Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie

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Finanzwirtschaftliche
Herausforderungen der
Energie- und Versorgungs­
unternehmen
Kennzahlenanalyse,
die die Entwicklung der
finanz ­wirtschaftlichen
Verhältnisse in der Branche
von 2009 bis 2013 aufzeigt
und als objektive Grundlage
zur Bewertung der eigenen
Finanzierungslage dienen
kann.
Finanzwirtschaftliche
Herausforderungen der
Energie- und Versorgungs­
unternehmen
Kennzahlenanalyse,
die die Entwicklung der
finanzwirtschaftlichen
Verhältnisse in der Branche
von 2009 bis 2013 aufzeigt
und als objektive Grundlage
zur Bewertung der eigenen
Finanzierungslage dienen
kann.
Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen
Herausgegeben von der PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (PwC)
Von Bernd Papenstein, Andreas Rams, Hermann Mehlig, Christin Jahn und Marcel Eilrich
Mai 2015, 40 Seiten, 19 Abbildungen, Softcover
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© Mai 2015 PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.
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„PwC“ bezeichnet in diesem Dokument die PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die eine Mitgliedsgesellschaft der PricewaterhouseCoopers
International Limited (PwCIL) ist. Jede der Mitgliedsgesellschaften der PwCIL ist eine rechtlich
selbstständige Gesellschaft.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis..............................................................................................6
AExecutive Summary.......................................................................................7
BEinführung: Finanzwirtschaftliche Herausforderungen
in der Branche dauern an............................................................................. 10
C
Konzeption der Studie..................................................................................13
DKennzahlenanalyse......................................................................................15
1
Ertragslage und Rentabilität........................................................................15
1.1
Umsatz und EBITDA.....................................................................................15
1.2EBITDA-Marge............................................................................................. 16
2Schuldendeckungsfähigkeit......................................................................... 17
2.1 Dynamischer Verschuldungsgrad................................................................. 17
2.2EBITDA-Zinsdeckungsgrad..........................................................................20
2.3Liquiditätskennzahlen.................................................................................21
2.3.1 Einfacher Cashflow zur Verschuldung..........................................................22
2.3.2 Residual-Cashflow zur Verschuldung...........................................................23
2.3.3 Freier Cashflow zur Verschuldung................................................................24
3Kapitalstruktur............................................................................................25
3.1Eigenmittelquote..........................................................................................25
3.2Ausschüttungsquote.....................................................................................27
3.3Verbindlichkeitenquote................................................................................28
4Investitionsverhalten...................................................................................29
4.1Anlagenquote...............................................................................................29
4.2 Investitionen und Finanzierungsmix............................................................30
ETabellarische Zusammenfassung wesentlicher Kennzahlen.........................32
FFazit: Finanzierungsstrategien für EVU.......................................................33
Ihre Ansprechpartner..............................................................................................35
Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen 5
Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1
Wichtigste Projekte der Energiewende.................................................... 10
Abb. 2
Megatrends im Energiemarkt.................................................................. 11
Abb. 3
Kennzahlenbedeutung, Ursprung und Definitionen................................ 14
Abb. 4
EBITDA-Entwicklung und Umsatzentwicklung von 2011–2013..............15
Abb. 5
EBITDA-Marge........................................................................................ 16
Abb. 6
Dynamischer Verschuldungsgrad............................................................18
Abb. 7
Häufigkeitsverteilung dynamischer Verschuldungsgrad.........................19
Abb. 8
EBITDA-Zinsdeckungsgrad.....................................................................20
Abb. 9
Einfacher Cashflow zur Verschuldung.....................................................22
Abb. 10 Residual-Cashflow zur Verschuldung......................................................23
Abb. 11 Freier Cashflow zur Verschuldung...........................................................24
Abb. 12 Wirtschaftliche Eigenmittelquote...........................................................25
Abb. 13 Bilanzielle Eigenkapitalquote..................................................................26
Abb. 14 Ausschüttungsquote................................................................................27
Abb. 15 Verbindlichkeitenquote...........................................................................28
Abb. 16 Anlagenquote..........................................................................................29
Abb. 17 Anlagenwachstum..................................................................................30
Abb. 18Wachstum des Nettoanlagevermögens und der
Bankverbindlichkeiten am Gesamtfinanzierungsmix
in den Jahren 2011–2013........................................................................31
Abb. 19 Tabellarische Kennzahlenzusammenfassung..........................................32
6 Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen
Executive Summary
AExecutive Summary
Die Energiewende fordert Energie- und Versorgungsunternehmen (EVU) weiterhin
heraus: Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien und der Ausbau der Netz­
infrastruktur erfordern hohe Investitionen, der Wettbewerb um Kunden nimmt
zu und führt zu stärkeren Schwankungen bei Preisen und Absatzmengen und
die neuen energiepolitischen Rahmen­bedingungen schlagen sich darüber hinaus
auf der Beschaffungsseite und damit in den Aufwendungen und im Betriebs­
ergebnis nieder. Zudem belasten Aufgaben der defizitären Daseinsvorsorge wie
beispiels­weise der öffentliche Personen­nahverkehr oder der Bäderbetrieb die
Finanzsituation vieler kommunaler EVU.
Wie sich dies auf die Finanzierungsfähigkeit und die Finanzkennzahlen auswirkt,
hat PwC anhand von 233 mehrheitlich kommunalen Energie- und Versorgungs­
unternehmen untersucht und dazu die Jahres­abschlüsse von 2009 bis 2013
analysiert. Im Fokus der Analyse standen ausgewählte Finanzkennzahlen, die in der
Regel für die Kreditprüfung und Beurteilung der Bonität herangezogen werden.
Die Studienergebnisse dienen somit als Indikator für die Entwicklung der finanz­
wirtschaftlichen Verhältnisse in der Energie- und Versorgungswirtschaft. Der
Branchen­querschnitt liefert zudem eine objektive Grundlage zur Bewertung der
eigenen Finanzierungsfähigkeit im Vergleich zur Branche. Die aktuelle Studie
setzt auf der im Jahr 2014 veröffentlichten Studie „Energie- und Versorgungs­
unternehmen im Spannungs­feld zwischen Ertrag, Investitionen und Verschuldung“
auf, die die Jahresabschlüsse von 150 Energie- und Versorgungsunternehmen von
2009 bis 2012 untersuchte.
Wesentliche Ergebnisse der Studie:
•die Ertragssituation der Energie- und Versorgungsunternehmen hat sich im
Vergleich zum Vorjahr insgesamt stabilisiert,
•eine deutliche Spreizung der Kennzahlen ist zu erkennen – trotz aus
Finanzierungssicht im Durchschnitt zufriedenstellender Ausprägungen weist
etwa ein Viertel der untersuchten EVU Finanzierungskennzahlen aus, die
bereits im kritischen Bereich liegen,
•die Bruttofinanzverschuldung hat weiter zugenommen, da Investitionen und
Ausschüttungen nicht aus den operativen Cashflows gedeckt werden können,
•dadurch haben sich die Bilanzstrukturen tendenziell weiter verschlechtert,
•Maßnahmen zur nachhaltigen Sicherung der Finanzierungsfähigkeit der EVU
spiegeln sich zumindest in den Finanzkennzahlen von 2013 insgesamt noch
nicht wider.
Zentrale Analyseergebnisse
Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen 7
Executive Summary
Der dynamische Verschuldungsgrad als zentrales Maß für die Beurteilung der
Kredit­w ürdigkeit ist im Vergleich zum Vorjahr insgesamt etwas gesunken: Im Jahr
2013 betrug die Medianausprägung 2,2, im Jahr 2012 2,31). Dies ist auf die etwas
besseren Betriebs­ergebnisse vor Abschreibungen (EBITDA) und zum Bilanzstichtag
höhere Kassen­bestände im Jahr 2013 zurückzuführen, die sich trotz gestiegener
Bruttofinanzverschuldung insgesamt positiv auf die Kennzahlentwicklung
auswirken. Gut ein Fünftel (21 %) der untersuchten EVU liegt jedoch beim
Verhältnis der Netto­finanzverschuldung zum EBITDA über der kritischen Marke
von 4,0.
Das Marktzinsniveau wirkt positiv auf den EBITDA-Zinsdeckungsgrad, die Zins­
belastung bleibt trotz steigender Bruttofinanzverschuldung in den letzten zwei
Untersuchungs­jahren relativ konstant. Zusammen mit den im Jahr 2013 in der
Stichprobe wieder leicht steigenden Ergebnissen führt das im Median zu einem
Deckungsgrad von 8,3 (2012: 8,1). Trotz des positiven Markteffekts erreicht knapp
ein Viertel der EVU nicht das Mindestzielniveau von 5,0.
Die Verbindlichkeitenquote steigt im Jahr 2013 auf 43,2 %, gegenüber 42,8 % in
2012. In der aktuellen Studie entspricht diese Kennzahl dem Verhältnis der Brutto­
finanzverschuldung zum Gesamtfinanzierungskapital; sie wird demzufolge nicht
von Schwankungen sonstiger Verbindlichkeiten beeinflusst. Der Anteil an Fremd­
finanzierungen nimmt also weiter zu.
Die Ausschüttungsquote erreicht von 2009 bis 2013 durchgehend ein sehr hohes
Niveau, im Jahr 2013 lag sie bei 92,0 % im Median. Dies führt zu einer mitunter
sehr geringen Innenfinanzierungskraft der EVU und damit zu entsprechend hohem
Fremdfinanzierungsbedarf. Die hohen Ausschüttungen belasten auch die Eigen­
kapital­entwicklung. So liegt die Eigenmittelquote im Jahr 2013 bei 40,9 %, im
Vorjahr betrug sie noch 42,0 %.
Die aktuelle Studie untersucht zusätzlich den Schuldendeckungsgrad auf Basis
verschiedener Cashflow-Definitionen. Die Ergebnisse zeigen, dass im Jahr 2013
knapp zwei Drittel (60 %) der untersuchten EVU ihre Investitionen nicht aus dem
Cashflow nach Ausschüttungen decken konnten und die entstandene Unterdeckung
mit neuen Bankkrediten fremdfinanzieren mussten. In vielen Unternehmen müssen
darüber hinaus fällige Bestandskredite und Tilgungen refinanziert werden. In
die Finanzierungs­überlegungen werden deshalb zunehmend auch die zumeist
kommunalen Mehrheitsgesellschafter eingebunden.
1
A
djustiert entsprechend der Analyse von 233 EVU-Jahresabschlüssen in 2013. Um die Vergleich­
barkeit der Kennzahlen im Zeitablauf herzustellen, wurden die Kenn­zahlen der Vorjahre 2011 und
2012 gemäß der größeren Stichprobe angepasst.
8 Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen
Executive Summary
PwC entwickelt und realisiert maß­
geschneiderte Finanzierungsstrategien.
Vor dem Hintergrund dieser tendenziell rückläufigen Entwicklung von
Bonitäts­kennzahlen, die zuletzt auch durch Insolvenzen von EVU begleitet
wurde, wird es für immer mehr EVU schwieriger, die Anforderungen ihrer
Finanzierungspartner zu erfüllen.
PwC Finance & Regulation unterstützt hier, u. a. bei der Strukturierung
und Verbreiterung der Finanzierungs­basis, um dieser Entwicklung
entgegen­zuwirken. Dabei tritt an die Stelle der Finanzierung einzelner
Vorhaben zunehmend die gezielte Steuerung der gesamten Passivseite. In
den Mittel­punkt rückt ein das Unternehmen bzw. den Konzern insgesamt
umfassendes Finanzierungskonzept aus Eigen- und Fremdmitteln.
Den EVU wird die optimale Strukturierung von Finanzierungen bzw.
Auswahl von Finanzierungs­instrumenten auf der Basis objektiver
Entscheidungs­parameter ermöglicht. Die Belastbarkeit der auf den
branchen­spezifischen Parametern beruhenden Finanzstruktur wird dabei
auch auf der Grundlage von Stressszenarien getestet. So wird das Erreichen
definierter Ziele zu Rating, Finanzierungskosten und Finanzierungsbzw. Zinsänderungsrisiken ermöglicht. Ein wichtiger Aspekt bei der
Strukturierung ist der Blick auf die Liquiditätsplanungen der EVU: Die zu
unterschiedlichen Zeitpunkten identifizierten Finanzierungslücken werden
mit gezielten Kapitalmaßnahmen unterlegt und alternative Varianten zur
Schließung dieser Engpässe bewertet.
Zudem wird die Erschließung einer breiten diversifizierten Basis an
Finanzierungs­partnern ermöglicht, indem die Ansprache der Kapital­geber
mit einem speziell auf deren Anforderungen ausgerichteten Infopaket
erfolgt. Mit einem professionellen, „auf Augenhöhe“ mit den Finanzierungs­
partnern etablierten Prozess der Einwerbung von Finanzierungen
werden ein hinreichend breiter Wettbewerb und eine Optimierung der
Finanzierungs­konditionen auch über den nominellen Zinssatz hinaus
gewährleistet.
Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen 9
Einführung: Finanzwirtschaftliche Herausforderungen in der Branche dauern an
BEinführung: Finanzwirtschaftliche
Herausforderungen in der Branche
dauern an
Auch nach der Erstveröffentlichung der Studie im Mai 2014 dauern die immensen
Herausforderungen für EVU in Deutschland, die den Autoren in der täglichen
Projektarbeit begegnen, weiter an. Die hier skizzierten wesentlichen Energie­
wendeprojekte aus der 10-Punkte-Energie-Agenda des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Energie (BMWi) sind exemplarisch für die vielfältigen
Veränderungs­prozesse der Branche.
Herausforderungen der EVU-Branche
halten an.
Abb. 1 Wichtigste Projekte der Energiewende
2014
5
EEG
EU 2030/
ETS
Strom­
markt­
design
6
7
8
2015
9 10 11 12
VO Aus­
schrei­
bungs­
pilot
EEG
2.0
EU 2030-Ziele
Gutachten
Aktionsplan
Energieeffizienz
Gebäude­
strategie
Erarbeitung
Sanierungsfahrplan
Verteiler­
netze
Moni­toring
2
3
4
5
6
7
2016
8
9 10 11 12
Pilotauktionen und Bau
Entwicklung Governance 2030
Reform ETS (Marktstabilitätsreserve)
und Post 2020
Effizienz­
strategie
Übertra­
gungs­netze
1
Grünbuch
Szenariorahmen 2015
Evaluierung ARegV
Fortschrittsbericht
Weißbuch
Er­fah­
rungs­
be­
richt
1
2
3
4
5
6
7
8
9 10 11 12
EEG 3.0
(Ausschreibungen)
Verhandlung neuer EU-Rechtsrahmen
(EE, ETS etc.)
Marktdesign-Gesetz (EnWG-Novelle)
Umsetzung Aktionsplan Energieeffizienz inkl. EED-Umsetzung
Erarbeitung ganzheitliche
Gebäudestrategie
Netzentwicklungsplan 2015
ENEV Prozess & EEWärmeG
Novelle Bundesbedarfsplangesetz
Novelle ARegV
Monitoringbericht 2015
Monitoringbericht 2016
Quelle: BMWi, Zentrale Vorhaben Energiewende für die 18. Legislaturperiode (10-Punkte-Energie-Agenda des BMWi), ohne Datum;
die Punkte „Europäischer Klima- und Energierahmen 2030“ und „Energiewende Plattformen“ sind in der Grafik unberücksichtigt.
10 Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen
Einführung: Finanzwirtschaftliche Herausforderungen in der Branche dauern an
Dabei wird die gesamte Wertschöpfungskette von einer Reihe von Megatrends
nachhaltig beeinflusst.
Megatrends im Energiemarkt
technologische
Durchbrüche
zentrale Energie­
erzeugung
Klima­veränderung,
Ressourcen­knappheit
Transport und
Verteilung
Handel und
Verkauf
demografische
Veränderungen
Messsysteme
erneuerbare
Energien
Urbanisierung
Behind the meter
(BTM)
+
–
Potenzial
Geschäfts­modelle
Trends
Abb. 2
Mit der in der Folge steigenden Komplexität des Geschäftsmodells EVU steigen
entsprechend auch die Anforderungen an die finanzwirtschaftliche Aufstellung der
Unternehmen.
Die strategische Geschäftsfelderweiterung, die Umsetzung zwingender oder
aussichts­reicher Investitionen in Erzeugungs- und Verteilkapazitäten, die
Übernahme von Leistungs­pflichten der Daseinsvorsorge oder schlicht die
nachhaltige Sicherung des bestehenden Geschäftsbetriebs – all diese Themen
erfordern auch die frühzeitige Einbindung finanzwirtschaftlicher Überlegungen.
Neben der Finanzierung­s­f rage selbst – ob über externe Partner, im Verbund oder
über eigene Mittel – spielen finanz­wirtschaftlich flankierende Wirtschaftlichkeitsund Risiko­bewertungen sowie das Liquiditäts­management, d. h. Antizipation,
Steuerung und Optimierung von Zahlungsströmen, eine zunehmend zentrale Rolle.
Reduzierte Liquiditätsreserven, das insgesamt gesunkene Liquiditätspotenzial
aus dem operativen Geschäft und der vielfach gestiegene Finanzierungsbedarf
infolge der Umsetzung zum Teil mäßig erfolgreicher Investitions­projekte haben
Spuren hinterlassen; in Zeiten knapper werdender Finanzmittel wird zunehmend
mit „spitzem Bleistift“ gerechnet. Dabei steht statt des einzelnen Vorhabens
zunehmend die Steuerung der gesamten Passivseite im Fokus; die Optimierung des
Zinsaufwands sowie die Steuerung von Finanzierungs- und Zinsrisiken erfolgen
übergreifend über die gesamte Gruppe eines EVU. Entsprechend ist hier der Bedarf
nach Beratungs­dienstleistungen zur professionellen Umsetzung entsprechender
Strukturen und zur finanzwirtschaftlichen Begleitung der Veränderungsprozesse
gestiegen.
Viele der Herausforderungen erfordern
die frühzeitige Einbindung finanz­
wirtschaftlicher Überlegungen.
Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen 11
Einführung: Finanzwirtschaftliche Herausforderungen in der Branche dauern an
Dabei ist wahrzunehmen, dass zum Teil Schwierigkeiten im Zusammenhang
mit traditionellen und auch erneuerbaren Erzeugungskapazitäten, direkt oder
über Beteiligungs­modelle, zu bewältigen sind. Verspätete Inbetriebnahmen,
Konstruktions­mängel und fortlaufendende Marktveränderungen haben dazu
beigetragen, dass Projekte heute teils nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden
können oder zu deutlich niedriger als geplanten Gesamtmargen führen. Den seither
in den Büchern liegenden Fremdfinanzierungen fehlt damit kalkuliertes Ertragsund Liquiditäts­potenzial, sodass der Kapitaldienst teilweise aus anderen Geschäfts­
bereichen erwirtschaftet werden muss und zulasten der Ausschüttungen geht.
Im Netzgeschäft sind hohe Investitionen für Erhaltung und Ausbau erforderlich. Im
Bereich der Netzstrategie wurden in einigen Fällen Verschuldungen aufgrund von
Netzübernahmen aufgebaut. Netzfinanzierungen über externe Kapitalgeber sind
dabei grundsätzlich aufgrund der regulatorischen Basis relativ einfach möglich
und der Bereich für verschiedene Investorengruppen von grundsätzlich hohem
Interesse.
Alternative Finanzierungsstrukturen, allen voran Projektfinanzierungen außerhalb
der Jahresabschlüsse, werden zum Teil infolge der hohen Komplexität, aufgrund
von Vorbehalten gegenüber der Struktur und potenziellen Geschäftspartnern sowie
der damit verbundenen Kosten gemieden. Insbesondere kleinere Projektvorhaben
scheitern zum Teil auch wegen der erfolglosen Suche nach geeigneten
Finanzierungs­partnern.
Auf den ersten Blick differenzieren sich die finanziellen Verhältnisse vor allem
auch aufgrund des Umfangs der Daseinsvorsorge in den EVU-Jahresabschlüssen.
Naturgemäß sind Querverbünde, die eine Vielzahl kommunalnaher, auch
defizitärer Aufgaben unter einem Dach vereinen, mit der finanziellen Belastung aus
eben diesen Aufgaben direkt belastet. Wo auf das Energie- und Versorgungs­geschäft
spezialisierte Gesellschaften ohne Pflichten aus der Daseinsvorsorge zunächst
in Form höherer Renditen und Liquidität Vorteile erzielen, fließt die zusätzliche
Liquidität oft vollständig an den kommunalen Gesellschafts­hintergrund ab und
führt so nicht automatisch zu nachhaltig höheren Finanzspielräumen. Liquiditäts­
kennzahlen, die auch das Ausschüttungs­verhalten miteinbeziehen, können so
helfen, eine höhere Vergleichbarkeit herzustellen.
Schließlich hat sich die Sicht der Finanzierungspartner auf die EVU in der
letzten Zeit doch deutlich verändert. So führt das unter dem Stichwort „Basel
III“ bekannt gewordene Reformpaket zur Bankenregulierung seitens der
Finanzierungsmärkte zu Veränderungen im Kreditvergabeprozess und zu einer
Neubewertung von Kredit­obligen und Kredit­konditionen auch im EVU-Bereich.
Zudem hat sich mit der Insolvenz von EVU die Risikosensibilität der Finanzierungs­
geber spürbar erhöht. Auf mehr oder minder fundierter Grundlage wird in dem
Kontext vom Sanierungsfall Stadtwerke berichtet. Umgekehrt etablieren sich
neue Finanzierungs­strukturen und neue Investorengruppen, die an der weiterhin
grundsätzlich attraktiven Branche als Anlagenklasse Interesse zeigen. Auch führt
das weiterhin historisch niedrige Zinsniveau zu der Auseinandersetzung mit der
eigenen Finanzierungs­struktur mit dem Wunsch nach einer Optimierung der
Finanzierungskosten.
Die Autoren möchten mit der Studie zum einen einen Beitrag zur Objektivierung
der Diskussion um die aktuelle finanzwirtschaftliche Situation sowie die
Finanzierungs- und damit Zukunftsfähigkeit der EVU im Allgemeinen leisten. Zum
anderen kann die Studie dem einzelnen EVU individuell als Benchmark für eine
erste Einschätzung der eigenen Verhältnisse sowie die Ableitung von Zielen dienen.
12 Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen
Konzeption der Studie
C Konzeption der Studie
In der aktuellen Studie wurden die Jahresabschlüsse von 233 Energie- und
Versorgungs­unternehmen im Jahr 2013 analysiert, um aufzuzeigen wie sich
die finanz­wirtschaftliche Situation der Energie- und Versorgungswirtschaft im
Querschnitt weiter entwickelt hat. Sie setzt auf der im Mai 2014 veröffentlichten
Studie „Energie- und Versorgungs­unternehmen im Spannungsfeld zwischen Ertrag,
Investitionen und Verschuldung“ auf, die bereits die Jahresabschlüsse von 150
Unternehmen von 2009 bis 2012 untersuchte. Auch dieses Mal erfolgte die Auswahl
zufällig aus der Grundgesamtheit aller im Betrachtungszeitraum im Bundes­
anzeiger oder auf den Internetseiten der EVU veröffentlichten Jahresabschlüsse.
Erweiterung der Stichprobe auf 233 EVU.
In der Praxis ist kein einheitliches Geschäftsmodell von Energie- und Versorgungs­
unternehmen anzutreffen. Die Zahlen in den untersuchten Jahresabschlüssen
bilden in der Regel mehrere Geschäftsfelder ab. Die Geschäftsfelder können
beispiels­weise sowohl Erzeugung, Vertrieb und Verteilung im Bereich Energie, die
Wasser­versorgung oder auch defizitäre Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge
umfassen. Auch deshalb wurde die Analyse auf 233 Stichproben-EVU erweitert, um
einen möglichst breiten Branchen-Querschnitt abzubilden.
Die Basis für die Studie bilden die aus veröffentlichten Jahresabschlüssen
ableitbaren Finanzierungskennzahlen der Stichproben-EVU im Betrachtungs­
zeit­raum 2009 bis 2013. Um auch bei der für 2013 vergrößerten Stichprobe
die Vergleichbarkeit im Zeitablauf zu gewährleisten, wurden die Kennzahlen­
ausprägungen für 2011 und 2012 angepasst. Infolgedessen kommt es im Vergleich
zur Vorjahres­studie zu marginalen Abweichungen in den Kennzahlen.
In der aktuellen Studie wurde zudem die Definition der Verbindlichkeitenquote
modifiziert. Die Basis dieser Quote bildet nun das Gesamtfinanzierungskapital ohne
sonstige Verbindlichkeiten und sonstige Rückstellungen. Sie wird somit nicht mehr
von Schwankungen der nicht finanziellen Verbindlichkeiten beeinflusst und gibt
den Anteil des Fremdfinanzierungskapitals in der Gesamtfinanzierungsstruktur
zutreffender wieder.
In der aktuellen Analyse wurde – soweit nicht anders angegeben – der Median als
mittlere Ausprägung einer Kennzahl in der Stichprobe ermittelt. Er wird nicht von
Extrem­werten beeinflusst und eignet sich somit eher als der Mittelwert für die
Interpretation mittlerer Ausprägungen in einer nicht normalverteilten Stichprobe.
Um die Streuung der Stichprobenkennzahlen um den Median zu illustrieren,
wurden außerdem mittlere 50 %-Streuungen gebildet, die den Kennzahlenbereich
über dem ersten bzw. unter dem vierten Quartil der Stichprobe kennzeichnen.
Die Stichprobe wurde auf Kennzahlen hin untersucht, die – auf Basis des
vorliegenden Datenmaterials zum Teil leicht adaptiert – von Kreditinstituten
und Rating­agenturen zur Beurteilung von Finanz- und Ertragslage der Energieund Versorgungs­branche genutzt und zu einer Gesamtbonitätseinschätzung
verdichtet werden. Die Kennzahlenaus­prägungen stellen somit einen Indikator
für die Finanzierungs­situation der Branche dar, da sie den entscheidenden
quantitativen Maßstab für die Zusage oder Ablehnung von Finanzmitteln bzw.
deren Konditionierung bilden. Zu den ermittelten Kennzahlen gehören dynamische
Verschuldungs­grade, Zinsdeckungsgrade, Kapitalstrukturkennziffern, Vermögensund Liquiditäts­kennzahlen sowie das Ausschüttungsverhalten der EVU.
Die Finanzkennzahlen werden mit
branchentypischen Finanzierungs­
benchmarks aus dem Banken- und
Ratingumfeld verglichen.
Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen 13
Konzeption der Studie
Den in der Analyse ermittelten Kennzahlenwerten und ihren Trends werden
typische Ausprägungen gegenübergestellt, die als überschlägige Grenzwerte
für die gesellschafter­unabhängige EVU-Finanzierungsfähigkeit zu verstehen
sind. Bis zu diesen Ausprägungen lassen sich Finanzierungen in der Regel relativ
unproblematisch einwerben. Sie basieren auf anerkannten Ratinganalysen und
den Erfahrungen der Studienautoren aus vielen Finanzierungsprozessen und
Finanzierungs­gesprächen. Die Einhaltung dieser Grenzen führt aus Finanzierungs­
sicht in der Regel zu einer zumindest zufriedenstellenden Kreditbonität. Die
Einschätzung der Finanzierbarkeit von EVU-Vorhaben hängt jedoch von einer
Vielzahl weiterer individueller Faktoren, insbesondere auch qualitativer Bonitäts­
einschätzungen und Bewertungen der zukünftigen Finanz- und Liquiditätslage ab,
sodass bei einer Einschätzung auf Basis eines Benchmarkings im Hinblick auf einen
realen Finanzierungs­prozess stets die individuellen Rahmenbedingungen eines
EVU zu berücksichtigen sind.
Die Heterogenität der Jahresabschlüsse und die typische Vielzahl von Geschäfts­
feldern in EVU wurden durch die zufällige Auswahl der untersuchten sonstigen
Geschäfts­tätigkeiten berücksichtigt: So wurden beispielsweise die Aufgaben
der öffentlichen Daseins­vorsorge insoweit berücksichtigt, als sie in den Jahres­
abschlüssen der hier untersuchten EVU mit abgebildet waren.
Abb. 3
Kennzahlenbedeutung, Ursprung und Definitionen
Kennzahltyp
Rentabilität
und Gewinn­
verwendung
Gewinn- und
Verlustrechnung
Jahresabschlüsse
Kapitalfluss­
rechnung
EBITDA-Marge
EBITDA/Nettoumsatz
Ausschüttungsquote
Ausschüttungen/Jahresüberschuss vor
Gewinnverwendung
dynamischer Verschuldungsgrad
EBITDAZinsdeckungsgrad
Schulden­­
deckungs­
fähigkeit
Kapital­­­­­­struktur
Kennzahldefinition
Nettofinanzverschuldung/EBITDA
EBITDA/Bruttozinsaufwand
einfacher Cashflow zur Verschuldung
Einfacher Cashflow/
Bruttofinanzverschuldung
Residual-Cashflow nach Ausschüttungen
zur Verschuldung
Einfacher Cashflow nach
Ausschüttungen/Brutto­verschuldung
freier Cashflow nach Ausschüttungen und
Investitionen zur Verschuldung
Einfacher Cashflow nach Ausschüttungen
und Investitionen/Brutto­verschuldung
Eigen­mittelquote
Eigenmittel/Bilanzsumme
Eigen­mittelquote
bilanzielles Eigenkapital/Bilanzsumme
Verbindlich­keitenquote
Bruttofinanzverschuldung/Gesamtkapital
Bank­verbind­lichkeiten­
quote
Bankverschuldung/Gesamtkapital
Anlagenquote
Anlagenvermögen/Bilanzsumme
14 Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen
Kennzahlenanalyse
DKennzahlenanalyse
1 Ertragslage und Rentabilität
1.1 Umsatz und EBITDA
Treiber oder Ausgangspunkt vieler Finanzierungskennzahlen ist – neben der
Finanz­verschuldung selbst – die Ergebnissituation eines Unternehmens. Sie schlägt
sich unmittelbar in den im Folgenden genauer zu analysierenden dynamischen
Verschuldungs- und Zinsdeckungsgraden sowie mittelbar in den Liquiditäts­
kennzahlen nieder, da operative Cashflows wiederum wesentlich von den
erwirtschafteten Erträgen abhängen. Zentrale Einflussgröße ist insbesondere das
Betriebsergebnis vor Abschreibungen (EBITDA), das aus den Nettoumsätzen nach
betrieblichen Aufwendungen verbleibt.
Ausgangspunkt verschiedener
Finanzierungs­kenn­zahlen ist neben der
Finanz­verschuldung selbst die Ertragslage
des EVU.
Für eine erste Einschätzung der Gesamt-EVU-Rentabilität kann das Verhältnis
aus EBITDA zum Nettoumsatz angesetzt werden; ebenso können für eine Analyse
im Zeitablauf die Wachstumsraten beider Größen verglichen werden. Bezogen
auf die Jahre 2011 bis 2013 resultiert für die EVU der Studienstichprobe folgende
Verteilung dieser Wachstumsraten (CAGR 2).
Abb. 4 EBITDA-Entwicklung und Umsatzentwicklung von 2011–2013
in %
CAGR EBITDA 2011–2013
EBITDARückgang
EBITDASteigerung
30
5 %
IV
I
47 %
17 %
III
II
30 %
20
10
0
–10
–20
–30
–30
–25
–20
–15
–10
–5
0
5
CAGR Umsatz 2011–2013
Umsatzrückgang
2
10
15
20
25
30
Umsatzsteigerung
Compound Annual Growth Rate (durchschnittliche jährliche Wachstumsrate).
Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen 15
Kennzahlenanalyse
Mehr als drei Vierteln der EVU der Stichprobe ist es gelungen, ihren Umsatz im
Zeitraum 2011 bis 2013 zu steigern. 47 % der EVU konnten sowohl Umsätze wie
EBITDA steigern (Quadrant I, oben rechts). Mehrheitlich fällt das Umsatzwachstum
in dieser Gruppe höher aus als das Ergebniswachstum. 30 % der EVU verzeichnen
trotz des Umsatzanstiegs einen Rückgang des EBITDA (Quadrant II, unten rechts).
Als erstes Kurzfazit lässt sich hier festhalten, dass diese Entwicklung in beiden
Gruppen einen tendenziell negativen Einfluss auf die Rentabilität der EVU hat,
da Ergebnisse nicht im gleichen Verhältnis steigen wie die Umsätze. Soweit das
Wachstum fremd­finanziert ist, führt dies darüber hinaus in vielen Fällen zu einer
Verschlechterung der betroffenen Finanz­kennzahlen.
17 % der EVU weisen sowohl Umsatz- wie EBITDA-Rückgänge auf (Quadrant III,
unten links). Trotz Umsatzrückgangs ist es 5 % der Unternehmen gelungen, ihr
EBITDA zu steigern (Quadrant IV, oben links).
1.2 EBITDA-Marge
Die EBITDA-Marge liegt zuletzt relativ
stabil bei 13 %.
Der Eindruck aus der vorhergehenden Grafik bestätigt sich anhand der Entwicklung
der EBITDA-Marge. Zwischen 2010 und 2013 ist diese Rentabilitätskennzahl von
15,2 % auf 13,0 %3 gesunken. Nach negativen Wachstumsraten in den Jahren 2011
und 2012 wächst das EBITDA zuletzt aber wieder absolut mit rund 2,5 %. Dies führt
dazu, dass die EBITDA-Marge im Median in 2013 auf dem Vorjahresniveau liegt.
Abb. 5
EBITDA-Marge
20,0 %
17,5 %
15,2
15,0 %
14,0
13,9
12,8
13,0
2012
2013
12,5 %
10,0 %
7,5 %
2009
2010
mittlere 50 %-Streuung
3
O
hne Bereinigung des Umlagenwachstums.
16 Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen
2011
Median
Kennzahlenanalyse
2 Schuldendeckungsfähigkeit
2.1 Dynamischer Verschuldungsgrad
Zur Beurteilung der längerfristigen Bonität wird insbesondere von Fremd­kapital­
gebern ein dynamischer Verschuldungsgrad als Verhältnis der Netto­finanz­
verschuldung zum EBITDA ermittelt. Diese in der Kreditwürdigkeitsprüfung
zentrale Kennzahl gibt Aufschluss darüber, in welchem Zeitraum der Schuldner
auf Basis seiner aktuellen Ertragskraft seine Schulden zurückführen kann, und
stellt damit die rechnerische Entschuldungsdauer des Unternehmens dar. Das
EBITDA, das Betriebsergebnis vor Abschreibungen, fungiert hierbei als eine
dem Cashflow aus operativer Geschäftstätigkeit angenäherte Ertragsgröße. Die
Finanz­verschuldung, d. h. das verzinsliche Fremdkapital, gibt nach Verrechnung
mit der freien Liquidität das Ausmaß der tatsächlichen Verschuldung wieder. Der
dynamische Verschuldungsgrad ist auch wesentlicher Bestandteil von Financial
Covenants in Kreditverträgen.
Der dynamische Verschuldungs­
grad entspricht dem Verhältnis der
Nettofinanzverschuldung zum EBITDA.
Die Bewertung der Kennzahl relativ zu einer Benchmark ist in hohem Maße
abhängig von dem allgemeinen Geschäftsrisiko des Kreditnehmers (ausgedrückt in
der Volatilität der Cashflows und der operativen Ergebnisse) sowie von der Anlagen­
intensität des Schuldners. Grundsätzlich gilt, dass Unternehmen mit höheren
Geschäfts­risiken nur niedrigere Finanzierungsrisiken tragen können, da sie einen
höheren Liquiditätspuffer zur Absicherung ihrer Geschäftsvolatilitäten vorhalten
müssen, und umgekehrt. Ein im Handel tätiger Energiedienstleister beispielsweise
dürfte im Durchschnitt deutlich niedrigere dynamische Verschuldungsgrade (und
damit niedrigere finanzielle Risiken) erreichen können als ein vertikal integrierter
Versorger, der zwar den oben beschriebenen allgemeinen Herausforderungen der
Branche unterliegt, nicht aber ausschließlich den typischen Handelsvolatilitäten
und -risiken. Auch wird langfristiges Produktivvermögen in Infrastruktur und
Ähnlichem tendenziell zu höheren Anteilen mit Fremdkapital finanziert, sodass
EVU mit eigenen Strom-, Gas- oder Abwassernetzen eine tendenziell höhere Fremd­
kapitalquote und einen tendenziell höheren dynamischen Verschuldungsgrad
realisieren können.
Als Anhaltspunkt für die Finanzierungsfähigkeit dienen die folgenden Kennzahlen­
richtwerte.
Tab. 1
Kennzahlen-Richtwerte dynamischer Verschuldungsgrad
tendenziell unbedenklicher
dynamischer Verschuldungsgrad
EVU (ohne eigene Netze)
≤ 3,0–3,5
EVU (mit eigenen Netzen)
≤ 3,5–4,0
Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen 17
Kennzahlenanalyse
Zu den folgenden Kennzahlenausprägungen in der vorliegenden Studie ist zu
berücksichtigen, dass die tatsächliche Finanzverschuldung tendenziell etwas höher
liegen dürfte, da Finanzierungskomponenten in den sonstigen Verbindlichkeiten
nur teilweise aus den veröffentlichten Jahresabschlüssen ermittelt werden
konnten und nicht bilanzierte finanzielle Verpflichtungen wie z. B. operative
Leasing­strukturierungen oder finanzielle Eventualverbindlichkeiten nicht in
die Berechnung eingeflossen sind. Für individuelle Kreditprüfungen werden sie
hingegen fallweise mit aufgenommen.
Abb. 6
Dynamischer Verschuldungsgrad
4,0
3,5
3,0
2,5
2,0
1,8
1,9
2,0
2009
2010
2011
2,3
2,2
2012
2013
1,5
1,0
0,5
mittlere 50 %-Streuung
Der dynamische Verschuldungs­grad
nimmt im Betrachtungszeitraum zu, liegt
aber im Mittel auf angemessenem Niveau.
Für die oberen 25 % der Stichprobe bleibt
der Spielraum auch im Jahr 2013 eng.
Median
Der dynamische Verschuldungsgrad steigt im Median im betrachteten Zeitraum
2009 bis 2013 in der gesamten Stichprobe von 1,8 auf 2,2.
Nachdem die Nettofinanzverschuldung bis 2012 mit knapp 5 % pro Jahr gewachsen
war und damit wesentlich zum Anstieg der Kennzahl beigetragen hat, liegt sie in
der Stichprobe im Jahr 2013 um rund 4 % darunter. Die Bruttofinanzverschuldung
ist hingegen leicht gestiegen, sodass die Entwicklung wesentlich von den
gestiegenen liquiden Mitteln in den EVU-Jahresabschlüssen beeinflusst wird.
Darüber hinaus ist das Nettoumlaufvermögen 2013 in rund zwei Drittel
aller untersuchten EVU gesunken; dies führt zu einem – vorübergehenden –
Finanzierungs­effekt. Insbesondere das Verbrauchsverhalten der Kunden und die
Witterungs­verhältnisse sind zwei wesentliche Faktoren, die zu solchen zum Teil
sehr liquiditäts- und finanzierungs­relevanten Veränderungen im Netto­umlauf­
vermögen führen können.
Der andere wesentliche Einflussfaktor auf den dynamischen Verschuldungsgrad
ist die Ergebnisentwicklung der Branche. Nach negativen Wachstumsraten in den
Jahren 2011 und 2012 wächst das EBITDA zuletzt absolut mit gut 2,5 % und hat
damit einen entlastenden Effekt auf den dynamischen Verschuldungsgrad.
18 Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen
Kennzahlenanalyse
Damit lässt sich folgendes Zwischenfazit ziehen: In 2010 steigt der dynamische
Verschuldungsgrad bei steigender Nettofinanzverschuldung und steigendem
EBITDA nur mäßig über das Niveau aus 2009. 2011 ist geprägt von rückläufigen
Ergebnissen, deren Effekte auf den Verschuldungsgrad durch gestiegene Kassen­
bestände und dem damit verbundenen vorübergehenden Abbau der Netto­finanz­
verschuldung teilweise ausgeglichen werden. In 2012 führen weiter rückläufige
Ergebnisse bei hier deutlich gestiegener Finanz­mittel­inanspruchnahme zu einem
steigenden Verschuldungsgrad. 2013 liegt er bei EBITDA-Wachstum und etwas
gestiegener Bruttofinanzverschuldung gegenüber dem Vorjahr etwas besser.
Für EVU am oberen Ende der Benchmark (rund 3,5 und mehr) wird der erfolgreiche
Abschluss neuer Finanzierungen isoliert betrachtet jedoch zu einer zunehmenden
Herausforderung. Zwar ist der Grenzwert der 25 % EVU mit höchster Kennzahlen­
ausprägung auf 3,5 gefallen, im Jahr 2013 liegen aber immer noch rund 21 % der
EVU über der kritischen Marke von 4,0.
Abb. 7
Häufigkeitsverteilung dynamischer Verschuldungsgrad
Verschuldungsintervall
30 %
100 %
90 %
79 %
24 %
80 %
21 %
70 %
18 %
60 %
15 %
50 %
12 %
40 %
9 %
30 %
6 %
20 %
3 %
10 %
0 %
< 1
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
4,0
Häufigkeitsverteilung pro Verschuldungsintervall
4,5
5,0
5,5
6,0
6,5
7,0
7,5
> 7,5
kumuliert
pro Segment
27 %
0 %
kumulierte Häufigkeitsverteilung
Die Einbindung des EVU in den oftmals kommunalen Gesellschafterhintergrund
und der damit verbundene direkte oder indirekte Transfer kommunaler Bonität
wird bei der Finanzierung auf diesen relativ hohen Verschuldungsniveaus eine
maßgebliche Rolle spielen. Dabei trifft diese Entwicklung einige Kreditnehmer
infolge sich nicht einstellender Erträge aus bereits finanzierten Investitionen, sodass
dem gestiegenen Finanzierungsvolumen kein angemessener Ertrag gegenübersteht.
Hält diese Entwicklung an, so entsteht mitunter Neustrukturierungsbedarf, um die
Kreditstruktur den finanziell veränderten Rahmenbedingungen anzupassen.
Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen 19
Kennzahlenanalyse
2.2 EBITDA-Zinsdeckungsgrad
Der EBITDA-Zinsdeckungs­grad bemisst
die Kapital­dienstfähigkeit anhand des
EBITDA im Verhältnis zum Zinsaufwand.
Deckungsgrade finden oftmals Anwendung in der Tragfähigkeitsanalyse des
Kapitaldienstes. Die hier vorgestellte EBITDA-Zinsdeckung, die ebenfalls
von vielen Fremd­kapitalgebern als zentrale Kennzahl in der Kreditprüfung
verwendet wird, setzt das EBITDA ins Verhältnis zum Zinsaufwand und ist
wie der dynamische Verschuldungsgrad oftmals ein Bestandteil der Financial
Covenants. Mit dem Zinsdeckungsgrad kann eine Aussage getroffen werden,
in welchem Maße die operative Ertragskraft des Kreditnehmers die Bedienung
der laufenden Finanzierungs­kosten sicherstellt. Zu berücksichtigen ist hierbei,
dass mit den Zahlungs­eingängen aus dem EBITDA neben Zinsaufwendungen
weitere Auszahlungen wie z. B. Steuern, Schwankungen im Umlaufvermögen,
der innenfinanzierte Anteil der Investitionstätigkeit und ein Tilgungsbeitrag
geleistet werden, sodass das EBITDA das Niveau des Finanzierungs­aufwands
deutlich übersteigen sollte. Die folgenden Kennzahlenrichtwerte dienen hierzu als
Anhaltspunkte.
Tab. 2
Kennzahlen-Richtwerte EBITDA-Zinsdeckungsgrad
tendenziell unbedenklicher
EBITDA-Zinsdeckungsgrad
EVU (ohne eigene Netze)
≥ 5,0
EVU (mit eigenen Netzen)
≥ 3,5
Abb. 8 EBITDA-Zinsdeckungsgrad
14,0
12,0
10,0
8,6
8,3
8,0
8,1
8,3
2009
2010
2011
2012
2013
8,0
6,0
4,0
mittlere 50 %-Streuung
Der EBITDA-Zinsdeckungsgrad steigt
angesichts verbesserter Ergebnisse und
sinkender Zinsaufwendungen zuletzt
wieder leicht an.
Median
Der EBITDA-Zinsdeckungsgrad sinkt im Betrachtungszeitraum der Stichprobe
zunächst von 8,6 im Jahr 2009 auf 8,0 im Jahr 2011 und zeigt seitdem wieder leicht
ansteigende Tendenz. In 2013 verbessert er sich auf rund 8,3. Günstige Markt­
zins­effekte reduzieren die Zinsbelastung der Branche aus Neu- und Anschluss­
finanzierungen.
20 Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen
Kennzahlenanalyse
Der bis 2012 zu verzeichnende Rückgang war dabei im Zähler des Bruches begründet,
in einem rückläufigen EBITDA. Infolge des seit 2008 sinkenden Markt­zins­niveaus
blieb im Median der Nenner, das absolute Niveau des Zins­aufwands bis 2012 relativ
konstant.4 Im Jahr 2013 ist der Zins­aufwand dann nominal im Mittel um rund 1,5 %
gesunken. Die Verbesserung resultiert in 2013 insofern aus beidem, zum einen
aus einer Stabilisierung der Ergebnisse und zum anderen aus einem rückläufigen
Zinsaufwand. Die aktuellen Markt­zinsen begünstigen erwartungsgemäß die
Finanzierung und veranlassen viele Kapital­nehmer zur Prüfung von Strategien nach
einer weiteren Optimierung ihrer Zins­position und einer langfristigen Sicherung
der Zinsniveaus. Sofern das allgemeine Markt­zins­niveau wieder steigt und aktuelle
Marktkonditionen nicht langfristig gesichert sind, besteht aber das Risiko einer
spürbaren Verschlechterung der Zins­deckungs­grade.
Dabei liegt der Zinsdeckungsgrad im Median der Gesamtstichprobe Ende 2013 auf
einem noch auskömmlichen Niveau. Rund 25 % der EVU der Stichprobe liegen seit
2011 aber auf zunehmend kritischen Zinsdeckungsgraden um 5,0 und weniger.
Zum Teil wird in der Bonitätsanalyse und auch bei Covenants in Kreditverträgen
anstelle der EBITDA-Zinsdeckung auf eine Cashflow-Zinsdeckung abgestellt.
Sie bemisst die Bedienung der laufenden Finanzierungskosten an den echten
operativen Zahlungsmittelüberschüssen. Insbesondere in der Bonitätsbewertung
von Ratingagenturen ist die Cashflow-Zinsdeckung eine oft gebräuchliche
Kennzahl. Da sie gegenüber der hier vorgestellten Kennzahl zu keinen wesentlichen
neuen Aussagen kommt, verzichtet die Studie an dieser Stelle auf ihre Darstellung.
2.3 Liquiditätskennzahlen
Neben den vorgestellten Kapitalstrukturkennzahlen sind Liquiditätskennzahlen
von zunehmender Bedeutung in der EVU-Branche. Sie setzen die erwirtschaftete
Liquidität in das Verhältnis zur Finanzverschuldung und geben damit Auskunft
darüber, inwieweit die Verschuldung von Cashflows getragen wird.
Zum Vergleich der Liquiditätssituation der Branche eignen sich Kennzahlen, wie sie
z. B. in Cashflow-orientierten Ratingansätzen zum Tragen kommen. Die vorliegende
Studie verwendet hierzu – jeweils bezogen auf das Bruttofinanzierungsvolumen –
•den einfachen Cashflow als Maß der operativen Liquiditätskraft,
•den Residual-Cashflow als Kennzeichen der operativen Liquidität nach
Ausschüttungen und
•den freien Cashflow als Maß der Kapitaldienstfähigkeit nach Ausschüttungen und
Investitionstätigkeit, aber vor Finanzierung.
Cashflow orientierte Kennzahlen sind
insbesondere angesichts des anhaltenden
Investitionsbedarfs und durchschnittlich
hoher Ausschüttungs­quoten von
zunehmender Bedeutung für die EVUBranche.
Die aus Investitionen und Ausschüttungen zum Teil entstehende Liquiditäts­lücke
ist durch zusätzliche Finanzierungen auszugleichen. Darüber hinaus müssen
fällige Tilgungen auf Bestandskredite refinanziert werden. Insoweit ist das Niveau
des freien Cashflows ein zentraler Maßstab für die Bewertung der Schulden­
tragfähigkeit und Ansatzpunkt zur Optimierung von Finanzierungs­strukturen.
4
er 1M-EURIBOR als Marktreferenz für einmonatige Ausleihungen im Interbankenmarkt ist
D
zwischen Januar 2009 und Dezember 2013 von rund 2,6 % auf 0,2 % gefallen. 2008 lag der
Referenz­satz in der Spitze noch bei über 5 %.
Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen 21
Kennzahlenanalyse
2.3.1 Einfacher Cashflow zur Verschuldung
Tab. 3
Kennzahlen-Richtwerte einfacher Cashflow zur Verschuldung
Richtwert für eine mindestens
zufriedenstellende Kreditbonität
EVU
Abb. 9
≥ 15 %
Einfacher Cashflow zur Verschuldung
50 %
45 %
40 %
35 %
30,3
32,4
30,8
30 %
27,9
27,8
2012
2013
25 %
20 %
15 %
10 %
2009
2010
mittlere 50 %-Streuung
2011
Median
Die Kennzahl folgt im Zeitablauf den Finanzierungsvolumina und Schwankungen
in der Ertragslage, was insbesondere in den Jahren 2010 bis 2012 zu sinkenden
Ausprägungen führt. Die zuletzt absolut gestiegenen Ergebnisse der StichprobenEVU im Jahr 2013 bei relativ konstanter Bruttofinanzverschuldung tragen zuletzt
zu einer Stabilisierung bei.
Gemessen an dem einfachen Cashflow
liegt die Branche auf einem noch guten
Verschuldungsniveau.
Gemessen an dem Richtwert für eine mindestens zufriedenstellende Kreditbonität
liegt die Branche in einem insgesamt noch guten Kennzahlenbereich, d. h. das
Verschuldungsniveau liegt in Relation zu der operativen Liquidität im Mittel auf
angemessenen Niveaus. Damit lässt sich festhalten, dass die Branche im Querschnitt
vor Berücksichtigung von Investitionen und Ausschüttungen über eine ausreichende
Grundbonität und ein ausreichendes operatives Liquiditätspotenzial verfügt, um die
aktuellen Verschuldungsniveaus zu tragen. Auffallend ist hier aber auch die hohe
Streuung der Kennzahlenwerte innerhalb der Benchmark; entsprechend wird die
Bewertung damit im Einzelfall abweichen.
22 Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen
Kennzahlenanalyse
2.3.2 Residual-Cashflow zur Verschuldung
Tab. 4
Kennzahlen-Richtwerte Residual-Cashflow zur Verschuldung
Richtwert für eine mindestens
zufriedenstellende Kreditbonität
EVU
≥ 10 %
Abb. 10 Residual-Cashflow zur Verschuldung
40 %
35 %
30 %
25 %
21,9
22,2
19,5
20 %
18,3
17,8
2012
2013
15 %
10 %
2009
2010
mittlere 50 %-Streuung
2011
Median
Die Residual-Cashflow-Kennzahl beschreibt das Verhältnis der operativen
Liquidität nach Ausschüttungen zur Bruttofinanzverschuldung. Sie liegt auf
insgesamt zufriedenstellenden bis guten Niveaus, fällt aber relativ schwächer aus
als die Bewertung der einfachen Cashflows. Anders formuliert führt das mittlere
Ausschüttungsniveau zu einer tendenziellen Verschlechterung der Bonität.
Der Residual-Cashflow liegt ebenfalls auf
im Mittel guten bis zufriedenstellenden
Niveaus, wobei Ausschüttungs­
verpflichtungen die Innenfinanzierungs­
kraft zum Teil signifikant belasten.
Die ab 2010 konstant rückläufige Entwicklung wird in den Jahren 2011 und
2012 sowohl von der steigenden Bruttofinanzverschuldung als auch von dem
gesunkenen Ertragsniveau und der relativ konstanten Ausschüttungsquote
getrieben. In 2013 stabilisiert sich die Entwicklung etwas, wie die der EBITDAMarge (siehe Kapitel D1). Aus den Überschüssen des Residual-Cashflows können
Investitionen finanziert und Tilgungen auf Bestandskredite geleistet werden.
Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen 23
Kennzahlenanalyse
2.3.3 Freier Cashflow zur Verschuldung
Tab. 5
Kennzahlen-Richtwerte freier Cashflow zur Verschuldung
Richtwert für eine mindestens
zufriedenstellende Kreditbonität
EVU
> 0 %
Abb. 11 Freier Cashflow zur Verschuldung
20 %
15 %
10 %
5 %
0,4
0,0
0 %
–5 %
–3,5
–2,9
–2,0
2011
2012
2013
–10 %
–15 %
–20 %
2009
2010
mittlere 50 %-Streuung
Der zuletzt negative freie Cashflow
als wichtiger Maßstab für die Kapital­
dienstfähigkeit führt zur Aufnahme
zusätzlicher Finanzierungen.
Median
Der freie Cashflow beschreibt die nach Ausschüttungen und Investitionen
verbleibende operative Liquidität des EVU zur Bedienung von Finanz­
verbindlichkeiten. Überschüsse führen unter sonst konstanten Bilanzverhältnissen
zu einer Reduzierung der Nettofinanzverschuldung, Unterdeckungen zu einer
Erhöhung der Brutto­finanz­verbindlichkeiten oder einem Abbau liquider Mittel.
Aus den Jahren 2011 bis 2013 folgt im Median die Notwendigkeit der Aufnahme
zusätzlicher Finanzierungen, da der freie Cashflow negativ ausfällt. Angesichts der
Entwicklungen anderer bereits vorgestellter Kennzahlen und insbesondere infolge
der gewachsenen Investitionstätigkeit in der Branche ist diese Entwicklung gut
nachvollziehbar. Ein Entschuldungspotenzial ist damit kurzfristig nicht erkennbar.
In der hier verwendeten Definition der Kennzahl sind keine weiteren Bilanz­
effekte abgebildet, insbesondere keine Finanzierungseffekte aus der Veränderung
des Netto­umlauf­vermögens. In der Regel sind diese Effekte bei EVU jedoch
vorübergehend und führen dann später zu einer gegenläufigen Entwicklung,
z. B. bei Abrechnung der Jahresverbräuche im Strom- und Gasbereich.
Dabei ist damit zu rechnen, dass zumindest perspektivisch die Finanzierung von
Ausschüttungen durch die Aufnahme von Fremdkapital von den Kreditgebern
thematisiert werden dürfte. Aus der Summe an Geschäftsvorfällen ist dieser
Zusammen­hang nicht immer klar zu isolieren; dem Grundsatz nach liegt eine solche
nicht gedeckte Ausschüttung dann vor, wenn die Unterdeckung aus dem freien
Cashflow die Wachstumsinvestitionen übersteigt.
24 Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen
Kennzahlenanalyse
3 Kapitalstruktur
3.1 Eigenmittelquote
Eigenmittelquoten sind gängige Kennzahlen in vielen Kreditwürdigkeitsprüfungen
und finden ebenfalls als Financial Covenant in vielen Kreditverträgen
Anwendung. Je höher der Anteil der Eigenmittel am Gesamtkapital ist, desto
größer ist die Fähigkeit des Kreditnehmers, Schwankungen und Risiken aus dem
Geschäftsverlauf aufzufangen. Die Eigenmittelquote ist damit ein Kennzeichen für
die finanzielle Stabilität eines Unternehmens, ein Signal an die übrigen Stakeholder
zur Finanzierungsbereitschaft der Gesellschafter und ein Zeichen der finanziellen
Unabhängigkeit gegenüber den Kreditmärkten. Für die Beurteilung der Bonität im
Kreditprozess wird typischerweise auf eine wirtschaftliche Eigenmitteldefinition
abgestellt, d. h. dass insbesondere auch diejenigen Positionen – zum Teil anteilig –
hinzugerechnet werden, die einem Fremdkapitalgeber eine eigenkapitalähnliche
Sicherheit gewähren. Hierzu zählen im EVU-Umfeld insbesondere Sonderposten
aus gewährten Investitions- und Ertragszuschüssen, die bilanziell eine
Sonderposition zwischen dem gesellschaftsrechtlichen Eigenkapital und dem
bilanziellen Fremdkapital einnehmen. Sie machen im Median und Zeitablauf bis zu
8 Prozentpunkte an der wirtschaftlichen Eigenkapitalquote aus, sofern sie wie in
der vorliegenden Analyse vollständig einbezogen werden.
Die Eigenmittelquote misst das
Verhältnis des Haftungskapitals zum
Gesamtkapital.
Fremdkapitalfinanzierungen der Versorgungsnetze führen zu tendenziell
niedrigeren Eigenkapitalquoten bei den EVU mit eigenen Netzen. Derartige
Fremdfinanzierungen des Anlagevermögens sind branchenübergreifend
nicht unüblich. Bei der Beurteilung des Eigenmittelniveaus sollte daher eine
entsprechende Differenzierung im Einzelfall und auch abhängig von dem Anteil der
Zuschüsse an den Eigenmitteln vorgenommen werden:
Tab. 6
Kennzahlen-Richtwerte Eigenmittelquote
tendenzielle unbedenkliche
wirtschaftliche Eigenmittelquote
EVU (ohne eigene Netze)
≥ 25–30 %
EVU (mit eigenen Netzen)
≥ 20–25 %
Abb. 12 Wirtschaftliche Eigenmittelquote
55 %
50 %
45 %
44,0
43,8
42,6
42,0
2011
2012
40,9
40 %
35 %
30 %
2009
2010
mittlere 50 %-Streuung
2013
Median
Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen 25
Kennzahlenanalyse
Die wirtschaftliche Eigen­mittel­quote ist
dem Trend nach deutlich rückläufig, liegt
Ende 2013 im Mittel aber bei noch guten
40,9 %.
Die wirtschaftliche Eigenmittelquote sinkt seit 2009 von 44,0 % auf 40,9 %. Diese
Entwicklung geht maßgeblich mit der steigenden Brutto­finanzverschuldung und
dem insgesamt steigenden Anteil der Fremdfinanzierung an den Investitions­
projekten der letzten Jahre einher. Die Bilanzsummen in der Stichprobe wachsen im
Betrachtungszeitraum um knapp 2,5 % pro Jahr, das Eigenmittelwachstum liegt in
der Studie dagegen bei unter 1,0 % pro Jahr.
Dabei sind vor allem hohe Ausschüttungserfordernisse (siehe dazu im Folgenden
D3.2 Ausschüttungsquote) als ursächlich für diese Entwicklung anzusehen. Auch
wird das Niveau der Zuschüsse infolge veränderter Bilanzpraxis im Zeitablauf
abgebaut.
Die bilanzielle Eigenkapitalquote – ohne Sonderposten – sinkt im Zeitablauf
auf zuletzt 33,2 %. Zwar wächst das nominale Eigenkapital mit zuletzt rund
1,5 %, es bleibt aber unter dem Bilanzsummenwachstum. Umgekehrt steigt der
Anteil der Fremdfinan­zierung am Gesamtkapitalbedarf (siehe dazu auch D3.3
Verbindlichkeitenquote).
Abb. 13 Bilanzielle Eigenkapitalquote
45 %
40 %
34,7
34,0
2011
2012
35 %
33,2
30 %
25 %
20 %
mittlere 50 %-Streuung
2013
Median
In Situationen, in denen nachhaltig unzureichende Cashflows gegeben sind und
keine Umkehrung dieses Trends zu erwarten ist, wird die Schließung dieser
Finanzierungs­lücke und die Erschließung von perspektivischem Entschuldungs­
potenzial durch Vereinbarung von zweckmäßigen Thesaurierungsquoten
diskutiert. Der Verzicht auf Ausschüttungen führt dann zu einer Verbesserung der
Eigenkapitalquoten.
26 Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen
Kennzahlenanalyse
3.2 Ausschüttungsquote
Das Ausschüttungsverhalten eines EVU ist ein wichtiger Treiber seiner Innen­
finanzierungs­k raft. Werden Periodenüberschüsse in hohem Umfang an
den Gesellschafter­k reis ausgeschüttet, so schmilzt der Spielraum, die selbst
erwirtschaftete Liquidität im Unternehmen zu reinvestieren.
Die Ausschüttungsquote errechnet sich
aus dem Anteil der erwirtschafteten
Periodenüberschüsse, der an die
Eigentümer ausgeschüttet wird.
Zur Darstellung des Ausschüttungsverhaltens vergleicht die Studie die im Folgejahr
geleisteten Ausschüttungen mit den Periodenüberschüssen des Berichtsjahres vor
Gewinn­verwendung. Je höher dieses Verhältnis ist, desto geringer ist tendenziell
die Innenfinanzierungskraft eines EVU. Angaben zum Ausschüttungsniveau
liegen uns nicht für alle Stichproben-EVU vor, sodass Median und Streuung der
Benchmark aus einem Ausschnitt aus der Gesamtstichprobe abgeleitet wurden.
Abb. 14 Ausschüttungsquote
110 %
100 %
90 %
88,0
96,7
82,1
2009
2010
92,9
92,0
80 %
70 %
60 %
50 %
40 %
30 %
mittlere 50 %-Streuung
2011
2012
2013
Median
Aus den Ausschüttungsquoten im Betrachtungszeitraum geht hervor, dass die
Periodenüberschüsse aus den vorliegenden Jahresabschlüssen weit überwiegend an
die Eigentümer ausgeschüttet wurden. Zuletzt ist die Quote mit 92,0 % bezogen auf
die Jahresergebnisse 2013 dabei sogar noch leicht angewachsen.
Hohe Ausschüttungen prägen das Bild der
letzten Jahre.
Als wesentliche Innenfinanzierungspielräume verbleiben damit insbesondere
die verdienten Abschreibungen, die das ausschüttungsfähige Jahresergebnis
reduzieren, aber nicht abfließen. Vielfach wird diese Liquidität für Reinvestitionen
in das Anlage­vermögen vollständig verwendet, (zwingende) Wachstums­
investitionen müssen demzufolge vollständig fremdfinanziert werden. Aus diesem
Spannungs­feld heraus können die betroffenen EVU ihr Wachstum ausschließlich
mit Hilfe externer Kapitalpartner umsetzen. Auch müssen diese das Regel­tilgungs­
volumen auf fällige Bestandskredite refinanzieren. Dies führt im Ergebnis zu
steigenden Verschuldungskennziffern.
Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen 27
Kennzahlenanalyse
Grundsätzlich sind verschiedene Ausschüttungsmechanismen zu beobachten.
Neben den Fällen, in denen aufgrund eines Ergebnisabführungsvertrags eine
jährliche Ausschüttungsentscheidung nicht erforderlich ist, wird alternativ mit
einem quotalen Anteil am Ergebnis oder einem nominalen Betrag ausgeschüttet.
In den Fällen, in denen die Gesellschafter mit konstanten Ausschüttungen
zur Finanzierung öffentlicher Haushalte planen, ist bei fallweise gesunkenen
Ergebnissen die Ausschüttungsquote zum Teil signifikant gestiegen. Das
Ausschüttungs­volumen passt sich hier nicht proportional der Ertragslage an. Die
Grafik zeigt anhand der Streuungsbreite, dass mindestens 25 % der EVU ihren
Jahresüberschuss in sämtlichen Jahren in voller Höhe an die Gesellschafter
abgeführt haben.
3.3 Verbindlichkeitenquote
Die Verbindlichkeitenquote misst das
Verhältnis der Bruttofinanzverschuldung
zur Gesamtkapitalisierung.
Konzeptionell ähnlich dem Konzept der Eigenmittelquote ist die Verbindlichkeiten­
quote, die in dieser Studienfassung als Verhältnis der Bruttofinanzverschuldung zur
Gesamt­kapitalisierung definiert ist. Sie kann ebenfalls als Kapitalstrukturkennzahl
zur Beurteilung der Finanzstabilität eines EVU herangezogen werden. Im
Unterschied zur Eigenmittelquote ist ihre Basis auf das Finanzierungskapital
beschränkt, d. h. sie bezieht keine Veränderungen in den Verbindlichkeiten
aus Lieferungen und Leistungen, sonstigen Verbindlichkeiten oder sonstigen
Rückstellungen mit ein. Das macht sie zu einem besseren Vergleichsmaßstab für ein
Finanzierungs­benchmarking.
Die Verbindlichkeitenquote findet unter anderem auch in den Bonitätsanalysen
von Ratingagenturen Anwendung. Der in der Studie angesetzte Richtwert ist als
indikativer Referenzpunkt der Finanzierungsmärkte für eine stabile Kapitalstruktur
zu verstehen:
Tab. 7
Kennzahlen-Richtwerte Verbindlichkeitsquote
tendenziell unbedenkliche
Verbindlichkeitenquote
EVU
≤ 55 %
Abb. 15 Verbindlichkeitenquote
55 %
50 %
45 %
41,4
41,5
41,3
2009
2010
2011
42,8
43,2
2012
2013
40 %
35 %
30 %
25 %
mittlere 50 %-Streuung
28 Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen
Median
Kennzahlenanalyse
In der Gesamtstichprobe steigt die Verbindlichkeitenquote im Betrachtungszeitraum
von 41,4 % auf 43,2 % bei relativ konstanter Streuung. Zuletzt erreicht auch
hier knapp ein Viertel der untersuchten EVU zunehmend kritische Kennzahlen­
ausprägungen. Damit werden die Aussagen zum Richtungsverlauf der Eigen­mittel­
quote spiegelbildlich bestätigt. Im Unterschied zum dynamischen Verschuldungs­
grad zeigt sich im Jahr 2013 ein steigender Verschuldungstrend, der ohne
Berücksichtigung der Veränderung liquider Mittel und der Ertragslage durch die
gestiegene Bruttofinanzverschuldung und den Gesamtfinanzierungsmix beeinflusst
wird.
Die Verbindlichkeitenquote steigt in 2013
auf 43,2 % weiter an, liegt aber im Mittel
auf noch stabilen und finanzierbaren
Niveaus.
An der Entwicklung der Verbindlichkeitenquote zeigt sich der gestiegene
Fremd­kapitalanteil an den Finanzierungsprojekten. Zur Finanzierung des
durchschnittlichen Anlagenwachstums von bis zu 2 % p. a. in den letzten drei
Jahren wuchsen die Eigenmittel um weniger als 1 % p. a. Diese Lücke wird durch
wachsende Fremdkapitalanteile am Gesamtfinanzierungsmix geschlossen.
4 Investitionsverhalten
4.1 Anlagenquote
Um die Aussagen zum Investitionsverhalten der EVU und deren Auswirkungen auf
die Kapitalstruktur zu vervollständigen, ist die Entwicklung der Anlagenintensität
in der Stichprobe von Bedeutung. Sie entspricht dem Anteil des bilanzierten Anlage­
vermögens am Gesamtkapital. Der Anlagenquote kommt für sich allein genommen
im Kreditprozess aber keine herausgehobene Bedeutung zu.
Die – branchentypisch hohe – Anlagen­
quote entspricht dem Anteil des
bilanzierten Anlagevermögens am
Gesamt­kapital.
Abb. 16 Anlagenquote
85 %
80 %
76,7
76,4
77,0
2009
2010
2011
78,1
76,3
75 %
70 %
65 %
60 %
mittlere 50 %-Streuung
2012
2013
Median
Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen 29
Kennzahlenanalyse
Der hohe Finanzierungsbedarf
der Branche ist ein Spiegelbild des
Anlagenwachstums und der hohen
Investitionsquote.
Die Versorgungswirtschaft zählt zu den anlagenintensiven Branchen. Wie erwartet
ist der Anteil des Anlagevermögens an den Bilanzsummen mit mehr als 75 % im
Mittel deshalb relativ hoch. Der zuletzt gesunkene Anteil spiegelt das tatsächliche
Investitionsvolumen nur teilweise wider, da das Bilanzsummenwachstum 2013
auch durch das Wachstum des Bruttoumlaufvermögens beeinflusst wird und die
Anlagenquote deshalb sinkt. Nominal ist das Anlagevolumen hingegen auch im Jahr
2013 gestiegen, um rund 1,5 %.
Abb. 17 Anlagenwachstum
2013
1,5 %
2012
1,9 %
2011
2,0 %
2010
2009
1,3 %
0,0 %
Hinter den auf den ersten Blick moderaten Wachstumsraten stehen signifikante
Investitionsvolumina: In 2013 liegt der Anstieg der Nettoanlagenbuchwerte in
der Stichprobe kumuliert bei rund 1,4 Mrd. Euro. Auf den gleichen Zeitraum
entfällt ein Abschreibungsvolumen in Höhe von rund 4,6 Mrd. Euro. Damit
liegt das rechnerische Brutto­investitions­volumen bei rund 6,0 Mrd. Euro und
die durchschnittliche Investitionsquote, gemessen am Umsatz der Stichprobe,
bei knapp 7 % pro Jahr. Zum Vergleich: Nach den Angaben des statistischen
Bundesamtes lag die Investitionsquote im verarbeitenden Gewerbe deutschlandweit
2013 bei 3,2 %.
4.2 Investitionen und Finanzierungsmix
Aus der Analyse der Gesamt­stichprobe
geht hervor, dass die EVU-Branche
tendenziell zulasten ihrer Kapitalstruktur
und ihrer Bonität wächst.
Um den Zusammenhang zwischen dem Investitionsverhalten der EVU und dem
Fremdfinanzierungsbedarf und deren Bedeutung für die Bonitätsentwicklung der
Branche im Zeitablauf zu illustrieren, zeigt die folgende Abbildung abschließend
die Entwicklung der Wachstumsraten des Anlagevermögens und der Bank­
verbindlichkeiten­quote in den Jahren 2011 bis 2013.
EVU mit wachsenden Anlagenbuchwerten liegen in der rechten Hälfte, EVU mit
sinkenden Anlagenbuchwerten in der linken Hälfte der Grafik. EVU mit sinkendem
Fremdfinanzierungsanteil am Gesamtkapital liegen in der unteren, EVU mit
steigendem Fremdfinanzierungsanteil am Gesamtkapital liegen in der oberen
Hälfte der Grafik.
30 Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen
Kennzahlenanalyse
Abb. 18Wachstum des Nettoanlagevermögens und der Bankverbindlichkeiten am Gesamtfinanzierungsmix
in den Jahren 2011–2013
30
Veränderung Bank­verbindlich­
keiten­quote 2011–2013
Abnehmende
Verschuldung
zunehmende
Verschuldung
in %
9 %
IV
28 %
III
20
I
44 %
II
19 %
10
0
–10
–20
–30
–30
–25
–20
–15
–10
–5
0
5
10
Veränderung Anlagevermögen 2011–2013
abnehmendes Anlagenwachstum
15
20
25
30
zunehmendes Anlagenwachstum
Anhand der Punktewolke lassen sich folgende wesentliche Erkenntnisse ableiten:
•Das Anlagenwachstum wurde mehrheitlich mit steigenden Fremd­
kapitalanteilen finanziert (44 % zu 19 %), was sich in der Zunahme der
Bankverbindlichkeitenquote ausdrückt (Quadrant I, oben rechts). Dieses
Wachstum geht damit aber tendenziell zulasten der Bonität.
•Eine Verbesserung der Kapitalstruktur wurde mehrheitlich durch einen Rückgang
der Nettoanlagenbuchwerte, d. h. durch Anlagenverkauf und/oder niedrige
Reinvestitionen, realisiert (28 % zu 19 %, Quadrant III, unten links).
•Dieses Spannungsverhältnis aus Wachstum und stabilen Kapital­
struktur­verhältnissen gilt es mit einer angemessenen und nachhaltigen
Finanzierungsstrategie zu lösen. Ein stabiler Wachstumspfad liegt dabei
tendenziell in der rechten Hälfte der Abbildung bei weitgehend konstanter
Bankverbindlichkeitenquote, also nahe der x-Achse.
Ursächlich für diese Entwicklung ist vielfach die in Kapitel D2.3 abgeleitete
Finanzierungs­lücke nach Investitionen und Ausschüttungen, die die EVU zu
einer Finanzierung der Unterdeckung mit neuem Fremdkapital zwingt. Dabei
wird vielfach dem Ansatz gefolgt, das neue Finanzierungsvorhaben nach
gängiger Praxis in einer auf die Investitionen abgestellten Finanzierungsstruktur
darzustellen. Nach dem alternativen Strukturierungsansatz geht es darum,
ausgehend von dem identifizierten Finanzierungsbedarf ein das Gesamt-EVU
umfassendes Finanzierungs­konzept abzuleiten, das Finanzierungsstrukturen,
Finanzierungsmix und Liquiditätseffekte so kombiniert, dass es zu einer möglichst
geringen Belastung der Kapitalstruktur des EVU kommt und ein fortgesetztes
Wachstum auf Kosten der Bonität möglichst vermieden wird. Im Ergebnis führt dies
vielfach zu mehr unternehmerischen Gestaltungsspielräumen und einer höheren
Finanzierungsbereitschaft der Banken.
Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen 31
Tabellarische Zusammenfassung wesentlicher Kennzahlen
ETabellarische Zusammenfassung
wesentlicher Kennzahlen
Abb. 19 Tabellarische Kennzahlenzusammenfassung
Ausprägung (Median)
Kennzahl
Finanzierungs­richtwert
2011
2012
2013
dynamischer Verschuldungsgrad
3,0–4,0
2,0
2,3
2,2
EBITDA-Zinsdeckungsgrad
3,5–5,0
8,0
8,1
8,3
Eigenmittelquote
20–30 %
42,6 %
42,0 %
40,9 %
Eigenkapitalquote
20–30 %
34,7 %
34,0 %
33,2 %
–
92,9 %
88,0 %
92,0 %
55 %
41,3 %
42,8 %
43,2 %
–
77,0 %
78,1 %
76,3 %
einfacher Cashflow zur Verschuldung
15 %
30,8 %
27,9 %
27,8 %
Residual-Cashflow zur Verschuldung
10 %
19,5 %
18,3 %
17,8 %
0 %
–3,5 %
–2,9 %
–2,0 %
–
14,0 %
12,8 %
13,0 %
Ausschüttungsquote
Verbindlichkeitenquote
Anlagenquote
freier Cashflow zur Verschuldung
EBITDA-Rentabilität
32 Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen
Fazit: Finanzierungsstrategien für EVU
FFazit: Finanzierungsstrategien für EVU
Diese umfangreiche Analyse empirischer Daten zeigt, dass sich auf der einen
Seite einige Indikatoren für die Finanzierungs­fähigkeit von EVU wie dynamischer
Verschuldungs­grad und Zinsdeckungsgrad in 2013 bei deutlicher Spreizung
der Kennzahlenwerte gegenüber dem Vorjahr leicht verbessert haben und
sich die Ertragslage tendenziell stabilisiert hat. Andererseits weisen etwa die
gestiegenen Verbindlichkeitenquoten, die gesunkenen Eigen­mittel­quoten und
auch die gezeigten Liquiditätsanalysen auf Cashflow-Basis in die entgegengesetzte
Richtung. Insgesamt ist festzustellen, dass sich die Finanzierungs­fähigkeit von
Energie- und Versorgungsunternehmen in 2013 weiter verschlechtert hat. Aus
finanzwirtschaftlicher Sicht weist jedes vierte Unternehmen zum Teil bereits
kritische Kennzahlenausprägungen auf.
Während nicht mehr alle EVU die angestrebten Kennzahlenausprägungen durch­
gängig erreichen, sind die Anforderungen der Kapitalgeber an die Finanzierung
dieser Unternehmen gestiegen. Treiber dafür sind verschärfte regulatorische
Auflagen für Kreditinstitute (Basel III), die selektivere Geschäftsfokussierung
der Kreditinstitute und schließlich die aufgezeigten erhöhten Kreditrisiken in der
Branche der EVU selbst.
Anforderungen der Kapitalgeber
gestiegen.
Die Optimierung der Erlös- und Kostenstruktur bildet die Basis, um die Betriebs­
ergebnisse weiter zu stabilisieren. Dabei gilt es, die aktuellen Geschäftsfelder,
Produkte, Prozesse und Organisations­strukturen zu hinterfragen. Auch werden
mögliche neue, kundenorientierte Geschäftsfelder, wie zum Beispiel in den
Bereichen erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Digitalisierung, jeweils
hinsichtlich ihrer Ergebnis-, Liquiditäts-, und Bilanzstruktureffekte zu analysieren
sein.
Eng verknüpft mit der strategischen Ausrichtung des jeweiligen Geschäftsmodells
ist die strategische Planung der notwendigen Finanzierung. Dabei sind EVU
zunehmend gefordert, ihre Finanzierungspraxis von der Finanzierung einzelner
Vorhaben hin zu einer gezielten Steuerung ihrer gesamten Passivseite weiter­zu­
entwickeln. Angestrebt wird somit ein das gesamte Unternehmen bzw. den Konzern
umfassendes Finanzierungskonzept. Dies geht einher mit der Verbreiterung der
Finanzierungs­basis. Über den häufig dominierenden Kredit der Hausbanken
hinaus können beispielsweise weitere Instrumente wie Schuldscheindarlehen,
Forderungs­finanzierungen, Kapitalmarktinstrumente und unter Umständen auch
Nachranginstrumente zum Einsatz kommen.
Von der Finanzierung einzelner
Vorhaben hin zur gezielten Steuerung der
Passivseite.
Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen 33
Fazit: Finanzierungsstrategien für EVU
Strukturierte Finanzierungen und
zweck­mäßige Finanzplanung sind
wichtige Bestandteile für nachhaltiges
Wirtschaften bei begrenzter Verfügbarkeit
von Finanzmitteln.
Die selbständige Strukturierung von Finanzierungen und damit die Auswahl
optimal geeigneter Finanzierungsinstrumente und –strukturen sind wichtige
Faktoren für nachhaltiges Wirtschaften bei begrenzter Verfügbarkeit von Finanz­
mitteln. Diese können auf zuvor definierte Ziele im Hinblick auf (Ziel-)Rating,
Finanzierungs­kosten und Finanzierungs- bzw. Zinsänderungsrisiken basieren. Mit
einer mehr­jährigen integrierten Unternehmensplanung wird es auch möglich, die
Effekte auf die in dieser Studie analysierten Kennzahlen zu planen, Zielsetzungen
hierfür abzuleiten und diese fortlaufend für interne und externe Adressaten
transparent zu machen und zu überwachen. Der Nutzen und die Belastbarkeit der
Finanzierungs­strukturen vor allem in ihrem Zusammenspiel – lassen sich durch
Stress­szenarien sorgfältig überprüfen. Diese bilden eine objektive Grundlage zur
Beurteilung der Machbarkeit anstehender Investitionen. Werden Stressszenarien
mit den entscheidenden Kennzahlen für die nachhaltige Verschuldungsfähigkeit
verknüpft, entsteht zudem eine objektive Basis für die Entscheidung der EVU und
der Gesellschafter über die angemessene Höhe der Ausschüttungen.
Mit diesem Vorgehen sind die Voraussetzungen geschaffen, mit Hilfe einer
professionellen, adressatengerechten Ansprache erforderliche Finanzierungen
kosten- und nutzenorientiert einzuwerben.
34 Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen
Ihre Ansprechpartner
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Bernd Papenstein
Gesamtverantwortung
Tel.: +49 211 981-2610
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Redaktion
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Ideen umsetzen und suchen Rat. Sie erwarten, dass wir sie ganzheitlich betreuen
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setzen wir für jeden Mandanten, ob Global Player, Familienunternehmen oder
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expertise mit einem tiefen Verständnis des Geschäftsmodells der Versorgungs­
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Finanzwirtschaftliche Herausforderungen der Energie- und Versorgungsunternehmen 35
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