presseheft minorborder - lisbeth kovacic

PRESSEHEFT
CONCEPT, EDITING LISBETH KOVACIC ∙
KAMERA LISBETH KOVACIC, JURI SCHADEN ∙
SOUND RECORDING NOID, DIETER KOVACIC,
JURI SCHADEN, LISBETH KOVACIC ∙ SOUND
EDITING/-DESIGN OLIVER BRUNBAUER ∙ MUSIC MATIJA SCHELLANDER ∙ COLOR CORRECTION/TITLES SZOLGA NICOLE ∙ INTERVIEWS
LISBETH KOVACIC, BORDERMONITORING.EU
∙ TRANSLATIONS MINA MIAKHEL, ARIF HUSSAIN, SAREEYE MOHAMED, FUAD ALI MOHAMED, ADRIENN KISS, LISA BOLYOS, IMRE
BOLYOS, PETER TAUBER, WALTRAUT KOVACIC ∙ VOICES MEENA MIAKHEL, SAREEYE
MOHAMED, RICHARD PFANN, ARIF HUSSAIN,
HANS-PAUL LIMBECK, ADRIENN KISS
minor border
Dokumentarfilm, AT 2015, 25min
Ein Bagger demontiert einen Grenzübergang. Während sich im Bild die Balken biegen,
entspinnt sich im Off ein Gedankenaustausch über die vermeintliche Bewegungsfreiheit in
Zeiten von Schengen. Darüber, ob und inwiefern Demarkationslinien auch nach Abriss ihrer
architektonischen Manifestationen fortbestehen. Eine subtile Ortserkundung im dokumentarischen Grenzland von Fakt und Emotion.
SYNOPSIS
Da die Grenze zwischen Österreich und Ungarn als Schengen-Binnengrenze ihre
Bedeutung verloren zu haben schien, wurden die ehemaligen Grenzstationen, unter
anderem die „kleine Grenze“ zwischen Nickelsdorf und Hegyeshalom, abgebaut.
Verschwunden sind aber nur die verkehrshindernden Gebäude und Schranken. Im Film
beantworten vielfältige Stimmen die Frage, in welcher Form die Grenze weiterhin besteht:
Einerseits erzählen BewohnerInnen der Grenzregion von der sozialen Trennung, die seit
der Grenzziehung vor weniger als 100 Jahren, und beinahe noch stäker seit der “Öffnung”
der Grenze vor 25 Jahren wächst. Andererseits ist für Menschen, die ohne die notwendigen Papiere nach und innerhalb von Europa reisen die Grenze längst keine Linie mehr, die
sie überschreiten können. Sie tragen sie in Form von Doubles in Datenbanken, die jeden
ihrer Schritte registrieren und ihre Migrationswege steuern sollen, mit sich herum.
“Minor Border” ist eine vorsichtige Untersuchung dieser Region als Beispiel einer innereuropäischen Grenze in Zeiten von Schengen- und Dublin-Abkommen, gedreht zu einer
Zeit noch bevor die “kleine Grenze” im Herbst 2015 zuerst eine Station einer MassenMigrationsroute und dann zu einer wieder von Polizei und Bundesheer kontrollierten
geografischen Linie wurde.
Bilder der Grenze und des Abbaus der Grenzstationen ergänzen sich mit der inszenierten
Tonspur zu einer dokumentarischen Annäherung, die sich vor allem auf die Zwischenräume
konzentriert, in denen die Verhältnisse nicht allein durch die Faktenlage, sondern durch
die Überlagerung und Ergänzung persönlicher Berichte deutlich wird.
REGIESTATEMENT LISBETH KOVACIC
Die Grenze existiert im Burgenland schon lange als bestimmende Ordnung, auch wenn sich
ihr Verlauf und ihre Erscheinungsform über die Jahrhunderte immer wieder geändert hat:
Ab dem 1. Jhdt n.Chr. trennte der Limes entlang der Donau als Militär- und Zollgrenze
das römische Reich von den Barbaren. Im Mittelalter wurde die Leitha zum Grenzfluss
zwischen Österreich und Ungarn. Sie bildete vor allem eine soziale Grenze. Der “Eisernen
Vorhang” verfestigte diese Trennung über die nächsten Jahrzehnte physisch und ideologisch. Aber auch sein Fall änderte nicht viel Grundsätzliches. Er erleichtert einzig die
tägliche Arbeitsmigration nach Westen und den Besuch des Zahnarztes im Osten.
Seit dem Schengen Beitritt Ungarns scheinen die Grenzübergänge nun obsolet geworden
zu sein. Laut Art. 20 des Schengen-Grenzkodex dürfen “die Schengen-Binnengrenzen, unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Person, an jeder beliebigen Stelle überschritten
werden (...) systematische Kontrollen an den Grenzen sind nicht mehr zulässig.”
Diese Reisefreiheit gilt jedoch wie sich in diesem Herbst in aller Deutlichkeit gezeigt hat,
nicht für alle. Menschen, die ohne ein gültiges Visum diese Grenze übertreten, müssen
dies entweder versteckt und gegen teures Geld machen, oder sie riskieren nach Ungarn
zurückgeschoben zu werden. Durch die Kontrollen und Fahndungen an der Grenze wird
alleine der Akt der Migration einer kriminellen Handlung gleichgesetzt und die Grenze
bleibt für die so Illegalisierten eine gefährliche Zone, die ihre Bewegungsmöglichkeiten und
somit ihre weitere Existenz massiv beeinflusst.
Darüber hinaus sind geographische Grenzlinien aber nicht mehr die einzigen Orte an
denen sich die Schengengrenze manifestiert. Die Grenze ist nun digitalisiert, sie besteht
aus Datenbanken mit Fingerabdrücken, Visums- und Asylanträgen und Registrierungen
von Fluchtrouten. Das Risiko von Österreich in das nach den Dublin-Gesetzen oft für die
Asylanträge zuständige Ungarn abgeschoben zu werden erhöht sich dadurch massiv. Da
die soziale und rechtliche Lage für Asylwerbende in Ungarn aber katastrophal ist, kehren
viele unentdeckt nach Österreich zurück, um dann erneut aufgegriffen und zurück geschickt zu werden. Die physische Grenze auch mehrmals zu überschreiten stellt für sie kein
großes Hindernis dar, cyber-deportability als permanente Gefahr, ausgewiesen zu werden
bestimmt aber ihr Leben ab dem Zeitpunkt in dem sie im Schengenraum registriert sind.
Den Ausgangspunkt der dokumentarischen Bildebene bilden Aufnahmen der verlassenen
Grenzstationen, vor allem der in Nickelsdorf. Die seit zwei Jahrzehnten leer stehenden
Zollhäuser erwecken in ihrer Verlassenheit eine eigenartige Nostalgie in mir wie in vielen
(österreichischen) BetrachterInnen, die sie noch in ihrer Funktion erlebt haben. Sie
erinnern mich an eine kindliche Welt, in der Räume und Bewegungsmöglichkeiten noch
klarer definiert schienen, weil hier “unsere” Welt endete und eine “andere” begann. Wir
wussten nie genau, was uns hinter dieser Linie erwarten würde. Dieses Gefühl verschwand
beinahe mit dem Beitritt erst von Österreich, dann von all seinen Nachbarstaaten zur EU.
Eine dieser Grenzstationen, nämlich die bei Klingenbach/Sopron, wird im Bild abgebaut.
Weitere Bilder zeigen die Historisierung der Grenzsituation und sprechen ihre ideologischen Hintergründe an: Einen Teil bilden historische Karten der Region und ihrer Grenzverläufe, einen anderen Denkmäler und Erinnerungsorte, die an die Öffnung der Grenze
1989 erinnern, wie der Ort des paneuropäischen Picknicks nahe Sopron oder ein Denkmal
auf einer abgelassenen Autobahnraststätte bei Nickelsdorf.
Die Tonspur basiert zwar auf Interviews, ich habe jedoch bewusst nicht die Originalaufnahmen verwendet, sondern die Statements nachsprechen lassen, um durch diese
Verfremdung eine Distanz zu schaffen, die Raum schafft, über das Gehörte nachzudenken. Dieser wird durch den überlgeten Hintergrundsound, sowie durch die Musik
unterstützt.
KATALOGTEXT DIAGONALE 2015
Auf dem Papier sind die Grenzkontrollen zwischen Österreich und Ungarn längst Geschichte. Die desolaten Schranken- und Zollanlagen werden abgebaut oder der Verwahrlosung überlassen. Während die Kamera diese Prozesse in den Fokus rückt, montiert
Lisbeth Kovačič Interviews mit Anwohner/innen und Transitmigrant/innen zu einem inszenierten Gedankenaustausch über die vermeintliche Bewegungsfreiheit in Zeiten von
Schengen. Darüber, ob Demarkationslinien nach Abriss ihrer architektonischen Manifestationen fortbestehen und warum viele Drittstaatsangehörige die EU weiterhin als Festung
erleben – Grenzzaun hin oder her. „In Europa wird man nicht mit den Waffen getötet“,
heißt es an einer Stelle, „hier sind es Stift und Papier.“ Eine subtile Ortserkundung im dokumentarischen Grenzland von Fakt und Emotion. (sh)
BIOGRAFIE
Lisbeth Kovačič wurde 1978 in Graz geboren, sie lebt und arbeitet in Wien und in
Nickelsdorf. Sie absoliverte erst das Kolleg für Fotografie und AV-Medien in Wien und
studierte dann Conceptual Art und Performative Kunst an der Akademie der Bildenden
Künste Wien und Malerei an der Marmara Üniversitesi in Istanbul. In ihren Videos,
Fotografien und performative Arbeiten setzt sie sich immer wieder mit dem Themankreis
der Migration nach und innerhalb von Europa auseinander.
EIGENE VIDEOS (Auswahl)
2011
2009
2006
2005
2000-01
Genova 11/06, Videoessay
an_la_madim, Foto/Soundtagebuch,
Wenn man das Wesentliche vergisst, Kurzspielfilm
daneben, Kurzspielfilm
Trailer für „Die Kunst der Stunde ist Widerstand“, Diagonale
KÜNSTLERISCHE KOOPERATIONEN (Auswahl)
2013
Darkroom, Experimentelles Video, Regie: Billy Roisz
Entwürfe, Experimenteller Dokumentarfilm, Regie: Juri Schaden
2007
Lack of weight, Kurzspielfilm, Regie: Szolga Nicole
Dr. Miyagis Geheimnis, Kurzspielfilm, Regie: Julia Kläring, Nils Olger
2006-2008underdog filmfest http://underdogfilmfest.org
2005
Nachtnebel, Kurzspielfilm, Regie: Barbara Schärf
Nach Österreich, Erinnerungen an Zwangsarbeit und Arbeitsmigration, Dokumentation, Regie: arge pilotinnen
seit 2000 Kamera und Kameraassistenz bei Video und Filmprojekten
CREDITS
Concept, Editing: Lisbeth Kovačič
Kamera: Lisbeth Kovacic, Juri Schaden
Sound Recording: noid, Dieter Kovacic, Juri Schaden, Oliver Brunbauer, Lisbeth Kovacic
Soudn Editing/-Design Oliver Brunbauer
Musik: Matije Schellander
Color Correction/Titel: Szolga Nicole
Interviews: Lisbeth Kovacic, bordermonitoring.eu
Übersetzungen: Meena Miakhel, Sareeye Mohamed, Fuad Ali Mohamed, Adrienn Kiss, Lisa
Bolyos, Imre Bolyos, Peter Tauber, Waltraut Kovacic, Sibylla Dumke
Stimmen: Meena Miakhel, Sareeye Mohamed, Richard Pfann, Arif Hussain, Hans-Paul
Limbeck
BISHERIGE FESTIVALS UND AUSZEICHNUNGEN
Architekturfilmtage Budapest, März 2015
Diagonale, Graz, März 2015: Bester Kurzdokumentarfilm
dotdotdot, Juli 2015
Doku Fest, Prizren, August 2015
Sarajevo Film Festival, Documentary Competition, August 2015
KONTAKT
[email protected]
http://lisbeth.klingt.org