Sorry, ausverkauft - Frankfurter Buchmesse

Märkte & Perspektiven china
Sorry, ausverkauft
Rund 200 000 Besucher haben
vom 26. bis zum 30. August die
Internationale Buchmesse in Peking
besucht – die drittgrößte der Welt
Die drittgrößte Buchmesse weltweit, die Beijing International
Book Fair (BIBF), lockte in diesem Jahr
nach eigenen Angaben mehr als 2 300
Verleger aus 80 Ländern und Regionen
in die Hauptstadt und präsentierte die
Vereinigten Arabischen Emirate als Gastland. Das selbst gesetzte Ziel, mehr
Buchtitel zu exportieren als einzukaufen,
wurde mit einer Export-Import-Rate von
1,57 : 1 übererfüllt. Insgesamt wurden
nach Auskunft des Organisationskomitees 4 721 Lizenz-Deals abgeschlossen.
Aus Deutschland hatten sich 22 Verlage und Institutionen am ausgezeichnet organisierten Gemeinschaftsstand,
dem German Pavilion, eingefunden –
und viele der angereisten Lizenzexperten konnten am Ende »Sorry, the Chine-
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se Rights have already been sold« auf
ihre Titel kleben. Sylvia Schuster und
Christiane Bartelsen, die für den Carlsen
Verlag verhandelten, konnten jedenfalls
nach zwei Tagen und 60 Terminen ihre
Auftragsbücher erfolgreich zuschlagen –
es war so gut wie alles verkauft.
Kinderbuchgeschäft Insbesondere
die in Peking ausgestellten Kinder- und
Jugendbücher übten große Anziehungskraft auf zahlreiche Verlagsvertreter
aus, aber auch auf junge und erwachsene Messebesucher. Cai Hongjun, Gründer der Agentur Hercules, der ursprünglich mit der Vermittlung deutscher klassischer Literatur begonnen hatte, verhandelt inzwischen zu 99 Prozent Kinder- und Jugendbücher. Auch Wang
Xing, die Inhaberin der Agentur Beijing
Star Media, konzentriert sich zu 95 Prozent auf diese Sparte.
Die Begrifflichkeiten sind dabei nicht
so klar abgegrenzt wie im deutsch­
sprachigen Raum üblich, sagt Cai: »Bis
18 Jahre ist alles Kinder- und Jugendbuch.« Manche Erziehungsbücher würden ebenfalls in diese Kategorie fallen.
Und die Eltern sorgten dafür, dass ihre
Kinder eher keine E-Books, sondern
»richtige Bücher« in die Hände bekämen. Neuerdings seien auch Titel für
Jugendliche stärker gefragt; eine Tendenz, die bereits im letzten Jahr eingesetzt habe, so Wang Xing.
Gerade im Kinder- und Jugendbuchbereich arbeitet Wang Xing viel mit privaten Verlagen zusammen. Diese müs-
37 . 2015 börsenblatt
alle © Veronika Licher
Die Buchmesse in Peking ist eine bedeutende Drehscheibe für den Verkauf von
Buchlizenzen. Gerade deutsche Kinderbuch- und Ratgeberverlage erzielen hier
große Erfolge. Aber Buchverbote und eine schwerfällige Verlagsbürokratie
hemmen die Entwicklung des Marktes. veronika licher
Das »Burger-Set« von Gräfe und
Unzer war auch in Peking ein Renner,
sagte Verlagsrepräsentantin Li Ziyi
sen offiziell noch immer mit einem
staatlichen Verlag kooperieren, um die
Genehmigung für die Vergabe von ISBNummern zu bekommen, aber die
Agentin meint, die Politik habe die starren Regelungen gelockert. Es gebe immer weniger Probleme und es sei im Gespräch, einige große Privatverlage direkt
mit der ISBN-Vergabe zu betrauen. Diese Diskussion gibt es allerdings schon
seit Jahren …
Ein anderes Thema, die Frage der
Wechselkurse und der großen Schwankungen an der chinesischen ­Börse, zeigte
bei den angesprochenen chinesischen
Verlegern kaum Resonanz, wie Petra
Hald vom Zwischenbuchhändler KNV
erstaunt feststellte. Es werde eingekauft
wie bisher – und eher etwas mehr Geld
gezahlt: Wang Xing berichtete, dass
in ihrem Bereich die Vorauszahlungen
von früher zum Beispiel 1 000 Euro pro
Titel jetzt auf 1 050 Euro angestiegen
seien.
Ratgeber-Erfolge Nicht nur im Kinderbuchbereich konnten die angereisten
deutschen Verleger Erfolge vorweisen:
Li Ziyi, die für Gräfe und Unzer vor Ort
war, konnte sich gar nicht mehr retten
vor Anfragen nach dem »Burger-Set«
mit Burgerpresse und Küchenratgeber –
auch in Deutschland ein Bestseller. Der
Carl-Auer Verlag hatte bereits am Tag
vor der Messe den Titel »›Zhong De
Ban‹ – oder: Wie die Psychotherapie
nach China kam« bei einem chinesischen Verlag untergebracht. Für weitere Titel konnten die bereits im letzten
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Buchmark t china
Der chinesische Buchmarkt ist nach den USA der zweitgrößte der Welt. 2013 sind 440 000 Titel
erschienen, davon 57 Prozent Neuerscheinungen. Der Branchenumsatz lag 2013 bei
77 Milliarden Yuan (rund 10,8 Milliarden Euro). In China sind 582 staatliche Verlage aktiv.
Die Beijing International Book Fair (BIBF) ist mit 2 300 Ausstellern aus 80 Ländern und
Regionen die drittgrößte Buchmesse weltweit.
Jahr begonnenen Gespräche erfolgreich
fortgeführt werden.
Ausstellungsverbot Zum ersten Mal
wurde in diesem Jahr ein präsentierter
Titel von chinesischer Seite moniert: Am
dritten Tag der Messe wurde Axel Kopido, der sich seit mehreren Jahren für die
Verlage Buske und Meiner auf der BIBF
engagiert, von einem jungen Mann
­darauf hingewiesen, dass ein Titel dort
nicht gezeigt werden dürfe: Er hatte
»­Chinesisch im Internet« ausgestellt – ein
Social-Media-Lesebuch, herausgegeben
von Shaofeng Ni und Telse Hack. Es enthält auf Deutsch und Chinesisch veröffentlichte Blogtexte, die politisch-kritisch
über Themen wie Korruption, Umweltverschmutzung und anderes ­berichten.
Die chinesischen Titel des Frankfurter
Verlags Der Islam, der seit mehreren
Jahren in China aktiv ist, stießen wieder
auf große Resonanz und verschwanden
so nach und nach aus den Regalen. Denn
die BIBF ist keine Verkaufsmesse –
wenn man vom diesmal zeitgleich
­stattfindenden 13. Beijing International
Book Festival in einer weiteren Halle absieht. Auch am Stand des diesjährigen
Gastlands, der Vereinigten Arabischen
Emirate, ließen sich jeden Tag lange
Schlangen beobachten.
Zum ersten Mal auf der BIBF waren
Verleger Florian Simon und Andreas
Reckwerth, Leiter Vertrieb und Elektronisches Publizieren beim Berliner Fachverlag Duncker & Humblot. Sie arbeiten
zurzeit an einem deutsch-chinesischen
Rechtswörterbuch, das im nächsten Jahr
herauskommen soll, und führten Gespräche für Vertriebskooperationen. Auf
Aggregationsplattformen sind ihre Titel
bereits präsent, im Direktvertrieb gibt es
noch keine Erfahrungen.
Neben Anknüpfungspunkten für weitere Gespräche konnten auf der Messe
zahlreiche, manchmal »simple« Erkenntnisse gewonnen werden, was die jeweiligen Gesprächspartner eigentlich wollen
und brauchen – oder wie sich Inhalte so
aufbereiten lassen, dass sie sinnvoll
­weiterverarbeitet werden können. Dazu
gehört zum Beispiel der Wunsch nach
­Titellisten im Excel-Format.
Gesprächsbedarf Insgesamt zeigte
sich, dass es immer wieder notwendig
ist, persönlich mit den jeweiligen Partnerverlagen zu sprechen, um heraus­
zufinden, welche Titel aktuell interessant
sind. Bei Commercial Press hieß es zum
Beispiel: »Wir machen jetzt keine Management-Ratgeber mehr.« Nach fünf
Jahren lautet die neue Devise: »Klassische Wirtschaftswissenschaften«.
Immerhin gab es viel frischen Wind auf
der Messe und im Wortsinn auch in der
Stadt selbst: Die wegen der großen
­Militärparade zum 70. Jahrestag des
Kriegsendes verordneten Einschränkungen im Straßenverkehr und für die
Industrie (inklusive mancher Druckereien) führten dazu, dass die angereisten
Verleger frische Luft bei strahlendem
Sonnenschein genießen konnten – ein
ganz neues Peking-Gefühl, das auch bei
den Einwohnern auf große Begeisterung
stieß. b
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