TUTORIUM ZUR VOR GERÜ C KTENÜBUN G IM STRAFR ECHT WINTERSEMESTER 2015/ 2016 DR. VICTORIA IBOLD Einheit 12: Rechtspflegedelikte, insbesondere Aussagedelikte Lösungsvorschlag Tatkomplex 1: Das Geschehen auf der Polizeidienststelle TUTORIUM ZUR VOR GERÜ C K TENÜBUNG IM STRAFR ECHT A. Strafbarkeit der V I. § 153 WINTERSEMESTER 2015/ 2016 SEBASTIAN WACHSMANN, DR. VICTORIA I BOLD V könnte sich gem. § 153 strafbar gemacht haben, indem sie auf der Polizeidienststelle aussagte, T habe das Haus am Tag, an dem Diebstahl beging, nicht verlassen. Tatbestandsmäßigkeit a. Objektiver Tatbestand aa. Taugliche Täterin V müsste als Zeugin oder Sachverständige handeln. V sagt als Zeugin vor der Polizei aus und ist damit taugliche Täterin. bb. Falschaussage Die Definition der Falschaussage ist umstritten. Übersicht: Begriff der Falschaussage 1. Objektive Theorie (h.M.): Falsch ist eine Aussage, wenn ihr Inhalt mit der Wirklichkeit objektiv nicht übereinstimmt. 1 Berichtet ein Zeuge nur darüber, was „nach seiner Erinnerung“ geschehen sei und entspricht dies nicht der obj. Wahrheit, aber sehr wohl seiner Erinnerung, so soll dies nach der objektiven Theorie eine richtige Aussage sein, weil nur über eine innere Tatsache berichtet wird („ich erinnere mich daran, dass...“). Diese innere Tatsache wurde dann aber objektiv richtig wieder gegeben. Es hängt damit letzten Endes von der Formulierung des Zeugen ab, ob ein subjektiver oder objektiver Maßstab gilt. 1 Dagegen: Sch/Sch/Lenckner/Bosch Vor § 153 Rn. 7 ff. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 2 VON 24 Hierin liegt eine Subjektivierung, es sollte gleich der subjektiven Theorie gefolgt werden. Dafür: Nur bei einer objektiv falschen Aussage ist das Rechtsgut, die Strafrechtspflege gefährdet. 2. Subjektive Theorie: Falsch ist eine Aussage, wenn sie nicht mit dem Vorstellungsbild und Wissen des Aussagenden übereinstimmt. Strafbar sind daher Aussagen, die objektiv zwar der Wirklichkeit entsprechen, aber subjektiv bewusst gegen das eigene Erinnerung sbild getätigt wurden. Dagegen: Sinn und Zweck der Aussagedelikte: Rechtspflege wird nur durch eine objektiv falsche Aussage gefährdet. Subjektive Theorie käme zu einer Vollendungsstrafbarkeit, obwohl das Rechtsgut nicht gefährdet ist (bestraft wird letztlich Verstoß gegen Moral etc.) Systematik: auch in § 164 und § 263 wird die Falschheit von Tatsachen objektiv bestimmt Subj. Theorie versagt im Bereich der fahrlässigen Aussagedelikte, § 161, da sich eine fahrlässige Abweichung von der eigenen Überzeugung kaum denken lässt. Auch § 160 ist mit der subjektiven Theorie nicht zu erklären. 3. Pflichttheorie: Falsch ist eine Aussage, wenn der Aussagende mit ihr seine Aussagepflicht verletzt, d.h., wenn er nicht das Wissen wiedergibt, das er bei kritischer Prüfung seines Erinnerungs- bzw. Wahrnehmungsvermögens hätte reproduzieren können 2 Dagegen: Wortlaut Pflichttheorie verwechselt Sorgfaltspflichtwidrigkeit, die zur Fahrlässigkeitsstrafbarkeit nach § 161 führen kann, mit Falschheit der Aussage. Die objektive Theorie stellt darauf ab, ob der Inhalt der Aussage mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Hierbei stellen Aussagen über innere Tatsachen wie Erinnerungen wahre Aussagen dar, auch wenn die Erinnerung nicht der objektiven Wirklichkeit entspricht. Dab ei müssen innere Tatsachen von der Beweisperson als solche dargestellt werden. Hier stellt V die Tatsache, dass A zum Tatzeitpunkt bei ihr war, nicht als zweifelhafte Erinnerung, sondern als objektive Tatsache dar. Die Angabe entsprach nicht der Wirklichke it, V sagte also falsch aus. 2 Otto BT § 97 Rn. 7 ff.; Otto JuS 1984, S. 161 f. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 3 VON 24 Die subjektive Theorie stellt darauf ab, ob die Aussage vom Vorstellungsbild und Wissen des Täters abweicht. V hielt die Tatsache, dass A zum Tatzeitpunkt bei ihr war, für zweifelhaft. Sie wich daher mit ihrer Aussage, T wäre sicher bei ihr gewesen, von ihrem Erinnerungsbild ab. Danach liegt auch mit dieser Ansicht eine falsche Aussage vor. Der Streit muss nicht entschieden werden. Anmerkung: 2 Theorien reichen an dieser wenig problematischen Stelle der Klausur. cc. Zuständige Stelle Die Polizei ist jedoch keine zur eidlichen Vernehmung zuständige Stelle, vgl. §§ 163 III i.V.m. 161a I 3 StPO, da die eidliche Vernehmung allein dem Richter vorbehalten ist, § 161a I 3 StPO. Anmerkung: Auch die Staatsanwaltschaft ist keine zust ändige Stelle, da die eidliche Vernehmung nach § 161a I 3 StPO ausdrücklich dem Richter vorbehalten bleibt. Die beiden StPO -Vorschriften könnte man sich neben §§ 153, 154 StGB kommentieren. Aufbau: Man hätte im objektiven Tatbestand genauso gut mit „zust ändige Stelle“ vor „falsch schwören“ beginnen können. Dann würde die unten folgende Prüfung des Versuchs §§ 154 I, 22 allerdings noch umfangreicher, da hinsichtlich des „Falschschwörens“ nicht nach oben verwiesen werden könnte. Die Klausur könnte auch mit der Prüfung von § 154 begonnen werden. § 154 qualifiziert § 153 hinsichtlich der Zeugen. Dort würde die Prüfung dann ebenfalls beim TB -Merkmal „zuständige Stelle“ scheitern. Es war hier sinnvoll, mit dem vollendeten Grunddelikt § 153 und nicht gleich mit d em Versuch des Meineids gem. §§ 154, 22, 23 I zu beginnen, da die Nichtvollendung von § 154 nicht auf der Hand lag. Es wäre aber auch kein Fehler, gleich mit §§ 154, 22 , 23 I zu beginnen und das Problem „Zuständige Stelle“ beim Punkt „Nichtvollendung“ zu p rüfen. b. Zwischenergebnis Der objektive Tatbestand des § 153 ist nicht erfüllt. Damit kommt ein vollendeter Meineid nicht in Betracht, da § 154 hinsichtlich Zeugen eine Qualifikation von § 153 darstellt. Eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Falschaussage gem. § 161 scheidet ebenfalls aus, da insoweit auch Voraussetzung ist, dass die Falschaussage vor zuständiger Stelle begangen worden ist. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 4 VON 24 Ergebnis: V hat sich nicht gem. § 153 strafbar gemacht. II. §§ 154 I, 22, 23 I V könnte sich durch dieselbe Handlung gem. §§ 154 I, 153 I, 22, 23 I strafbar gemacht haben. 1. Vorprüfung a. Nichtvollendung § 154 I wurde nicht vollendet, da V nicht vor einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle ausgesagt hat. aa. Strafbarkeit des Versuchs Der Versuch des Verbrechens Meineid ist strafbar gem. §§ 12 I, 23 I. 2. Tatbestandsmäßigkeit a. Tatentschluss V muss Tatentschluss, also Vorsatz hinsichtlich der Verwirklichung aller objektiven Tatbestandsmerkmale gehabt haben. aa. Taugliche Täterin Der Tatentschluss der V bezieht sich auf eine Zeugenstellung und damit auf eine taugliche Täterstellung. bb. Beschwören einer Falschaussage V müsste sich vorgestellt haben, falsch zu schwören. Die Norm ist dahingehend auszulegen, dass unter falsch schwören zu verstehen ist, eine falsche Aussage zu beschwören. V hat objektiv falsch ausgesagt. Fraglich ist, ob V hierbei mit Eventualvorsatz oder vielmehr bewusst fahrlässig handelte, § 161. Dolus eventualis liegt vor, wenn der Täter den Erfolg für möglich hält und ihn billigend in Kauf nimmt. V wusste, dass ihre Aussage falsch sein könnte und sie damit eine zweifelhafte Tatsache als sicheres Wissen präsentierte. Die Falschheit ihre Aussage war nicht darauf zurückzuführen, dass sie ihr Erinnerungsvermögen nicht ausreichend bemühte. Vielmehr nahm sie die Falschheit der Aussage billigend in Kauf, um T zu helfen. V handelte folglich mit Eventualvorsatz hinsichtlich der Falschaussage. Zudem wollte sie ihre Aussage auch beschwören, also ihre Aussage durch die Ableistung eines Eides durch Sprechen LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 5 VON 24 der Eidesformel gem. § 64 StPO bekräftigen. V handelte demnach mit Vors atz hinsichtlich der Tathandlung des § 154 I. cc. Zuständige Stelle V müsste sich die Polizei auch als zur Abnahme von Eiden zuständige Stelle vorgestellt haben. Dies ist der Fall. T unterlag hinsichtlich dieses Tatbestandsmerkmals aber einem Irrtum, da die Polizei keine zuständige Stelle ist. Dies wirft die Frage nach der Abgrenzung von straflosem Wahndelikt und strafbarem untauglichem Versuch auf: Beim strafbaren untauglichen Versuch stellt sich der Täter Umstände vor, bei deren wirklichem Vorliegen sein Verhalten den Straftatbestand erfüllen würde. Tatsächlich kann es jedoch nicht zur Erfüllung des Tatbestandes kommen, umgekehrter Tatbestandsirrtum. Für Aussagedelikte ist dies z.B. unstreitig der Fall, wenn der Täter denkt, der ihn vernehmende Staatsanwalt oder Referendar sei ein Richter. Beim straflosen Wahndelikt erkennt der Täter sein Verhalten dagegen richtig, glaubt jedoch an eine Verbotsnorm, die tatsächlich nicht besteht oder die er zu seinen Ungunsten überdehnt, umgekehrter Verbotsirrtum bzw. umgekehrter Subsumtionsirrtum. E.A. möchte den Täter in der vorliegenden Konstellation wegen untauglichem Versuch bestrafen 3. Zur Begründung wird die Natur der Zuständigkeit als Tatbestandsmerkmal angeführt, aus der auch folge, dass bei irriger Annahme der Zuständigkeit ein strafbarer Versuch vorliege. Die h.L. 4 geht dagegen zutreffend von einem straflosen Wahndelikt aus. Denn die Vorstellung, die Polizei sei zur Eidesabnahme befugt, ist eine bloße Überdehnung des Normbereichs, also eine falsche rechtliche Würdigung bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände. Diese Wertung wird dem vorliegenden Sachverhalt gerecht, da V im rechtlichen und nicht im tatsächlichen Bereich einem Irrtum unterlag. Es liegt also nur ein strafloses Wahndelikt vor. V hatte daher keinen Tatentschluss hinsichtlich des Beschwörens einer Falschaussage vor einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle i.S.d. § 154 I. Aus dem gleichen Grund scheitert die Strafbarkeit wegen §§ 30 II, 154 I. Anmerkung: Anders würde es sich hier aber dann dar stellen, wenn V sich irrig Tatsachen vorgestellt hätte, bei deren Vorliegen die Zuständigkeit zu bejahen wäre. Bsp.: V hätte den vernehmenden Polizisten für den Ermittlungsrichter gehalten, s.o. 3 BGHSt 3, 253 f., 4, 111, 117; 10, 272, 275f.; 12, 56 ff. Vor ihm das RG (RGSt 72,80) sowie ihm folgend Teile der Literatur: Herzberg JuS 1980, 472 ff.; Jescheck/Weigend Strafrecht AT § 50 II 2. 4 Roxin JZ 1996, 986, SK- Rudolphi § 154 Rn 11, Rengier BT II § 49 Rn. 25. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN b. Ergebnis : V hat sich nicht gem. §§ 154 I, 153 I, 22, 23 I strafbar gemacht. SEITE 6 VON 24 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN III. SEITE 7 VON 24 §§ 258 I Var. 1, IV, 22, 23 I Anmerkung: Prüft man die Strafbarkeit einer falschen Aussage, besteht die Gefahr, sich auf die Aussagedelikte zu beschränken und andere Tatbestände zu übersehen. Zu denken ist zuerst an die Strafvereitelung § 258 I. Aber auch die Begünstigung § 257 I kann eine Rolle spielen. Wird der Verdacht zusätzlich auf Dritte gelenkt, so sollte man noch §§ 145d, 164 I, 186, 187 sowie §§ 239 I, 25 I Alt. 2 gedanklich durchgehen. Diese Vorschriften könnte man sich jeweils zu den entsprechenden Paragrafen kommentieren. Beliebt sind diese Konstellationen auch mit einem Strafverteidiger als Täter. Hier spielen dann auch strafprozessuale Kenntnisse eine Rolle. Im Zivilprozess ist an §§ 263 I (Prozessbetrug = Dreiecksbetrug über den Richter) zu denken. V könnte sich durch dieselbe Handlung wegen einer versuchten Strafvereitelung gem. § 258 I, IV, 22, 23 I strafbar gemacht haben. 1. Vorprüfung Die Strafvereitelung ist nicht vollendet, hierzu ist eine Verzögerung der Verurteilung um mindestens 10 Tage erforderlich. Das ist nicht gegeben. Der Versuch ist gem. §§ 258 IV, 23 I Alt. 2 strafbar. 2. Tatbestandsmäßigkeit a. Tatentschluss V muss Tatentschluss, also Vorsatz hinsichtlich der Verwirklichung aller objektiven Tatb estandsmerkmale gehabt sowie sonstiger subjektiver Merkmale haben. aa. Strafbare Vortat eines anderen V müsste zumindest dolus eventualis bzgl. einer strafbaren, verfolgbaren Vortat des T gehabt haben. V hielt eine Straftat des T in Form eines Diebstahls gem. § 242 für möglich und fand sich damit ab. Eine genaue Kenntnis der Tatumstände oder der rechtlichen Einordnung ist nicht Voraussetzung. Tatentschluss lag insoweit vor. bb. Vereitelungsabsicht bzgl. Verteilungshandlung und Vereitelungserfolg Außerdem müsste Vsie gem. § 258 I Var. 1 mit Absicht oder Wissentlichkeit bzgl. der Vereitelungshandlung und des Vereitelungserfolges gehandelt haben. Vereitelungshandlung ist jedes Tun, das geeignet ist, das der andere nicht wegen der Vortat bestraft wird. V kam es darauf an, vor der Polizei eine falsche Aussage zugunsten des T treffen, LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 8 VON 24 indem sie ihm ein Alibi gab. Eine solche für den Täter günstige Aussage ist geeignet, eine Bestrafung wegen der Vortat zu verhindern. V kam es zudem darauf an, dass T „davonkommt “, also wegen der Vortat nicht bestraft wird. Sie beabsichtigte also, die Bestrafung des T gänzlich und dauerhaft vereiteln. V handelte daher auch mit Absicht hinsichtlich eines Vereitelungserfolges. b. Unmittelbares Ansetzen, § 22 Der Täter setzt zur Tat an, wenn er subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschreitet und objektiv das Rechtsgut bereits gefährdet ist, § 22. Die V hat die Vereitelungshandlung – falsche Aussage und Bekräftigung mit einem Eid – bereits vorgenommen und damit jedenfalls unmittelbar zur Tat angesetzt. 3. Rechtswidrigkeit V könnte gem. § 34 gerechtfertigt sein. a. Notstandslage aa. Gefahr Gefahr ist ein Zustand, bei dem es nach den konkreten tatsächlichen Umständen wahrscheinlich ist, dass es zum Eintritt eines schädigenden Ereig nisses kommt. Erforderlich ist dabei eine Perspektive ex-ante. Gegen einen anderen, den Verlobten der V ist ein Ermittlungsverfahren wegen Diebstahl eingeleitet. Auf Grund dieser konkreten Umstände besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass er verurteilt und eine Strafe in Form einer Freiheitsentziehung verbüßen muss. Es besteht eine Gefahr für das Rechtsgut Freiheit des T. Anmerkung: Sehr gut vertretbar ist es auch, eine Gefahr zu verneinen; einerseits mit dem Argument, dass ein bloßes Ermittlungsverfahren noch keine ausreichende Wahrscheinlichkeit einer späteren Freiheitsstrafe bedeutet; andererseits, weil die bloße Begehung eines Die bstahls nicht zwingend eine Freiheitsstrafe nach sich zieht, sondern bei lebensnaher Betrachtung allenfalls eine Bewährungsstrafe. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 9 VON 24 bb. gegenwärtig Eine Gefahr ist gegenwärtig, wenn sich nach dem objektivierten ex-ante Urteil der kurzfristige Eintritt eines Schadens bei prognostizierbarer natürlicher Weiterentwicklung des angelegten Geschehensverlaufs als wahrscheinlich darstellt, wenn nicht alsbald Rettungsmaßnahmen eingeleitet werde. Bisher ist gegen T nur ein Ermittlungsverfahren eingeleitet; eine V erurteilung zu einer Freiheitsstrafe bedarf als weitere Schritte noch einer Anklageerhebung, einer Eröffnung und Durchführung des Hauptverfahrens und nach Rechtskraft einer Ladung zum Haftantritt. Daher ist bei einem ex-ante-Urteil im derzeitigen Stadium noch nicht mit einem kurzfristigen Eintritt eines Schadens zu rechnen. Die Gefahr ist nicht gegenwärtig. b. Zwischenergebnis Mangels Vorliegen einer Notstandslage ist V nicht gem. § 34 gerechtfertigt. 4. Schuld V handelt schuldhaft. Mangels gegenwärtiger Gefahr f ür die Freiheit des T liegt auch § 35 S. 1 nicht vor. 5. Persönlicher Strafausschließungsgrund § 258 VI Allerdings ist hier der persönliche Strafausschließungsgrund des § 258 VI gegeben. V ist als Verlobte Angehörige des T nach § 11 I Nr. 1 a) und beging di e Tat zu seinen Gunsten. Ergebnis: V hat sich nicht nach §§ 258 I, IV, 22, 23 I strafbar gemacht. IV. § 145d II Nr. 1 Durch dieselbe Handlung könnte sich V gem. § 145 II Nr. 1 strafbar gemacht haben. Tatbestandsmäßigkeit Objektiver Tatbestand V müsste versucht haben, über einen Beteiligten einer rechtswidrigen Tat zu täuschen. T war Beteiligter einer rechtswidrigen Tat. Durch ihre Aussage gab die V vor, dass der T nicht an der fraglichen Tat beteiligt gewesen sei. Es reicht jedoch nicht aus, dass der Tä ter einem Beteiligten ein falsches Alibi verschafft. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 10 VON 24 Nach Sinn und Zweck der Norm, Schutz der Rechtspflege vor unnützer Inanspruchnahme, muss der Verdacht konkret auf einen Dritten gelenkt werden. Dies hat V nicht getan. Ergebnis: T hat sich nicht gem. § 145d II Nr. 1 strafbar gemacht. Anmerkung: Die Strafausschließungsgründe der §§ 258 V, VI könnten hier nicht zu Gunsten der V im Wege der Analogie auf § 145d transferiert werden. § 145d hat ein anderes Schutzgut als § 258: Schutz der Rechtspflege/Präventivorgane vor unnötiger Inanspruchnahme. Diskutieren sollte man die Analogie aber. V. Ergebnis Strafbarkeit der V in TK 1: V hat sich nicht strafbar gemacht. Anmerkung: A.A. vertretbar hinsichtlich §§ 154, 153 I, 22 I, 23 I. B. Strafbarkeit des T I. §§ 154 I, 153 I, 25 I Alt. 2 T könnte sich eines Meineids in mittelbarer Täterschaft gem. §§ 154 I, 25 I Alt. 2 strafbar gemacht haben, indem er die V bat, bei der Polizei zu beschwören, dass er den Samstag zusammen mit ihr verbracht und die gemeinsame Wohnung nicht verlassen habe. Tatbestandsmäßigkeit Objektiver Tatbestand Tauglicher Täter T müsste als tauglicher Täter gehandelt haben. Tauglicher Täter des Meineides ist jeder Aussagende, soweit er im jeweiligen Verfahren und in seiner konkreten Verfahrensrolle über haupt wirksam vereidigt werden kann. T handelt aber schon nicht als Aussagender, sondern bloß als möglicher mittelbarer Täter hinter der Zeugin V. Mangels Tätertauglichkeit ist damit der objektive Tatbestand ausgeschlossen; eine mittelbare Täterschaft ist nicht möglich LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 11 VON 24 Ergebnis T ist nicht gem. §§ 154 I, 153 I, 25 I Alt. 2 strafbar. II. §§ 154 I, 26 T hat sich auch nicht gem. §§ 154 I, 26 strafbar gemacht, es fehlt insoweit an einer teilnahmefähigen Haupttat der V. III. §§ 154 I, 30 I T könnte sich durch dieselbe Handlung wegen versuchter Anstiftung gem. §§ 154 I, 153 I, 30 I strafbar gemacht haben. 1. Vorprüfung a. Nichtvollendung Es liegt keine erfolgreiche Anstiftung §§ 154 I, 26 vor, s.o. b. Strafbarkeit des Versuchs der Anstiftung Die versuchte Anstiftung zum Verbrechen ist strafbar gem. §§ 12 I, 30 I 1. 2. Tatbestandsmäßigkeit Tatentschluss T müsste doppelten Anstiftervorsatz gehabt haben, also sowohl hinsichtlich der Vollendung einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat als auc h hinsichtlich des Hervorrufens des Tatentschlusses bei V. Anmerkung: Folgt man in der Prüfung der Strafbarkeit der V gem. §§ 154 I, 22 der Meinung „untauglicher Versuch“ statt „Wahndelikt“, so wäre hier eine ganz gewöhnliche Anstiftung gem. §§ 154 I, 22 , 26 zu prüfen und auch zu bejahen gewesen. a. Bzgl. Haupttat § 154 I aa. Falsch schwören T müsste den Vorsatz gehabt haben, dass V falsch schwört, also insbesondere falsch aussagt. T wusste, dass V zumindest Zweifel hinsichtlich ihrer Aussage hatte und gi ng damit von einem dolus eventualis seitens der V aus. Es wusste und wollte damit auch, dass V falsch schwört. bb. Zuständige Stelle LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 12 VON 24 T ging irrtümlich davon aus, dass es sich bei der Polizei um eine zur Abnahme von Eiden zuständige Stelle handle. Dabei überdehnte er den Anwendungsbereich von § 154 I und das Tatbestandsmerkmal der zuständigen Stelle zu seinen Ungunsten und irrte in rechtlicher, nicht jedoch in tatsächlicher Hinsicht. Folglich stellte sich T keine vorsätzliche, rechtswidrige und damit teilna hmefähige Haupttat vor, sondern nur ein strafloses Wahndelikt. b. Zwischenergebnis: Es fehlt am Tatentschluss hinsichtlich einer tauglichen Haupttat, der Tatbestand des Versuchs ist damit nicht erfüllt. Ergebnis T hat sich nicht gem. §§ 154 I, 153 I, 30 I strafbar gemacht. IV. §§ 159, 30 I Aus demselben Grund hat sich T auch nicht gem. §§ 159, 30 I strafbar gemacht. V. §§ 258 I, IV, 22, 25 I Alt. 2 T hat sich nicht wegen einer versuchten Strafvereitelung in mittelbarer Täterschaft strafbar gemacht. Die Selbstbegünstigung ist nicht tatbestandsmäßig, was sich schon aus dem Wortlaut des § 258 I Var.1 ergibt, der eine strafbare Vortat eines anderen voraussetzt. VI. §§ 258 I Var. 1, IV, 22, 26 T könnte sich durch dieselbe Handlung gem. §§ 258 I, IV, 22, 26 strafbar gemach t haben. Anmerkung: Die Selbstbegünstigung des Vortäters ist zwar straflos, jedoch kann er an der Strafvereitelung eines anderen zu seinen Gunsten teilnehmen. So erklärt sich auch die Vorschrift des § 258 V. 1. Tatbestand a. Objektiver Tatbestand aa. Vorsätzliche rechtswidrige Haupttat Eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat liegt in Gestalt der versuchten Strafvereitelung durch V vor. Der persönliche Strafausschließungsgrund des § 258 VI ändert nichts an Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit ihrer Tat und damit an der Teilnahmefähigkeit, limitierte Akzessorietät. Es ist für den Tatbestand auch unerheblich, dass die Haupttat der V den T begünstigen sollte. Anmerkung: LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 13 VON 24 Bearbeiter verkennen oft, dass auch die versuchte Tat eine teilnahmefähige Haupttat darstellt und persönliche Strafaufhebungs-/ausschließungsgründe wie § 258 V, VI oder § 24 nichts an der Teilnahmefähigkeit ändern. bb. Bestimmen Indem T die V bat, entsprechend auszusagen, hat er den Tatentschluss bei ihr hervorgerufen. b. Subjektiver Tatbestand T müsste doppelten Anstiftervorsatz gehabt haben. aa. Vorsatz bzgl. Vollendung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat T handelte mit Absicht hinsichtlich der Vollendung einer Strafvereitelung durch V. Er wusste und wollte insbesondere auch, dass V vorsätzlich handelte. bb. Bestimmen Weiterhin hatte T die Absicht, mit seiner Bitte den Tatentschluss bei V hervorzurufen. Sein Vorsatz richtete sich darauf, Anstifter zu sein und nicht Täter. 2. Rechtswidrigkeit T war nicht gem. § 34 gerechtfertigt, d a keine gegenwärtige Gefahr für seine Freiheit bestand. T handelte mithin rechtswidrig. 3. Schuld T handelte schuldhaft, insbesondere war er nicht gem. § 35 entschuldigt. 4. Persönlicher Strafausschließungsgrund § 258 V T bleibt gem. § 258 V straflos. Er begeht die Tat, um seine Bestrafung abzuwenden. § 258 V ist auch für den Teilnehmer anwendbar 5. Ergebnis: T ist nicht strafbar wegen Anstiftung zur versuchten Strafvereitelung gem. §§ 258 I, IV, 22, 26. VII. Ergebnis Strafbarkeit des T in TK 1: T hat sich nicht strafbar gemacht. 5 Sch/Sch/Stree/Hecker § 258 R. 50. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 14 VON 24 Tatkomplex 2: Die Gerichtsverhandlung A. Strafbarkeit der V I. §§ 154 I, 153 I V könnte sich gem. §§ 154 I, 153 I strafbar gemacht haben, indem sie vor Gericht die Aussage beschwor, der T wäre am fraglichen Samstag bei ihr gewesen und hätte da s Haus nicht verlassen. 1. Tatbestandsmäßigkeit a. Objektiver Tatbestand V hat objektiv falsch ausgesagt und zwar als Zeugin und damit taugliche Täterin . Weiterhin erfolgte diese Falschaussage vor dem Amtsgericht als einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle. Zudem wurde V mittels Nacheid ordnungsgemäß vereidigt, sodass V vor Gericht falsch geschworen hat. Anmerkung: Der Kreis der potentiellen Täter ist bei § 154 I weiter als bei § 153: Anders als bei § 153 beschränkt sich der Tatbestand des § 154 I nicht nur auf Zeugen und Sachverständige, sodass auch die Parteien im Zivilprozess Täter sein können. Gleiches gilt für vereidigte Dolmetscher, bei denen jedoch umstritten ist, ob sie unter den Begriff des Sachverständigen in § 153 fallen. Der Beschuldigte/Angeklagte kommt weder für § 153 I (kein Sachverständiger oder Zeuge) noch für § 154 I (Beschuldigter kann nicht vereidigt werden vgl. BGHSt 10, 8, 13) als tauglicher Täter in Betracht. Er kann allerdings Teilnehmer sein. b. Subjektiver Tatbestand V handelte vorsätzlich hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale. 2. Rechtswidrigkeit Das Handeln von V könnte gem. § 34 gerechtfertigt gewesen sein. Dies setzt objektiv eine Notstandslage und die Vornahme einer zulässigen Notstandshandlung voraus. Keine Notstandslage ist hinsichtlich einer möglichen Gefahr für die Freiheit des T zu sehen; auch in der Hauptverhandlung ist dieses Rechtsgut noch nicht gegenwärtig gefährdet, weil in zeitlicher Hinsicht noch mehrere Zwischenschritte (s.o.) zu erfolgen ha ben, bis tatsächlich unmittelbar eine Freiheitsentzug durch Haftantritt eintritt. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 15 VON 24 Eine Rechtfertigung der V, weil sie eine Bestrafung wegen ihrer Aussage vor der P olizei von sich abwehren wollte scheidet ebenfalls mangels Notstandslage aus, da keine Gefah r für die Freiheit der V besteht: Sie hat sich wegen ihrer Aussage vor den Polizei nicht strafbar gemacht. V handelte rechtswidrig. 3. Schuld a. Vorsatzschuld / Erlaubnistatbestandsirrtum Die Vorsatzschuld könnte entfallen, wenn V einem Erlaubnistatbestandsirrt um unterlag. Dazu müsste sie sich irrtümlich eine rechtfertigende Sachlage vorgestellt haben. aa. Hypothetische Rechtfertigung gem. § 34 Unter Zugrundelegung der Vorstellungen der V müsste zunächst eine Notstandslage bestanden haben. Insofern ist zumindest eine Gefahr iSd § 34 anzunehmen, da V dachte durch die vorherige falsche Aussage mit einer Freiheitsstrafe bestraft zu werden. Wiederum ist diese Gefahr auch Grundlage der Vorstellung der V nicht gegenwärtig, da es zeitlich gesehen noch mehrerer Zwischenschritte bedarf, damit die Gefahr sich durch Haftantritt realisiert. Im Übrigen wäre die Gefahr auch nicht anders abwendbar. Die Begehung eines Meineids wäre kein erforderliches Mittel zur Abwendung der Gefahr für Fr eiheitsentziehung gewesen, da V ebenso gem. § 55 StPO vom ihrem Aussageverweigerungsrecht hätte Gebrauch machen und dadurch die Begehung eines Meineids hätte vermeiden können. bb. Zwischenergebnis Damit wäre V auch unter hypothetischer Zugrundelegung ihr er subjektiven Vorstellungen nicht gerechtfertigt gewesen und ein Erlaubnistatbestandsirrtum scheidet folglich aus. 4. Entschuldigungsgrund § 35 I Aus obigen Gründe scheidet auch § 35 II aus. V handelte daher auch schuldhaft. 5. Strafzumessung a. Aussagenotstand, § 157 I Das Gericht könnte gem. § 157 I die Strafe mildern, wenn V als Zeugin die Tat begangen hätte, um von einem Angehörigen oder von sich selbst die Gefahr abzuwenden, bestraft zu werden. V sagte nicht zugunsten ihres Verlobten T falsch aus, denn die Abwendung seiner Bestrafung war nicht einmal notwendiges Zwischenziel. Sie handelte jedoch in der Absicht, sich selbst vor einer befürchteten Strafverfolgung wegen ihrer Aussage bei der Polizei zu schützen. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 16 VON 24 Problematisch ist hierbei, dass sich V über die Strafbarkeit ihrer Falschaussage und des geleisteten Schwurs bei der Polizei irrte und objektiv betrachtet somit keinerlei Gefahr der Bestrafung bestand. Fraglich ist also, ob es für § 157 I ausreicht, dass V in der bloßen Absicht handelte, eine Gefahr der Bestrafung abzuwenden, oder ob objektiv eine Gefahr bestehen musste. Der Wortlaut des § 157 I spricht für ein rein subjektives Merkmal, sodass ein Irrtum unschädlich ist. Weiterhin bestand die vorgestellte Gefahr auch schon vor der Aussage der V und wurde nicht erst mit der falschen Aussage vor Gericht hervorgerufen. Folglich sind die Voraussetzungen von § 157 I erfüllt. Die Anwendung des Milderungsgrundes wird auch nicht dadurch gehindert, d ass der Täter die Gefahr selbst verursacht hat bzw. wie hier die V die Gefahr verursacht zu haben glaubt. Der Gedanke des § 35 I 2 greift hier nicht, § 157 ist insofern weiter als § 35. Das Gericht wird jedoch bei seiner Ermessensentscheidung berücksichtig en, dass V die notstandsähnliche Situation selbst herbeigeführt hat. Die Strafe kann gem. § 157 I gemildert werden. b. Berichtigung einer falschen Angabe, § 158 I Darüber hinaus könnte V auch durch Berichtigung ihrer falschen Aussage gem. § 158 I in den Genuss einer weiteren Strafmilderung gelangen. Hierfür muss V ihre Aussage rechtzeitig berichtigt haben. aa. Berichtigung Eine Berichtigung setzt voraus, dass der Täter die Unwahrheit der früheren Aussage offenbart und zugleich in allen wesentlichen Punkten d ie Wahrheit mitteilt; d.h. ein bloßer Widerruf genügt regelmäßig nicht. Hier schrieb V nur, dass sie gelogen habe, teilte jedoch nicht mit, was wirklich geschehen war. Dies genügt an sich nicht. Allerdings muss beachtet werden, dass V als Verlobte des An geklagten ein Aussageverweigerungsrecht gem. § 52 I Nr. 1 StPO zustand. In diesem Fall muss die bloße Äußerung, gelogen zu haben, genügen. Ansonsten wäre sie trotz bestehenden Aussageverweigerungsrechts zu einer Aussage gezwungen. Daher hat V ihre Aussage berichtigt. bb. Zeitpunkt der Berichtigung, § 158 II Fraglich ist, ob V ihre Aussage auch rechtzeitig berichtigt hat, § 158 II. Rechtzeitig ist eine Berichtigung nach § 158 II nur, wenn eine Verwertung der berichtigten Aussage in derselben Instanz noch möglich ist. An dieser Voraussetzung scheitert es hier, da das Urteil bereits verkündet wurde, eine Berücksichtigung wäre erst in der Berufungsinstanz möglich. Die Strafe kann nicht ein weiteres Mal gem. § 158 I gemildert werden. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 17 VON 24 Ergebnis: V hat sich gem. § 154 I, 153 I strafbar gemacht, wobei die Strafe nach § 157 I gemildert werden kann. II. §§ 258 I Var. 1, IV, 22, 23 I V könnte sich wegen selbiger Aussage gem. §§ 258 I Var.1, IV, 22 strafbar gemacht haben. 1. Vorprüfung Der Vollendungserfolg ist nicht eingetreten, T wurde ohne ersichtliche Verzögerung verurteilt. Zudem ist der Versuch strafbar gem. §§ 258 IV, 23 I Alt. 2. 2. Tatentschluss Allerdings fehlt es hier am Tatentschluss in Form der Vereitelungsabsicht, da V die Aussage gerade nicht zugunsten des T gemacht hat, sondern um sich selbst zu schützen. Der Vereitelungserfolg sollte auch kein notwendiges Zwischenziel sein. V stellt sich auch nicht vor, sicheres Wissen hinsichtlich des Vereitelungserfolges zu haben. Anmerkung: Dolus eventualis reicht bei § 258 I nur hinsichtlich der Vortat, aber nicht hinsichtlich Tathandlung und Taterfolg. Ergebnis : Eine Strafbarkeit wegen §§ 258 I, IV, 22, 23 I scheidet aus. III. Ergebnis Strafbarkeit der V in TK 2: V hat sich gem. § 154 I strafbar gemacht, wobei die Str afe nach § 157 I gemildert werden kann. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 18 VON 24 B. Strafbarkeit des B I. §§ 154 I, 153 I, 25 I 2. Alt. Eine Strafbarkeit in mittelbarer Täterschaft scheidet hier aus, da B als Nicht-Aussagender nicht tauglicher Täter ist. II. §§ 154 I, 153 I, 26 B könnte sich aber gem. §§ 154 I, 26 strafbar gemacht haben, indem er auf V einredete, sie solle vor Gericht aussagen, dass sie mit T zur Tatzeit zusammen gewesen sei. 1. Tatbestandsmäßigkeit a. Objektiver Tatbestand aa. Haupttat Eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat der V, ein Meineid gem. § 154, liegt vor. bb. Anstiftungshandlung B hat bei der bis dahin unentschlossenen V den Tatentschluss hervorgerufen. 2. Subjektiver Tatbestand B müsste doppelten Anstiftervorsatz gehabt haben. a. Bzgl. der Haupttat § 154 B hatte Vorsatz hinsichtlich der Verwirklichung des objektiven Tatbestands des § 154 durch V, wenn man wie hier hinsichtlich der Falschaussage der objektiven Theorie folgt. Fraglich ist jedoch, ob B auch Vorsatz hinsichtlich der Verwirklichung des subjektiven Tatbestands des § 154 durch V hatte. B glaubte, dass V davon überzeugt gewesen sei, zur Tatzeit mit T zusammen gewesen zu sein. Er nahm daher an, dass V selbst gutgläubig bzw. vorsatzlos falsch aussagt und damit nach seiner Vorstellung keinen Meineid begangen habe. Er s tellte sich damit allenfalls eine fahrlässige Begehung durch V und damit keine vorsätzliche und damit teilnahmefähige Haupttat vor. B´s Vorsatz, § 154 in mittelbarer Täterschaft gem. § 25 I Alt. 2 begehen zu wollen, könnte jedoch ausreichen. Es liegt die Konstellation vor, dass der Täter irrtümlich von einem vorsatzlosen Werkzeug ausgeht, in Wahrheit das menschliche Werkzeug die Tat aber vorsätzlich begeht. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 19 VON 24 E.A. 6 vertritt zur Lösung dieses Problems ein Plus-Minus-Lösung. Der Anstiftervorsatz sei als „Minus“ im Täterschaftsvorsatz enthalten. B wäre nach dieser Ansicht gem. §§ 154, 26 strafbar. Eine a.A. lehnt diese Konstruktion generell im Lichte von im Lichte von Art. 103 II GG angesichts des Wortlauts von § 26 ab. Bei Aussagedelikten im Speziellen ist die Besonderheit zu beachten, dass eine mittelbare Täterschaft aufgrund des eigenhändigen Charakters der Delikte schon gar nicht möglich ist. Die Konstellation der mittelbaren Täterschaft, bei der ein Hintermann einen gutgläubigen Vordermann zur Deliktsbegehung ausnutzt, kann nur über § 160 I erfasst werden. Bei § 160 I Var.1 fällt die Strafandrohung nach dem Willen des Gesetzgebers aber deutlich niedriger aus als bei §§ 154 I, 26. Insofern kann ein Vorsatz zur „mittelb aren Täterschaft“, der hier nur unter § 160 I Var.1 fällt, nicht einfach zu einem Vorsatz zur deutlich schwerwiegenderen Anstiftung gem. §§ 154 I, 26 umgedeutet werden. Das genannte Plus -Minus-Prinzip greift bei Aussagedelikten nicht ein. B handelte folglich nicht mit Anstiftervorsatz. Der Tatbestand ist nicht erfüllt. Anmerkung: Diese Überlegung der Wertung des § 160 I greift für die „Umdeutung“ einer mittelbaren Täterschaft in eine Anstiftung, nicht hingegen bei einer normalen, irrtumsfreien Anstiftung zu § 154 I oder § 153 und der versuchten Anstiftung §§ 154 I, 30 I und §§ 159, 30. Das schwerere Delikt §§ 154 I, 26 wird also im Normalfall gerade nicht durch das leichtere Delikt § 160 I „Verleiten“ verdrängt. Zwar erfasst § 160 I nach h.M. nicht nur Fä lle der mittelbaren Täterschaft sondern jede Form des „Verleitens“ und damit auch die Anstiftung, § 160 I hat jedoch nur Ergänzungsfunktion, Anstifter sollten durch § 160 nicht besser gestellt werden. Ergebnis: Eine Strafbarkeit gem. §§ 154 I, 26 scheidet daher aus. III. §§ 154 I, 30 I Eine Strafbarkeit nach §§ 154 I, 30 I scheidet ebenso aus, da es B am Anstiftervorsatz mangelt. Dies gilt ebenso für §§ 159, 153, 30 I. 6 Wessels/Beulke AT Rn. 549; Roxin AT II § 25 Rn. 167. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN IV. SEITE 20 VON 24 § 160 I Var. 1 B könnte sich durch dieselbe Handlung wegen einer Verleitung zur Falschau ssage gem. § 160 I Var. 1 strafbar gemacht haben. 1. Tatbestandsmäßigkeit a. Objektiver Tatbestand aa. Verwirklichung des obj. TB des § 154 I durch die Beweisperson (+), vgl. oben. bb. Verleiten B müsste die V zur Ableistung einer falschen Aussage verleitet ha ben. Verleiten ist jede Einwirkung auf den Willen der Beweisperson, die diese dazu bestimmt, die von dem Täter gewollte Tat zu verwirklichen. B hat auf die unentschlossene V in dieser Weise eingewirkt. Anmerkung: Da es ausreicht, dass die Beweisperson den objektiven Tatbestand der §§ 153, 154 oder 156 verwirklicht, muss es nicht zu einer Strafbarkeit der Beweisperson kommen. Fraglich ist, ob ein Verleiten die Gutgläubigkeit der Beweisperson voraussetzt, also ob § 160 I nur den speziellen Fall der mitt elbaren Täterschaft regelt oder weiter zu verstehen ist. E.A. 7 sieht in § 160 I ausschließlich den Spezialfall der bei Aussagedelikten konstruktiv nicht möglichen mittelbaren Täterschaft. Ist die Beweisperson so wie hier bösgläubig, so liegt ein Exzess der Beweisperson und mithin kein Verleiten vor. Der Täter, hier der B, wäre nur wegen Versuchs gem. §§ 160 I Var. 1, II, 22, 23 I zu bestrafen. Die Rspr. und Teile der Literatur halten sich richtigerweise streng an den Wortlaut und lassen jedes Verleiten genügen. Die Falschaussage des Bösgläubigen ist ein mitenthaltenes Plus. § 160 erfasst damit sowohl den Fall der mittelbaren Täterschaft als auch jedes andere Mittel, die Beweisperson zur Falschaussage zu bestimmen. B hat die V zur Falschaussage verleitet. b. Subjektiver Tatbestand B handelte vorsätzlich hinsichtlich des objektiven Tatbestandes, insbesondere auch bezüglich des Verleitens. Der Irrtum des B darüber, dass er V fälschlicherweise für gutgläubig hielt, ist unbeachtlich, da der objektive Tatbestand die Gutgläubigkeit der Beweisperson nicht voraussetzt, s.o. 7 Krey BT 1 Rn. 574 f. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 21 VON 24 2. Rechtswidrigkeit (+) 3. Schuld (+) 4. Strafzumessung, § 157 I Als Bruder des Angeklagten könnte B das Angehörigenprivileg des § 157 I zu Teil werden. Die Norm des § 157 I passt schon vom Wortlaut her nicht, da B nicht Zeuge war bzw. § 160 I von § 157 I nicht erfasst ist. Eine analoge Anwendung scheitert an einer vergleichbaren Interessenlage, da B nicht im Widerstreit von Wahrheitspflicht und Angehörigenbezichtigung steht. 5. Ergebnis: B hat sich gem. § 160 I Var. 1 strafbar gemacht. V. §§ 258 I Var. 1, IV, 22, 23 I, 25 I Alt. 2 Es liegt hier eine versuchte Strafvereitelung in mittelbarer Täterschaft vor. Allerdings bleibt B gem. §§ 258 VI, 11 I Nr. 1a straffrei, da er die Tat zugunsten seines Bruders beging. Anmerkung: Hier ist die Zeit in der Klausur bereits knapp. Zu § 258 hat man bereits viel geschrieben. Es reicht ein Hinweis auf § 258 VI im Urteilsstil. VI. Ergebnis Strafbarkeit des B in TK 2: B hat sich gem. § 160 I Var. 1 strafbar gemacht. C. Strafbarkeit des T I. §§ 154 I, 27 I, 13 I T könnte sich wegen einer Beihilfe durch Unterlassen zum Meineid gem. §§ 154 I, 27,13 strafbar gemacht haben, indem er nicht verhinderte, dass V einen Meineid leistete. Anmerkung: Die Abgrenzungsproblematik von Unterlassungstäterschaft und bloßer Teilnahme durch Unterlassen stellt sich bei den Aussagedelikten nicht, da es sich hierbei um eigenhändige Delikte handelt, LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 22 VON 24 so dass Mittäterschaft und mittelbare Täterschaft (nur als Verleiten § 160 I) von vorneherein ausscheiden und demnach nur Beihilfe, Anstiftung und Verleiten in Betracht kommen. 1. Tatbestandsmäßigkeit a. Objektiver Tatbestand aa. Haupttat Eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Haupttat der V liegt hier in dem Meineid gem. § 154 I vor. bb. Beihilfehandlung T müsste hierzu auch Beihilfe geleistet haben. Ein Hilfeleisten ist dabei in jedem Tatbeitrag zu sehen, der die Haupttat ermöglicht oder erleichtert oder die vom Täter begangene Rechtsgutsverletzung verstärkt hat 8. Ein positives Tun des T ist hier nicht ersichtlich. Anmerkung: Es läge ein Tun vor, wenn T die V als Zeugin benennt, § 219 StPO. Ein Hilfeleisten ist auch durch Unterlassen möglich und kommt hier dadurch in Betracht, dass T es unterlassen hat, gegen das Ableisten des Meineids durch V einzuschre iten. Beihilfe durch Unterlassen setzt eine Garantenstellung gem. § 13 voraus 9. T müsste rechtlich verpflichtet gewesen sein, den Erfolg abzuwenden 10. Ob und woraus sich die Garantenstellung beim Beschuldigten ergeben könnte, ist umstritten. Enge persönliche Verhältnisse Die ältere Rspr. nahm insbesondere bei engen persönlichen Verhältnissen wie etwa zwischen Ehegatten oder Verlobten eine Garantenstellung an. Die inzwischen herrschende Meinung folgt dieser älteren Rechtsprechung dagegen nicht mehr. Richtige rweise kann aus der engen persönlichen Bindung nämlich nicht die allgemeine Pflicht gefolgert werden, der Ehepartner sei zur Verhinderung von Straftaten des anderen Ehepartners verpflichtet. Ingerenz o Eine Garantenstellung könnte sich aber aus Ingerenz ergeben, wenn der Gehilfe die Aussageperson pflichtwidrig in die Gefahr der Falschaussage gebracht hat. Dies hängt im Wesentlichen von der strafprozessualen Zulässigkeit des Vorverhaltens ab. 8 Wessels /Beulke AT Rn. 582. 9 BGHSt 14, 229; Wessels/Beulke AT Rn. 582 m.w.N. Vgl. zu dieser Problematik Hillenkamp, 40 Probleme aus dem Strafrecht Besonderer Teil, 11. Problem; Joecks, Vor § 153 Rn. 6 ff.; Rengier BT II § 49 Rn. 68 ff. 10 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN o SEITE 23 VON 24 Ein solches pflichtwidriges Vorverhalten besteht im Strafprozess nicht in der Benennung als Zeugin durch den Angeklagten. Dieser muss nicht zur Wahrheitsfindung beitragen und verhält sich insoweit prozessual zulässig. Anmerkung: Beim Strafverteidiger ist dies differenzierter zu beurteilen. Er ist Organ der Rechtspfleg e. Er darf zweifelhafte Zeugen benennen, nicht aber Zeugen, von denen er weiß, dass sie lügen werden. o Ein pflichtwidriges Vorverhalten könnte jedoch darin gesehen werden, dass T wahrheitswidrig behauptet hat, die Tat nicht begangen zu haben, wodurch das G ericht V als Zeugin zur Erforschung der Wahrheit vernehmen musste. Jedoch ist auch dieses Verhalten strafprozessual zulässig. Jedenfalls muss sich der Angeklagte nicht selbst belasten, nemo tenetur. o Die h.M vertritt die Theorie der prozessinadäquaten Risikosteigerung. Danach steht der Zeuge grundsätzlich prozessual unter eigener Verantwortung. Eine Pflicht zur Verhinderung einer Falschaussage besteht nicht bereits durch wahrheitswidriges Bestreiten oder durch Benennung eines Zeugen, sondern nur dann, wenn d ie Prozesspartei/der Angeklagte den Zeugen in eine dem Prozess nicht mehr eigentümliche, inadäquate Gefahr der Falschaussage gebracht hat 11. Fraglich ist, ob dem T hier dieser Vorwurf gemacht werden kann. T brachte die V dazu, auf der Polizeidienststelle falsche Angaben zu machen. Zwar handelte es sich hinsichtlich §§ 154, 26 um ein strafloses Wahndelikt, die Tat gem. §§ 258 I, IV, 22, 23 I, 26 wurde jedoch rechtswidrig und schuldhaft begangen. T blieb nur wegen § 258 V straffrei. Dieses prozessuale Vorverhalten war pflichtwidrig und verstärkte die Gefahr, dass T vor Gericht falsch auszusagen würde. Jedoch stellt sich das Maß der Pflichtwidrigkeit nur als schwach dar, da die V zu ihrem Meineid nicht durch T sondern durch B bestimmt wurde. Zudem greift hier der Gedanke der Selbstverantwortlichkeit des Zeugen. V unterlag dem durch anwaltlichen Beistand korrigierbaren Irrtum, sich auf der Polizeidienststelle strafbar gemacht zu haben. Sie hätte vor Gericht die Wahrheit sagen oder die Aussage gem. §§ 52, 55 StPO verweigern können. Sie handelte im eigenen Interesse und eigenverantwortlich. T traf daher keine Garantenpflicht, § 13. Anmerkung: A.A. vertretbar. Insbesondere im Zivilprozess kann das Pendel zu Gunsten einer Garantenpflicht ausschlagen. Dann müsste hier im objektiven Tatbestand noch auf die physisch reale Handlungsmöglichkeit und die Quasikausalität eingegangen werden. Der objektive Tatbestand ist nicht erfüllt. 11 Rengier BT II § 49 Rn. 70. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 24 VON 24 Ergebnis : T hat sich nicht gem. §§ 154 I, 27, 13 strafbar gemacht. II. Ergebnis Strafbarkeit des T in TK 2: T hat sich nicht strafbar gemacht. Anmerkung: Ein Gesamtergebnis war nicht zwingend erforderlich, da sich die Beteiligten jeweils nur in einem Tatkomplex strafbar gemacht haben. Anmerkungen bitte an an [email protected]
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