Juni 2015 Zeitliche Grenzen von Kundenschutzklauseln bei

Juni 2015
Zeitliche Grenzen von Kundenschutzklauseln bei
Ausscheiden eines GmbH-Gesellschafters
von Rechtsanwalt Dr. Lars Konukiewitz*
1. Einleitung
Ohne besondere Vereinbarung besteht für Gesellschafter
einer GmbH kein generelles Wettbewerbsverbot, wenn
sie nicht zugleich Geschäftsführer sind (Hueck/Fastrich,
in: Baumbach/Hueck, 19. Auflage, § 13 Rdnr. 28). Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, kann ein
nachvertragliches Wettbewerbsverbot aber aus einer
Vereinbarung zwischen dem vormaligen Gesellschafter
und der GmbH folgen. Derartige Vereinbarungen sind
grundsätzlich wirksam, unterliegen aber der Schranke
des § 138 BGB. Nach dieser Vorschrift sind sittenwidrige
Rechtsgeschäfte nichtig. Die zeitliche Grenze der Sittenwidrigkeit einer Kundenschutzklausel überprüfte der
Bundesgerichtshof in der vorliegenden Entscheidung.
2. Zeitliche Grenzen von Kundenschutzklauseln
Mit Urteil vom 20.01.2015 (Aktenzeichen: II ZR 369/13)
entschied der Bundesgerichtshof die Frage, ob die zwischen einer Gesellschaft und ihrem ehemaligen Gesellschafter-Geschäftsführer vereinbarte Kundenschutzklausel die zeitliche Grenze der Sittenwidrigkeit überschreitet
und welche Dauer für eine Wettbewerbsbeschränkung in
der Regel angemessen ist.
Die Parteien stritten über die Frage, ob die Beklagte das
zugunsten der Klägerin vereinbarte nachvertragliche
Wettbewerbsverbot missachtete und daher die Vertragsstrafe verwirkte. Die Klägerin mit Sitz in Hamburg und die
Beklagte mit Sitz in Kiel waren im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung als Dienstleister tätig. Die Geschäftsführer der Parteien arbeiteten ursprünglich als
Mitgesellschafter gemeinsam bei der Beklagten. Die Beklagte war in Kiel und später auch in Hamburg tätig. Der
Geschäftsführer der Klägerin schied aus der Beklagten
aus und gründete die Klägerin, um auch mit ihr gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung in Hamburg zu betreiben.
Die Parteien und ihre jeweiligen Geschäftsführer schlossen aus diesem Anlass eine Auseinandersetzungsvereinbarung. Nach dieser Vereinbarung verpflichtete sich
die Beklagte, nicht an in einer Anlage zu diesem Vertrag
spezifizierte Kunden heranzutreten und diesen Kunden
keine Angebote zu unterbreiten oder sie sonst wie abzuwerben. Für jeden Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot sagte die Klägerin eine Vertragsstrafe zu. Das Wettbewerbsverbot hatte für fünf Jahre ab Vertragsschluss
Gültigkeit. Ein Mitarbeiter der Beklagten schrieb vor Ablauf dieser Karenzzeit dennoch mehrere E-Mails an potentielle Kunden und bot die Leistungen der Beklagten im
Bereich Arbeitnehmerüberlassung an, obwohl er sich
vereinbarungsgemäß an diese Kunden noch nicht hätte
richten dürfen. Daraufhin machte die Klägerin die Vertragsstrafe wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot geltend.
Das Landgericht Hamburg verurteilte die Beklagte nur
zur Zahlung eines geringen Teils des Klagebetrages und
auf die Berufung der Klägerin verurteilte das Oberlandesgericht Hamburg die Beklagte im Wesentlichen antragsgemäß. Das Problem der zeitlichen Grenze der
Kundenschutzklausel erörterte das Landgericht Hamburg
nicht. Das Oberlandesgericht Hamburg ging in Rdnr. 58
seiner Entscheidung (zitiert nach Beck-Online) lediglich
kurz auf die Problematik der Sittenwidrigkeit der Vertragsstrafe ein. Es meinte, eine Sittenwidrigkeit komme
weder im Hinblick auf den Umfang des Wettbewerbsverbotes noch im Hinblick auf die vereinbarte Höhe der Vertragsstrafe in Betracht. Weiter äußerte es sich nicht zu
dieser Frage.
Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg auf und wies die Klage ab.
Nach seiner Auffassung überschritt das zwischen den
Parteien vereinbarte Wettbewerbsverbot in zeitlicher
Hinsicht mit einer Dauer von fünf Jahren die zulässige
Grenze für Wettbewerbsverbote von zwei Jahren und
war daher sittenwidrig. Kundenschutzklauseln zwischen
einer GmbH und ihren scheidenden Gesellschaftern sind
demnach nichtig, wenn sie in zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß übersteigen, das regelmäßig maximal zwei
Jahre beträgt.
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Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes mit Rücksicht auf die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit nur dann gerechtfertigt, wenn und soweit
sie notwendig sind, um einen Vertragspartner vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge seiner Arbeit durch den
anderen Vertragspartner zu schützen. Weder in räumlicher, gegenständlicher noch zeitlicher Hinsicht dürfen sie
das notwendige Maß überschreiten. Diesen Anforderungen genügt das vorliegend vereinbarte fünfjährige Wettbewerbsverbot nicht.
Das Verbot, die bisherigen Kunden der Beklagten in
Hamburg anzusprechen oder abzuwerben, beabsichtigte,
die Vermögenswerte der Beklagten wie bei einer Personengesellschaft zwischen den Gesellschaftern aufzuteilen und es bot dem Geschäftsführer der Klägerin die
Chance, die von ihm für die Beklagte eingeworbenen
Kunden zu behalten. Zweck des Wettbewerbsverbotes
war es, dem scheidenden Geschäftsführer der Klägerin
zu ermöglichen, ungestört Kunden mitnehmen zu können. Das war nach Auffassung des Bundesgerichtshofs
bereits vor Erreichen der zwischen den Parteien vereinbarten zeitlichen Grenze gewährleistet. Nach Ablauf von
zwei Jahren kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Seite ein berechtigtes Interesse an
einer fortdauernden Wettbewerbsbeschränkung haben.
Der Bundesgerichtshof nimmt in seiner Entscheidung auf
seine Rechtsprechung zu Wettbewerbsverboten bei
Freiberuflersozietäten Bezug. Er erläutert, bei Kapitalgesellschaften, die gewerbliche Dienstleistungen erbringen,
kann grundsätzlich kein längerer Zeitraum gelten. Dass
die Parteien nicht freiberuflich tätig sind, rechtfertigt keine
längere Zeitgrenze, weil die grundgesetzlich geschützte
Berufsausübungsfreiheit auch Gewerbetreibenden und
Gesellschaftern jedenfalls einer personalistisch geführten
GmbH zukommt. In Ausnahmefällen kann eine längere
Dauer in Frage kommen. Zu solch einem schutzwürdigen
Interesse der Klägerin an einem längeren Abwerbeverbot
war in dem vorliegenden Rechtsstreit aber nichts vorgetragen. Deswegen sah das Gericht keinen Anlass, von
der maximal zulässigen zeitlichen Grenze von zwei Jahren abzuweichen.
3. Fazit
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist nachvollziehbar. Bereits in anderen Konstellationen hatte das Gericht entschieden, dass nachvertragliche Wettbewerbsverbote von maximal zwei Jahren in der Regel nicht zu
beanstanden sind.
Eine Lektüre der Entscheidungsgründe ergibt, dass diese
Zweijahresgrenze nun auch für personalistisch geführte
GmbHs gelten soll. Die Beschränkung auf personalisti-
sche geführte GmbHs lässt sich jedoch nicht den einleitenden Sätzen der Urteilsgründe entnehmen, weil dort
der Bundesgerichtshof nur allgemein ausführt, dass die
zulässige Grenze für Wettbewerbsverbote zwischen einer GmbH und ihrem scheidenden Gesellschafter regelmäßig maximal zwei Jahre beträgt. So umfassend wie
diese allgemeinen Ausführungen glauben lassen mögen,
beansprucht die Entscheidung aber nicht Geltung. Aus
der weiteren Urteilsbegründung lässt sich folgern, dass
bei einer kapitalistisch strukturierten Gesellschaft Raum
für eine höhere zeitliche Grenze sein muss, weil dort die
Kundenbeziehungen im Vordergrund stehen.
Überschreitet das Wettbewerbsverbot das noch zulässige zeitliche Maß, führt die Rechtsprechung die Vertragsstrafenregelung im Wege der geltungserhaltenden Reduktion auf das noch zu billigende zeitliche Maß zurück.
Die streitgegenständliche Vereinbarung der Parteien entfaltete aus diesem Grund für die Dauer von zwei Jahren
Wirksamkeit. Der Bundesgerichtshof wies die Klage dennoch ab, weil die beanstandeten Verstöße gegen das
Wettbewerbsverbot sich erst mehr als zwei Jahre nach
Vertragsschluss ereigneten.
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*Dr. Lars Konukiewitz ging in Delmenhorst und Nord
Dakota/USA zur Schule. Er studierte Rechtswissenschaften in Heidelberg. Vor und nach seinem Studium arbeitete Herr Dr. Konukiewitz längere Zeit in Frankreich, unter
anderem als wissenschaftlicher Austausch-Assistent des
Instituts für ausländisches und internationales Privat- und
Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg am Centre du
Droit de l’Entreprise der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Montpellier I. Herr Dr. Konukiewitz
wurde mit einer Arbeit zum französischen Schuldrecht
promoviert und trat nach seinem Referendariat zu Beginn
des Jahres 2012 in unsere Kanzlei ein. Seitdem betreut
er unsere Mandanten schwerpunktmäßig im Handelsund Gesellschaftsrecht.