8 | MM28, 6.7.2015 | MENSCHEN Imposante Kulisse gleich nach dem Start: Die Maurer-Brüder im Flug entlang des Matterhorns VS. MENSCHEN | MM28, 6.7.2015 | 9 Porträt Elegant wie ein Adler Kaum einer segelt mit so viel Grazie und vor allem so lange durch die Lüfte wie Gleitschirmchampion Christian Maurer. Fotograf Robert Bösch hat ihn und seinen Bruder Michael Maurer auf ihrem 200 Kilometer langen Flug vom Klein Matterhorn nach Klosters begleitet. Spektakuläre Bilder eines spektakulären Flugs. Text: Claudia Weiss Christian Maurer (rechts) und Bruder Michael bei der Streckenplanung: «Komm, wir versuchen es mal bis Chur.» Bilder: Robert Bösch Bei den Startvorbereitungen auf dem Klein Matterhorn: Christian Maurer legt seinen Schirm aus. Kurz vor dem Abflug: Christian und Michael Maurer testen die Windverhältnisse. Landung: Klosters 10 | MM28, 6.7.2015 | MENSCHEN Ilanz Disentis Arosa Thusis Davos Lenzerheide Furkapass Andermatt Die Route Eggishorn Visp Brig 10 km Zermatt Vom Klein Matterhorn VS bis Klosters GR: Christian und Michael Maurer waren acht Stunden in der Luft und legten 200 Kilometer zurück. Start: Klein Matterhorn SRF-Dokuserie «Der Traum vom Fliegen» SRF begleitete Christian Maurer in der Dokuserie «Der Traum vom Fliegen – Ein Jahr mit Gleitschirmpilot Chrigel Maurer» beim X-Alps 2013 und zu diversen Meisterschaften. In der 2. Folge ist die Fotostrecke von Robert Bösch zu sehen. Sendedaten: 22. 7. / 29. 7. / 5. 8. / 12. 8. / 18. 8. / 19. 8. auf SRF 2, 22.45 Uhr. Am 21. 8. zeigt SRF 2 Bild oben: Die Brüder fliegen an der Dufourspitze VS vorbei. Bild unten: Christian und Michael Maurer im Synchronflug über dem Aletschgletscher VS. den vollständigen Langstreckenflug vom Klein Matterhorn bis nach Klosters. C hristian Maurer (33) läuft los. Der Gleitschirm entfaltet sich, kraftvoller Absprung – der «Adler von Adelboden» fliegt. Und wie! Elegant zieht er Runden durch die Luft, und der Name passt: Wenn «Chrigel» fliegt, scheint es, als tanze er mit Flügeln in den Himmel hinein. Erst recht an diesem strahlenden Tag im Juni. Über ihm der hellgrüne Schirm, im Hintergrund das schneebedeckte Matterhorn, ein paar Meter neben ihm sein Bruder Michael (25) – ein perfekter Flug für perfekte Fotos. Robert Bösch, der bekannte Schweizer Bergfotograf, sitzt dafür im Helikopter und fotografiert durch die ofene Tür hinaus. «Was die Brüder bieten, braucht unglaublich viel Können», sagt Bösch später. Christian Maurer kennt er schon von früheren Einsätzen. Er schwärmt: «Chrigel fliegt fantastisch.» Die Chancen für einen derart gelungenen Synchronstreckenflug betragen auch an einem solchen Tag nur zehn Prozent. «Es sieht gut aus, komm, wir versuchen es bis Chur», sagt Christian vor dem Absprung zu seinem jüngeren Bruder. Sie schafen es noch weiter und landen nach acht Stunden und 200 Kilometern in Klosters GR. Maurer strahlt: «Pro Jahr gibt es nur um die zehn Tage, an denen Wetter, Thermik und Temperatur so genau passen», erzählt er, wieder auf dem Boden. Mit neun Jahren zum ersten Mal mit Vaters Gleitschirm in der Luft So macht Maurer das oft: Er liebt es, scheinbar Unmögliches zu erreichen. Und dann noch ein bisschen mehr. Jungenhaftes Grinsen. «Das Einfache wird mir rasch langweilig.» Deshalb unterrichtet er keine Gleitschirmanfänger. Schauen ihm aber begeisterte Jungflieger zu, gibt er ihnen bereitwillig Tipps, wie sie länger oben bleiben, eleganter drehen können. Zu gut erinnert er sich daran, wie er selber als Schulbub sehnsüchtig den Weltelitefliegern zuschaute und mit der Bergluft ihre Tricks einsaugte. Seit seinem ersten Flug mit Vaters Gleitschirm – er war gerade mal neun Jahre alt – war für ihn klar: Bald würde er auch da oben schweben. Mit 16 Jahren hatte er das Flugbrevet in der Tasche, inzwischen fliegt er in der Weltklasse ganz vorn mit: Drei Mal holte er den Schweizer-Meister-Titel, bei unzähligen Akrobatik-Anlässen und Langstrecken-Wettkämpfen schafte er 12 | MM28, 6.7.2015 | MENSCHEN Die Highlights des letzten X-AlpsRennens im Video. Migrosmagazin.ch Bild oben: Christian Maurer (vorne) und sein Bruder im Urserental UR im bequemen Liegesitz. Bild unten: Die beiden vor einer Granitfelswand, ebenfalls im Urserental. es auf das Podest. Und drei Mal siegte er beim Red Bull X-Alps, dem härtesten Gleitschirmrennen, rund 1000 Kilometer Luftlinie von Salzburg den Alpen entlang bis nach Monaco ans Meer. Läuft alles planmässig, ist er seit 5. Juli zu seinem vierten X-Alps unterwegs und versucht dort, an seine Erfolge anzuknüpfen: 2013 schritt «Chrigel» locker voran und segelte wohlgemut von Gipfeln, während andere mit Sehnenschmerzen kämpften, im Nebel feststeckten und erschöpft aufgaben. «The Swiss Eagle Chreegel» hingegen landete in Monaco locker auf dem Schwimmfloss und strahlte: «Ich fühle mich gesund, fit und sehr glücklich.» Was macht den Schweizer so gut? Schulterzucken, verlegenes Lächeln. «Ein bisschen ehrgeizig bin ich wahrscheinlich schon», sagt er. «Aber ich will vor allem persönlich weiterkommen und meine Leistungen toppen. Das ist meine Motivation.» So einfach ist das. Wie so vieles ganz einfach scheint, wenn er in seinem gemütlichen Oberländer Dialekt darüber redet. In seiner Welt ist Fliegen nicht gefährlicher als Radfahren. Und eine scheinbar unmögliche Herausforderung ist bloss da, um angepackt zu werden, «Schritt für Schritt». Ganz einfach. Beinahe könnte man ob seiner Lockerheit übersehen, dass er jeden Schritt minutiös plant. Schon seit jeher. Eine Maurerlehre machte er, weil er dabei genug verdiente, um seine Freizeit mit Fliegen zu verbringen. Später überlegte er: «Wie kann ich Geld verdienen und möglichst viel fliegen?» Ganz einfach: Er wurde Testpilot und bietet Tandemflüge an. Seine Söhne sind seine glühendsten Fans und fiebern mit Jetzt hat er ein neues Ziel: «Ich will einen zahlungskräftigen Hauptsponsor finden.» So könnte er sich und seine Familie nur mit Fliegen durchbringen. Seine beiden Jungs Jonas (7) und Nico (5) sind jetzt MENSCHEN | MM28, 6.7.2015 | 13 Fotograf Robert Bösch «Maurer fliegt fantastisch» Robert Bösch (60) ist Bald am Ziel: Über Brigels in der Surselva GR. Outdoorfotograf, Bergführer, Nikon-Botschafter und Autor vieler Bildbände. Der Zürcher arbeitet für zahlreiche Magazine und begleitete für Bildreportagen Extremsportler wie Ueli Steck und Ueli Kestenholz. Auch Christian Maurer hat er schon mehrmals beim Fliegen fotografiert, und immer wieder begeistert ihn, wie virtuos dieser seinen Gleitschirm beherrscht. In den letzten Monaten trug Bösch Bildmaterial zusammen für sein neues Projekt, einen MatterhornBildband, der im Herbst erscheint. Umso mehr freute ihn das Angebot von SRF: schon begeisterte Mitflieger. Und seine glühendsten Fans. Sie fiebern mit, wenn er an den X-Alps unterwegs ist. Und sobald er rastet, werden sie aufgeregt mit ihm telefonieren. Die Muskeln hat Christian Maurer trainiert, den neuen Rennschirm eingeflogen. Er hofft, dass sein Fuss mitmacht, den er letzten Herbst bei einer missglückten Landung gebrochen hat. Auch ein bisschen Wetterglück wäre hilfreich. Dann funktioniert der Mix aus Lockerheit und Präzision vielleicht ein weiteres Mal, und der «Adler von Adelboden» fliegt beschwingt dem Ziel Monaco entgegen. MM Punktlandung in Klosters GR vor den Kameraleuten des Schweizer Fernsehens. Er konnte im Fernsehhelikopter mitfliegen, als dieser die MaurerBrüder auf deren Langstreckensynchronflug begleitete – für SRF ein neues Experiment. «Aussen filmte die TV-Kamera, von innen heraus fotografierte ich», sagt Bösch. Beim Sichten der Bilder staunte er, wie nah die beiden Brüder manchmal dem Boden kamen und dann doch wieder an Höhe gewannen. Eine Auswahl von Böschs Bildern ist in diesem Artikel zu sehen.
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