Einheit 12 SV 23 - Juristische Fakultät

PROPÄDEUTISCHE Ü BUN GEN ZUM GRU NDKURS ZIVILRECHT I
WINTERSEMESTER 2014/15
JURISTISCHE FAKULTÄT
LEHRSTUHL FÜR BÜR GERLICH ES RECHT, INTERNATIONALES
PRIVATRECHT UND RECHTSVE RGLEICHUNG
PROF. DR . STEPHAN LORENZ
E INHEIT 12 – S ACHVERHALT
F ALL 23: D AS NICHT BESTELLTE B UCH
Geschichtslehrer Lothar erhält vom Buchverleger Valentin ein Buch über
mittelalterliche Sagen; im beigefügten Schreiben heißt es: „Sehr geehrte
Dame, sehr geehrter Herr! Ich gehe davon aus, dass das beiliegende Buch
Ihr Gefallen finden wird. Sollte dies wider Erwarten nicht zutreffen, so
senden Sie das Buch innerhalb von zwei Wochen zurück. Anderenfalls gehe ich davon aus, dass Sie es zum Einführungspreis von € 89,– käuflich
erwerben wollen.“ Lothar blättert das Buch kurz durch, verschließt es in
seinem Schreibtisch und vergisst die Sache. Nach vier Wochen mahnt Valentin mit anwaltlichem Schreiben die Kaufpreiszahlung an.
1. Ausgangsfall: Muss Lothar (L) die € 89,– zahlen?
2. Abwandlung: Wie wäre der Fall zu entscheiden, wenn Lothar ganz begeistert seiner Frau davon erzählt, dass ihm das Buch geschickt wurde und
er es gerne bezahlen werde. Er liest das Buch, versieht es mit Anmerkungen und bringt seinen „ex libris“-Stempel auf der Innenseite des Umschlags an?
ERLÄUTERUNG:
EIN „EX-LIBRIS“-STEMPEL DIENT ZUR KENNZEICHNUN G DES EIGENTÜMERS EINES BUC HES. ANDERE
BEZEICHNUNGEN SIN D Z. B BU CHSTEMPEL UND NAMENS STEMPEL.
AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2014/15
EINHEIT 12 – SACHVERHALT
B ESPRECHUNG 1. P ROBEKLAUSUR – G UTE F REUNDE –
Der etwas in die Jahre gekommene ehemalige Fußballprofi Lothar (L) ist
auf der Suche nach einem neuen Auto, um seine fünfte Ehefrau standesgemäß chauffieren zu können. Als sein guter Freund Franz (F) von dem
Vorhaben des L erfährt, kommt ihm gleich die Idee, sich von seinem altgedienten, aber gut erhaltenen Klassiker, einem BMW 2800 CS, zu trennen. F
verfügt nämlich über einen großen Fuhrpark an Luxuskarossen, und möchte Platz für Neuerwerbungen schaffen. Er bietet daher L an, ihm das Fahrzeug für € 20.000,– zu verkaufen. Es handele sich dabei, so F, allerdings
um einen Unfallwagen, woraus sich der günstige Preis ergäbe. Unfallfrei
wäre das Auto derzeit € 30.000,– wert. L kommt das sehr gelegen. Er hatte
zwar ein weiteres Angebot über den Verkauf eines neueren aber gebrauchten Porsche Boxter zum Schnäppchenpreis von € 10.000,– (objektiver Wert
€ 15.000,–) vorliegen, bei dem BMW kann er allerdings nicht widerstehen
und nimmt das Angebot des F sofort an. Kaufpreiszahlung und Übergabe
des Wagens sollen am nächsten Tag erfolgen.
Kurz nachdem L das Grundstück des F verlassen hat, lässt F den Blick über
den restlichen Fuhrpark schweifen. Dabei fällt ihm auf, dass er einen großen Fehler gemacht hat: Bei dem verunfallten Fahrzeug aus dem Fuhrpark
des F handelt es sich nicht um den soeben verkauften BMW 2800 CS, sondern um die Mercedes S-Klasse des F. Er ruft daher sofort L an und teilt
diesem mit, dass er sich geirrt habe: Der BMW sei gar kein Unfallfahrzeug,
sondern unfallfrei und daher erheblich mehr wert. Deshalb könne er das
Geschäft nicht gelten lassen.
L besteht hingegen auf den abgeschlossenen Vertrag und verlangt die
Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gegen Zahlung des vereinbarten Kaufpreises, was F verweigert.
Der Porsche Boxter ist mittlerweile bereits verkauft, so dass L nun ganz
ohne Fahrzeug dasteht.
Bearbeitervermerk:
1. Erstellen Sie ein Gutachten zu den folgenden Fragen in der vorgegebenen Reihenfolge:
a) Kann L von F die Übergabe und Übereignung des BMW 2800 CS
gegen Zahlung von € 20.000,– verlangen?
b) Hat L gegen F Schadensersatzansprüche?
2. Beantworten Sie die folgende Zusatzfrage:
Erst nachdem sich F vom Vertrag mit L losgesagt hat, erfährt er, dass dieser gegen ihn einen Anspruch auf Schadensersatz geltend machen könnte.
Er bereut nun, dass er sich vom Vertrag losgesagt hat, weil er bei Kenntnis
dieser rechtlichen Konsequenz lieber am Vertrag festgehalten hätte. Er
teilt deshalb sofort dem L mit, dass er es jetzt doch bei dem Vertrag zu
€ 20.000,– belassen wolle. Kann er das wirksam erreichen?
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