ImposanteKulisse gleichnachdemStart: DieMaurer - Migros

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Imposante Kulisse
gleich nach dem Start:
Die Maurer-Brüder
im Flug entlang des
Matterhorns VS.
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Porträt
Elegant wie
ein Adler
Kaum einer segelt mit so viel Grazie und vor allem
so lange durch die Lüfte wie Gleitschirmchampion
Christian Maurer. Fotograf Robert Bösch hat
ihn und seinen Bruder Michael Maurer auf ihrem
200 Kilometer langen Flug vom Klein Matterhorn nach
Klosters begleitet. Spektakuläre Bilder eines
spektakulären Flugs.
Text: Claudia Weiss
Christian Maurer (rechts) und Bruder Michael bei der
Streckenplanung: «Komm, wir versuchen es mal bis Chur.»
Bilder: Robert Bösch
Bei den Startvorbereitungen auf dem Klein Matterhorn:
Christian Maurer legt seinen Schirm aus.
Kurz vor dem Abflug: Christian und Michael Maurer testen
die Windverhältnisse.
Landung: Klosters
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Ilanz
Disentis
Arosa
Thusis
Davos
Lenzerheide
Furkapass
Andermatt
Die Route
Eggishorn
Visp
Brig
10 km
Zermatt
Vom Klein Matterhorn VS
bis Klosters GR: Christian
und Michael Maurer
waren acht Stunden in
der Luft und legten
200 Kilometer zurück.
Start: Klein Matterhorn
SRF-Dokuserie
«Der Traum
vom Fliegen»
SRF begleitete
Christian Maurer in
der Dokuserie
«Der Traum vom
Fliegen – Ein Jahr mit
Gleitschirmpilot
Chrigel Maurer» beim
X-Alps 2013 und
zu diversen Meisterschaften. In der
2. Folge ist die Fotostrecke von Robert
Bösch zu sehen.
Sendedaten:
22. 7. / 29. 7. / 5. 8. /
12. 8. / 18. 8. / 19. 8. auf
SRF 2, 22.45 Uhr.
Am 21. 8. zeigt SRF 2
Bild oben: Die Brüder
fliegen an der Dufourspitze VS vorbei.
Bild unten: Christian
und Michael Maurer im
Synchronflug über dem
Aletschgletscher VS.
den vollständigen
Langstreckenflug
vom Klein Matterhorn
bis nach Klosters.
C
hristian Maurer (33) läuft
los. Der Gleitschirm entfaltet sich, kraftvoller Absprung – der «Adler von
Adelboden» fliegt. Und wie! Elegant
zieht er Runden durch die Luft, und
der Name passt: Wenn «Chrigel»
fliegt, scheint es, als tanze er mit
Flügeln in den Himmel hinein. Erst
recht an diesem strahlenden Tag im
Juni. Über ihm der hellgrüne
Schirm, im Hintergrund das schneebedeckte Matterhorn, ein paar Meter neben ihm sein Bruder Michael
(25) – ein perfekter Flug für perfekte
Fotos. Robert Bösch, der bekannte
Schweizer Bergfotograf, sitzt dafür
im Helikopter und fotografiert
durch die ofene Tür hinaus. «Was
die Brüder bieten, braucht unglaublich viel Können», sagt Bösch später.
Christian Maurer kennt er schon
von früheren Einsätzen. Er schwärmt:
«Chrigel fliegt fantastisch.»
Die Chancen für einen derart
gelungenen Synchronstreckenflug
betragen auch an einem solchen Tag
nur zehn Prozent. «Es sieht gut aus,
komm, wir versuchen es bis Chur»,
sagt Christian vor dem Absprung zu
seinem jüngeren Bruder. Sie schafen
es noch weiter und landen nach
acht Stunden und 200 Kilometern in
Klosters GR. Maurer strahlt: «Pro
Jahr gibt es nur um die zehn Tage,
an denen Wetter, Thermik und
Temperatur so genau passen»,
erzählt er, wieder auf dem Boden.
Mit neun Jahren zum ersten Mal mit
Vaters Gleitschirm in der Luft
So macht Maurer das oft: Er liebt es,
scheinbar Unmögliches zu erreichen. Und dann noch ein bisschen
mehr. Jungenhaftes Grinsen. «Das
Einfache wird mir rasch langweilig.»
Deshalb unterrichtet er keine Gleitschirmanfänger. Schauen ihm aber
begeisterte Jungflieger zu, gibt er ihnen bereitwillig Tipps, wie sie länger
oben bleiben, eleganter drehen können. Zu gut erinnert er sich daran,
wie er selber als Schulbub sehnsüchtig den Weltelitefliegern zuschaute
und mit der Bergluft ihre Tricks einsaugte. Seit seinem ersten Flug mit
Vaters Gleitschirm – er war gerade
mal neun Jahre alt – war für ihn klar:
Bald würde er auch da oben schweben. Mit 16 Jahren hatte er das Flugbrevet in der Tasche, inzwischen
fliegt er in der Weltklasse ganz vorn
mit: Drei Mal holte er den Schweizer-Meister-Titel, bei unzähligen
Akrobatik-Anlässen und Langstrecken-Wettkämpfen schafte er
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Die Highlights
des letzten
X-AlpsRennens im
Video.
Migrosmagazin.ch
Bild oben: Christian Maurer (vorne) und sein Bruder im
Urserental UR im bequemen Liegesitz. Bild unten: Die beiden vor
einer Granitfelswand, ebenfalls im Urserental.
es auf das Podest. Und drei Mal siegte er beim Red Bull X-Alps, dem
härtesten Gleitschirmrennen, rund
1000 Kilometer Luftlinie von Salzburg den Alpen entlang bis nach Monaco ans Meer. Läuft alles planmässig, ist er seit 5. Juli zu seinem vierten X-Alps unterwegs und versucht
dort, an seine Erfolge anzuknüpfen:
2013 schritt «Chrigel» locker voran
und segelte wohlgemut von Gipfeln,
während andere mit Sehnenschmerzen kämpften, im Nebel feststeckten
und erschöpft aufgaben. «The Swiss
Eagle Chreegel» hingegen landete
in Monaco locker auf dem Schwimmfloss und strahlte: «Ich fühle mich
gesund, fit und sehr glücklich.»
Was macht den Schweizer so gut?
Schulterzucken, verlegenes Lächeln.
«Ein bisschen ehrgeizig bin ich
wahrscheinlich schon», sagt er.
«Aber ich will vor allem persönlich
weiterkommen und meine
Leistungen toppen. Das ist meine
Motivation.» So einfach ist das. Wie
so vieles ganz einfach scheint, wenn
er in seinem gemütlichen Oberländer Dialekt darüber redet. In seiner
Welt ist Fliegen nicht gefährlicher
als Radfahren. Und eine scheinbar
unmögliche Herausforderung ist
bloss da, um angepackt zu werden,
«Schritt für Schritt». Ganz einfach.
Beinahe könnte man ob seiner
Lockerheit übersehen, dass er jeden
Schritt minutiös plant. Schon seit
jeher. Eine Maurerlehre machte er,
weil er dabei genug verdiente,
um seine Freizeit mit Fliegen zu
verbringen. Später überlegte er:
«Wie kann ich Geld verdienen und
möglichst viel fliegen?» Ganz einfach: Er wurde Testpilot und bietet
Tandemflüge an.
Seine Söhne sind seine glühendsten
Fans und fiebern mit
Jetzt hat er ein neues Ziel: «Ich will
einen zahlungskräftigen Hauptsponsor finden.» So könnte er sich
und seine Familie nur mit Fliegen
durchbringen. Seine beiden Jungs
Jonas (7) und Nico (5) sind jetzt
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Fotograf Robert Bösch
«Maurer fliegt
fantastisch»
Robert Bösch (60) ist
Bald am Ziel:
Über Brigels in
der Surselva GR.
Outdoorfotograf, Bergführer, Nikon-Botschafter und Autor vieler
Bildbände. Der Zürcher
arbeitet für zahlreiche
Magazine und begleitete
für Bildreportagen
Extremsportler wie Ueli
Steck und Ueli Kestenholz. Auch Christian
Maurer hat er schon
mehrmals beim Fliegen
fotografiert, und immer
wieder begeistert ihn,
wie virtuos dieser
seinen Gleitschirm beherrscht. In den letzten
Monaten trug Bösch
Bildmaterial zusammen
für sein neues Projekt,
einen MatterhornBildband, der im Herbst
erscheint.
Umso mehr freute ihn
das Angebot von SRF:
schon begeisterte Mitflieger. Und
seine glühendsten Fans. Sie fiebern
mit, wenn er an den X-Alps
unterwegs ist. Und sobald er rastet,
werden sie aufgeregt mit ihm
telefonieren.
Die Muskeln hat Christian Maurer trainiert, den neuen Rennschirm
eingeflogen. Er hofft, dass sein
Fuss mitmacht, den er letzten Herbst
bei einer missglückten Landung
gebrochen hat. Auch ein bisschen
Wetterglück wäre hilfreich. Dann
funktioniert der Mix aus Lockerheit
und Präzision vielleicht ein weiteres
Mal, und der «Adler von Adelboden»
fliegt beschwingt dem Ziel Monaco
entgegen. MM
Punktlandung in Klosters GR vor den Kameraleuten des Schweizer Fernsehens.
Er konnte im Fernsehhelikopter mitfliegen,
als dieser die MaurerBrüder auf deren Langstreckensynchronflug
begleitete – für SRF ein
neues Experiment.
«Aussen filmte die
TV-Kamera, von innen
heraus fotografierte
ich», sagt Bösch. Beim
Sichten der Bilder
staunte er, wie nah die
beiden Brüder manchmal dem Boden kamen
und dann doch wieder
an Höhe gewannen.
Eine Auswahl von
Böschs Bildern ist in
diesem Artikel zu sehen.