„Ich habe Rücken“

INTERVIEW
Charilaos Christopoulos, Chefarzt für Wirbelsäulenchirurgie im Orthoparc in Köln, erklärt anhand eines Modells die Funktion der Lendenwirbel
„Ich habe Rücken“
Eine Fragerunde zum Thema
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Golfmedico 3/2015
DR. CHARILAOS CHRISTOPOULOS
D
© Orthoparc Archiv
er gesunde Rücken ist nicht für jeden Golfer eine Selbstverständlichkeit. Rückenschmerzen
sind ein Volksleiden, und sie melden sich auf der Runde mehrmals im Jahr. „Meist stecken
einseitige oder schwere körperliche Belastungen dahinter“, sagt der 43-jährige Dr. Charilaos
Christopoulos, Chefarzt für Wirbelsäulenchirurgie im Orthoparc in Köln. Der Deutsch-Grieche, geboren und aufgewachsen in Athen, kam mit 18 Jahren nach Berlin. Der 1,90 Meter große Neurochirurg
zählt mit über 15 Jahren Berufspraxis und mehreren Tausend erfolgreich durchgeführten Operationen zum Kreis der international anerkannten Experten. Wir fragten ihn: Können psychische Überforderungen und Stress Gründe für Rückenbeschwerden sein? Verstärkt zu wenig Bewegung das Problem? Haben Sie Tipps für Golfer, wie ihr Rücken gesund wird und bleibt?
Golfmedico: Herr Dr. Christopoulos, es gibt
Golfer, die relativ sportlich sind und auch
viel für ihren Rücken tun. Dennoch haben
sie Schmerzen. Was machen sie falsch?
Dr. Charilaos Christopoulos: Golf ist grundsätzlich eine Belastung der Facettengelenke. (Anm. d. Red.: Die Facettengelenke der
Wirbelsäule steuern ihre Beweglichkeit.)
Die plötzliche Drehbewegung ist unphysiologisch, denn die Facettengelenke werden beim vollen Schwung unvermittelt
von null auf hundert starken Kräften ausgesetzt. Man muss stabile Muskeln und
Bänder haben, damit diese plötzliche Bewegung gut aufgefangen werden kann und
keine Schmerzen auftreten.
Man hört oft, dass es hilft, sich immer
wieder zu bewegen und auch mal zu
lächeln, um Entspannung in den Körper
zu bringen. Was halten Sie von sanftem
Training wie Yoga und Pilates?
Das ist sicherlich nicht schlecht, aber noch
wichtiger für das innere Wohlbefi nden,
weniger für die Muskulatur. Wenn man
es ausschließlich als Rücken-Training
sieht, reichen eine Matte aus und jeden
Tag 15 bis 20 Minuten Übungen. Für diese
Bauch- und Rückenübungen braucht man
natürlich keine Geräte.
Der Smartphone-Nacken plagt neuerdings viele Menschen, weil sie ständig
aufs Handy herunterschauen. Ist das
Unsinn oder passiert das tatsächlich?
(Lacht) Prinzipiell kann das schon den Rücken belasten. Auch ich habe einen Beruf,
wo ich bei Operationen schief stehe. Deshalb ist es wichtig, in der Freizeit körperliche Ausgleichssportarten wie Radfahren
und Schwimmen zu betreiben – auch um
den Kreislauf in Schwung zu halten.
Wie kann man die Rückenmuskulatur
stärken?
Indem man gymnastische Übungen macht,
bei denen der Rückenstrecker gestärkt
wird. Fast genauso wichtig ist das Trainieren der geraden und schrägen Bauchmuskeln. So entsteht ein Muskelkorsett, was die
Wirbelsäule im Alltag unterstützt.
Die Wirbelsäule wird von 23 Bandscheiben gepuffert. Anatomisch gesehen ist
sie geradezu genial mit ihrem eigenen
Stoßdämpfersystem, den Bandscheiben.
Doch wenn Muskeln und Bänder zu
schwach sind, kann es zum Bandscheibenvorfall kommen. Welches ist dann die
richtige Therapie?
(Dr. Christopoulos steht auf und holt eine
Folie vom Regal, auf der eine Röntgenaufnahme mit zwei Wirbeln und einer Bandscheibe zu sehen ist.) Das Ganze zeigt eine
Diskografie, also eine Kontrastmitteldarstellung der Bandscheibe. Das rechte Bild
entstand im Liegen, das linke, nachdem
der Patient aufgestanden und ein wenig
gelaufen ist. Beachten Sie, wie die Grundplatte des unteren Wirbels das Gewicht
aufnimmt. Die Hauptstoßdämpfer der
(gesunden) Wirbelsäule sind also die Wirbelkörper und nicht, wie gern behauptet
wird, die Bandscheiben.
Viele Patienten fürchten die Operation.
Wie sehen Sie das?
Mehr als 90 Prozent der Patienten, die einen Bandscheibenvorfall haben, müssen
Auch ich habe einen
Beruf, wo ich bei Operationen
schief stehe. Deshalb ist es
wichtig, Ausgleichssportarten
wie Radfahren und Schwimmen zu betreiben
nicht operiert werden. Den Verschleiß
kann man eher nicht bremsen. Es liegt
auch schon ein wenig an den Genen. Die
Diagnostik erfolgt vorwiegend mittels
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Magnetresonanztomografie (MRT).
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INTERVIEW
Zudem können Röntgenaufnahmen der
Lendenwirbelsäule (LWS) und gegebenenfalls auch Funktionsaufnahmen gemacht werden. Ich möchte jetzt nicht auf
die Einzelheiten der konservativen Behandlung eingehen, weil es auch oft davon
abhängt, wie weit der Bandscheibenvorfall fortgeschritten ist und was genau der
Patient klinisch bietet. Es gibt bestimmte
Regeln. So sagt man, dass die Operation
die letzte aller Möglichkeiten sein sollte,
Golf ist im Grunde
ein gesunder Sport, man muss
es nur richtig machen
aber wenn der Patient mit starken immobilisierenden Schmerzen kommt oder sogar Lähmungserscheinungen zeigt, dann
muss man handeln.
Wann ist eine Operation nötig?
Wenn keine Besserungen nach den konservativen Therapien eintreten oder bei Lähmungserscheinungen, muskulären Defiziten oder Gefühlsstörungen der Haut.
Eher selten sind Störungen bei der Blasen- und Mastdarmentleerung, dann allerdings handelt es sich um einen Notfall.
Was machen Sie, um die Patienten nach
der Operation zu motivieren?
Ich muss die meisten eher bremsen, damit sie die neu gewonnene Beweglichkeit
nicht überreizen. Wir sind im Orthoparc
ein gutes Team und helfen den Patienten,
so schnell wie möglich wieder auf die Beine zu kommen. Es geht hier grundsätzlich nicht um eine einzelne Sache – eine
tolle Operation, und damit klappt alles –,
sondern es sind Faktoren, die ineinandergreifen, und dazu gehören hauptsächlich
die insgesamt circa 100 Menschen, die im
Haus arbeiten. Der Operateur ist nur ein
Faktor dabei, es gehören der Physiotherapeut, die freundliche Krankenschwester,
ausgewogene Küche und noch vieles andere dazu. Es muss alles zusammenpassen.
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DR. CHARILAOS CHRISTOPOULOS
Und wenn der Patient Schmerzen hat ...
… dann sagen wir ihm, wie wir die
Schmerztherapie steuern. Jetzt könnten
Sie einwenden: Woher wollen Sie denn
wissen, welche Schmerzen er hat? Das ist
ganz einfach: Wir haben eine Analogskala, die geht von null bis zehn, null ist kein
Schmerz, zehn ist maximaler Schmerz.
Der Patient sagt uns, wo auf der Skala sein
Schmerz einzuordnen ist, da macht er ein
Kreuzchen. Wir sorgen nun dafür, dass
dieser Wert immer unter drei ist.
ZAHLEN UND FAKTEN
• Rund 100.000 Operationen werden
in Deutschland wegen Bandscheibenvorfällen durchgeführt.
• Die Kosten der Rückenschmerzbehandlung werden jährlich auf rund
4,5 Milliarden Euro geschätzt.
• 30 Prozent aller Krankschreibungen
haben mit dem Rücken zu tun.
• 53.000 Frühberentungen wegen
Wirbelsäulenleiden gibt es jährlich
in Deutschland.
Was kann man sich unter der Therapie
„immer unter drei“ genau vorstellen?
Wenn ich Ihnen einen engen Verband
anlegen würde, dann hätten Sie ein Gefühl wie drei. So läuft die Kommunikation zwischen uns beiden: Sie sagen mir,
ob Sie jetzt mehr Schmerzen haben, und
ich gebe Ihnen ein Schmerzmittel. So
können wir das steuern. Es wird auch
ein Schmerztagebuch geführt, damit
wir nachvollziehen können, ob wir dem
Patienten helfen konnten. Wir sind ein
schmerzzertifi ziertes Krankenhaus: Vier
speziell ausgebildete Krankenschwestern
führen die Schmerztherapie durch und
dokumentieren dabei jeden Schritt.
Welches sind eigentlich typische
Golferverletzungen?
Ich könnte jetzt keine Verletzung nennen.
Die Patienten, die ich behandle, haben
meist Verschleißerscheinungen, die sich
durch das Golfen bemerkbar machen.
Golf ist im Grunde ein gesunder Sport,
man muss es nur richtig machen.
Herr Doktor, vielen Dank
für das Gespräch. (BL)
• Die gesamtgesellschaftlichen Kosten
betragen etwa 15 Milliarden Euro im
Jahr.
SYMPTOMATIK
• Starke Schmerzen im Bereich der
Lendenwirbelsäule
• Postdiskektomiesyndrom
• Ausstrahlung je nach Höhe der
Pathologie in das Bein/die Beine
(Dermatome)
• Gefühlsstörungen, Kribbeln, Taubheit
• Minderbewegung bestimmter
Muskelgruppen (Lähmungen, Paresen)
• Extremfall: Störungen der Blasenund Mastdarmentleerung
Dr. Charilaos Christopoulos gibt gern Tipps für
Golfer, wie ihr Rücken gesund wird und bleibt
Golfmedico 3/2015