altruistisches Verhalten = Verhalten, das dadurch motiviert ist, dem

Herkner / Kapitel 6 / Teil 1D
397
Altruismus:
3.3
„ Definitionen:
•
altruistisches Verhalten = Verhalten, das dadurch motiviert ist,
dem Interaktionspartner nützen
zu wollen
•
Hilfeleistung = Verhalten, das darauf abzielt, andere Person aus
aversiver Situation zu befreien
Einteilung der altruistischen Handlungen nach Deutsch (1973):
altruistische Handlung:
Spezialfälle:
kooperative Handlung:
Verzicht:
egalitäre Einstellung:
Auswirkung des eigenen Verhaltens soll
für Partner möglichst positiv sein
Auswirkung des eigenen Verhaltens soll
für beide möglichst positiv sein
Partner soll bessere Ergebnisse erzielen
als man selber; eigener Nutzen wird
zugunsten des Partners gering
gehalten
Partner soll zumindest nicht
schlechter abschneiden als man
selber
„ altruistisches Verhalten und Verstärkung:
•
Häufigkeit von altruistischem und kooperativem Verhalten kann
durch Verstärkung angehoben werden, ABER: gilt wahrscheinlich
nur für gezielte Belohnung
Î
wenn kooperatives und aggressives Verhalten
gleichermaßen belohnt wird, dann eher Zunahme der
Aggressivität als Zunahme der Kooperationsbereitschaft
•
Kooperatives Verhalten tritt häufig auf, wenn großer Anreiz
(Erwartung einer hohen Belohnung) vorhanden ist oder wenn
massive Bedrohung für Nicht-Kooperation zu erwarten ist
•
oft genügen subtile, nicht-materielle Verstärker, um
kooperatives Verhalten aufzubauen
EXPERIMENT dazu von Weiss, et al. (1971):
VPn beobachten Reizperson bei einer Aufgabe -> wenn
Leistung der Reizperson mangelhaft ist, erhält sie vom
VL einen elektrischen Schlag. VP kann das durch
Knopfdruck abstellen
- VB1: Reizperson reagiert auf Abstellen der
Stromschläge mit Seufzer der Erleichterung
Herkner / Kapitel 6 / Teil 1D
-
398
VB2: Reizperson zeigt keine solche Reaktion
Ergebnis:
Anzahl der Hilfeleistung nahm in VB1 zu;
Grund:
Seufzer der Erleichterung des Opfers wirkt
als Verstärker (= sekundärer Verstärker;
seine Wirksamkeit setzt bestimmte
Sozialisierungsprozesse voraus)
„ Einstellung zu altruistischem Verhalten ist von Bedeutung:
Î
je positiver Person kooperatives Verhalten beurteilt, desto
häufiger handelt sie kooperativ (vgl. Experimente zum
Prisoners’ Dilemma)
Î
positive Einstellung zu altruistischem Verhalten bietet
Möglichkeit zu wirksamer Selbstverstärkung (-> nach
Durchführung von altruistischem Verhalten empfindet man Stolz,
kann sich Selbstlob spenden)
EXPERIMENTE dazu zeigen, dass z.B. Blutspenden davon abhängig ist, ob
Person eine positive Einstellung zum Blutspenden hat
„ wichtiger Faktor ist auch Lernen durch Beobachtung:
EXPERIMENT von Gruzec (1972):
Kinder waren eher bereit, ½ bei Spiel gewonnener
Glaskugeln armen Kindern zu schenken, wenn sie eine
Modellperson beobachtet hatten, die entsprechendes
Verhalten zeigte
wichtig dabei: mehr altruistisches Verhalten bei den Beobachtern
wenn
Modellperson Verhalten auch tatsächlich
ausführt (nicht bloß darüber redet)
Modellperson bei den Beobachtern beliebt ist
„ altruistisches Verhalten ist situationsabhängig:
Î
größere Hilfsbereitschaft bei abhängigem Partner:
häufiger altruistisches Verhalten, wenn es bedeutsame
Konsequenzen für Partner hat (z.B. VPn arbeiteten mehr, wenn sie
dadurch einem „Aufseher“ zu besseren Bewertungen verhelfen
konnten)
Î
Reziprozität des altruistischen Verhaltens:
man hilft eher einem Menschen, der einem selber schon geholfen
hat, als einem, der einem früher Hilfe verweigert hat
Herkner / Kapitel 6 / Teil 1D
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Erklärungen dafür:
o bei abhängiger und hilfsbereiter Reizperson werden einem
soziale Normen bewusst, darum handelt man dann denen
entsprechend (experimentelle Bestätigung aber nicht
gelungen…)
o abhängiger und hilfsbereiter Interaktionspartner =
diskriminative Reize für altruistisches Verhalten (d.h. solchen
Personen gegenüber wurde altruistisches Verhalten in der
Vergangenheit oft verstärkt; altruistisches Verhalten gegenüber
mächtigen, unabhängigen, egoistischen Personen wurde
dagegen selten verstärkt)
„ Hindernisse für altruistisches Verhalten:
•
aversive Konsequenzen oder Begleitumstände
•
nach unangenehmem Erlebnis (z.B. Misserfolg) geringere
Hilfsbereitschaft als nach angenehmem Erlebnis (z.B. Erfolg)
EXPERIMENT von Staub (1971): [passt ned wirklich, find ich…]
VPn füllten Fragebogen aus
VB1: Gebotsbedingung: VPn sollten ausgefüllten
Fragebogen im Nebenzimmer abgeben; wenn
sie wollten, konnten sie Ausfüllen unterbrechen
und sich ins Nebenzimmer erholen gehen
VB2: Verbotsbedingung: VPn durften das
Nebenzimmer nicht betreten
VB3: keine Info über Nebenzimmer
Dann Hilfeschreie aus Nebenzimmer…
Ergebnis:
•
In Verbotsbedingung weniger
Hilfeleistung als in Gebotsbedingung
Experimente „nicht-reagierende Zuschauer in Notsituationen“
von Darley & Latané (1968): (zu Spezialfall von sozialen Fallen
„Freiwilligen-Dilemma“)
⇒ Wahrscheinlichkeit von Hilfeleistungen nimmt ab mit der
Anzahl der anwesenden Zuschauer
Herkner / Kapitel 6 / Teil 1D
400
Erklärungen dafür:
¾ Hypothese von der „Aufteilung der Verantwortung“ (Darley
& Latané, 1971) (diffusion of responsibility)
⇒ jeder schiebt Verantwortung auf die anderen und wartet,
dass die helfen; Grund: altruistisches Verhalten ist oft mit
hohen Kosten verbunden (d.h. Anstrengung, Zeitaufwand,
usw.)
¾ Passivität der anderen Beobachter verleitet Person zum
falschen Schluss, sie habe die Situation falsch wahrgenommen
und das Opfer braucht eh keine Hilfe
„ Bedeutung der Empathie für altruistisches Verhalten (Coke,
Bateson & McDavis, 1978):
Î altruistisches Verhalten wird durch Empathie (= Einfühlung, Mitleid)
gefördert
Î Empathie = Prozess aus 2 Komponenten:
-
kognitive Komponente:
Beobachter versetzt sich in Lage des
Opfers
emotionale Komponente: durch Versetzen in die Lage des
Opfers entsteht emotionale
Anteilnahme; Folge: Erhöhung der
Motivation zu Hilfeleistung
EXPERIMENT dazu:
-
VPn hörten Tonbandinterview mit weinender Studentin, die
ihre Sorgen und Nöte als Alleinverantwortliche für ihre kleinen
Geschwister nach Unfalltod der Eltern schilderte
- VB1: emotionale Empathiekomponente: VPn sollten sich die
Situation der Studentin vorstellen
- VB2: kognitive Empathiekomponente: VPn sollten auf
Technik achten, die Interview spannend machte
Vor Interview erhielten VPn ein Placebo
- ½ VPn: Pille hat entspannende Wirkung
- ½ VPn: Pille hat aktivierende Wirkung -> dadurch
Möglichkeit zur Fehlattribuierung (d.h. VP hält
Erregnung beim Anhören des Interviews für
Pillenwirkung und nicht für Mitleid mit Studentin)
Nach Interview Frage, ob und wie VPn die Studentin
unterstützen wollen
Ergebnis:
höchste Hilfsbereitschaft bei Vorstellung der
Lage der Reizperson UND keine Möglichkeit
zur Fehlattribuierung (2/3 der VPn waren zur
Hilfe bereit gegenüber 1/3 aus den anderen
Bedingungen)
Herkner / Kapitel 6 / Teil 1D
3.4
401
Theorien altruistischen Verhaltens:
„ Aktivierung-Kosten-Nutzen-Modell von Piliavin et al. (1968):
Hilfe-Verhalten umfasst 2 Prozesse:
(1) Wahrnehmung einer Notsituation -> unangenehme Erhöhung der
Aktivierung, die man wieder reduzieren möchte (= Motivationsfaktor; vgl. Dissonanztheorie, Reaktanztheorie)
(2) Kosten-Nutzen-Überlegungen, um günstigste Möglichkeit zur
Aktivierungsreduktion festzustellen (= kognitiver Faktor)
Jetzt folgende Möglichkeiten:
(1) Helfen:
man nimmt eine meist unangenehme Tätigkeit in Kauf, wird
dafür aber belohnt:
von anderen mit Lob, Anerkennung
von sich selbst mit Selbstwerterhöhung
(2) Nicht-Helfen:
man erspart sich eine unangenehme / anstrengende
Tätigkeit, aber man wird dafür bestraft:
von anderen mit Tadel, Verachtung
von sich selbst mit Schuldgefühlen
(3) Kompromiss:
man hilft nicht selber, sondern holt Hilfe bzw. veranlasst
andere Menschen zur Hilfeleistung
Modell wurde in vielen Experimenten bestätigt, dabei:
-
-
-
Korrelation zwischen Ausmaß der Aktivierung (z.B. Pulsfrequenz)
und Latenzzeit der Hilfeleistung: je größer die Erregung, umso
schneller wird geholfen
Fehlattribution der Aktivierung (z.B. Attribuierung auf ein
Medikament) -> Häufigkeit der Hilfeleistung sinkt
bei Vorhandensein von Resterregung (z.B. durch vorhergehende
körperliche Anstrengung, Sehen eines aufregenden Films, etc.)
-> Ansteigen der Hilfsbereitschaft (auch wenn Film davor
aggressiven Inhalt hatte!)
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402
Ausmaß der Erregung, die durch Notsituation hervorgerufen
wird, hängt ab von:
Ernsthaftigkeit des Notfalles
je höher, desto
Eindeutigkeit der Notsituation
größer die
Ähnlichkeit zwischen Opfer und Beobachter
Aktivierung
Wichtigkeit des Opferns für den Beobachter
Dauer der Beobachtung der Notsituation
Was man unternimmt, hängt ab von Kosten-NutzenErwägungen:
mögliche Kosten des Helfens
¾ Anstrengung,
¾ Zeit,
¾ Geld,
¾ Gefahr,
¾ Ekel,
¾ Gefühle von Unfähigkeit,
¾ Hilflosigkeit
mögliche Kosten des Nicht-Helfens
¾ Bestrafung durch andere,
¾ Selbstbestrafung
(Schuldgefühle),
¾ Mitleiden mit Opfer aufgrund von
Empathie
Kosten des Nicht-Helfens sind sehr gering, wenn:
Situation nicht eindeutig ist
es kein schwerer Notfall ist
viele andere Zuschauer anwesend sind (Verantwortungsaufteilung!)
Opfer seine Notlage selbst verschuldet hat
Opfer negativ bewertet wird
weitere Ergebnisse von Untersuchungen:
Î
direkte Hilfe ist am wahrscheinlichsten, wenn Kosten für
Helfen niedrig, Kosten für Nicht-Helfen aber hoch sind
Î
Sind sowohl Kosten für Helfen als auch Kosten für NichtHelfen hoch, dann Neuinterpretation der Situation
(Verharmlosung)
Î
Kosten für Nicht-Helfen sinken durch Verantwortungsaufteilung und Abwertung des Opfers, dadurch wird Leugnen
oder Verlassen der Situation erleichtert
Î
Wenn Neuinterpretation der Situation nicht möglich, weil
eindeutige Notsituation vorliegt oder weil man der einzige
Beobachter ist, dann ist indirekte Hilfe am
wahrscheinlichsten; Voraussetzung dafür ist, dass
indirekte Hilfsmöglichkeiten in Wahrnehmung auffällig (z.B.
Telefonzelle neben brennendem Haus) oder
im Gedächtnis zugänglich sind
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403
„ Altruismus-Theorie von Bates (1987):
Für altruistisches Verhalten gibt es 3 Wege und 4 Motive:
•
Weg 1:
-
•
Motiv 1a:
Motiv 1b:
Weg 2:
-
•
belohnungssuchende und strafvermeidende egoistische
Motivation
aktivierungs-reduzierende egoistische Motivation:
Motiv 2:
Weg 3:
-
Erlangung einer Belohnung
Vermeidung einer Bestrafung
Reduktion von Aktivierung
empathie-bedingte altruistische Motivation:
Motiv 3:
Wunsch, dem Opfer zu helfen
Vergleich mit dem Modell von Piliavin:
gemeinsam = Hypothese, dass eine Motivation vorhanden sein muss,
die Tendenz zu helfendem Verhalten auslöst; ob tatsächlich geholfen
wird, entscheiden kognitive Prozesse
ABER:
Bates-Theorie geht über Piliavin-Modell in 2 Punkten
hinaus, und zwar:
Ö
Möglichkeit von Hilfe-Verhalten ohne Aktivierung
(„kalter Altruismus“), d.i. Motiv 1a und Motiv 1b
Ö
Unterscheidung von egoistischem und nichtegoistischem Altruismus
Weg 3 = Empathie-Altruismus-Hypothese:
altruistische Handlung ist Selbstzweck (bei
den beiden anderen Wegen dagegen Mittel zum
Zweck)
Viele Untersuchungen von Bates zum echten Altruismus, hier
nachgewiesen:
a) Wahrnehmung eines leidenden Opfers löst bei mitfühlender
Beobachtung andere Gefühle aus als bei Beobachtung ohne
Empathie
b) deutliche Unterschiede zwischen empathie-bedingten
altruistischen Handlungen und egoistisch motivierten
altruistischen Handlungen
Herkner / Kapitel 6 / Teil 1D
ad a)
404
unterschiedliche Gefühle bei Beobachtung mit / ohne
Empathie:
VPn beobachteten Notsituation und schätzten dabei ihre
Gefühle ein, dann Faktorenanalyse
Î 2 Dimensionen von Gefühlen:
•
Gefühle, die persönliches Unbehagen ausdrücken
(distress), z.B. aufgeregt, alarmiert, verwirrt, verstört
= Gefühle der unangenehmen Aktivierung (Weg 2)
•
Gefühle wie bewegt, besorgt, mitfühlend, mitleidvoll
= Empathiegefühle (Weg 3)
Deutliche interindividuelle Unterschiede in Stärke dieser 2
Gefühlsklassen, d.h.
Personen, bei denen Empathiegefühle stärker sind,
haben Disposition zur Empathie,
Personen, bei denen Gefühle der unangenehmen
Aktivierung stärker sind, orientieren sich eher am
eigenen Wohlergehen
ad b)
Unterschiede zwischen egoistisch-motivierten und
empathie-bedingten altruistischen Handlungen:
Î
bei egoistisch-motivierten altruistischen
Handlungen geht es vor allem darum, die unangenehme
Aufregung möglichst schnell loszuwerden -> einfachste
Möglichkeit dazu = Flucht
Î
bei empathie-bedingten altruistischen Handlungen
geht es vor allem darum, dem Opfer zu helfen -> Flucht
würde hier die Lage des Beobachters
verschlimmern, weil zur mitgefühlten Not des Opfers
auch noch Schuldgefühle dazukämen
daher:
-
-
ABER:
bei Personen im Zustand von Empathie ist
Häufigkeit von Hilfeleistung immer hoch, egal ob
Fluchtmöglichkeit besteht oder nicht,
bei egoistisch-motivierten Personen ist Häufigkeit
von Hilfeleistung umso geringer, je leichter eine
Flucht aus der Notsituation für sie ist
(= Altruismus-Hypothese von Bates; von Bates
experimentell mehrfach bestätigt)
Egoismus-Hypothese von Cialdini (1987)
(siehe nächste Seite!)
Herkner / Kapitel 6 / Teil 1D
405
Altruismus-Hypothese von Bates
vs. Egoismus-Hypothese von Cialdini:
Cialdini:
bei mitfühlender Beobachtung eines Opfers entstehen
negative Gefühle (z.B. Trauer, Sorge) und man hilft NUR,
weil man diese Gefühle loswerden will
dazu mehrere Experimente, z.B. folgendes:
EXPERIMENT von Cialdini, et al. (1987):
Annahme: Erwartung eines lustigen Films lässt in
nachfolgender Notsituation auf
Stimmungsverbesserung hoffen, daher ist es nicht
nötig zu helfen, um die negativen Gefühle, die bei
Beobachtung der Notsituation entstehen,
loszuwerden.
- ½ VPn bekamen lustigen Film angekündigt
- ½ VPn bekamen traurigen Film angekündigt
Ergebnisse bestätigten die Annahme
Fazit:
3.5
derzeit ist es nicht entscheidbar, wer recht hat, Bates mit
seiner Altruismus-Hypothese oder Cialdini mit seiner
Egoismus-Hypothese, aber Einiges spricht dafür, dass
Cialdini recht haben könnte…
Reaktion von Hilfeempfängern:
Empfang einer Hilfeleistung wird keineswegs immer positiv erlebt, sondern
empfangene Hilfeleistung wird vor allem dann negativ erlebt, wenn
sie an negative Selbstaspekte erinnert (z.B. Unfähigkeit, Hilflosigkeit)
-> Entstehung von negativen Gefühlen
„ Modell zu Erklärung und Vorhersage des Verhaltens von
Hilfeempfängern von Fisher & Nadler (1982):
Welche Reaktionen der Erhalt von Hilfe beim Hilfeempfänger
auslöst, hängt ab von:
Merkmalen des Helfers
Merkmalen des Hilfeverhaltens
Merkmalen des Hilfeempfängers
Reaktionen des Hilfeempfängers können eingeteilt werden in:
o Fremdwahrnehmungen (z.B. Sympathie für den Helfer)
o Selbstwahrnehmungen (z.B. Selbstwert, Gefühle)
o Verhaltensweisen (z.B. Reziprozität [= Erwiderung von Hilfe],
Ablehnung der Hilfe, Selbsthilfe)
Herkner / Kapitel 6 / Teil 1D
406
Ob vorwiegend positive oder negative Reaktionen auftreten, hängt
ab vom Ausmaß, in dem Hilfesituation den Selbstwert des
Hilfeempfängers bedroht. Jede Hilfe wird als positiv empfunden, die
den Selbstwert des Empfängers unterstützt und nicht bedroht
Ö größerer Geldbetrag als Belohnung für gute Leistung = selbstwertfördernd (da Hinweis auf Fähigkeit des Empfängers)
Ö größeres Geldgeschenk löst eher gemischte Gefühle aus:
man fühlt sich zu Gegenleistung verpflichtet
Hinweis auf Unfähigkeit des Empfängers, selber soviel Geld
zu verdienen -> selbstwertbedrohend!
Ö besonders unangenehm ist Hilfeleistung, die
vom Helfer abhängig macht
an bestimmte Bedingungen / Forderungen geknüpft ist
BEISPIEL:
ABER:
Helfer gibt Geldspende, schreibt dem Empfänger aber
vor, was wozu er das Geld verwenden darf -> negative
Gefühle beim Empfänger, weil er Kontrolle verliert
selbstwertbedrohene Hilfe kann auch einen Vorteil
haben, und zwar: Motivation des Empfängers zur
Wiedererlangung der Kontrolle, d.h. zur Selbsthilfe;
funktioniert aber nur, wenn Empfänger hohe Effizienzund Erfolgserwartungen hat
„ Großer Teil der empirischen Ergebnisse kann mit Selbstwerterhaltungstheorie von Tesser erklärt werden, z.B.:
Î Hilfe von Freund ist unangenehmer als Hilfe von Fremden;
Grund:
psychologische Nähe kann Hilfe bedrohlich erscheinen
lassen, vor allem dann, wenn Hilfeleistung auf einem
selbstrelevanten Gebiet erfolgt -> Freund erscheint
in dieser für den Empfänger wichtiger Dimension
leistungsfähiger als er selber,
Folge: selbstwertmindernder Vergleichsprozess
„ Unterschiede zwischen Personen mit hohem und Personen mit
niedrigem Selbstwert:
Î Person mit hohem Selbstwert:
empfinden Hilfeleistungen oft als bedrohlich
-> suchen weniger Hilfe, lehnen Hilfsangebote öfter ab
Î Personen mit niedrigem Selbstwert:
empfinden Hilfestellung meist als angenehm
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„ Auch Geschenke können den Selbstwert bedrohen;
Grund: lösen ein Gefühl der Verpflichtung aus
EXPERIMENT dazu von Gergen (1975):
VPn hatten experimentell herbeigeführte Spielschulden
½ VPn erhielt von anderer VP (= Mitarbeiter des VL)
Geldgeschenk zum Weiterspielen
½ VPn erhielt Geld nur geborgt
Ergebnis:
borgender Helfer wurde positiver beurteilt als
schenkender Helfer (gleiches Ergebnis übrigens in den
USA, Schweden und Japan -> in Japan war dieser Effekt am
stärksten)