Oden an den Döner und an Gott, den coolen Typen

6
KULTUR
Donnerstag, 24. September 2015
REGIONAL · NATIONAL · INTERNATIONAL
Oden an den Döner und an Gott, den coolen Typen
Jan Philipp Zymny bei „Leseland Hessen“: Poetry Slam in Schulen und im Vonderau Museum
FULDA
Es müssen nicht nur Goethe und Schiller sein,
wenn es um Literatur
geht. In der Reihe „Leseland Hessen“ präsentierte Jan Philipp Zymny
gestern bei drei Auftritten in Schulen und am
Abend in der Kapelle des
Vonderau Museums ein
sich immer größerer Beliebtheit erfreuendes Veranstaltungsformat.
Von unserem Mitarbeiter
WOLFGANG HOHMANN
Zymny ist ein mehrfach ausgezeichneter Gewinner bundesweiter Wettbewerbe und somit
„der richtige Mann für die Fuldaer Schulen“, hieß es in der
Begrüßung des sympathischen
jungen Künstlers. Der in der
voll besetzten Aula der Rabanus-Maurus-Schule so gepriesene Autor hielt sich aber nicht
mit Begriffsklärungen auf, dass
etwa Poetry Slam so etwas wie
„Geschleuderte Poesie“ sei,
sondern erklärte, wie Wettbewerbe ablaufen, bei denen man
mit selbstgemachten Texten aller Art bei einem Zeitlimit von
fünf bis sechs Minuten auftreten kann. Dabei sei es „völlig
frei, was, wie und worüber man
schreibt“, erklärte der erfahrene „Wort-Poet“, um mit der eröffnenden „Ode an Döner“
einzusteigen, der eine AntiOde folgte und danach noch
eine „Entschuldigung“: „War
nicht so gemeint, hat sich halt
gereimt.“
Es war ein lustiger Einstieg,
um erst einmal mit den jungen
Zuhörern in Kontakt zu kommen. Denn um banales Verseschmieden geht es in der obersten Liga des Poetry Slam nicht,
sondern um ungewöhnliche
Zugriffe auf Sprache und
Rhythmus, Metrum und Metapher, Rap und Reim. Alles zum
Vergnügen des Publikums,
aber schwierig für den Berichterstatter, weil sich die „Spoken
Word-Poesie“ (ein Fachbegriff)
Blödsinn mit Hintersinn – das ist sein Metier: Jan Philipp
Zymny in der Rabanus-Maurus-Schule.
Foto: Helmut Abel
mit ihren raffinierten Temposteigerungen und modulierten
Stimmlagen besser zum Zuhören eignet als zur schriftlichen
Wiedergabe. So, wie das bei
den spöttischen Notizen aus
dem (natürlich fiktiven) Tagebuch der eigenen Schwester
der Fall ist oder beim ebenfalls
fiktiven Märchen mit dem
Opa, wie es früher war: „Hin
und zurück – und nur bergauf …“
Da brilliert ein Könner mit
unübertreffbar
blühendem
Blödsinn – und Hintersinn. Da
agiert ein irrer Typ auf der Bühne, ein Sprachschöpfer mit verblüffender, ja begnadeter Fantasie, der vor keinem Tabubruch zurückschreckt, wenn er
etwa zu „einer kleinen Predigt“
anhebt. Es sind Erinnerungen
an Gehörtes und eben auch
Unerhörtes, „als ich klein war
und ich von meinen Eltern in
die Kirche gegangen worden
bin“. Da wird man vielleicht
im Religionsunterricht manches nacharbeiten müssen.
Doch Zymny schiebt nach:
„Ich mache mich nicht über
Glaubensinhalte lustig, sondern über den, der predigt.“
Außerdem sei „der liebe Gott
ein cooler Typ“.
Den jungen Zuhörern gefällt der ebenfalls coole Typ,
der sich selbst so gekonnt auf
den Arm nehmen und für sich
einnehmen kann. Einen 400seitigen Krimi hat Zymny auch
schon geschrieben, aus dem er
eine Kostprobe vorliest. Dessen
Titel „ Henry Frottey. Sein erster Fall: Teil 2. Das Ende der Trilogie“ und das ganze Werk lösen ein, was der Autor im
Nachgespräch quasi als seine
Arbeitsphilosophie benennt,
„Texte so lange zu bearbeiten,
bis sie nichts mehr mit der Realität zu tun haben“. Dabei bekennt er, dass Schreiben und
Auftreten das ist, „was mir Spaß
macht auf der Welt“. Das traf
ebenso für die Slam-PoetryFans in der Rabanus-MaurusSchule zu, sowie gewiss auch
für all die anderen, die Jan Philipp Zymny an diesem Tag in
Fulda lauschten.