FOTO: NATBASIL (FOTOLIA.COM) 58 I DORF UND FAMILIE Mühlen öffnen die Tore Am Pfingstmontag findet seit über 20 Jahren der Deutsche Mühlentag statt R und 50 Mühlen in Bayern öffnen in diesem Jahr ihre Tore für Besucher, darunter historische Mühlen, Museen sowie hochmoderne Betriebe. Ziel ist zu zeigen, wie sich die Mühltechnik entwickelt hat. Organisator ist die Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung (DGM) e. V. (www.muehlen-dgm-ev.de). Mühlen gelten als die ältesten Maschinen der Menschheit. Über 160 Anwendungsbereiche konnten nachgewiesen werden. Neben der Verarbeitung von Getreide dienten sie u. a. dem Sägen von Holz, Pressen von Öl, Stampfen von Flachs, Pumpen von Wasser, als Antrieb für Schmiedehämmer. Nahezu jede Maschine zur Ver- oder Bearbeitung von Stoffen nutzte ursprünglich als Energiequelle die Naturkräfte Wasser oder Wind. Mühlen sind die Vor- läufer der gesamten Technisierung. Heute noch werden alle bayerischen Getreidemühlen zumindest zum Teil mit Wasserkraft betrieben. Seit vielen Jahrhunderten bestehend, liegen sie deshalb alle an Flüssen oder Bächen und, wegen der Nähe zum Rohstoff, in Getreideanbauregionen. In Bayern gibt es derzeit 150 mahlende Mühlen, knapp die Hälfte von ihnen mit Marktbedeutung. 1950 waren es noch 4500. Für die Landwirte stellen die Mühlen eine zusätzliche Vermarktungsmöglichkeit dar. Die bayerischen Mühlen sind fast ausschließlich familiengeführt und verarbeiten zu 90 % bayerisches Getreide. FOTOS: ELISABETH JAHRSTORFER Müllerin voller Ideen Die Drax-Mühle setzt auf Vielfalt und Raritäten I dyllisch inmitten von Wiesen liegt die Drax-Mühle am Hochhauser Bach bei Haag in Oberbayern. Noch immer liefert ein Wasserrad Energie für die Maschinen, wenn auch heute nur mehr zu etwa fünf Prozent. Seit 2008 leitet Müllermeisterin Monika Drax den Betrieb in der vierten Generation. Mit der Vielfalt von 30 verschiedenen Mehlsorten, in konventioneller und Bioqualität, ist es ihr gelungen, die kleine Mühle mit rund 1000 t Jahresleistung zu erhalten und sich gegen die Konkurrenz der Großmühlen zu behaupten. Die dazugehörende Landwirtschaft ist verpachtet und wird vom Nachbarn bewirtschaftet. Hauptkunden sind die Bäcker der Region, mit denen langjährige Lieferbeziehungen bestehen. „Ein Bäcker wird von uns schon 80 Jahre mit Mehl beliefert“, erzählt die Müllerin. Hier zählt die Qualität des Mehls. Den Preis bestimmt allerdings der Markt. Ein weiteres Standbein, das sich immer mehr ausweitet, ist der Direktverkauf an die Verbraucher, im Mühlenladen und über den OnlineShop, über Hofläden der Umgebung, einen regionalen Biosupermarkt und den regionalen Biogroßhandel Tagwerk in südbayerischen Naturkostläden. 300 verschiedene Mehl- und Getreideprodukte, die die Mühle selbst abpackt, locken die Kunden. Dabei profitiert die Mühle vom Trend, Brot selbst zu backen. Mit Mehlen von Weizen, Roggen, Dinkel (aus- schließlich Oberkulmer Rotkorn), Emmer, Einkorn, Rotkornweizen und Braunhirse werden auch ausgefallene Wünsche erfüllt. Ergänzt wird das Sortiment durch „Exoten“, die bei uns nicht wachsen, wie Hartweizen, Kamut aus Kanada, Manitoba-Weizen aus Italien. Neu im Sortiment ist Buchweizen, Buchweizengrütze und –mehl aus der Region. Insgesamt werden 15 verschiedene Getreidearten vermahlen. Bei der immer häufiger vorkommenden Unverträglichkeit von Weizen suchen die Kunden genau das. Die erprobten Rezepte dafür sowie wertvolle Profibacktipps, finden sich im Back- und Kochbuch, das die Müllerin mit einer Freundin zusammengestellt hat. „Eine Bäckerei in der Nähe backt das saftige Urkornbrot aus Dinkel, Einkorn und Emmer nach unserem Rezept und verkauft es sehr gut“, freut sich die engagierte Müllerin. Nicht schlecht staunte sie über Bäcker Ferdinand Rudigier aus Haiming im Ötztal, der 190 km zur Drax-Mühle gefahren ist, weil er hier den Rotkornweizen bekam, aus dem er ein rötliches geschmackvolles Brot backen will. Auch er braucht Raritäten, um sich von den Supermärkten abzuheben. Etwas besonderes im Sortiment sind auch die Brot- und Kuchenbackmischungen aus hochwertigen Zutaten. Hilfreich für stillende Mütter, die zu wenig Milch haben ist die Mischung für Stillkugeln aus Dinkel, Gerste, Hafer, Vollrohrzucker und Cashewnüssen, die Monika Drax ursprünglich für sich selbst nach einem Rezept von Hebamme Ingeborg Stadelmann aus Kempten gemischt hat. Angeröstet und mit Butter Monika Drax zeigt die feinen Mehlsiebe, die früher aus Seide hergestellt wurden. In den Walzenstühlen werden die Getreidekörner bis zu 18-mal gemahlen. So wird der Mehlkörper schrittweise von der Schale getrennt. vermischt sind die Kugeln schnell hergestellt und „sie funktionieren“, lacht eine der Angestellten. „Das ist wie Kraftfutter. Ein Bauer hat schon gefragt, ob es das auch für Kühe gibt“, erzählt sie schmunzelnd. Im Klinikum Erding werden junge Mütter mit Stillproblemen damit versorgt. Gerade entwickelt Monika Drax eine Mischung für helle und dunkle Muffins. Die Renner im Laden sind neben den Dinkelmehlen, das helle Roggenmehl 610 für Schuxn und die Backmischung „Partybrot“, ein Fladenbrot. Eine weitere Besonderheit ist der Grieß aus Roggen. Ergänzt wird das Sortiment durch Backzutaten, Dinkelnudeln aus eigenem Mehl, Naturkost, Tees, Kaffee, Naturkosmetik und Büchern rund ums Kochen und Backen, insgesamt rund 3000 Produkte. Wer nicht genau weiß, was er braucht, wird vom freundlichen Personal, das aus der Umgebung stammt, sachkundig beraten. Insgesamt 18 Angestellte, viele davon in Teilzeit, helfen mit, dass der Betrieb wie am Schnürchen läuft und die Ware nicht ausgeht. Jeder Sack und jede Tüte werden von Hand abgepackt. Mit einer Mahlleistung von 10 t /24 h ist das nicht immer einfach. Das Getreide bekommt Monika Drax von 30 bis 40 Landwirten aus einem Umkreis von 50 km. Manchmal sind es innovative Bauern, die bei ihr anfragen, ob sie ihre Sonderkultur abnehmen will, manchmal fragt Monika Drax an, ob ein Landwirt bestimmte Getreidearten anbaut. Das meiste nimmt die Müllerin nach der Ernte ab, wenn die Qualität stimmt. Gereinigt und nach Bedarf getrocknet, lagert es dann in den Silos der Mühle, bis es zu frischem Mehl vermahlen wird. Eja Rezepte mit Mehl D er Leser erfährt, was gutes Mehl auszeichnet. Er lernt die Getreidesorten kennen, seine Inhaltsstoffe, die Mehltypen, ihre Verwendung sowie glutenfreie Alternativen. Nicht zu vergessen die Profibacktipps. 80 erprobte regionale Rezepte von süß bis herzhaft und viele Brotsorten zeigen, wie man aus der Vielzahl von Getreide- und Mehlsorten leckere Gerichte und Backwaren zubereitet. Köstliches von der Müllerin, Mehl, Kuchen, Brot und feine Kost mit Körnern von Monika Drax und Franziska Lipp, Dort-Hagenhausen-Verlag: 168 Seiten, ISBN 978-3-86362026-4, 19,95 €.
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