Rechtswissenschaftliche Fakultät Übungen im Sachenrecht Übung vom 23./26. Februar und 01./04./08./11./15. März 2016 Fall 6 – Die Probleme mit dem Luxus RA Dr. Philip R. Bornhauser, LL.M. (Berkeley), MCIArb Lehrbeauftragter an der Universität Zürich Rechtswissenschaftliche Fakultät Ziele - Systematik der Fall-Lösung - Anspruchsmethode und Historische Methode - Besitz: Formen, Übertragung - Besitzesschutz und Besitzesrechtsschutz - Eigentum: Erwerbsarten, Vermutungen - Durchsetzung sachenrechtlicher Ansprüche Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 2 Rechtswissenschaftliche Fakultät Ausgangslage - Habe ich den Sachverhalt verstanden? - Um was geht es eigentlich? Wo liegen die Probleme? - Welche Fragen muss ich beantworten? 1. Sachverhaltsanalyse 2. Lösungsskizze 3. Fall-Lösung zu Papier bringen Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 3 Rechtswissenschaftliche Fakultät Ausgangslage (Sachverhaltsanalyse) Beteiligte Parteien (Zeichnen Sie immer den SV!) Leihe Karl Fabio Kaufvertrag; 2014 Art. 305 ff. OR Beschlagnahme Uhrenmesse Paul Dieb Moritz Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Einbruchdiebstahl Sommer 2013 Seite 4 Rechtswissenschaftliche Fakultät Fragestellung Wie beurteilen Sie die sachenrechtlichen Ansprüche? Wer hat welche Ansprüche gestützt auf Sachenrecht? Wer kann gegen wen wie vorgehen gestützt auf Sachenrecht? Ansprüche aus Eigentum Ansprüche aus Besitz Was gibt keine Punkte: - Qualifikation der Vertragsverhältnis (Kaufvertrag, Leihe etc.) - Rückforderungsansprüche gestützt auf diese Verträge Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 5 Rechtswissenschaftliche Fakultät Ausgangslage (Sachverhaltsanalyse) Mögliche Probleme im Sachverhalt Leihe Karl Fabio Art. 305 ff. OR Beschlagnahme ? Kaufvertrag; 2014 Uhrenmesse ? Paul Dieb ? Moritz Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Einbruchdiebstahl Sommer 2013 Seite 6 Rechtswissenschaftliche Fakultät Welche Fragen muss ich beantworten? Grundfrage: Wer will was von wem woraus? (Anspruchsmethode) Moritz: - Ansprüche aus Eigentum? - Ansprüche aus Besitzesrecht? Fabio: - Ansprüche aus Eigentum? - Ansprüche aus Besitzesrecht? Karl: - Ansprüche aus Besitzesrecht? Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 7 Rechtswissenschaftliche Fakultät Welche Fragen muss ich beantworten? Grundfrage: Wer will was von wem woraus? (Anspruchsmethode) Moritz: - Ansprüche aus Eigentum? - Ansprüche aus Besitzesrecht? Beginnen Sie hier! Fabio: - Ansprüche aus Eigentum? - Ansprüche aus Besitzesrecht? Karl: - Ansprüche aus Besitzesrecht? Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 8 Rechtswissenschaftliche Fakultät Besitz und Eigentum im Überblick Besitz = tatsächliche Gewalt über eine Sache (Art. 919 Abs. 1 ZGB) Eigentum = dingliches Vollrecht (Art. 641 Abs. 1 ZGB) Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 9 Rechtswissenschaftliche Fakultät Besitz und Eigentum im Überblick Besitz (Art. 919 ff. ZGB) Eigentum (Art. 641 ff. ZGB) - unmittelbarer Besitz - Grundeigentum, Art. 655 ff. - mittelbarer Besitz - Stockwerkeigentum, Art. 712a ff. - selbständiger Besitz - Fahrniseigentum, Art. 713 ff. - unselbständiger Besitz - Besitzdiener Neben dem Vollrecht existieren : - beschränkte dingliche Rechte - Pfandrechte - obligatorische Rechte Zentrale Vermutung: Art. 930 und Art. 931 Abs. 2 ZGB Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 10 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Moritz Eigentumsklage (Art. 641 Abs. 2 ZGB) - Eigentümerstellung - Kein unmittelbarer Besitz - Keine besseres Recht des Beklagten Eigentumsklage ist die Klage des nichtbesitzenden Eigentümers gegen den besitzenden Nichteigentümer. Kurz: - Eigentümer - Besitz - Kein Recht zum Besitz Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 11 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Moritz Eigentumsklage (Art. 641 Abs. 2 ZGB) - Eigentümerstellung Historische Methode Prüfen Sie entlang der Ereigniskette X war Eigentümer von …; er könnte dieses Eigentum durch … verloren haben. Laut Sachverhalt war Moritz Eigentümer der "Grand Complications"-Uhr. Er könnte das Eigentum an der Uhr durch den Verkauf an der Uhrenmesse an Fabio verloren haben. Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 12 Rechtswissenschaftliche Fakultät Fahrniseigentum: Arten des Erwerbs Derivativer Erwerb Originärer Erwerb - Übertragung (Art. 714 Abs. 1 ZGB) - Aneignung (Art. 718 ZGB) - Universalsukzession (z.B. Erbgang, Art. 560 ZGB oder Fusion laut FusG) - Fund (Art. 722/723 ZGB) - Zuführung (Art. 725 ZGB) - Verarbeitung (Art. 726 ZGB) - Verbindung und Vermischung (Art. 727 ZGB) - Ersitzung (Art. 728 ZGB) - Zuschlag bei öffentlicher Versteigerung (Art. 235 Abs. 1 OR) Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 13 Rechtswissenschaftliche Fakultät Derivativer Erwerb Übertragung gestützt auf Art. 714 Abs. 1 i.V.m. Art. 922 ZGB Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 14 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Moritz Eigentumsklage (Art. 641 Abs. 2 ZGB) - Eigentümerstellung Hat Moritz das Eigentum verloren durch a) den Diebstahl? b) den Verkauf der Uhr an Fabio? c) die Übergabe der Uhr von Fabio an Karl? d) die Beschlagnahme der Uhr von Paul? Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 15 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Moritz Eigentumsklage (Art. 641 Abs. 2 ZGB) - Eigentümerstellung Hat Moritz das Eigentum verloren durch a) den Diebstahl? Nein, Moritz hat die Uhr nicht übergeben und es fehlte am Willen. Der Dieb wurde daher nicht Eigentümer, ergo kann er kein Eigentum übertragen. b) den Verkauf der Uhr an Fabio an der Uhrenmesse? Nein, weil der Verkäufer selber nicht Eigentümer wurde, kann er demzufolge auch kein Eigentum übertragen. aber: Art. 714 Abs. 2 ZGB könnte einschlägig sein Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 16 Rechtswissenschaftliche Fakultät Eigentumsübertragung laut Art. 714 Abs. 2 ZGB Voraussetzung: - guter Glaube (Art. 3 ZGB) wird vermutet (Art. 3 Abs. 1 ZGB) - geschützt nach Besitzesregeln (Art. 933 ff. ZGB) Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 17 Rechtswissenschaftliche Fakultät Besitzesrechts- oder Fahrnisklage – Art. 934 ZGB Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 18 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Moritz Eigentumsklage (Art. 641 Abs. 2 ZGB) - Eigentümerstellung Hat Moritz das Eigentum verloren durch a) den Diebstahl? Nein, Moritz hat die Uhr nicht übergeben und es fehlte am Willen. Der Dieb wurde daher nicht Eigentümer, ergo kann er kein Eigentum übertragen. b) den Verkauf der Uhr an Fabio an der Uhrenmesse? Nein, weil der Verkäufer selber nicht Eigentümer wurde, kann er demzufolge auch kein Eigentum übertragen. aber: Art. 714 Abs. 2 ZGB könnte einschlägig sein Fazit: Moritz ist noch Eigentümer, weil die 5-jährige Rückforderungsfrist ist noch nicht abgelaufen. Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 19 Rechtswissenschaftliche Fakultät Besitzesrechts- oder Fahrnisklage – Art. 934 ZGB Lösungsrecht (Art. 934 Abs. 2 ZGB) muss geltend gemacht werden Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 20 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Moritz Eigentumsklage (Art. 641 Abs. 2 ZGB) - Eigentümerstellung Hat Moritz das Eigentum verloren durch c) die Übergabe der Uhr von Fabio an Karl? Nein, Fabio kann kein Eigentum übertragen und er wollte es auch nicht; Grundlage der Besitzesübertragung war die Leihe. d) die Beschlagnahme der Uhr von Paul? Nein, Paul handelte als Polizist und wollte nie Eigentümer werden. Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 21 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Moritz Eigentumsklage (Art. 641 Abs. 2 ZGB) - Eigentümerstellung Hat Moritz das Eigentum verloren durch a) den Diebstahl? ( – ) b) den Verkauf der Uhr an Fabio? ( – ) c) die Übergabe der Uhr von Fabio an Karl? ( – ) d) die Beschlagnahme der Uhr von Paul? ( – ) Fazit: Moritz hat das Eigentum an der Uhr nicht verloren und deshalb ist er aktivlegitimiert im Sinne von Art. 641 Abs. 2 ZGB. Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 22 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Moritz Eigentumsklage (Art. 641 Abs. 2 ZGB) - Eigentümerstellung (+) - Kein unmittelbarer Besitz (+), weil die Uhr aktuell bei Paul ist; die Polizei ist passivlegitimiert, weil die Uhr in ihrem Besitz ist [Paul ist i.c. Besitzdiener, nicht aber passivlegitimierter Besitzer] - Keine besseres Recht des Beklagten (+), weil die Polizei ohne Rechtsgrund besitzt; allenfalls könnte sie das Lösungsrecht i.S.v. Art. 934 Abs. 2 ZGB geltend machen. Ergebnis: Moritz kann die Uhr von der Polizei gestützt auf Art. 641 Abs. 2 ZGB vindizieren. Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 23 Rechtswissenschaftliche Fakultät Welche Fragen muss ich beantworten? Grundfrage: Wer will was von wem woraus? (Anspruchsmethode) Moritz: - Ansprüche aus Eigentum? - Ansprüche aus Besitzesrecht? Fabio: - Ansprüche aus Eigentum? - Ansprüche aus Besitzesrecht? Karl: - Ansprüche aus Besitzesrecht? Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 24 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Moritz aus Besitz Besitzesschutz Besitzesrechtsschutz - Art. 926–929 ZGB - Art. 930–937 ZGB - Störung des Besitzes durch verbotene Eigenmacht - Streit um Rechte - Bestehendes Besitzesverhältnis - Vermutungen (Art. 930, 931 ZGB) - Aktivlegitimiert: Besitzer - - Passivlegitimiert: Störer Besondere Verteidigungs- und Angriffsmöglichkeiten (Art. 932 bis Art. 936 ZGB) Mittel Rechtsfolgen: - Pflicht, die Störung zu unterlassen Rechtsfolgen/Wirkung: - Abwehrrecht (ohne Klage) - Defensivwirkung - Gerichtlicher Rechtsschutz - Fahrnisklage (Art. 934 ZGB) Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 25 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Moritz aus Besitz Art. 927 ZGB richtet sich gegen den aktuellen Besitzer, sofern sich dieser die Sache durch verbotene Eigenmacht angeeignet hat. Fazit: Paul ist ex lege berechtigt, die Uhr zu beschlagnahmen. Mangels verbotener Eigenmacht, ist Art. 927 ZGB nicht einschlägig. Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 26 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch gestützt auf Besitzesrechtschutz Voraussetzung: - gestohlene, verlorene oder wider Willen abhanden gekommene Sache - (gutgläubiger) Empfänger - Rückforderung innert 5 Jahren Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 27 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Moritz aus Besitzesrechtsschutz Fahrnisklage gestützt auf Art. 934 Abs. 1 ZGB - gestohlene , verlorene oder wider Willen abhanden gekommene Sache (+), laut Sachverhalt wurde ihm die Uhr im Sommer 2013 gestohlen - (gutgläubiger) Empfänger (+), Polizei ist passivlegitimiert, s.o.; allenfalls kann das Lösungsrecht gestützt auf Art. 934 Abs. 2 ZGB geltend gemacht werden - Rückforderung innert 5 Jahren (+), Sommer 2013 bis März 2016 ≠ 5 Jahre Ergebnis Moritz kann die Uhr gestützt auf die Fahrnisklage herausverlangen. Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 28 Rechtswissenschaftliche Fakultät Welche Fragen muss ich beantworten? Grundfrage: Wer will was von wem woraus? (Anspruchsmethode) Moritz: - Ansprüche aus Eigentum? - Ansprüche aus Besitzesrecht? Fabio: - Ansprüche aus Eigentum? - Ansprüche aus Besitzesrecht? Karl: - Ansprüche aus Besitzesrecht? Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 29 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Fabio - rei vindicatio (Art. 641 Abs. 2 ZGB) (–), weil Fabio nicht Eigentümer wurde fehlt ihm die Aktivlegitimation Art. 934 Abs. 1 ZGB: innert der 5-jährigen Frist Art. 728 Abs. 1 ZGB: nicht unangefochten, nicht während 5 Jahren - Besitzesschutzklage (Art. 927 Abs. 1 ZGB) (–), weil Karl keine verbotene Eigenmacht übte - Besitzesrechtsklage/Fahrnisklage (Art. 934 Abs. 1 ZGB) (–), weil Fabio freiwillig an Karl übergeben hat, ist ihm die Uhr somit "nicht gestohlen worden oder wider seinen Willen abhanden gekommen" aber: Lösungsrecht (Art. 934 Abs. 2 ZGB) könnte einschlägig sein. Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 30 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Fabio - Lösungsrecht (Art. 934 Abs. 2 ZGB) (+), weil Fabio die Uhr an der Uhrenmesse erworben hat Fazit: Fabio kann den Kaufpreis von Moritz fordern. Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 31 Rechtswissenschaftliche Fakultät Welche Fragen muss ich beantworten? Grundfrage: Wer will was von wem woraus? (Anspruchsmethode) Moritz: - Ansprüche aus Eigentum? - Ansprüche aus Besitzesrecht? Fabio: - Ansprüche aus Eigentum? - Ansprüche aus Besitzesrecht? Karl: - Ansprüche aus Besitzesrecht? Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 32 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Karl - Besitzeschutzklage (Art. 927 Abs. 1 ZGB) (–), weil Paul als Polizist keine verbotene Eigenmacht übte - Besitzesrechtsklage/Fahrnisklage (Art. 934 Abs. 1 ZGB) (–), weil Sachen, die aufgrund rechtsstaatlicher Prozesse herausgegeben werden müssen, nicht als abhanden gekommen gelten (BSK ZGB II-Ernst, Art. 934 N 5) - Lösungsrecht (Art. 934 Abs. 2 ZGB) (+), weil Karl unselbständiger Besitzer ist, kann er das Lösungsrecht seines Vormannes geltend machen (BSK ZGB II-Ernst, Art. 934 N 22; BGE 71 II 90, 93) Fazit: Karl kann den Kaufpreis, den Fabio bezahlt hat, für Letzteren von Moritz fordern. Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 33 Rechtswissenschaftliche Fakultät Welche Fragen muss ich beantworten? Grundfrage: Wer will was von wem woraus? (Anspruchsmethode) Moritz: - Ansprüche aus Eigentum? - Ansprüche aus Besitzesrecht? Fabio: - Ansprüche aus Eigentum? - Ansprüche aus Besitzesrecht? Karl: - Ansprüche aus Besitzesrecht? Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 34 Rechtswissenschaftliche Fakultät Ergebnis Moritz kann die Uhr gestützt auf die rei vindicatio (Art. 641 Abs. 2 ZGB) herausverlangen. Falls es entsprechend geltend gemacht wird, bekommt er die Uhr nur, wenn Moritz dem Fabio den Kaufpreis erstattet, den dieser an der Uhrenmesse bezahlt hat. Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 35 Rechtswissenschaftliche Fakultät … und es gibt die Uhr wirklich Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 36 Rechtswissenschaftliche Fakultät Fall 2 – Sachverhaltsanalyse Beteiligte Parteien (Zeichnen Sie immer den SV!) Ferrari Verkäufer Kaufvertrag; 2014 Manfred Anton Rückgabe Mitte Januar 2016 (?) Auftrag Schlüsseldienst "Überbrückungskredit" gegen Absicherung Fälligkeit: 1. Februar 2016 Christian Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 37 Rechtswissenschaftliche Fakultät Fall 2 – Sachverhaltsanalyse Mögliche Probleme im Sachverhalt Ferrari Verkäufer Kaufvertrag; 2014 Manfred Rückgabe Mitte Januar 2016 Herausgabe des Lamborghinis Anton (?) Auftrag Schlüsseldienst "Überbrückungskredit" gegen Absicherung Fälligkeit: 1. Februar 2016 Christian Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 38 Rechtswissenschaftliche Fakultät Fragestellung Wie beurteilen Sie diese Situation? Was kann Christian gegen Manfred unternehmen? Ansprüche aus Besitz Ansprüche aus Pfandrecht Was gibt keine Punkte: - Ausführungen zum Rückforderung des Geldes aus Darlehensvertrag - Ausführungen zu allfälligen bereicherungsrechtlichen Ansprüchen Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 39 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Christian aus Besitz Besitzesschutzklage, Art. 927 Abs. 1 ZGB Passivlegitimation von Manfred (–), weil Anton das Auto durch verbotene Eigenmacht entwendet hat, nicht aber Manfred. Fazit: Christian hat keinen Anspruch gestützt auf Art. 927 Abs. 1 ZGB. Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 40 Rechtswissenschaftliche Fakultät Besitzesrechtsklage (Fahrnisklage) Art. 933–936 ZGB Besitzesrechtsklage ist die Klage des früheren Besitzers gegen den derzeitigen Besitzer, der die Sache von einem Unberechtigten übertragen erhalten hat. Zentral ist der gute Glaube (Art. 3 ZGB) Merke: - Immer auf Fahrnis bezogen; nicht auf Grundstücke anwendbar - Aktivlegitimiert ist nur der frühere Besitzer, nicht der Besitzdiener - Passivlegitimiert ist der aktuelle Besitzer - Konkurrenz zur Vindikation (Art. 641 Abs. 2 ZGB) - Verantwortung des unrechtmässigen Besitzer: Art. 938–940 ZGB Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 41 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Christian aus Besitz Besitzesrechtsklage laut Art. 936 Abs. 1 ZGB Klage richtet sich gegen den bösgläubigen Besitzer Manfred ist jedoch gutgläubig (Art. 3 Abs. 1 ZGB) und daher nicht passivlegitimiert Fazit: Christian hat keinen Anspruch gestützt auf Art. 936 Abs. 1 ZGB. Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 42 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Christian aus Besitz Fahrnisklage laut Art. 934 Abs. 1 ZGB - Früherer Besitz des Kläger - Unfreiwilliges Abhandenkommen - 5-jährige Frist - Tatsächliche Herrschaft des Beklagten über die Sache Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 43 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Christian aus Besitz Fahrnisklage laut Art. 934 Abs. 1 ZGB - Früherer Besitz des Kläger (+), weil Anton dem Christian den einzigen Schlüssel gab, ist Christian Besitzer geworden, weil er damit alleine auf den Lamborghini tatsächlich zugreifen kann. - Unfreiwilliges Abhandenkommen (+), weil abhanden kommen bedeutet, dass der Besitzer die Sachherrschaft gegen den Willen verliert und Anton den Schlüsseldienst ohne Wissen und Willen von Christian kommen liess. - 5-jährige Frist (+), relevant, weil Manfred gutgläubiger Besitzer seines eigenen Autos ist Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 44 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Christian aus Besitz Fahrnisklage laut Art. 934 Abs. 1 ZGB - Tatsächliche Herrschaft des Beklagten über die Sache (+), weil Manfred den Lamborghini wieder zu sich in seine Tiefgarage geholt hat, hat Manfred die tatsächliche Herrschaft über das Auto Ergebnis Christian kann den Lamborghini gestützt auf die Fahrnisklage laut Art. 934 Abs. 1 ZGB von Manfred herausverlangen. Exkurs: Manfred könnte versuchen, die Einrede des besseren Rechts geltend zu machen, weil er Eigentümer des Fahrzeugs ist. Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 45 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Christian aus Pfandrecht Grundlage: - Art. 641 Abs. 2 ZGB per analogiam - "Schliesslich sind zur Geltendmachung der Vindikation auch die Inhaber dinglicher Rechte an einer Sache legitimiert." (BSK ZGB II-Wiegand, Art. 641, N 45) Voraussetzungen von Art. 641 Abs. 2 ZGB - Aktivlegitimation - Passivlegitimation - Verpflichtung zur Herausgabe Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 46 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Christian aus Pfandrecht Voraussetzungen von Art. 641 Abs. 2 ZGB analog - Aktivlegitimation [nichtbesitzender Eigentümer; i.c. nichtbesitzender Pfandgläubiger] aktuell fehlender Besitz des Christian (+) und gültige Entstehung des Pfandrechts am Auto zugunsten von Christian Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 47 Rechtswissenschaftliche Fakultät Entstehung des Pfandrechts Grundlage im Gesetz Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 48 Rechtswissenschaftliche Fakultät Entstehung des Pfandrechts Voraussetzungen: - Gültiger Pfandvertrag - Pfandbesitz - Verfügungsberechtigung des Verpfänders - Gutgläubiger Erwerb durch den Nichtberechtigten - Kein Untergang des Pfandrechts Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 49 Rechtswissenschaftliche Fakultät Entstehung des Pfandrechts Voraussetzungen: - Gültiger Pfandvertrag (+), mangels gegenteiliger Angaben im SV Die Gültigkeit des Kausalgeschäfts ist Voraussetzung für den Erwerb eines dinglichen Rechts an der Sache (vgl. Art. 933 ZGB). i.c. anvertraut und keine Ermächtigung zur Übertragung (+) Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 50 Rechtswissenschaftliche Fakultät Entstehung des Pfandrechts Voraussetzungen: - Gültiger Pfandvertrag (+), mangels gegenteiliger Angaben im SV - Pfandbesitz (+), weil Christian den einzigen Schlüssel zum separaten Raum erhalten hat (Art. 922 Abs. 1 ZGB) und somit die ausschliessliche Herrschaft über das Auto hat (Art. 919 Abs. 1 ZGB), ist Christian unmittelbarer Besitzer geworden; Art. 884 Abs. 1 ZGB ist erfüllt. - Verfügungsberechtigung des Verpfänders (–), weil Anton keine dinglichen Rechte am Auto hat und auch vom Eigentümer (Manfred) nicht ermächtigt wurde, ein Drittpfand zu begründen, ist Anton nicht verfügungsberechtigt. Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 51 Rechtswissenschaftliche Fakultät Entstehung des Pfandrechts Voraussetzungen: - Gutgläubiger Erwerb durch den Nichtberechtigten Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 52 Rechtswissenschaftliche Fakultät BGE 113 II 397 – Occasionshandel im Luxussektor Gutgläubigkeit des Empfängers einer abhanden gekommen Sache (Art. 934 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 ZGB) BGE 113 II 397 Erw. 2.a S. 399 «Der Gutglaubensschutz versagt indessen, wenn die Unkenntnis des gutgläubigen Erwerbers vom Rechtsmangel darauf zurückzuführen ist, dass er beim Erwerb der Sache jene Aufmerksamkeit missen liess, die von ihm nach den Umständen verlangt werden durfte (Art. 3 Abs. 2 ZGB). Diesfalls sind für den gutgläubigen Erwerber die Rechtsfolgen nicht anders als für den bösgläubigen (…), das heisst, die Sache ist entschädigungslos an den Berechtigten herauszugeben.» Grad der Aufmerksamkeit hängt von den konkreten Umständen ab Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 53 Rechtswissenschaftliche Fakultät BGE 113 II 397 – Occasionshandel im Luxussektor BGE 113 II 397 Erw. 2.b S. 399 «Dabei beurteilt sich der Grad gebotenen Aufmerksamkeit nach einem Durchschnittsmass an Aufmerksamkeit, welches der Redliche unter den gegebenen Umständen anzuwenden pflegt (…). Ist der Erwerb bestimmter Sachen für einen Geschäftszweig typisch, so richtet sich das Durchschnittsmass der gebotenen Aufmerksamkeit nach der in der Branche herrschenden Verkehrsübung, doch freilich nicht nach einer allenfalls üblichen Nachlässigkeit (…). Vorweg höhere Anforderungen sind daher an jene Erwerbszweige zu stellen, in denen erfahrungsgemäss häufig Gegenstände zum Kauf oder Tausch angeboten werden, die mit Rechtsmängeln behaftet sind.» Erhöhte Aufmerksamkeit bei "anfälligen" Branchen Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 54 Rechtswissenschaftliche Fakultät BGE 113 II 397 – Occasionshandel im Luxussektor BGE 113 II 397 Erw. 2.b S. 400 «Auch wenn grundsätzlich die Regel zutrifft, dass Art. 3 Abs. 2 ZGB keine allgemeine Erkundigungspflicht statuiert und dass sich nur erkundigen muss, wer Grund zum Verdacht hat (…), gilt dies deshalb nur beschränkt für jene Geschäftszweige, die dem Angebot von Waren zweifelhafter Herkunft und folglich mit Rechtsmängel behafteter Sachen in besonderem Masse ausgesetzt sind, wie es beim Handel mit Gebrauchtwaren aller Art der Fall ist.» Handel mit Gebrauchtwagen erfordert höhere Aufmerksamkeit Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 55 Rechtswissenschaftliche Fakultät BGE 113 II 397 – Occasionshandel im Luxussektor BGE 113 II 397 Erw. 3.a S. 401 «… es sei allgemein bekannt und bedürfe keines näheren Nachweises, dass gut organisierte internationale Banden sich gewerbsmässig mit dem Diebstahl und der Hehlerei von Luxusautos und deren Absatz im europäischen Raum befassen. Notorisch sei auch, dass bei den gestohlenen Fahrzeugen die Chassis-Nummern gefälscht würden… … es treffe die Klägerin … – jedenfalls soweit der Erwerb von Luxusautomobilen aus dem Ausland in Frage steht – eine erhöhte Sorgfaltspflicht. » Besonders hohe Anforderung an die Gutgläubigkeit im Bereich des Handels mit Occasionsfahrzeugen der Luxusklasse. Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 56 Rechtswissenschaftliche Fakultät Entstehung des Pfandes Voraussetzungen: - Gutgläubiger Erwerb durch den Nichtberechtigten (+), weil der Lamborghini dem Anton anvertraut (Art. 933 ZGB) war und Christian genügend Sorgfalt walten liess, weshalb er gutgläubig i.S.v. Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 ZGB ist, womit das Pfandrecht gestützt auf Art. 884 Abs. 2 ZGB entstanden ist. - Kein Untergang des Pfandrechts Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 57 Rechtswissenschaftliche Fakultät Untergang des Pfandrechts Grundlage im Gesetz Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 58 Rechtswissenschaftliche Fakultät Entstehung des Pfandes Voraussetzungen: - Gutgläubiger Erwerb durch den Nichtberechtigten (+), weil der Lamborghini dem Anton anvertraut (Art. 933 ZGB) und Christian genügend Sorgfalt walten liess, weshalb er gutgläubig i.S.v. Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 ZGB ist, womit das Pfandrecht gestützt auf Art. 884 Abs. 2 ZGB entstanden ist. - Kein Untergang des Pfandrechts (+), weil er das Auto gestützt auf die Fahrnisklage (Art. 934 Abs. 1 ZGB) vom aktuellen Besitzer herausverlangen kann, ist das Pfandrecht gestützt auf Art. 888 Abs. 1 ZGB nicht untergegangen. Ergebnis: Das Pfandrecht am Lamborghini ist zugunsten von Christian gestützt auf Art. 884 Abs. 2 ZGB i.V.m. Art. 933 und Art. 3 ZGB zustande gekommen. Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 59 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Christian aus Pfandrecht Voraussetzungen von Art. 641 Abs. 2 ZGB analog - Aktivlegitimation (+), aktuell fehlender Besitz des Christian und (+), gültiges Pfandrecht zugunsten von Christian - Passivlegitimation (+), weil sich die Klage gegen jeden richtet, der den Berechtigten an der Ausübung seines dinglichen Rechts stört und weil Manfred sein Auto wieder besitzt, stört er den Pfandbesitz von Christian - Verpflichtung zur Herausgabe (+), weil die Sache nach der Pfandbegründung dem Christian abhanden gekommen ist, ist Manfred (obwohl er Eigentümer ist) nicht besitzesberechtigt und damit hat er keinen gültigen Titel zum Besitz Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 60 Rechtswissenschaftliche Fakultät Anspruch von Christian aus Pfandrecht Ergebnis Christian kann gegen Manfred erfolgreich die Pfandrechtsklage gestützt auf Art. 641 Abs. 2 ZGB per analogiam geltend machen. Konkurrenz Klage aus dem Recht (Art. 641 Abs. 2 ZGB analog) und Klage aus Besitzesrechtsschutz (Art. 934 Abs. 1 ZGB) Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 61 Rechtswissenschaftliche Fakultät … und so sieht das Fahrzeug aus Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 62 Rechtswissenschaftliche Fakultät Merkpunkte - Eigentum ist das Recht, das seinem Träger dem Grundsatz nach die umfassende und ausschliessliche Herrschaft über eine Sache einräumt. - Art. 641 Abs. 1 ZGB = Verfügungsmacht - Art. 641 Abs. 2 ZGB = Herausgabeanspruch, Abwehr gegen Einwirkung - Erwerb von Eigentum bedingt den Übergang des Besitzes an der Sache (Art. 714 Abs. 1 i.V.m. Art. 922–925 ZGB). - Besitzesschutzklage zielt auf die tatsächliche Sachherrschaft als solche. - Besitzesrechtsklage/Fahrnisklage bezieht sich auf das Recht. - Lösungsrecht funktioniert nur bei verlorenen, gestohlenen und abhanden gekommenen Sachen, nicht aber bei anvertrauten Sachen. - Guter Glaube = fehlendes Unrechtsbewusstsein trotz Vorliegen eines Rechtsmangels; guter Glaube wird vermutet (Art. 3 Abs. 1 ZGB) Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 63 Rechtswissenschaftliche Fakultät und zum Schluss… Viel Freude am Sachenrecht! Danke für Ihre Aufmerksamkeit! Fragen: [email protected] Übungen im Sachenrecht FS 2016 – Fall 6 Seite 64
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