Polyimide SCHAUMSTOFFE [FAHRZEUGBAU] [MEDIZINTECHNIK] [VERPACKUNG] [ELEKTRO & ELEKTRONIK] [BAU] [KONSUMGÜTER] [FREIZEIT & SPORT] [OPTIK] Die gewünschte Form leicht gemacht Komplexe Sandwich-Bauteile für die Serie Bislang steht keine wirtschaftliche Methode für die Massenfertigung komplexer Composite-Bauteile zur Verfügung. Mit einem neuen, in der Form geschäumten, werkzeugfallenden Sandwichschaumkern auf Basis von Polymethacrylimid können mehr als 50 000 komplexe 3D-Sandwichbauteile pro Jahr effizient hergestellt werden. Domstrebe aus einem Sandwichbauteil: Zu sehen sind der in-situ geschäumte Kern aus PMI-Schaumstoff, der beflochtene Kern und das fertige Bauteil (Bilder: Evonik) B ei Sport-, Premium- und elektrisch angetriebenen Fahrzeugen, z. B. Alfa Romeo 4C oder BMW i3 und i8, wird hinsichtlich Leichtbau zunehmend die hohe Steifigkeit und Funktionsintegration von faserverstärkten Kunststoffen genutzt. Typische Leichtbauteile im Automobilbau finden sich aktuell in der Karosserie bzw. im Monocoque oder in den Streben im Fahrwerksbereich. Wenn es um die Steifigkeit von Bauteilen geht, sind Sandwichstrukturen ungeschlagen: Sie bestehen aus dünnen Deckschichten, z. B. aus carbonfaserverstärkten Kunststoffen (CFK), kombiniert mit einem leichten, mechanisch aber hochbelastbaren Kern, z. B. aus Kunststoffschaum. Mit zunehmender Dicke des Schaums nimmt die Steifigkeit des Bauteils überproportional zu, durch die gerin- ge Dichte des Schaums bleibt das Gewicht jedoch minimal. Doch schon bevor das Bauteil in Gebrauch geht, hat der Sandwichkern wesentliche Aufgaben zu erfüllen. Während des Lay-ups und Aushärtens gibt der Kern den eher biegeschlaffen Fasern oder Prepregs der Decklagen die Form und hält sie in Position, damit sie gezielt äußere Kräfte aufnehmen können. Im Aushärtevorgang fungiert der Kern für die Decklagen als Gegenkraft zum äußeren Druck von Werkzeug, Autok lav, Presse oder einfach Vakuum, je nachdem, welches Verfahren gewählt wird. Es ist offensichtlich, dass der Kern diesen Drücken, zumeist gepaart mit Temperaturen zwischen 80 und 180 °C, nicht oder nur minimal nachgeben darf und deshalb sowohl eine hohe thermische als auch mechanische Beständigkeit und ggf. Kriechfestigkeit aufweisen muss. Optimal ist während des Aushärtens eine flächige Unterstützung der Fasern, sodass sie nicht durchhängen. Schaumkerne bieten eine solche Unterstützung, während die Hohlräume konkurrierender Wabensysteme hier Schwachstellen darstellen. Beim Durchhängen der Fasern kann deren Festigkeit nicht voll ausgenutzt werden, sodass durch zusätzliche Faserlagen das Gewicht erhöht wird. Zwar ist die spezifische Dichte von Schäumen etwas höher als die von Waben, jedoch relativiert sich für viele Bauteile deren Gewichtsvorteil, da sie an auslaufenden Enden oder um Inserts (z. B. für Krafteinleitungspunkte) mit Füllmasse stabilisiert werden müssen. » Kunststoffe 10/2015 www.kunststoffe.de © Carl Hanser Verlag, München. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist nicht gestattet und muss beim Verlag gesondert beauftragt werden. 187 SCHAUMSTOFFE Polyimide Bild 1. Das Demons trationsbauteil enthält exemplarisch zwei verschiedene Einsätze und stellt mögliche Geometrien mit definierter Oberflächenstruktur dar, die sich mit dem neu entwickelten PMI-Schaum erzielen lassen Komplexe Geometrie direkt aus der Form HEINRICH DREHER Ein Problem bei den Kernschäumen stellte bisher das Herausarbeiten der gewünschten Geometrie dar. Die hochwertigeren Schäume auf Basis von Poly methacrylimid (PMI) oder Polyvinylchlorid (PVC) werden als Plattenhalbzeuge hergestellt, aus denen die Endgeometrie durch spanende Bearbeitung und thermisches Verformen entsteht. Dies ist sehr zeitaufwendig sowie teuer und lässt mitunter einen Großteil des Ausgangsmaterials im wahrsten Sinn des Wortes in Staub aufgehen. Dieses Verfahren rechnet sich somit vor allem für kleinere Stückzahlen. Mit Polyurethan (PUR) steht ein Schaum zur Verfügung, der in einer chemischen Reaktion direkt im Werkzeug aufgeschäumt werden kann und somit die finale Geometrie besitzt. Diese Technik spart demnach weitere Formgebungsschritte; die Ausgangsstoffe sind preisgünstig. Allerdings sind die thermischen und mechanischen Eigenschaften dieses Integralschaums für moderne Produktionsverfahren wie Hochdruck-RTM oder Nasspressen, die zur Produktion höherer Stückzahlen favorisiert werden, nicht optimal. Auch sind Herstellung und Handhabung von PUR-Kernen aufgrund der möglichen Sensibilisierung durch enthaltenes Isocyanat arbeitshygienisch kritisch [1]. Aufgrund der zur Entformung enthaltenen Trennmittel muss die Oberfläche der Kerne vor der Weiterverarbeitung mechanisch, z. B. durch Sandstrahlen, bearbeitet werden. Mit dem Partikelschaum Rohacell Triple F auf Basis von PMI bietet die Evonik Resource Efficiency GmbH, Essen, eine Alternative. Für dieses Produkt wird das Ausgangsmaterial des bekannten Rohacell ranuliert, vorgeschäumt und in einem g bauteilbezogenen Werkzeug unter Wär mezufuhr final aufgeschäumt. Die so hergestellten Schaumkörper sind werkzeugfallend und können sofort weiterverarbeitet werden. Nachbehandlungen wie Entgasen, Verspachteln von Löchern oder Beflammen bzw. Sandstrahlen zum Entfernen von Trennmitteln sind nicht notwendig. Bei der Herstellung aus dem Granulat fällt kein prozessbedingter Materialabfall an, die Materialausnutzung beträgt nahezu 100 %. Im Aluminiumwerkzeug positionierte Inserts wie Verbindungselemente können umschäumt werden, sodass sie später passgenau im Schaumkörper fixiert sind. Die Oberfläche dieser geschlossenzelligen Schaumkerne zeigt eine optimale Abbildgenauigkeit. Eine leichte Narbenbildung an den Partikelgrenzen sorgt für eine gute Anhaftung der Deckschichten (Bild 1). Nasspressverfahren und RTM möglich Die so hergestellten Schaumkerne eignen sich zur weiteren Bearbeitung sowohl im Nasspressverfahren als auch im HP-RTM. In Abhängigkeit der eingestellten Dichte sind Temperaturen von bis zu 140 °C oder Drücke von bis zu 20 bar und mehr abbildbar. Dadurch lassen sich kurze Zykluszeiten realisieren, die für eine Produktion von höheren Stückzahlen notwendig sind. Als Matrix für die Deckschichten sind alle gängigen Harztypen wie Polyester- oder Epoxydharze, aber auch thermoplastische Kunststoffe wie Polypropylen oder Polyamid geeignet. Je nach Anforderung und Kundenwunsch kann die Dichte und damit die mechanischen Eigenschaften von Rohacell Triple F im Bereich von 75 bis 200 kg/m³ eingestellt werden (Bild 2). Im Vergleich zu Inte gralschäumen, die relativ hohe Festigkei- GmbH & Co.KG Maschinenbau Telefon: +49 (0) 2 41 / 5 15 63 -0 E-Mail:[email protected] © Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 10/2015 www.dreher-aachen.de © Carl Hanser Verlag, München. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist nicht gestattet und muss beim Verlag gesondert beauftragt werden. Polyimide SCHAUMSTOFFE keit des PMISchaums Rohacell Triple F bei verschiedenen Dichten Die Autoren 6 MPa 5 Polymerisation bis Druckfestigkeit von 3 % Bild 2. Druckfestig- Axel Zajonz ist bei der Evonik Resource Efficiency GmbH, Essen, als Projektmanager für Rohacell im Bereich Automobil tätig. Werner Stöger ist bei der LiteCon GmbH, Hönigsberg/Österreich, im Bereich Advanced Composite Products als Sales & Marketing Manager tätig. 4 3 2 1 0 0 50 100 150 200 kg/m3 250 Dichte © Kunststoffe Service Literatur & Digitalversion ten an der Schaumoberfläche aufweisen, deren Dichten und mechanische Eigenschaften zum Zentrum hin jedoch geringer werden, zeigt der neue Partikelschaum auf PMI-Basis eine hohe Homogenität in der Dichte über die gesamte Bauteildicke und somit auch gleichbleibende mechanische Eigenschaften. Eventuelle Fehlstellen an der Oberfläche führen folglich bei der Injektion von Harz unter höheren Drücken nicht zu einem Kollabieren des Schaumkerns. Anwendungen für Schaumkerne aus Rohacell Triple F sind insbesondere für Stückzahlen von etwa 1000 bis 50 000 pro Jahr zu sehen. Das können im Automobilsektor z. B. Sportwagen und Premiumfahrzeuge sein, wo Anbau-, Karosserie- oder Fahrwerksteile in Verbindung mit CFK eingesetzt werden (Titelbild). Aber auch im Flugzeugbau ist der Einsatz denkbar, wo zunehmend Gleichteile in größerer Stückzahl kostengünstig benötigt werden. Nicht zuletzt sind auch im Sportartikelmarkt leichte Sandwichkerne für konsequenten Leichtbau immer interessanter. Kompetenzen vereint Hergestellt werden die Rohacell-Triple F- Schaumkerne von der LiteCon GmbH, Hönigsberg/Österreich, einem 2014 gegründeten Joint Venture zwischen dem Spezialchemie-Hersteller Evonik Indus tries und dem mit CFK-Produkten für Automobil-, Luftfahrt- und Medizintechnik vertrauten Unternehmen Secar Technologie GmbH, Hönigsberg/Österreich. In einem modular aufgebauten Fertigungszentrum werden bei LiteCon bereits die BB Das Literaturverzeichnis und ein PDF des Artikels finden Sie unter www.kunststoffe.de/1083965 English Version BB Read the English version of the article in our magazine Kunststoffe international or at www.kunststoffe-international.com ersten automobilen Serienteile hergestellt. Dort gibt man sich optimistisch, dass mit den Partikelschäumen zukünftig weitere Prozessschritte integriert werden können, wie etwa Hinterschäumen von thermoplastischen Deckschichten (sog. Organoblechen), Aufbringen von Coatings auf die Kernoberfläche, um diese zu veredeln oder besondere Eigenschaften zu erzielen. Aber auch eine kontinuierliche Herstellung von Profilen oder Platten wird in Betracht gezogen. W © Carl Hanser Verlag, München. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist nicht gestattet und muss beim Verlag gesondert beauftragt werden. 189
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