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Erzählte Flucht: Die aktuelle Flüchtlingsdebatte in der
Gegenwartsliteratur
Organisation und Leitung des Panels: Sarah Steidl (Universität Hamburg) und Ivo Theele
(Europa-Universität Flensburg).
Der Diskurs, den die Gegenwartsliteratur über die aktuelle Flüchtlingsthematik führt, unterscheidet
sich deutlich von dem, der in Medien und Politik geführt wird. Sie nimmt diesen zwar aufmerksam
zur Kenntnis und setzt sich entsprechend kritisch mit ihm auseinander, entwickelt jedoch
eigenständige Fragestellungen und Kategorien, die in der öffentlichen Debatte wenig
Berücksichtigung finden. Zudem leihen Autoren in ihren Texten über ihre Figurengestaltung jenen
eine Sprache, denen entweder aufgrund von Kriegs- und Entortungstraumata noch keine Sprache zur
Verfügung steht oder angesichts vorherrschender Stereotype kein Raum im öffentlichen Diskurs
zugestanden wird (z.B. ‚Schlepper‘ oder ‚Wirtschaftsflüchtlinge‘). Von Bedeutung für den
literarischen Diskurs über Flucht und Vertreibung im 21. Jahrhundert sind u.a. Romane wie Abbas
Khiders Der falsche Inder (2008) und Ohrfeige (2016), Jenny Erpenbecks Gehen, ging, gegangen
(2015), Merle Krögers Havarie (2015), Dorothee Elmingers Schlafgänger (2014) Maxi Obexers Wenn
gefährliche Hunde lachen (2011) und ihr Hörspiel/Theaterstück Illegale Helfer (2015), Elfriede Jelineks
Theaterstück Die Schutzbefohlenen (2013), Hans-Werner Kroesingers Dokumentarstück Frontex
Security (2014) sowie die Graphic Novels von Paula Bulling Im Land der Frühaufsteher (2012) und
Reinhart Kleist Der Traum von Olympia (2015). Diese Auswahl aus der deutschsprachigen Literatur
zeigt, dass die Flüchtlingsthematik für die Literatur zunehmend von Bedeutung ist. Darüber hinaus
verdeutlicht sie, dass sich eine lange Zeit als ‚unengagiert‘ kritisierte Gegenwartsliteratur wieder
vermehrt an gesellschaftspolitischen Debatten beteiligt.
Im Panel „Erzählte Flucht: Die aktuelle Flüchtlingsdebatte in der Gegenwartsliteratur“ sollen einige
der folgenden Fragestellungen über einzelne Werkanalysen hinaus diskutiert werden:
- Gibt es einen genuinen Beitrag, den die Gegenwartsliteratur zur aktuellen gesellschaftlichen
Debatte leistet und wenn ja, worin genau besteht er?
- Welche in den Fluchtprozess eingebundenen Akteure sind neben der Figur des Flüchtlings für die
Literatur offenbar von besonderem Interesse? Wie wird ihre Präsenz inszeniert und die jeweilige
Motivation für ihr Handeln dargelegt?
- Wie wird die Rolle der am Prozess der Flucht beteiligten Institutionen und Organisationen (z.B.
Frontex, Asylbehörde, ‚Schlepperbanden‘) verhandelt? Mit welchen narrativen Verfahren wird ihr
Handeln kritisch hinterfragt?
- Welche Bedeutung haben literarische Formen (z.B. Roman, Theaterstück, Hörspiel, Graphic Novel)
und Genres (z.B. Kriminalroman, Kinder- und Jugendliteratur) hinsichtlich der Erzählbarkeit von
Grenz- und Entortungserfahrungen und der Vermittlung von Fluchterfahrungen? Gibt es
wiederkehrende Motive und transmediale Erzählmuster?
- Wie stellen Autoren ihr Recherchematerial aus? Welche Bedeutung kommt Interviews zu, ist eine
Nähe zur Dokumentarliteratur vorhanden? Inwieweit werden mehrsprachige Schreibverfahren und
Übersetzungen als literarische Strategien eingesetzt?
Darüber hinaus sind weitere inhaltliche Vorschläge ebenfalls willkommen.
Für das Panel werden insgesamt drei Vorträge (á 20 Minuten) ausgewählt. Im Anschluss an die
Vorträge ist eine Diskussion geplant. Eine Übernahme der Kosten für Anreise und Unterkunft kann
leider nicht übernommen werden. Kurzexposés mit biographischen Angaben (max. 600 Wörter) bitte
per Mail und als PDF bis spätestens 31.3.2016 sowohl an Sarah Steidl ([email protected])
als auch Ivo Theele ([email protected]) senden.