15/2016 Abgasskandal VW-Gruppe, Aktuelle Informationen

Mitteilungen der Juristischen Zentrale
REGIONALCLUB
Nr. 15/2016
05.02.2016 KH/Si
Abgasskandal VW-Gruppe
Aktuelle Informationen zum weiteren Vorgehen nach Aufforderung zur Umrüstung und zu den ADAC Vorher-Nachher-Tests
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit den Regionalclubmitteilungen Nr. 38, Nr. 42 und Nr. 45 haben wir Sie bereits über die
VW-Dieselthematik und unsere Einschätzung zur Rechtslage informiert.
Im Laufe des Jahres 2016 soll die Umsetzung der vom Hersteller vorgestellten Abhilfemaßnahmen in mehreren Wellen erfolgen. VW hat angekündigt, im ersten Quartal 2016 zunächst
die 2,0-Liter-Motoren in die Werkstätten zu rufen, beginnend mit dem Modell Amarok.
Zwischenzeitlich wurden die ersten Maßnahmen durch das Kraftfahrtbundesamt (KBA) genehmigt. Eine Freigabe für den gesamten Rückruf gibt es aber noch nicht. Das KBA will die
Freigaben für die Rückrufe nach und nach jeweils für die einzelnen Modellreihen ausstellen.
Nach dem Modell Amarok prüft die Behörde die geplanten Rückrufe und Umrüstungen für
weitere betroffene Modelle. Sie sollen in mehreren Etappen in die Werkstätten gerufen werden. Nach erteilter Freigabe folgen in einigen Wochen erste Varianten des Passats.
Voraussichtlich zum Ende des zweiten Quartals 2016 (Jahresmitte) sind Maßnahmen auch
bei 1,2-Liter-Motoren geplant. Für das dritte Quartal 2016 ist die Umsetzung bei den betroffenen Fahrzeugen mit 1,6-Liter-Motor angekündigt.
In Anlehnung an die Vorgehensweise der Marke Volkswagen planen die weiteren Marken
des Konzerns – Audi, SEAT, ŠKODA und Volkswagen Nutzfahrzeuge – für ihre betroffenen
Fahrzeuge ebenfalls entsprechende Umrüstungen.
Die angekündigten technischen Änderungen seitens VW werden sowohl vom ADAC mittels
Vorher-Nachher-Tests als auch von anderen Institutionen überwacht werden. Somit ist davon auszugehen, dass aufgrund des öffentlichen Drucks eine ordnungsgemäße Umsetzung
gewährleistet sein sollte.
Diese Mitteilung informiert Sie zu folgenden Themen:
I.
Anfragen zu den Abhilfemaßnahmen des Herstellers
II.
ADAC startet Vorher-Nachher-Test – Registrierung ab sofort möglich
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I.
Anfragen zu den Abhilfemaßnahmen des Herstellers
1.
Was genau wird an betroffenen Fahrzeugen gemacht?
Die 1,2-und 2,0-Liter-Aggregate bekommen lediglich ein Software-Update. Die reine Arbeitszeit für diese Maßnahme soll nach Herstellerangaben weniger als eine Stunde betragen.
Beim 1,6- Liter EA 189-Motor wird nach Angaben von VW direkt vor dem Luftmassenmesser
ein sogenannter Strömungstransformator befestigt. Dies ist ein Gitternetz, das den verwirbelten Luftstrom vor dem Luftmassenmesser beruhigt und so die Messgenauigkeit des Luftmassenmessers entscheidend verbessert. Der Luftmassenmesser ermittelt die aktuell durchgesetzte Luftmasse; ein für das Motormanagement sehr wichtiger Parameter für einen optimalen Verbrennungsvorgang. Zudem wird an diesem Motor noch ein Software-Update durchgeführt. Die reine Umsetzung der technischen Maßnahmen wird voraussichtlich weniger als
eine Stunde in Anspruch nehmen.
Mit diesen definierten Maßnahmen liegen nun für den Großteil aller betroffenen VolkswagenModelle mit EA 189-Motor technische Lösungen vor.
2.
Muss ich für die Herstellermaßnahmen bezahlen?
Nein. Das Kraftfahrtbundesamt hat in der Anordnung des Rückrufs eine Kostentragungspflicht für den Rückruf angeordnet, die VW unwidersprochen hingenommen hat. Somit ist der
Hersteller verpflichtet, die angekündigten Maßnahmen für den Kunden kostenlos durchzuführen.
3.
Kann ich einen Leihwagen verlangen?
Grundsätzlich kommt die Zurverfügungstellung eines kostenlosen Leihwagens vom Verkäufer im Rahmen der Sachmängelhaftung nur in Betracht, wenn diesen ein Verschulden an
dem mangelhaften Zustand des Fahrzeugs trifft. Hiervon ist aber in diesen Fällen der Softwaremanipulation nicht auszugehen. Die Herstellergarantie beinhaltet regelmäßig keinen
Mobilitätsanspruch für Rückruf- bzw. Serviceaktionen. Denkbar wäre eine Übernahme von
Mietwagenkosten allenfalls im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs gegenüber dem
Hersteller, wobei aber bisher unklar ist, ob solch ein Anspruch auch besteht. VW selbst hat
aber erklärt, den Kunden eine angemessene und kostenfreie Ersatzmobilität zur Verfügung
zu stellen.
4.
Bekomme ich Zeitverlust und Fahrtkosten ersetzt?
Eine Entschädigung für Zeitverlust und Fahrtkosten gibt es grundsätzlich nicht. Fahrtkosten –
etwa in Höhe von 30 Cent/km – könnten gegebenenfalls als Schadensersatz vom Hersteller
VW gefordert werden (s. o.).
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Gegenüber dem Verkäufer bestehen mangels Verschulden keinerlei Ansprüche. Bestehen
noch Sachmängelhaftungsrechte aus dem Kauf und kann die Nachrüstung dem Verkäufer
zugerechnet werden (s. u.), können die Fahrtkosten für das Verbringen und die Rückfahrt
des Kfz aber als Kosten der Nachbesserung vom Verkäufer ersetzt verlangt werden.
5.
Muss ich der Aufforderung unverzüglich nachkommen?
Es gibt bislang keine Frist, die der Kunde hier für die Durchführung der Serviceaktion einhalten müsste. Laut VW ist für die Umrüstaktionen mindestens das ganze Jahr 2016 veranschlagt. Zeitliche Vorgaben werden bisher nicht gemacht. Da das Fahrzeug auch mit manipulierter Abgassoftware verkehrssicher ist, besteht keine Eile, die Nachrüstung durchführen
zu lassen. Allerdings muss damit gerechnet werden, dass nach mehrmaliger Aufforderung –
gegebenenfalls auch durch das Kraftfahrtbundesamt – die zuständigen Behörden tätig werden. Im schlimmsten Fall droht dann eine Betriebsuntersagung für nicht nachgerüstete Fahrzeuge.
6.
Entsteht für diese Arbeiten eine Sachmängelhaftung (Gewährleistung)?
Da die vom Hersteller veranlassten Arbeiten für den Kunden kostenlos erfolgen, entstehen
keine neuen Sachmängelhaftungsansprüche.
Nur wenn der Kunde für die Arbeiten (teilweise) bezahlen müsste, würde ein Werkvertrag
vorliegen, aus dem sich die Sachmängelhaftungsrechte nach dem Gesetz ergeben.
7.
Kann ich die Werkstatt für die Rückrufaktion frei wählen?
Nach bisherigem Kenntnisstand sind nur die Vertragswerkstätten in der Lage, die vom Hersteller bereitgestellte Software einzuspielen und, soweit erforderlich, sonstige ergänzende
Maßnahmen durchzuführen. VW hat verlautbaren lassen, dass die Vertragswerkstatt jedoch
frei gewählt werden kann.
8.
Müssen betroffene Fahrzeugbesitzer jetzt selbst aktiv werden?
VW wird die Anschriften der betroffenen Fahrzeughalter vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) erhalten, diese anschreiben und zur Nachrüstung bitten. Dieses Aufforderungsschreiben können die Fahrzeugbesitzer abwarten.
Sollten Fahrzeugbesitzer unsicher sein, ob vielleicht auch ihr Fahrzeug von der Softwaremanipulation betroffen ist, so kann man dies unter Eingabe der Fahrgestellnummer auf den Internetseiten der Hersteller Audi, Seat, Škoda und VW abfragen. Alternativ gibt auch der
Händler Auskunft.
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9.
Ich plane eines der betroffenen Fahrzeuge demnächst zu kaufen. Wie kann ich
feststellen, ob die Rückrufaktion auch tatsächlich durchgeführt wurde?
Bei Durchführung der Herstellermaßnahmen soll ein Aufkleber im Bereich der Reserveradmulde angebracht werden. Aus der elektronischen Fahrzeughistorie wird sich das Softwareupdate ebenfalls auslesen lassen. Zudem erfolgt nach Auskunft von VW ein Eintrag im Serviceheft des Fahrzeugs.
10. Was muss ich tun, wenn ich ein Schreiben mit der Aufforderung zur Umrüstung
erhalten habe?
Wer ein Schreiben von VW erhalten hat, wonach das betroffene Fahrzeug zur Nachrüstung
(Software oder Zusatzteile) in das Werkstättennetz von VW gebeten wird, sollte zumindest
für den Fall, dass noch Sachmängelhaftungsansprüche gegen den Verkäufer bestehen, mit
diesem (schriftlich) vereinbaren, dass sich der Verkäufer die Durchführung der technischen
Maßnahmen seitens VW als Nachbesserung zurechnen lässt. Dies gilt unabhängig davon,
ob die Maßnahmen beim Verkäufer oder bei einer (anderen) VW-Vertragswerkstatt durchgeführt werden. Sollten sich nämlich aus der Nachrüstung Nachteile ergeben (s. u. Ziffer 11),
können diese beim Verkäufer nur geltend gemacht werden, wenn ihm die Arbeiten als Nachbesserung zugerechnet werden können. Weigert sich der Verkäufer, ist eine anwaltliche Beratung zum weiteren Vorgehen zu empfehlen.
11. Welche rechtlichen Konsequenzen hätte es, wenn nach erfolgter Nachrüstung
Leistungsverlust und Kraftstoffmehrverbrauch verbleiben?
Nach Einschätzung des ADAC ist aus heutiger Sicht nicht auszuschließen, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Stickoxidemissionen anderweitige negative Auswirkungen auf
das Fahrzeug, z. B. Leistungsverringerung oder Kraftstoffmehrverbrauch, haben könnten.
Bei noch bestehenden Ansprüchen gegen den Verkäufer (Händler) würde damit rechtlich
nach wie vor nicht der vom Käufer geforderte Sollzustand hergestellt. Die ursprünglich beabsichtigte Verbesserung würde somit möglicherweise sogar eine Verschlechterung in anderen
Elementen des Fahrzeugs zur Folge haben. Damit bestünde aus rechtlicher Sicht der ursprüngliche Mangel weiterhin fort, die im Raum stehenden Verschlechterungen sind nicht als
neuer Mangel zu werten.
Spätestens nach einer zweiten, erfolglosen Nachbesserung bestünde Anspruch auf Minderung des Kaufpreises; ob und in welcher Höhe dies der Fall ist, hängt davon ab, ob und welche negativen Auswirkungen eine Nachbesserung mit sich bringt. Nur wenn sich durch die
Nachbesserung zur Einhaltung der Abgaswerte so gravierende Veränderungen im Verbrauch und/oder der Motorleistung ergeben, dass diese rechtlich als erheblich anzusehen
sind, bestünde ein Anspruch auf Rücktritt vom Kaufvertrag.
Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte dem Verkäufer vorher jedoch noch schriftlich eine
Frist zur Nacherfüllung gesetzt werden, da strittig sein könnte, ob die Serviceaktion des Herstellers die Nachbesserung des Verkäufers ersetzt (s. o.).
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Der Rücktritt vom Kaufvertrag ist nur zulässig bei „erheblichen“ Mängeln. Dies ist jedenfalls
indiziert, wenn die Kosten der Nachbesserung mehr als 5 % des Kaufpreises betragen
(BGH, 28.05.2015, VIII ZR 94/13, DAR 2015, 22), bei einem Kraftstoffmehrverbrauch von
10 % und mehr (BGH, 08.07.2015, VIII ZR 19/05, DAR 2007, 516) oder einer verminderten
Motorleistung von etwa 10 % (z. B. LG Wuppertal, 16.11.2010, DAR 2011, 533). Die prozentual relevante Abweichung bei Leistung und Verbrauch gilt für die Fälle, bei denen es original
um die Frage von Mehrverbrauch bzw. Minderleistung ging. Vorliegend könnten die Grenzwerte durchaus niedriger anzusetzen sein, weil es um die Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung geht und Mehrverbrauch bzw. Minderleistung das Ergebnis einer „Verschlimmbesserung“ wären. Bei „unerheblichen Mängeln“ bleibt dem Kunden nur die Kaufpreisminderung.
Soweit die Sachmängelhaftungsansprüche gegen den Verkäufer verjährt sind, stehen darüber hinaus Schadensersatzansprüche gegen den Hersteller im Raum. Als Schadenspositionen denkbar sind neben den Fahrtkosten zur Werkstatt insbesondere (nachgewiesene)
Mehrkosten bei einem evtl. Kraftstoffmehrverbrauch. Bislang ist gerichtlich nicht geklärt, ob
derartige Schadenersatzansprüche tatsächlich bestehen.
Konkretere Einschätzungen zu den Konsequenzen können wir erst nach Vorliegen der Testergebnisse abgeben. Wir werden die Mitglieder dann zeitnah informieren.
II.
ADAC startet Vorher-Nachher-Test – Registrierung ab sofort möglich
Es melden sich derzeit viele Mitglieder, die ihr Fahrzeug einem Vorher/Nachher Test unterziehen möchten. Eine Überprüfung einer Vielzahl von betroffenen Fahrzeugen kann allein
schon aus logistischen Gründen vom ADAC nicht vorgenommen werden.
Die zur Feststellung von Abweichungen erforderlichen Tests sind zeit- und kostenaufwändig
und können nur sicher in zertifizierten Abgaslaboren durchgeführt werden. Der ADAC wird
daher relevante Fahrzeuge auswählen, um die extensive Überprüfung stichprobenartig
durchzuführen und damit auf die bestehenden Unsicherheiten bezüglich Mehrverbrauch und
Leistungseinbußen nach den Abhilfemaßnahmen klare Antworten geben zu können.
Der ADAC will auf die mit dem Rückruf verbundenen Fragen schnellstmöglich fundierte Antworten liefern und führt deswegen ab Februar 2016 Vorher-/Nachher-Messungen an betroffenen Fahrzeugen durch.
Hierfür ruft der ADAC betroffene VW-Fahrer, die bereits eine Aufforderung zum Werkstattbesuch erhalten haben, auf, sich beim ADAC zu registrieren und ihr Fahrzeug für einen unabhängigen Abgastest zur Verfügung zu stellen. Insgesamt sollen aus den Anmeldungen für
eine erste Testphase maximal zehn Fahrzeuge ausgewählt werden.
Das Ziel des Aufrufs ist es nicht, alle registrierten Fahrzeuge zu testen, sondern anhand einer hinreichenden Anzahl von Tests generelle Erkenntnisse für die zurückgerufenen VW-Modelle zu erlangen.
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Für die erste Testphase werden Fahrzeuge mit 2.0 TDI-Motor gesucht. Voraussetzung für
die Teilnahme ist ein von VW erhaltener Rückruf mit einer konkreten Aufforderung zum Besuch einer Werkstatt. Außerdem müssen angemeldete Fahrzeuge über ein Schaltgetriebe
verfügen, sich im unfallfreien Originalzustand befinden und eine Laufleistung von maximal
140.000 km aufweisen. Die genauen Bedingungen für eine Teilnahme als Testkandidat sind
auf der Anmeldeseite beschrieben.
Der Aufruf nach geeigneten Fahrzeugen ist auch auf der Facebook-Seite des ADAC platziert
worden. Eine Registrierung ist unter www.adac.de/vw-messungen möglich.
Wenn Sie noch weitere Fragen rund um das Thema haben, helfen Ihnen die Clubjuristen unter der
Rufnummer (089) 76 76 – 24 23
gerne weiter.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Markus Schäpe
Leitung Juristische Zentrale