Manchmal muss es eben woanders sein. Deutsche Investoren

FERNWEH
WINZER
Manchmal muss
es eben woanders sein.
Deutsche Investoren,
Kellermeister und
Winzer lieben nicht
nur die Sonne,
sondern auch das Flair
der Ferne. Mittelmeer
und Übersee
stehen weit oben auf
der AuswandererWunschliste.
Text: Wolfgang Faßbender
Die Frage nach dem Warum
ist eine, die jedem deutschen Auslandswinzer gestellt werden könnte. Doch eine
Antwort zu erhalten, ist gar nicht so einfach. Die Entscheidung zur kompletten
oder Teilzeit-Auswanderung muss etwas
zu tun haben mit der Sehnsucht nach
dem ursprünglichen Handwerk, dem
Faible für Genuss, der Leidenschaft fürs
milde Klima. Gewiss, es gibt auch bran­­
chen­­­­fremde Mäzene, die sich auf deutsche Weinberge konzentrieren, die an der
Mosel investieren oder in Baden. Aber
dem Charme des Südens und der Faszination von Übersee-Weinbergen scheinen
die fernweh-kranken Reben-Fans nicht
widerstehen zu können.
DER ENTSPANNTE
14_05 I 2015
Frank Maruccia wirkt tiefenentspannt.
Der Unternehmer war früher beinah
rund um die Uhr mit dem Ausbau seiner
deutschen Firma beschäftigt, fand kaum
Zeit, Wein zu genießen. Vorbei. „Ich wollte
nicht mehr so viel arbeiten und reisen“,
sagt der Neu-Mallorquiner. 2009 pflanzte
er in Llucmajor, zwischen Palma und
Manacor, 2011 gründete er die eigene
Bodega. Traumerfüllung, ganz sicher,
FOTOS: MARCO RICHTER; LEIF CARLSSON; ; JIGAL FICHTNER; PETER RIEGEL; SCHUG; SIDDÙRA; BRIAN SPROUT
WEIN
Lässig: Frank
Maruccia im
Weinberg
auf Mallorca
05 I 2015_15
WEIN
»WIR HABEN
HIER EIN
GANZ SPEZIELLES
KLIMA AUF
500 METERN HÖHE«
Thore Könnecke
vgcvdgvcdsv
Stolze
„Wölfe“:
mcdsncdsncdv
Nicolas
Grohe und
dcdcmdvd
Thore
Könnecke
d,dssdnvvvnv
aber ohne Ansprüche an ein Imperium, ohne
fanatische Pläne. Maruccia bildete sich fort,
ließ sich vom aus der Pfalz stammenden
Oenologen Stefan Winterling beraten, sorgte
für eine repräsentative, aber alles andere als
protzige Bodega. Eineinhalb Hektar, rund 7 500
Flaschen pro Ernte. Das muss reichen, zumal
die Weine ambitioniert klingen. Chardonnay,
auf der Feinhefe gereift; eine knackige
Mischung aus altem Callet und jungem Cabernet; die Spitzencuvée aus Cabernet Sauvignon,
Merlot und Cabernet Franc. Wer derlei Spezia­
litäten kaufen will, muss allerdings in einen
Club eintreten oder in eines von etwa 15 Sternerestaurants in Deutschland spazieren. „Ich
möchte Leute haben, die zu mir passen“, sagt
Maruccia. Kein Absatz um jeden Preis. Funktioniert. Und macht sich auch mental bezahlt.
„Ich bin jetzt definitiv zufriedener als früher.“
16_05 I 2015
DIE WÖLFE
Die Grundlagen waren wenig verheißungsvoll. Der Begriff Louvière bezeichnet einen
Platz, an dem sich einst Raubtiere trafen.
Und das Wort Malepère, der Name der
­Region, steht für einen „schlechten Stein“.
Wer wollte da schon investieren, a­ ngesichts
solcher ­Vorzeichen? Doch Klaus Grohe, der
Vater des jetzigen Louvière-Chefs Nicolas
Grohe, eines Deutsch-Schweizers, fuhr im
Urlaub immer wieder an diesem Teil von
Frankreich vorbei und war fasziniert von der
Schönheit der Region nahe Carcassonne. „Er
hat dann ein Ferienhaus gekauft“, erinnert
sich Oenologe und Verkaufsleiter Thore
Könnecke, „die Reben waren günstig zu
haben“. Schnell wurden die v­ermeintlichen
Nachteile als echte Vorzüge identifiziert. Die
brocken
Wölfe sind weg, und die Gesteins­
in den mühsam zu bearbeitenden Böden,
­welche die Bauern früher zum ­Fluchen ver­­
führten, entpuppten sich als i­deale Zutat zur
Produktion mineralischer Weine. Ein­­­­flüsse
von Mittelmeer und Atlantik spielen gleichermaßen eine Rolle: Für ­Sauvignon Blanc und
Viognier ist es nicht zu warm, für Cabernet
Sauvignon oder ­Carménère aber auch nicht
zu kalt. „Ein ganz spezielles Klima auf 500
Metern Höhe“, schwärmt Thore ­Könnecke.
Hundertprozentig vor Ort ist das sympathische Führungs-Duo trotzdem nicht, das Pendeln ­zwischen Deutschland, der Schweiz und
Frankreich ist unvermeidbar. Umso besser
­
für die ­Kunden: Könnecke und Nicolas’ Bruder ­Jannik eröffneten gerade eine Weinbar in
Freiburg im Breisgau, die ebenso kreativ und
jugendlich ist, wie die gesamte Domaine La
Louvière. Merken!
WEIN
DER GRAUBURGUNDERKANADIER
„Nein“, bedauert George Heiss jr., seine
Weine seien in Deutschland nicht erhältlich.
„Die Transportkosten wären hoch und der
Endpreis im Regal auch.“ Bedauerlich für die
Weinfans in jenem Land, aus dem sich Georges Mutter einst nach Kanada aufmachte.
Trudy kam eher zufällig ins Okanagan Valley,
begann 1972 mit Gatte George und einem
Arm voll Rebsetzlingen, baute das Weingut
nach und nach auf heute rund 30 Hektar auf.
Zur Ausbildung war Sohn George jr. dann im
Land seiner Vorfahren, an der Staatlichen
Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg, bei
Louis Guntrum in Nierstein, auch beim
Weingut Schweikart in Landau-Godramstein.
Die Deutschland-Erfahrungen halfen daheim
in Kanada, die Reben sowieso. Auch wenn die
Gray Monk Winery Bezug nimmt auf den
Grauen Mönch, ein Synonym der Sorte Grauburgunder, spielen noch andere Reben eine
Rolle. „Gewürztraminer, Kerner und Riesling
bleiben sehr wichtig für uns“, sagt Heiss, „wir
haben über die Jahre hinweg die Produktion
ausgebaut“. Die klimatischen Bedingungen
passen, die deutschen Traditionen auch.
Die Weinberge
der Gray Monk
Winery am
Okanagan Lake
Axel Schug, sein
Vater Walter Schug
und winemaker
Michael Cox
DER ASSMANNSHÄUSER
Walter Schug hat den Kontakt zur Heimat nie
verloren, ist immer mal wieder in Deutschland. Und dann gern mal dort, wo alles seinen
Anfang nahm – im Rheingauer Rotweindorf
Assmannshausen. Reichlich Zeit hat der
Auswanderer und Gründer der Schug Winery
inzwischen für solche Reisen, denn das operative Geschäft hat er längst abgegeben. Fast
80 Jahre alt, nimmt er an den Blending Ses­
sions und wichtigen Meetings teil, überlässt
das Tagesgeschäft Winemaker Mike Cox und
Sohn Axel. Und überlegt dann und wann
wohl bei einem Glas vom Assmannshäuser
Höllenberg, dass er das mit dem Spätburgunder ziemlich gut hinbekommen hat, seit er
1961 in die Staaten gegangen ist. Mit einer
prima Ausbildung – die Geisenheimer Hochschule hatte schon damals einen blendenden
Ruf – und unbeeinflusst von der erst viele
Jahre später im Rheingau Einzug haltenden
Barrique-Mode. 1980 gründete Schug die ei­­­
gene Kellerei, in Carneros, einem jener Teile
Kaliforniens, in dem das Klima noch nicht
sämtliche kühle Traubenfrucht in warme
Fülle verwandelt. Selbst der Schug-EstatePinot-Noir oder die famose rote Heritage
Reserve reifen nur zu einem Drittel in neuen
Barriques. Mächtige Holzbomben, aus Kalifornien oder anderswo, sind dem Patron ein
Gräuel, bei so was winkt er schnell ab. Passe
nicht zum Essen! Prinzipien eben.
DIE ELEGANTEN
Georg Weber ist wie aus dem Ei gepellt, das
Einstecktuch im Brusttäschchen, die Manieren
untadelig. Auf dem Zürcher „Sonnenberg“, wo
sich Schweizer Gourmets sonst Cordon bleu
und mächtige Nudelportionen namens Mezzelune kommen lassen, hat er zur Verkostung
gebeten. Weber geht ganz auf in seinem
Nebenjob als Chef des Weinguts Monteverro.
Ganz unten in der Toskana lässt er zusammen
mit Gattin Julia feinste Tropfen erzeugen, 2008
war der erste Jahrgang, mittlerweile werden
die Weine von Robert Parker hoch gelobt. Aber
warum das Ganze? Gute Frage: Weber ist ja
auch sonst gut beschäftigt, der Familie gehören die Dehner-Gartencenter. Doch der Mann
guckt versonnen und verweist auf die Begeisterung für den Wein im Allgemeinen, den Bordeaux im Besonderen, die Toskana auch. Ließ
sich alles verbinden, nachdem Weber vor zwölf
Jahren Land erworben hatte. Nicht in den ultrateuren Hot Spots der Region, sondern in der
eher beschaulichen Provinz Grosseto: Investitionen schon, aber keine unkalkulierbaren
Abenteuer. Drei Jahre später nahm die Sache
Form an, wurde das Konzept eines nach Bordelaiser Sortenvorbild vinifizierten Spitzenweines erarbeitet. Man merkt, dass nichts dem
Zufall überlassen wurde, die Marketingdame
beherrscht ihren Job, der Vertrieb läuft wie
geschmiert. Auch jener des Vermentino, des
05 I 2015_17
WEIN
»IN DER PROVINZ
GROSSETO
GEWINNEN DIE WEINE
VON JAHR ZU JAHR
AN ELEGANZ«
Georg Weber
weißen Einsteiger-Weines. Mit Bordeaux hat
der nichts zu tun, aber allzu streng muss man
ja nicht sein. Georg Weber lernt dazu. Regelmäßig sei er vor Ort, bekennt der Deutsche,
schaue und verkoste. Freue sich, dass die
Weine von Jahr zu Jahr an Eleganz gewännen.
Scheinen nach dem Inhaber zu kommen.
DER BIO-PIONIER
Irgendwie war die Entscheidung, selbst zum
Winzer zu werden, überfällig. Jedenfalls dann,
wenn man sich Peter Riegels Werdegang
anschaut. Der einstige Politik-, Literatur- und
Geschichtsstudent, dem die Vorlesungen da
und dort wohl doch zu langweilig waren, handelte in Konstanz erst mit Töpferware und Tee,
nahm Wein hinzu, spezialisierte sich dann
immer mehr. Mit Südfrankreich und dessen
flüssigen Produkten hatte Riegel schon in der
Anfangszeit als Händler zu tun, heute verkauft
der Badener in der Nähe des Bodensees viele
hundert verschiedene Abfüllungen, die zwar
aus zahlreichen Ländern stammen, aber eines
gemeinsam haben: Die Trauben wurden auf
streng biologische Weise betreut. 2009 folgte
dann der nächste Schritt. Gemeinsam mit dem
Oenologen Jean Natoli erfüllte sich Riegel den
Traum vom eigenen Weingut. Mas des Quernes nannte es sich und lag dort, wo die Leidenschaft einst begann – in Südfrankreich. BioAnbau, na klar, Olivenbäume, ein Hauch
von Garrigue. „Ich bin im Schnitt sechs Mal im
Jahr da“, erzählt Peter Riegel. „Stilfragen,
Erntezeitpunkte und Vinifizierungsmethoden
entscheiden wir gemeinsam“, betont der BioPionier, „außerdem lassen wir uns von einer
Oenologin aus dem Team von Jean Natoli
extern beraten, um noch eine Stimme von
außen zu haben“. Fachkenntnis von außen hat
Riegel immer geschätzt.
DER GEHEIMNISVOLLE
Georg Weber
erzeugt auf seinem
Gut Monteverro
feinste Tropfen
18_05 I 2015
Wenn man versucht, ein Gespräch mit Nathan
Gottesdiener zu führen, beißt man schnell auf
Granit. Interviews gebe der Inhaber des Weinguts Siddùra nicht, erfährt man. Fotos des
Chefs bekommt man auch keine zu sehen,
und die Informationen, die man dann irgendwie aus dem Weingut herauskitzelt, bleiben
vage. Tatsache ist, dass Nathan Gottesdiener
erfolgreicher Unternehmer ist, in der Modebranche als halbe Legende gilt, das Label Oui
aufgebaut und Jahrzehnte geleitet hat. Spätestens 2008 verliebte er sich in eine ganz andere
WEIN
Eingespieltes
Team: Jean Natoli
und Peter Riegel
Branche: Wein. Und natürlich Italien, wie es
sich für einen Mode-Papst gehört. Aber nicht
die allseits beliebte Toskana, sondern das in
mancher Hinsicht abseitige Sardinien. Luogosanto, das mittelalterliche sardische Städtchen,
lag bei Investoren nicht gerade hoch im Kurs,
und als Gottesdiener kaufte, hatte das An­­­
wesen seine besten Zeiten hinter, die allerbesten freilich erst vor sich. Heute lässt der Chef,
wenn es ernst wird, die Weine für sich sprechen. Und das tun sie auf eine ebenso erfrischende wie beruhigende Weise. Keine wilden
Rebsortenexperimente, sondern Vermentino
in Perfektion, in der weißen Spitze sogar im
kleinen Fass ausgebaut. Und dann der rote
Cagnulari! Wie von allen Weinen gibt es auch
von dem nur geringste Mengen, ­wenige zehntausend Flaschen werden auf S
­ iddùra insgesamt gefüllt. Echte Geheimtipps vom geheimnisvollen Weingut.
I
> Weitere Informationen finden Sie auf
www.meiningers-weinwelt.de
Stylish:
Das italiensche
Weingut Siddùra
WINZERADRESSEN
Frank Maruccia:
Bodega Maruccia
Camino Son Mendivil
Buzon 30, E-07620
Llucmajor, Tel. +34 66370
6061, www.maruccia.com
[email protected]
Nicolas Grohe &
Thore Könnecke:
Domaine La Louvière
La Louvière, F-11300
Malviès, Tel. +33 4 682071 55
www.domainela-­louviere.com
domainelalouviere@
wanadoo.fr
George Heiss jr.:
Gray Monk Winery
1055 Camp Road
Lake Country
British Columbia
Kanada
Tel. +1 2507663168
www.graymonk.com
[email protected]
Walter Schug:
Schug Carneros Estate
Winery
602 Bonneau Road
Sonoma
CA 95476, USA
Tel. +1 707 9399363
www.schugwinery.com
[email protected]
Julia und Georg Weber:
Monteverro, Strada Aurelia
Capalbio 11
I-58011 Capalbio
Tel. +39 0564 890721
www.monteverro.com
[email protected]
Peter Riegel:
Mas des Quernes
1 bis, impasse du Pressoir
F-34150 Montpeyroux
Tel. +33 980 790376
www.mas-desquernes.com,
[email protected]
Nathan Gottesdiener:
Siddùra, Località Siddura
Snc, I-07020
Luogosanto
Tel. +39 079 6573027
www.siddura.com
[email protected]
05 I 2015_19