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VR/Katharina Spirkl
Fuhrpark + IT 4. Fachkonferenz Lkw und Fuhrpark
Aufregerthema: Rechtsexperte Detlef Neufang
informierte über den
Mindestlohn
Fahrer und Flotte im Griff
Lkw in Schuss halten, Fahrereinsätze planen und den
Dokumentationspflichten des
Mindestlohns nachkommen –
auf der 4. Fachkonferenz Lkw
und Fuhrpark gaben Experten
Tipps, wie Flottenmanager
dabei den Überblick behalten.
D
as Telefon klingelt ohne Unterlass
und die Auftragsbücher sind voll:
ein Traum für jeden Unternehmer.
Doch ein Lkw steht seit Tagen in der
Werkstatt, die Lenkzeiten der Fahrer sind
am Limit und eine zeitkritische Lieferung
liegt im Pannen-Trailer auf dem Standstreifen. Aus dem Unternehmertraum
wird ein Albtraum.
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21/2015 VerkehrsRUNDSCHAU
Wer sein Fahrer- und Flottenmanagement
nicht im Griff hat, läuft Gefahr, Aufträge
oder sogar wichtige Kunden zu verlieren.
Dabei stehen Unternehmen viele Instrumente zur Verfügung, um Fuhrpark und
Fahrer einsatzbereit zu halten.
Bei Rauter repariert man selbst
Um die Ausfallquote ihrer Lkw gering zu
halten, setzt die Spedition Rauter beispielsweise auf eine eigene Werkstatt. Die
hauseigenen Kfz-Mechatroniker warten
und reparieren dort sechs Tage die Woche
die Fahrzeuge des Unternehmens: „Wir
wollen die Pflege unseres Fuhrparks selbst
in der Hand haben und keine Überraschungen erleben“, begründete der Prokurist der Spedition, David Deget, diese Entscheidung auf der VerkehrsRundschauFachkonferenz „Lkw und Fuhrpark“ Ende
April in Bonn. Außerdem könne die eigene Werkstatt schneller auf Probleme re-
agieren als eine Partnerwerkstatt: Das reduziert die Stand- und Ausfallzeiten.
Viele Unternehmen scheuen die Kosten
einer eigenen Werkstatt, weiß Deget zu
berichten. Er versicherte den Teilnehmern
der Konferenz aber, dass sich der Betrieb
bei Rauter rechne. „Wir haben vor allem
die totale Kostenkontrolle“, erklärte er. Außerdem gebe es Synergieeffekte, weil viele
Ersatzteile gleich in größeren Mengen auf
Vorrat bestellt werden. „Die Preise liegen
dann deutlich unter denen einer PartnerWerkstatt“, betonte Deget.
Dabei müsse aber jedes Unternehmen für
sich prüfen, ob sich die eigene Werkstatt
lohnt. „Bei einer Fuhrparkgröße von fünf
Lkw müssen Sie nicht anfangen zu rechnen“, scherzte der Prokurist. Eine konkrete Benchmark, ab der sich eine Werkstatt
rechnet, konnte er den Teilnehmern der
Fachkonferenz aber auch nicht nennen.
Entscheidend sei nämlich nicht nur die
Software überwacht Sozialvorschriften
Um das steuern und organisieren zu können, holt sich Badenhop Hilfe aus der ITBranche: Die Disponenten im Unternehmen arbeiten mit dem Programm „Logo
3“ der Firma Wolf-Software. Im System
sind grundsätzlich alle Fahrer angelegt
und der Disponent kann sie auf die verschiedenen Touren verteilen. Kommt es zu
Überschneidungen, warnt die Software
den Disponenten. Hat ein Fahrer Urlaub
oder beispielsweise einen Arzttermin,
zeigt „Logo 3“ an, dass er für bestimmte
Touren nicht zur Verfügung steht. Schließlich schlägt die Software auch Alarm,
„Verlässliche Live-Daten verraten
uns jederzeit, ob unsere Fahrer
noch einsatzfähig sind“
JAN BARGFREDE
Leiter Disposition, Günter Badenhop Fleischwerke
wenn es bei der Tourenplanung zu Verstößen gegen Sozialvorschriften kommt.
„Seit Kurzem können wir auch Telematikdaten importieren“, sagte Bargfrede. Somit
muss der Disponent nicht mehr warten,
bis die Fahrerkarte ausgelesen ist, um zu
wissen, ob ein Fahrer noch einsatzbereit
ist. „Der Fahrer fährt auf den Hof und wir
wissen, ob er noch Lenkzeit übrig hat“, erzählte Bargfrede den Teilnehmern der
Fachkonferenz stolz. Selbst wenn er von
einer mehrtägigen Tour zurückkommt.
Somit könne der Disponent sofort reagieren und ihn zum Beispiel für eine ExtraTour einplanen. Es gibt keine langen Wartezeiten, keinen Leerlauf.
Zur Nachkontrolle kann sich Bargfrede in
dem System eine Lenk- und Schichtzeitübersicht anzeigen lassen. Daran sieht er,
wie gut ein Fahrer über mehrere Wochen
oder auch Monate hinweg tatsächlich ausgelastet war.
Weiterer Vorteil: Diese Übersicht kann als
Nachweis für den Mindestlohn dienen und
die umstrittenen Dokumentationspflichten abbilden. „Im Mindestlohngesetz steht,
dass Beginn, Dauer und Ende der Arbeitszeit aufgezeichnet werden muss“, bestätigte Detlef Neufang, Fachanwalt für Spediti-
FA C H KO N F E R E N Z L K W U N D F U H R PA R K
Gegenwart und Zukunft des Fahrer- und Flottenmanagements
Rechtliche und technologische Entwicklungen
zwingen Transporteure, Spediteure und Werkverkehrsunternehmen, ihre Strategien immer
wieder neu zu überdenken. Welche Möglichkeiten sie dabei haben, zeigt jedes Jahr die
Fachkonferenz Lkw und Fuhrpark, die die VerkehrsRundschau gemeinsam mit dem Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik
(BWVL) in Zusammenarbeit mit dem TÜV Süd
veranstaltet. In diesem Jahr lockte das Thema
„Gegenwart und Zukunft des Fahrer- und Flottenmanagements“ Ende April rund 60 Teilnehmer nach Bonn.
Alle Veranstaltungen der VerkehrsRundschau
finden Sie im Internet unter www.verkehrsrundschau.de/events. ks
onsrecht und Geschäftsführer beim Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL). Die Form spiele dabei laut
Gesetz keine Rolle. „Der Gesetzgeber
schreibt nicht vor, ob Sie die Arbeitszeiten
handschriftlich oder elektronisch dokumentieren müssen“, erklärte Neufang auf
der Fachkonferenz. Hauptsache sei, die
notwendigen Daten sind hinterlegt.
Problematisch wird es aber bei der tatsächlichen Vergütung der aufgezeichneten
Zeiten nach dem Mindestlohngesetz. Zwar
kann ein IT-System wie „Logo 3“ auch
zwischen den Schichtzeiten und den Lenkzeiten unterscheiden, aber der Gesetzgeber tut das nicht explizit. „Ob der Mindestlohn auch für Bereitschaftszeiten gilt, weiß
niemand“, merkte Rechtsexperte Neufang
an. Der BWVL und auch andere Verbände
hätten zwar schon mehrere Anfragen beim
Arbeitsministerium gestellt, bisher aber
keine Antwort erhalten.
VR/Katharina Spirkl
Größe. Die Betriebswerkstatt bei Rauter
wartet und repariert 60 ziehende Einheiten und 70 Trailer und Hänger. „Wir haben
einen sehr bunten Fuhrpark von verschiedenen Herstellern“, erklärte Deget. „Da ist
es schwierig, überhaupt eine gute Partnerwerkstatt zu finden“. Auch Faktoren wie
die Entfernung von potenziellen Servicecentern zum Firmenstandort und deren
Öffnungszeiten sollten Unternehmer in
die Entscheidung für oder gegen eine eigene Werkstatt berücksichtigen, empfiehlt
der Prokurist.
Eine intakte Flotte ist aber nur die halbe
Miete. Denn der bestgepflegte Fuhrpark
hilft nichts, wenn das Personalmanagement nicht stimmt. „Fahrzeit ist eine teure
und knappe Ressource, mit der man gut
haushalten muss“, sagte Jan Bargfrede. Er
leitet die Disposition bei den Günter Badenhop Fleischwerken in Verden.
„Wir arbeiten sieben Tage die Woche rund
um die Uhr, was auch heißt, dass die
Woche des Fahrers nicht am Freitag endet“,
erklärte der Disponent. Deshalb nutzt der
Heimtiernahrungs-Zulieferer völlig verschiedene Arbeitszeit-Modelle für seine
108 Berufskraftfahrer. Einige arbeiten von
Samstag bis Mittwoch, andere von Montag
bis Freitag und alle zwei Wochen samstags,
viele leisten ihre Schichten auch abwechselnd im Tag- und Nachtbetrieb.
VR/Katharina Spirkl
4. Fachkonferenz Lkw und Fuhrpark Fuhrpark + IT
„ Unsere Betriebswerkstatt trägt
sich nicht nur selbst, sie rechnet
sich sogar “
DAVID DEGET
Prokurist, Rauter Spedition
Bei Rufbereitschaften, bei denen der Fahrer zu Hause ist und sich lediglich einsatzbereit halten muss, sieht Neufang die Möglichkeit, sich auf eine Vergütung weit unter
dem Mindestlohn zu einigen. Wer bei
Bereitschaftszeiten im Betrieb oder Beifahrerzeiten aber weniger als 8,50 Euro pro
Stunde zahlt, laufe Gefahr, im Nachhinein
von einem Gericht zu Differenzzahlungen
verpflichtet zu werden, warnte der Rechtsanwalt. In diesem Fall kann wiederum ein
gutes Personalmanagement mit sauber
hinterlegten, genauen Daten nützlich sein:
Wenn es nämlich darum geht, vor Gericht
nachzuweisen, wie viele Stunden tatsächᆙᆚᆚ
lich geleistet und bezahlt wurden.
Katharina Spirkl
VerkehrsRUNDSCHAU 21/2015
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