ermittlerinnen
(siehe Folie 4)
Wir müssen uns folgender Tatsache bewusst sein: Es gibt nicht das Opfer - Opfer ist nicht gleich
Opfer. Wir treffen auf verschiedene Menschen, die etwas Schlimmes erlebt haben. Sie unterscheiden
sich in Geschlecht, Alter und Verhalten: weibliche und männliche Erwachsene sowie Jugendliche,
Buben, Mädchen und Kleinkinder.
Es gibt Opfer, die erstmals, solche die mehrmals missbraucht wurden oder es immer noch werden;
Opfer von unbekannter oder bekannter Täterschaft, innerhalb einer Beziehung, auch häusliche
Gewalt, zum Teil über viele Jahre; Opfer von organisiertem Verbrechen, gemeint sind unterschiedlich
aufgebaute Täternetzwerke; Väter, Mütter, die ihre Kinder zum sexuellen Gebrauch ausleihen.
Alle diese Menschen haben ihre individuellen Vorgeschichten und somit ihre verschiedenen
Verhaltensweisen: so auch seltsam erscheinendes Verhalten, das auf psychische Erkrankungen vor
der Tat zurückzuführen ist. Auch seltsames Verhalten aufgrund schlimmer Missbräuche über die
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Schmerzgrenze hinaus. Bleiben Traumata unverarbeitet, können Folgestörungen, Posttraumatische
Belastungsstörungen (PTBS), dissoziative Störungen, können Menschen aggressiv, reizbar, wütend,
schreckhaft, ablehnend, extrem in sich gekehrt, die Mitmenschen feindlich empfindend werden
lassen.
Sie zittern auf dem Einvernahme-Stuhl, sie driften plötzlich weg. Sie können uns beschimpfen oder
sich in übertriebener Weise anpassen. Wir treffen Menschen mit Behinderungen als Opfer, wie z.B.
Autisten, Taubstumme, solche mit Sprachstörungen, hyperaktive, sich ritzende. Wir sitzen Kindern
gegenüber, die wegen Angst und Verbot nicht reden oder instrumentalisiert wurden zum Zwecke
eines Elternteils. Alle verhalten sich ihrem Naturell, ihrer ureigenen Geschichte mit ihrer
persönlichen Meinung darüber individuell. Und dieses Individuelle, von „gesund bis krank“ ist nur ein
Aspekt der Herausforderung für Hilfesuchende und Ermittler.
Der kleine Einblick in die Praxis soll das veranschaulichen: (siehe Folien 5-10: Bilder/Filmsequenz)
- Lachen statt weinen. Abwehrverhalten aus Scham und Schmerz. (s. Folie 5)
- Solange ich rede, hab ich’s im Griff (s. Folie 6).
- Bei Fragen über das Kerngeschehen erbricht sie (s. Folie 7).
- „Ich habe mir die Sehne durchgeschnitten: Er soll sehen, was er mir angetan hat“ (s. Folie 8).
- Sie driftet weg und reagiert nicht mehr (s. Folie 9).
- Eine Vergewaltigung ist geschehen, weitere Anzeigen erfolgten aufgrund von Trigger, Auslöser,
das heisst fiktiv (s. Folie 10).
Gefragt ist also für jeden einzelnen Menschen der angepasste Umgang. Vor diesem Hintergrund
schauen wir jetzt die weiteren besonderen Herausforderungen für Opfer und polizeiliche Ermittlerin
an:
Das Opfer und die Ermittlerin stehen sich jetzt bei der Anzeige, der Befragung gegenüber. Beide
wissen nicht, was sie erwartet. Beide haben Ziele: Aber, stimmen diese überein? Schauen wir hin:
Ziele der Opfer und ihre Erwartungen an uns: Beispiele aus der Praxis: Eine Frau sagt: „Ich möchte,
dass der Sauhund gefasst wird; ich möchte einfach nur, dass es aufhört“; eine Frau: „Ich möchte
erzählen, aber ich kann nicht, ich habe Angst“; eine junge Frau aus einer anderen Kultur: „Sie können
mich alles fragen, nur nicht über Geschlechtsteile, darüber reden wir bei uns nicht“; eine anderes
Opfer: „Ich möchte erzählen, aber ich schäme mich; eine Jugendliche: „Was fragen Sie so komisches
Zeug? Ich bin vergewaltigt worden. Tun Sie endlich etwas! Tun sie etwas mit dem Täter, nicht mit
mir!“ Ein Mann als Opfer mit 9 Jahren sagt 23 Jahre nach der Tat: „Ich war bei einer Beratungsstelle
und Therapeutin. Jetzt kann ich reden und möchte, dass der „Siech“, der immer noch Lehrperson ist,
gestoppt wird.“ Das war ein Ausschnitt der Ziele der Opfer und der Erwartungen an uns.
Das Ziel und die Aufgabe der Befrager besteht darin, möglichst viele Details vom Opfer zu erfahren,
damit die Täter gesichert werden können. Damit diese allenfalls nicht weitere Opfer erzeugen
werden. Das heisst, wir sind bestrebt, möglichst viele Details vom Kerngeschehen im Intimbereich zu
erfahren, mit dem Ziel, gerichtsverwertbare Aussagen einzufangen und allenfalls Sachbeweise zu
finden. Dabei ist das Wohl des Opfers zu berücksichtigen. Es soll nicht retraumatisiert werden!
Wie wir sehen, wird diese gemeinsame Arbeit für beide eine Herausforderung. Schauen wir jetzt
diese Arbeit an.
Siehe Folie 11: Die Ermittlerin verschafft sich am Anfang mit dem Opfer eine bestmögliche Übersicht:
Handelt es sich um ein Verbrechen? Welche Straftat liegt vor? Vergewaltigung (Eindringen mit Penis
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in Vagina), sexuelle Nötigung (anal, oral, etc.)?
Wann hat was stattgefunden?
Bei schweren Delikten wie sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, ist die Frage „Wann“ von zentraler
Bedeutung. Denn innerhalb von ca. 72 Stunden besteht die Chance, Spuren in den Körperhöhlen
oder auf dem Körper sicherzustellen, vor allem Sperma. Aber auch an den Kleidern. Das bedeutet
deren Sicherstellung. Die Ermittlerin begibt sich mit dem Opfer zur Untersuchung ins Spital. Der
Rechtsmediziner untersucht mit seinem forensischen Blick den Körpermantel des Opfers, die
Gynäkologin aus ihrer Fach-Sicht die Körperhöhle. Es geht dabei um die Feststellung von
Verletzungen, Sicherstellung von Sachbeweisen wie Sperma, DNA sowie um Prävention:
postexpositionale HIV/AIDS-Prophylaxe, allenfalls die Pille danach. Beweisfotos sind notwendig.
Diese werden durch den Forensiker erstellt, solche vom Intim-Bereich durch den Arzt. Wo? hat sich
der Vorfall ereignet und womit? Am Tatort suchen Detektive, allenfalls Kriminaltechniker, „Streife“
der Sicherheitspolizei, Diensthund nach Spuren und der Tatwaffe und erstellen Tatort-Fotos. Wer
war es? Ist der Täter bekannt, erfolgt die Fahndung evtl. Verhaftung. Spezialisten befragen die
beschuldigten Personen. Allenfalls kommen ein Polizei-Offizier sowie ein Staatsanwalt vor Ort.
Diese Vorkehrungen dienen erst einmal dem Sachbeweis! Dieser soll verhindern, dass Aussage gegen
Aussage steht. Alles im roten Kreis erarbeitet die Ermittler- und Befragerin mit dem Opfer
zusammen. Und jetzt braucht es noch die wichtige detaillierte Erstbefragung des Opfers.
Der Körper des Opfers kann „als wichtigster Teil des Tatortes“ bezeichnet werden und die Psyche als
„Zugang zu Aussagen als Beweismittel“. Diese Aussagen haben eine zentrale Bedeutung im
Strafverfahren, zumal vielfach auch keine Sachbeweise vorhanden sind.
Wir sind nun schon mitten im Themenfokus:
Das Problem des Beweises und die Crux der vielen intimen Fragen (siehe Folie 12)
Dieses Prozedere ist vielfach der grösste Stress im Gesamten.
Wir suchen objektive Wahrheiten. Eine Wanderung, ein Sexualdelikt sind objektive Wahrheiten;
werden jedoch subjektiv empfunden. Denn jeder empfindet individuell, und sieht wie vorhin
erwähnt, durch die persönliche Brille seiner Vorgeschichte. Je gesünder und unbelasteter wir
Menschen sind, desto näher kommen wir beim Schildern und Erinnern an die objektive Wahrheit.
Um nahe an diese zu kommen braucht es viele Fragen. Denn Richter, Staatsanwälte, Polizisten waren
bei diesen Straftaten nicht dabei. Sie können den Sachverhalt nur nachlesen oder selber fragen.
Deshalb sind Details erforderlich. Details über die „W-Fragen“: Was, wann, wo hat wer gemacht,
wie, womit und warum?
Die Handlungen sollten bestmöglich wie in einem Film nachvollzogen werden können. Je besser ein
Opfer selber erzählen kann, umso einfacher für beide Seiten. Je schlechter sein allgemeiner und
kognitiver Zustand ist, desto mehr muss erfragt, nachgefragt, ja nachgehakt werden. Wie bei einem
Riesen-Puzzle muss man die einzelnen Teile suchen, die letztlich eine Übersicht, ein Bild geben sollen
(siehe Folie 13). Das braucht Zeit, viel Zeit. Je nach Zustand des Opfers braucht es Pausen; oder eine
Verschiebung für die Fortsetzung der Befragung.
Bedauerlicherweise gibt es auch das leidige Thema der vermeintlichen Opfer und falschen
Anschuldigungen, sowie der Lügengeschichten zum Zwecke von Eigen- oder Fremdinteressen. Der
klare Fall mit der klassischen Vergewaltigung, dem Unbekannten aus dem Busch ist selten. Wir hören
mehrheitlich unübersichtliche Erzählungen, bei denen die Redewendung „Licht ins Dunkel bringen“
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angebracht ist. Komplizierte wahre Geschichten, falsche, und halb-wahre. Beispiel einer halb-wahren
Geschichte:
Eine Jugendliche zeigt ihren Vater an: „Er hat mich geschlagen, und gequält. Dabei war er immer
besoffen. Während des Berichtens weint sie Riesentränen. Mit gegen hundert Fragen wird folgendes
aufgeklärt: Ihre psychisch kranke Mutter, die in Scheidung lebte, legte ihrer Tochter diese schriftlich
aufgesetzte Geschichte vor, die sie auswendig lernen musste und drohte ihr mit dem Tod, sollte sie
diese nicht der Polizei zu Protokoll geben. Die Tränen waren echt – nur die Geschichte verquer. Als
Polizist muss man im Tiefsten der Seele wissen: „Es gibt nichts, das es nicht gibt“. Übergehen wir
diese Tatsache, wird es noch mehr Unrecht geben und wir kreieren neue Opfer. Auch deshalb
braucht es die vielen Fragen.
Wir fragen die Opfer: „Wie geht es Ihnen jetzt?“ Meiner Erfahrung nach haben es die Opfer als
anstrengend und trotzdem auch als Erleichterung empfunden: weil sie reden konnten. Sie fühlten
sich ernst genommen, weil man alles genau wissen wollte.
Die detaillierte Befragung wird nun zusammen mit dem Ermittlungs-Rapport der Staats- evtl.
Jugendanwaltschaft zugestellt.
Zu den Herausforderungen haben wir einiges gehört. Vor diesem Hintergrund halten wir jetzt
Ausschau nach fachgerechtem Vorgehen, zuerst bei der Polizei und dann an den Schnittstellen mit
den Fachpartnern.
Dazu müssen wir fragen: Was ist fachgerecht? „State oft the art“ oder „lege artis“ heisst: „nach allen
Regeln der Kunst“, sprich, nach bestem Wissen. – Aber welches WISSEN? Fragen wir doch das Opfer:
„Mensch, sag mir, was ich von Dir wissen muss, damit ich mit Dir fachgerecht arbeiten kann!“
Die Antwort lautet (siehe Folie 14): Von mir und meiner Versehrung! Von meinem Trauma nach der
Tat. Von meinen Stress-Reaktionen, den verschiedenen psychischen, und physischen Folgestörungen.
Ein Kleinkind sagt: Von mir als Kleinkind müsst ihr von meinem altersentsprechenden
Entwicklungsstand wissen: Fragt mich nicht, wann etwas passiert ist. Ich kenne doch nur „achti“ von
Mamas Gute-Nacht-Geschichte. Aber wenn ich „achti“ sage, dann sagt der Verteidiger vom bösen
Onkel Charlie vor Gericht: Das Kind ist unglaubwürdig, es war 14:25 Uhr.
Wir haben sie gehört, die Opfer. Und für die Arbeit mit ihnen, braucht es eine angepasste
Kommunikation. Leitlinien für ein fachgerechtes Vorgehen sind: die Bedürfnisse der Opfer.
Es gilt also einerseits, das eigene Berufsfeld top zu kennen und im angrenzenden Fachbereich im
Nötigen geschult und informiert zu sein. Das ist anspruchsvoll! Sind wir fit dazu? Bekommen wir
genügend Unterstützung? Als Rednerin seitens der Polizei gehe ich zuerst bei uns über die Bücher.
Was darf das Opfer von der Polizei bis jetzt erwarten? (Siehe Folie 15)
- Die Polizei rückt immer aus, wenn Menschen in Not sind, das heisst, es besteht ein 24 StundenBereitschaftsdienst.
- Sie ermittelt die Tat detailliert und schöpft alle Ermittlungsansätze aus, wie Sie teilweise gesehen
haben.
- Sie informiert das Opfer über seine Rechte und die Opferhilfestellen. Das Opferhilfe-Formular
wird immer erklärt. Aspiranten in Zürich werden diesbezüglich während 5 Stunden vertieft
geschult.
- Das Schweizerische Polizei-Institut SPI und die Fachhochschule Luzern bieten Fachkurse an.
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Leider können diese nur wenige Spezialisten besuchen (Kosten).
Reicht das? - Wir haben vorhin die Opfer gehört!
Der Schutz eines Opfers ergibt sich bereits aus den Grundsätzen in der Bundesverfassung.
Leib und Leben sowie die sexuelle Selbstbestimmung sind absolut geschützte Rechtsgüter. Was fehlt
also aktuell für ein fachgerechtes Umgehen nach „lege artis“?
Optimierungen Polizei / Staatsanwaltschaft (siehe Folie 16)
Es fehlt: Institutionalisierte Aus- und Weiterbildung der Opfer-Befrager (Folie)
Opfer sind Beweismittelträger. Die Polizei ist oft Person der ersten Stunde im Umgang mit ihnen.
Dieser Umgang ist zentral für das ganze Strafverfahren und soll deshalb professionell sein. OpferBefragung ist nicht gleich wie Täter-Befragung. Deshalb muss Inhalt und Form anders geschult und
trainiert werden. Welche Themen haben uns die Opfer vorhin aufgezeigt? Es braucht folgendes:
- Fragetechnik –Taktik
Vermehrt geschult werden müssen: „Trichtertechnik“, d.h. offene, halboffene Fragen und
Kommunikations-Möglichkeiten, wenn die Befragung stockt wegen Scham und/oder Angst.
- Straftatbestandsmerkmale
Ohne Vorliegen sämtlicher Straftat-Elemente ist ein Delikt nicht zu ahnden.
Der Befrager muss genaue Kenntnisse der objektiven und subjektiven Straftatbestandsmerkmale der
Sexualdelikte usw. haben.
- Relevante Aspekte von Traumata und Folgestörungen
Wie und wann sich eine akute Belastungs-Reaktion, eine PTBS äussert. Was Dissoziieren bedeutet.
Damit wir nicht mehr sagen: Spinnt die?
Wie vermittle ich Sicherheit, den Königsweg zur Beruhigung? Um mit einem Menschen im AngstStress zu reden muss eine Beruhigung erreicht werden. Ohne diese ist eine Kommunikation
unmöglich, wir erhalten keine Hinweise für die Strafverfolgung!
- Projektionen und Reaktionen (bzw. Übertragung und Gegenübertragung)
Wir alle unterliegen seit Kindsbeinen solchen Phänomenen. Wir müssen darüber wissen, um in der
Befragung nicht unbewusst zum Spielball des Gegenübers zu werden.
- Professioneller Umgang mit Schamgefühlen
Umgang mit den eigenen Schamgefühlen; Wir müssen erklären können, weshalb wir fragen und uns
getrauen, intime Fragen zu stellen!
Kindsopfer-Befragungen (siehe Folie 17)
Aus- und Weiterbildungs-Standard institutionalisiert verbessern
Wir müssen den Standard verbessern, und zwar in allen Kantonen!
Gleicher Standard in allen Kantonen
Dem ist nicht so. Das Gesetz fordert für das Opfer eine Spezialistin im Technik-Raum, die eigens in
Kinderbelangen geschult ist. In einigen Kantonen ist immer eine spezifisch ausgebildete Pädagogin
oder Psychologin dabei. In anderen aber nicht.
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Institutionalisierte Fallbesprechungen mittels eigenen Videosequenzen
Um die heikelsten Kinderbefragungen wirklich fair und professionell durchführen zu können, bedarf
es ständiger Förderung mit konstruktiver Kritik: dies zusammen mit externen Spezialisten mit
entwicklungspsychologischem Hintergrund. Das ist für Kindsopfer-Befrager ein MUSS! Das haben
bloss ca. vier Kantone der Deutsch-Schweiz. Beispiele: Zürich hat dafür das >Marie-Meierhofer
Institut für das Kind<, Bern einen Coach vom Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst (KJPD).
Budgetieren / Sensibilisieren
Das Wissen um die Herausforderung der Opferbefragungen muss viel mehr sensibilisiert werden.
Jeder Beteiligte muss für das Wissen um die Herausforderung der Opferbefragungen viel mehr
sensibilisiert werden.
Vom Kommando bis zur Front und umgekehrt muss klar sein, dass diese Herausforderung von allen
getragen werden muss. Erst dann wird die Opfer-Arbeit ernst genommen. Dazu müssen zwingend
Mittel gesprochen, bzw. ein gesichertes Budget innerhalb der Polizei zur Verfügung gestellt werden.
Dazu braucht es dringend auch die Unterstützung von Politikern.
Schutz für Fachkräfte (siehe Folie 18)
Gefordert sind: endlich institutionalisierte Coaching-Möglichkeiten, so dass nicht jene, die sie nutzen
wollen, ausgelacht werden.
Arbeitsgruppe «Opfer Sexualdelikte»
Diese wurde von der Stadtpolizei Zürich speziell neu geschaffen, um Mängel Abteilungs-übergreifend
aufzuarbeiten.
Fachstelle Opferbelange
Diese kann z.B. aus 1-2 Personen bestehen und hat für Optimierungen zu sorgen.
Pflege und Controlling des Standards (lege artis; state of the art) (siehe Folie 19)
Im Gegensatz zur Täter-Arbeit ist Opfer-Arbeit eher unattraktiv. Die Täter-Arbeit, auch schwierig,
zeigt bei einer Verhaftung gegen aussen sichtbaren Erfolg. Die Opfer-Arbeit ist substanzraubend im
auf der emotionalen Ebene, heikel, verschleisst, braucht extrem Zeit und kann den Tag der
Ermittlerin mit Endlosschlaufen im Kopf beenden lassen. Diese lange Arbeit zeigt auf den ersten Blick
nach aussen keine Früchte. Ich wage zu sagen, dass sich dies auf vieles und Viele überträgt und wird
deshalb oft vernachlässigt; schlimmer, nicht erkannt. Deshalb müssen wir uns für die Opfer-Arbeit oft
zum unattraktiven Monsterchen verwandeln, um immer wieder Breschen dafür in die
Fachlandschaft zu schlagen, wie wir es hier tun, weil sie sonst rasch mit von angeblich Wichtigerem
überwuchert wird. Was vorhin als Optionen aufgezählt wurde darf kein JEKAMI sein: Sie müssen
unbedingt institutionalisiert und einem stetigen Controlling unterzogen werden.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Rollen (siehe Folie 20)
Um nun in den verschiedenen Fachrollen nach Optimierungen an den Schnittstellen Ausschau zu
halten, wollen wir sie zuerst kurz vergleichen, zum besseren Verständnis. Wo sind Gemeinsamkeiten
und Unterschiede in unserer Arbeit mit Opfern? Ein paar Beispiele:
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Berufsfelder
Gesetzlich Opfer
Begriff:
Patient, Klient
Ist neutral
Rolle:
Ist Vertrauensperson, Partei
(wie persönlicher Anwalt)
Ist neutral. Suche nach Sachverhalt
Opferwohl wollen beide
Unterstützen wollen beide
Ziele:
Arbeit u.a. mit subjektiver Wahrheit
Opferwohl wollen beide
Unterstützen wollen beide
Beziehung, Kontaktebene
brauchen beide
Ermutigen wollen beide
Offene W-Fragen ein MUSS
Suggestiv-Fragen ein TABU
- Retraumatisieren:
wollen beide vermeiden
- Projektionen: hinderlich
- Widerstände, Abwehrverhalten:
behindern nur
- Dissoziieren:
macht Arbeit fast unmöglich
- Seltsames Verhalten:
negativ für Glaubwürdigkeit
- Bewusste Unwahrheit:
erfordert Ahndung
Notwendig:
Beziehung, Kontaktebene
brauchen beide
Gesprächstechniken: Ermutigen wollen beide
Verschiedene Therapieformen
Umgang mit
Opferverhalten:
- Retraumatisieren:
wollen beide vermeiden
- Projektionen: hilfreich für Arbeit
- Widerstände, Abwehrverhalten:
mögliche Arbeit damit
- Dissoziieren: arbeiten damit
- Seltsames Verhalten:
Arbeitsmaterial
- Bewusste Unwahrheit:
ist Arbeitsmaterial
Optimierung Schnittstellen (siehe Folie 21)
Einige Anregungen.
Wir Fachleute brauchen einander an den Schnittstellen. – Dies zum Wohle des Opfers.
Wir können genseitig geben und nehmen, wenn vorhandene Widerstände einmal abgebaut sind.
„Ich bin doch Polizist und kein Psychiater oder Sozialarbeiter.“
„Ich bin Therapeut und spiele doch nicht Polizist in der Therapie.“
„Ich bin doch Staatsanwalt und habe juristisch herauszufinden, ob ein Straftatbestand erfüllt ist.“
„Wir Beratungsstellen sind doch für Opferhilfe da.“ Wie Recht WIR ALLE haben.
Jeder hat ganz klar seine eigene Berufs-Rolle möglichst professionell auszuüben… UND kommt
gerade deshalb nicht umhin, an den Schnittstellen die angrenzenden Disziplinen zu kennen, zu
verstehen, will man von Professionalität im Gesamten sprechen.
Was können wir also an den Schnittstellen für einander tun, um dem Opfer gerecht zu werden?
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Siehe Folie 22 - Bild Chamäleon: „Mit den Augen des anderen sehen, mit den Ohren des anderen
hören und mit dem Herzen des anderen fühlen.“ Worte von Alfred Adler im letzten Jahrhundert.
Beispiele:
Schauen wir beim Therapeuten/Berater:
Ist ein Patient immer noch in Gefahr und zu instabil für eine Anzeige, so kann der Therapeut, mit
Einverständnis des Patienten, über kurze oder lange Zeit die „W-Fragen“ während den Settings
notieren: Wer hat was, wann, wo, wie, womit gemacht. Ist dann die Zeit für eine Anzeige bei der
Polizei gekommen, auch nach Jahren, sind die notwendigsten Angaben vorhanden und nicht
vergessen. Ist der Patient evtl. nie so stabil, dass er einer Befragung standhalten kann, so kann der
Therapeut, mit Einverständnis des Patienten, allenfalls als Auskunftsperson befragt werden. Diese
Angaben können womöglich helfen, Sachbeweise zu finden (siehe Folie 21).
Umgekehrt sollen Polizei und Staatsanwaltschaft fachspezifische kompetente Ansprechpartner für
die Psychologische und Soziale Seite stellen, so dass sie kompetente Infos erhalten. Wie ist der
Verlauf von der Anzeige bis Ende Strafverfahren? Wo kann es Fall-Stricke geben? Es soll sinnvolles
Vorgehen aufgezeigt werden.
Die Staatsanwaltschaft könnte Polizeispezialisten für Opfer-Einvernahmen anhand von Beispielen
gezielte Weiterbildung vermitteln, z.B. in den Bereichen: Erkennen von Aufhängern für
Straftatbestand, Erkennen und Beachten der Prozessualen Regeln. Aufzeigen, wie der Ermittler
zudienen kann, damit der Staatsanwalt im entsprechenden Fall gerichtsverwertbares Material zur
Verfügung hat.
Alle Staatsanwälte könnten, mit Verlaub auch Richter, sich vermehrt in den angrenzenden
Fachdisziplinen schulen lassen. Sie bräuchten dringend auch mehr Wissen über „seltsames
Verhalten“ von Opfern, sprich Trauma und Folge, und den damit verbundenen Stressreaktionen.
Wozu? Weil gerade dieses seltsame Verhalten unglaubwürdig wirkt. Wichtig wären insbesondere
auch Kenntnisse vom Umgang mit behinderten Menschen.
An diesen Zipfeln (siehe Folie 21: roter Kreis) unserer verschiedenen Fach-Rollen braucht es enge
Zusammenarbeit, sollen Opfer überhaupt eine Chance haben. Wenn wir es ernst meinen, dann
müssen wir die folgenden Botschaften (siehe Folie 23) weitertragen und gewillt sein, manchmal auch
unattraktiv die noch nicht Interessierten im Fachbereich zu sensibilisieren. Sei dies ein Frontmensch,
ein Kommandant, Staatsanwalt oder Richter einerseits und andererseits ein Mediziner, Psychologe,
Berater, Sozialarbeiter.
Botschaft: (siehe Folie 23)
Opfer ernst nehmen und seine Würde sichern:
 Institutionalisierte Weiterbildung und Coaching für Opfer-Befrager
 Kompetente Ansprechpartner an den Schnittstellen
 Controlling für Opferbelange in sämtlichen Fachbereichen
Zum Schluss: Bei der Polizei sind wir auf dem Weg. Das hat ein kleiner Erdenbürger festgestellt und in
der Befragung mitgeteilt. Mit seinen Worten schliesse ich:
Befragerin: „Hier hat es viele Polizisten. Weisst Du, was die Polizei macht?“ Kleinkind Nobi: „Ja!“
Befragerin: „Was?“ Kleinkind Nobi: „SCHAFFE!“