Auf den Spuren des Müller-Handwerkes. Kurze Zusammenfassung

Auf den Spuren des Müller-Handwerkes.
Kurze Zusammenfassung der Masterthesis: Die Grebensteiner Mühlen. Bauforschung und
Bestandsaufnahme.
Wassermühlen
sind
Überreste
eines
ehemals
wirtschaftlich
bedeutenden
Handwerkszweiges, welcher erst durch industrielle Großmühlen und durch das
Mühlensterben der letzten fünf Jahrzehnte in Vergessenheit geriet. Dabei beeinflusste das
Müllerhandwerk mit seinen spezifischen Arbeitsschritten und Abläufen die Entstehung eines
speziellen Gebäudetypus, der durch die landwirtschaftliche, gewerbliche und private Nutzung
geprägt wurde. Die Abnahme der Mühlenbetriebe und somit der Verlust der möglichen
authentischen Nutzung der Gebäude ist, wenn auch im gesamten Bundesgebiet
nachweisbar, in Hessen besonders gravierend. Waren es in den 1950er Jahren noch 827
Betriebe, so sind bis 2014 nur 13 meldepflichtige Mühlbetriebe in Hessen erhalten geblieben.
Die Mühlenwirtschaft befindet sich deutlich in einem starken Abwärtstrend, was nicht nur den
vermehrten Stillstand der Mühlen, sondern zudem den Leerstand bzw. die Umnutzung der
Gebäude mit ihren zugehörigen wirtschaftlichen Bauten bedeutet. Daraus bedingt sich, dass
diese historischen Mühlenbauten mit ihrer Raumstruktur selten erhalten geblieben sind;
daher war eine baugeschichtliche Analyse im Zuge einer Bestandsdokumentation von sieben
Wassermühlenanlagen in einer kleinen Fachwerkstadt im Landkreis Kassel, einem ehemals
sehr mühlenreichen Gebiet, dringend erforderlich. Drei Anlagen befinden sich angrenzend an
die mittelalterlichen Wehranlage; zwei nördlich der Stadt - den Wüstungen Elliksen und
Strofort zuzuordnen - und zwei weitere südlich des Kernstadtgebietes.
Anfang des 16. Jahrhunderts wurden im mittelalterlichen Grebenstein – bevölkert von rund
2000 Menschen - zwölf Wassermühlen gleichzeitig betrieben. Diese Anzahl reduzierte sich
erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts auf zehn Mühlen, obwohl sich die Bevölkerung aufgrund
kriegerischer Auseinandersetzungen und Auswirkungen der Pest zwischenzeitlich auf 170
Einwohner verringerte. Auffällig ist hierbei, dass die Anzahl der in Betrieb befindlichen
Mühlen augenscheinlich keinen Zusammenhang mit den stark schwankenden
Bevölkerungszahlen darstellt. Die mittelalterliche Stadtbevölkerung setzte sich hauptsächlich
aus Ackerbürger zusammen, welche zugleich in einem Handwerk (wie bspw. in der Müllerei)
und in der Landwirtschaft tätig waren, was sich deutlich in der Architektur der
Ackerbürgerbauten (mehrgeschossige, dreizonige Einheitshäuser mit mehrstöckigen
Dachböden) abzeichnet. Durch die exponierte Lage, auf der Schnittstelle verschiedener
herrschaftlicher Interessen, war die Stadtbevölkerung und besonders die Müller mit ihren
Anlagen außerhalb der geschützten Stadtmauer stetig kriegsbedingten Einschränkungen,
sowie kriegerischen Auseinandersetzungen ausgesetzt; Resultat waren stetige
Ausbesserungen an der Bausubstanz bis hin zu Wiedererrichtungen baulicher Anlagen.
Hinzu kamen Umbaumaßnahmen durch Veränderungen der sozialen, funktionalen oder
technischen Verhältnisse.
Die sieben betrachteten Wassermühlenanlagen sind daher in sehr unterschiedlichen
Ausprägungen erhalten (teilweise umgebaut und stark überformt). Ausschließlich in der
Hagenmühle wird noch aktuell Müllerei betrieben, die restlichen Anlagen stellten Ihren
Betrieb im Verlaufe des 20.Jahrhunderts ein und werden seitdem als reiner Wohnraum und
kultureller Veranstaltungsort genutzt. Jedoch stellen diese Bauten mit ihren (teilweise
großen) Hofanlagen auch ohne den Mahlbetrieb noch immer ein wesentliches Merkmal der
mittelalterlichen Stadtstruktur dar, zumal größtenteils auch ihre ursprüngliche isolierte Lage
erhalten geblieben ist.
Die Bausubstanz dieser Wassermühlen entstammt hauptsächlich dem 18. bis Anfang des
19. Jahrhunderts, teilweise mit älteren Fragmenten (beispielsweise Getriebe-; Gewölbekeller
und Grundmauern). Es sind Nachfolgerbauten und Wiedererrichtungen der ursprünglichen
Anlagen des 13. Bis 15. Jahrhunderts. Die Bau- und Nutzungsentwicklung der vergangenen
600 bis 800 Jahre kann dank erhaltener historischer Baubeschreibungen,
Handwerkerrechnungen und Planmaterialien nachvollzogen werden. Für jede der sieben
Mühlenanlagen ist ein detaillierter Überblick der baugeschichtlichen Entwicklung, mit
Ausarbeitung der ursprünglichen Grundrissformen und Raumabfolgen, erarbeitet wurden. So
ist es möglich einen authentischen Eindruck der Gebäudestruktur und ihrer baulichen
Entwicklung zu erhalten. Im Allgemeinen nahmen die Mühlenräume mit ihrer technischen
Ausstattung etwa 25-50% der Gebäudefläche ein, sie erstreckten sich über zwei bis vier
Etagen und waren pro Ebene jeweils zwischen 20 und 80qm groß.
Auch die familiären Verhältnisse zwischen den jeweiligen Müllerfamilien und den teilweise
stetig - innerhalb der Stadt wechselnden - betriebenen Mühlen eines Müllers konnten für den
Zeitraum des 16. bis 19. Jahrhunderts analysiert werden. Allein dieses vergleichsweise
kleine Zeitfenster verdeutlicht die Wichtigkeit der Ahnenforschung. Hierbei sind nicht nur die
komplexen familiären Verbindungen unter den verschiedenen Müllern innerhalb der Stadt,
sondern auch das dadurch bedingten Gefüge im Lehenssystem inbegriffen. Die Mühlen
wurden nicht nur häufig mehrere Generationen lang durch eine Müllerfamilie betrieben; es
gab stetige Betreiberwechsel innerhalb der Stadt, so dass einige Familien im Laufe der Zeit
in zwei bis drei verschiedenen Mühlen lebten und diese betrieben. Zugewiesen und
vergeben wurden hierbei die Mühlen vom hessischen Landgrafen oder der Stadt selbst,
solange bis diese im 19. Jahrhundert allodifiziert wurden und in Privatbesitz des jeweiligen
Müllers übergingen.
Es wird durch all diese Aspekte deutlich, dass sowohl kleine Umgestaltungen, wie auch
größere bauliche Eingriffe ein Teil der Kontinuität der geschichtlichen Entwicklung von
Mühlengebäuden entsprechen und daher nicht ungewöhnlich sind; schlichtweg bedingt
durch den stetigen Entwicklungsdrang der Technik und des Wohnkomforts. Für den Erhalt
der wenigen, verblieben Wassermühlen müssen Lösungen entwickelt werden, welche den
aktuellen Nutzungsanforderungen entsprechen aber auch die Bewahrung der historischen
Elemente ermöglichen. Die bestehende Bausubstanz soll erhalten bleiben und zugleich
Raum für notwendige Modernisierungen für den Wohnkomfort, wie auch – im Falle der
Hagenmühle – für den laufenden Geschäftsbetrieb geben. Mögliche zukünftige bauliche
Änderungen werden im Gebäude und im Grundriss ablesbar sein, so dass sie die stetige
Weiterentwicklung dieser Bauform verdeutlichen und somit die Geschichte ihrer jeweiligen
Mühle weiterschreiben.
Rebekka Schindehütte, wissenschaftliche Volontärin im Landesamt für Denkmalpflege
Hessen