Vorlage Titelblatt DIN A4 mit Siegel

TUTORIUM ZUR VOR GERÜ C KTENÜBUN G IM STRAFR ECHT
WINTERSEMESTER 2015/ 2016
DR. VICTORIA IBOLD
Einheit 12: Rechtspflegedelikte, insbesondere Aussagedelikte
Lösungsvorschlag
Tatkomplex 1: Das Geschehen auf der Polizeidienststelle
TUTORIUM ZUR VOR GERÜ C K TENÜBUNG IM STRAFR ECHT
A. Strafbarkeit der V
I.
§ 153
WINTERSEMESTER 2015/ 2016
SEBASTIAN WACHSMANN, DR. VICTORIA I BOLD
V könnte sich gem. § 153 strafbar gemacht haben, indem sie auf der Polizeidienststelle aussagte,
T habe das Haus am Tag, an dem Diebstahl beging, nicht verlassen.
Tatbestandsmäßigkeit
a. Objektiver Tatbestand
aa. Taugliche Täterin
V müsste als Zeugin oder Sachverständige handeln. V sagt als Zeugin vor der Polizei aus und ist
damit taugliche Täterin.
bb. Falschaussage
Die Definition der Falschaussage ist umstritten.
Übersicht: Begriff der Falschaussage
1. Objektive Theorie (h.M.):

Falsch ist eine Aussage, wenn ihr Inhalt mit der Wirklichkeit objektiv nicht übereinstimmt. 1

Berichtet ein Zeuge nur darüber, was „nach seiner Erinnerung“ geschehen sei und entspricht
dies nicht der obj. Wahrheit, aber sehr wohl seiner Erinnerung, so soll dies nach der objektiven
Theorie eine richtige Aussage sein, weil nur über eine innere Tatsache berichtet wird („ich
erinnere mich daran, dass...“). Diese innere Tatsache wurde dann aber objektiv richtig wieder
gegeben. Es hängt damit letzten Endes von der Formulierung des Zeugen ab, ob ein subjektiver
oder objektiver Maßstab gilt.

1
Dagegen:
Sch/Sch/Lenckner/Bosch Vor § 153 Rn. 7 ff.
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Hierin liegt eine Subjektivierung, es sollte gleich der subjektiven Theorie gefolgt werden.

Dafür:
Nur bei einer objektiv falschen Aussage ist das Rechtsgut, die Strafrechtspflege gefährdet.
2. Subjektive Theorie:

Falsch ist eine Aussage, wenn sie nicht mit dem Vorstellungsbild und Wissen des Aussagenden
übereinstimmt. Strafbar sind daher Aussagen, die objektiv zwar der Wirklichkeit entsprechen,
aber subjektiv bewusst gegen das eigene Erinnerung sbild getätigt wurden.

Dagegen:

Sinn und Zweck der Aussagedelikte: Rechtspflege wird nur durch eine objektiv falsche Aussage
gefährdet.

Subjektive Theorie käme zu einer Vollendungsstrafbarkeit, obwohl das Rechtsgut nicht gefährdet ist (bestraft wird letztlich Verstoß gegen Moral etc.)

Systematik: auch in § 164 und § 263 wird die Falschheit von Tatsachen objektiv bestimmt

Subj. Theorie versagt im Bereich der fahrlässigen Aussagedelikte, § 161, da sich eine fahrlässige Abweichung von der eigenen Überzeugung kaum denken lässt.

Auch § 160 ist mit der subjektiven Theorie nicht zu erklären.
3. Pflichttheorie:

Falsch ist eine Aussage, wenn der Aussagende mit ihr seine Aussagepflicht verletzt, d.h., wenn
er nicht das Wissen wiedergibt, das er bei kritischer Prüfung seines Erinnerungs- bzw. Wahrnehmungsvermögens hätte reproduzieren können 2

Dagegen:
Wortlaut
Pflichttheorie verwechselt Sorgfaltspflichtwidrigkeit, die zur Fahrlässigkeitsstrafbarkeit nach
§ 161 führen kann, mit Falschheit der Aussage.

Die objektive Theorie stellt darauf ab, ob der Inhalt der Aussage mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Hierbei stellen Aussagen über innere Tatsachen wie Erinnerungen wahre Aussagen
dar, auch wenn die Erinnerung nicht der objektiven Wirklichkeit entspricht. Dab ei müssen
innere Tatsachen von der Beweisperson als solche dargestellt werden.
Hier stellt V die Tatsache, dass A zum Tatzeitpunkt bei ihr war, nicht als zweifelhafte Erinnerung, sondern als objektive Tatsache dar. Die Angabe entsprach nicht der Wirklichke it, V sagte
also falsch aus.
2
Otto BT § 97 Rn. 7 ff.; Otto JuS 1984, S. 161 f.
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
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Die subjektive Theorie stellt darauf ab, ob die Aussage vom Vorstellungsbild und Wissen des
Täters abweicht.
V hielt die Tatsache, dass A zum Tatzeitpunkt bei ihr war, für zweifelhaft. Sie wich daher mit
ihrer Aussage, T wäre sicher bei ihr gewesen, von ihrem Erinnerungsbild ab. Danach liegt
auch mit dieser Ansicht eine falsche Aussage vor. Der Streit muss nicht entschieden werden.
Anmerkung:
2 Theorien reichen an dieser wenig problematischen Stelle der Klausur.
cc. Zuständige Stelle
Die Polizei ist jedoch keine zur eidlichen Vernehmung zuständige Stelle, vgl. §§ 163 III i.V.m.
161a I 3 StPO, da die eidliche Vernehmung allein dem Richter vorbehalten ist, § 161a I 3 StPO.
Anmerkung:
Auch die Staatsanwaltschaft ist keine zust ändige Stelle, da die eidliche Vernehmung nach § 161a
I 3 StPO ausdrücklich dem Richter vorbehalten bleibt. Die beiden StPO -Vorschriften könnte man
sich neben §§ 153, 154 StGB kommentieren.
Aufbau:
Man hätte im objektiven Tatbestand genauso gut mit „zust ändige Stelle“ vor „falsch schwören“
beginnen können. Dann würde die unten folgende Prüfung des Versuchs §§ 154 I, 22 allerdings
noch umfangreicher, da hinsichtlich des „Falschschwörens“ nicht nach oben verwiesen werden
könnte.
Die Klausur könnte auch mit der Prüfung von § 154 begonnen werden. § 154 qualifiziert § 153
hinsichtlich der Zeugen. Dort würde die Prüfung dann ebenfalls beim TB -Merkmal „zuständige
Stelle“ scheitern.
Es war hier sinnvoll, mit dem vollendeten Grunddelikt § 153 und nicht gleich mit d em Versuch
des Meineids gem. §§ 154, 22, 23 I zu beginnen, da die Nichtvollendung von § 154 nicht auf der
Hand lag. Es wäre aber auch kein Fehler, gleich mit §§ 154, 22 , 23 I zu beginnen und das Problem
„Zuständige Stelle“ beim Punkt „Nichtvollendung“ zu p rüfen.
b. Zwischenergebnis
Der objektive Tatbestand des § 153 ist nicht erfüllt. Damit kommt ein vollendeter Meineid nicht
in Betracht, da § 154 hinsichtlich Zeugen eine Qualifikation von § 153 darstellt. Eine Strafbarkeit
wegen fahrlässiger Falschaussage gem. § 161 scheidet ebenfalls aus, da insoweit auch Voraussetzung ist, dass die Falschaussage vor zuständiger Stelle begangen worden ist.
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Ergebnis: V hat sich nicht gem. § 153 strafbar gemacht.
II.
§§ 154 I, 22, 23 I
V könnte sich durch dieselbe Handlung gem. §§ 154 I, 153 I, 22, 23 I strafbar gemacht haben.
1. Vorprüfung
a. Nichtvollendung
§ 154 I wurde nicht vollendet, da V nicht vor einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle
ausgesagt hat.
aa. Strafbarkeit des Versuchs
Der Versuch des Verbrechens Meineid ist strafbar gem. §§ 12 I, 23 I.
2. Tatbestandsmäßigkeit
a. Tatentschluss
V muss Tatentschluss, also Vorsatz hinsichtlich der Verwirklichung aller objektiven Tatbestandsmerkmale gehabt haben.
aa. Taugliche Täterin
Der Tatentschluss der V bezieht sich auf eine Zeugenstellung und damit auf eine taugliche Täterstellung.
bb. Beschwören einer Falschaussage
V müsste sich vorgestellt haben, falsch zu schwören. Die Norm ist dahingehend auszulegen, dass
unter falsch schwören zu verstehen ist, eine falsche Aussage zu beschwören.

V hat objektiv falsch ausgesagt. Fraglich ist, ob V hierbei mit Eventualvorsatz oder vielmehr
bewusst fahrlässig handelte, § 161. Dolus eventualis liegt vor, wenn der Täter den Erfolg für
möglich hält und ihn billigend in Kauf nimmt.

V wusste, dass ihre Aussage falsch sein könnte und sie damit eine zweifelhafte Tatsache als
sicheres Wissen präsentierte. Die Falschheit ihre Aussage war nicht darauf zurückzuführen,
dass sie ihr Erinnerungsvermögen nicht ausreichend bemühte. Vielmehr nahm sie die Falschheit der Aussage billigend in Kauf, um T zu helfen.

V handelte folglich mit Eventualvorsatz hinsichtlich der Falschaussage. Zudem wollte sie ihre
Aussage auch beschwören, also ihre Aussage durch die Ableistung eines Eides durch Sprechen
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der Eidesformel gem. § 64 StPO bekräftigen. V handelte demnach mit Vors atz hinsichtlich der
Tathandlung des § 154 I.
cc. Zuständige Stelle

V müsste sich die Polizei auch als zur Abnahme von Eiden zuständige Stelle vorgestellt haben.

Dies ist der Fall. T unterlag hinsichtlich dieses Tatbestandsmerkmals aber einem Irrtum, da
die Polizei keine zuständige Stelle ist.

Dies wirft die Frage nach der Abgrenzung von straflosem Wahndelikt und strafbarem untauglichem Versuch auf:

Beim strafbaren untauglichen Versuch stellt sich der Täter Umstände vor, bei deren wirklichem Vorliegen sein Verhalten den Straftatbestand erfüllen würde. Tatsächlich kann es jedoch
nicht zur Erfüllung des Tatbestandes kommen, umgekehrter Tatbestandsirrtum. Für Aussagedelikte ist dies z.B. unstreitig der Fall, wenn der Täter denkt, der ihn vernehmende Staatsanwalt oder Referendar sei ein Richter.

Beim straflosen Wahndelikt erkennt der Täter sein Verhalten dagegen richtig, glaubt jedoch
an eine Verbotsnorm, die tatsächlich nicht besteht oder die er zu seinen Ungunsten überdehnt,
umgekehrter Verbotsirrtum bzw. umgekehrter Subsumtionsirrtum.

E.A. möchte den Täter in der vorliegenden Konstellation wegen untauglichem Versuch bestrafen 3.
Zur Begründung wird die Natur der Zuständigkeit als Tatbestandsmerkmal angeführt, aus der
auch folge, dass bei irriger Annahme der Zuständigkeit ein strafbarer Versuch vorliege.

Die h.L. 4 geht dagegen zutreffend von einem straflosen Wahndelikt aus. Denn die Vorstellung,
die Polizei sei zur Eidesabnahme befugt, ist eine bloße Überdehnung des Normbereichs, also
eine falsche rechtliche Würdigung bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände. Diese Wertung
wird dem vorliegenden Sachverhalt gerecht, da V im rechtlichen und nicht im tatsächlichen
Bereich einem Irrtum unterlag.

Es liegt also nur ein strafloses Wahndelikt vor. V hatte daher keinen Tatentschluss hinsichtlich
des Beschwörens einer Falschaussage vor einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle
i.S.d. § 154 I. Aus dem gleichen Grund scheitert die Strafbarkeit wegen §§ 30 II, 154 I.
Anmerkung:
Anders würde es sich hier aber dann dar stellen, wenn V sich irrig Tatsachen vorgestellt hätte, bei
deren Vorliegen die Zuständigkeit zu bejahen wäre. Bsp.: V hätte den vernehmenden Polizisten
für den Ermittlungsrichter gehalten, s.o.
3
BGHSt 3, 253 f., 4, 111, 117; 10, 272, 275f.; 12, 56 ff. Vor ihm das RG (RGSt 72,80) sowie ihm folgend Teile der Literatur: Herzberg JuS 1980, 472 ff.; Jescheck/Weigend Strafrecht AT § 50 II 2.
4 Roxin JZ 1996, 986, SK- Rudolphi § 154 Rn 11, Rengier BT II § 49 Rn. 25.
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b. Ergebnis :
V hat sich nicht gem. §§ 154 I, 153 I, 22, 23 I strafbar gemacht.
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III.
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§§ 258 I Var. 1, IV, 22, 23 I
Anmerkung:
Prüft man die Strafbarkeit einer falschen Aussage, besteht die Gefahr, sich auf die Aussagedelikte
zu beschränken und andere Tatbestände zu übersehen. Zu denken ist zuerst an die Strafvereitelung § 258 I. Aber auch die Begünstigung § 257 I kann eine Rolle spielen.
Wird der Verdacht zusätzlich auf Dritte gelenkt, so sollte man noch §§ 145d, 164 I, 186, 187 sowie
§§ 239 I, 25 I Alt. 2 gedanklich durchgehen. Diese Vorschriften könnte man sich jeweils zu den
entsprechenden Paragrafen kommentieren.
Beliebt sind diese Konstellationen auch mit einem Strafverteidiger als Täter. Hier spielen dann
auch strafprozessuale Kenntnisse eine Rolle.
Im Zivilprozess ist an §§ 263 I (Prozessbetrug = Dreiecksbetrug über den Richter) zu denken.
V könnte sich durch dieselbe Handlung wegen einer versuchten Strafvereitelung gem. § 258 I, IV,
22, 23 I strafbar gemacht haben.
1. Vorprüfung
Die Strafvereitelung ist nicht vollendet, hierzu ist eine Verzögerung der Verurteilung um mindestens 10 Tage erforderlich. Das ist nicht gegeben.
Der Versuch ist gem. §§ 258 IV, 23 I Alt. 2 strafbar.
2. Tatbestandsmäßigkeit
a. Tatentschluss
V muss Tatentschluss, also Vorsatz hinsichtlich der Verwirklichung aller objektiven Tatb estandsmerkmale gehabt sowie sonstiger subjektiver Merkmale haben.
aa. Strafbare Vortat eines anderen

V müsste zumindest dolus eventualis bzgl. einer strafbaren, verfolgbaren Vortat des T gehabt
haben.

V hielt eine Straftat des T in Form eines Diebstahls gem. § 242 für möglich und fand sich
damit ab. Eine genaue Kenntnis der Tatumstände oder der rechtlichen Einordnung ist nicht
Voraussetzung. Tatentschluss lag insoweit vor.
bb. Vereitelungsabsicht bzgl. Verteilungshandlung und Vereitelungserfolg

Außerdem müsste Vsie gem. § 258 I Var. 1 mit Absicht oder Wissentlichkeit bzgl. der Vereitelungshandlung und des Vereitelungserfolges gehandelt haben.

Vereitelungshandlung ist jedes Tun, das geeignet ist, das der andere nicht wegen der Vortat
bestraft wird. V kam es darauf an, vor der Polizei eine falsche Aussage zugunsten des T treffen,
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indem sie ihm ein Alibi gab. Eine solche für den Täter günstige Aussage ist geeignet, eine
Bestrafung wegen der Vortat zu verhindern.

V kam es zudem darauf an, dass T „davonkommt “, also wegen der Vortat nicht bestraft wird.
Sie beabsichtigte also, die Bestrafung des T gänzlich und dauerhaft vereiteln. V handelte daher
auch mit Absicht hinsichtlich eines Vereitelungserfolges.
b. Unmittelbares Ansetzen, § 22
Der Täter setzt zur Tat an, wenn er subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschreitet
und objektiv das Rechtsgut bereits gefährdet ist, § 22.
Die V hat die Vereitelungshandlung – falsche Aussage und Bekräftigung mit einem Eid – bereits
vorgenommen und damit jedenfalls unmittelbar zur Tat angesetzt.
3. Rechtswidrigkeit
V könnte gem. § 34 gerechtfertigt sein.
a. Notstandslage
aa. Gefahr
Gefahr ist ein Zustand, bei dem es nach den konkreten tatsächlichen Umständen wahrscheinlich
ist, dass es zum Eintritt eines schädigenden Ereig nisses kommt. Erforderlich ist dabei eine Perspektive ex-ante.
Gegen einen anderen, den Verlobten der V ist ein Ermittlungsverfahren wegen Diebstahl eingeleitet. Auf Grund dieser konkreten Umstände besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass er
verurteilt und eine Strafe in Form einer Freiheitsentziehung verbüßen muss. Es besteht eine Gefahr für das Rechtsgut Freiheit des T.
Anmerkung:
Sehr gut vertretbar ist es auch, eine Gefahr zu verneinen; einerseits mit dem Argument, dass ein
bloßes Ermittlungsverfahren noch keine ausreichende Wahrscheinlichkeit einer späteren Freiheitsstrafe bedeutet; andererseits, weil die bloße Begehung eines Die bstahls nicht zwingend eine
Freiheitsstrafe nach sich zieht, sondern bei lebensnaher Betrachtung allenfalls eine Bewährungsstrafe.
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bb. gegenwärtig

Eine Gefahr ist gegenwärtig, wenn sich nach dem objektivierten ex-ante Urteil der kurzfristige
Eintritt eines Schadens bei prognostizierbarer natürlicher Weiterentwicklung des angelegten
Geschehensverlaufs als wahrscheinlich darstellt, wenn nicht alsbald Rettungsmaßnahmen eingeleitet werde.

Bisher ist gegen T nur ein Ermittlungsverfahren eingeleitet; eine V erurteilung zu einer Freiheitsstrafe bedarf als weitere Schritte noch einer Anklageerhebung, einer Eröffnung und
Durchführung des Hauptverfahrens und nach Rechtskraft einer Ladung zum Haftantritt. Daher
ist bei einem ex-ante-Urteil im derzeitigen Stadium noch nicht mit einem kurzfristigen Eintritt
eines Schadens zu rechnen. Die Gefahr ist nicht gegenwärtig.
b. Zwischenergebnis
Mangels Vorliegen einer Notstandslage ist V nicht gem. § 34 gerechtfertigt.
4. Schuld
V handelt schuldhaft. Mangels gegenwärtiger Gefahr f ür die Freiheit des T liegt auch § 35 S. 1
nicht vor.
5. Persönlicher Strafausschließungsgrund § 258 VI
Allerdings ist hier der persönliche Strafausschließungsgrund des § 258 VI gegeben. V ist als Verlobte Angehörige des T nach § 11 I Nr. 1 a) und beging di e Tat zu seinen Gunsten.
Ergebnis:
V hat sich nicht nach §§ 258 I, IV, 22, 23 I strafbar gemacht.
IV.
§ 145d II Nr. 1
Durch dieselbe Handlung könnte sich V gem. § 145 II Nr. 1 strafbar gemacht haben.
Tatbestandsmäßigkeit
Objektiver Tatbestand

V müsste versucht haben, über einen Beteiligten einer rechtswidrigen Tat zu täuschen.

T war Beteiligter einer rechtswidrigen Tat.

Durch ihre Aussage gab die V vor, dass der T nicht an der fraglichen Tat beteiligt gewesen
sei. Es reicht jedoch nicht aus, dass der Tä ter einem Beteiligten ein falsches Alibi verschafft.
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Nach Sinn und Zweck der Norm, Schutz der Rechtspflege vor unnützer Inanspruchnahme,
muss der Verdacht konkret auf einen Dritten gelenkt werden. Dies hat V nicht getan.
Ergebnis:
T hat sich nicht gem. § 145d II Nr. 1 strafbar gemacht.
Anmerkung:
Die Strafausschließungsgründe der §§ 258 V, VI könnten hier nicht zu Gunsten der V im Wege
der Analogie auf § 145d transferiert werden. § 145d hat ein anderes Schutzgut als § 258: Schutz
der Rechtspflege/Präventivorgane vor unnötiger Inanspruchnahme. Diskutieren sollte man die
Analogie aber.
V.
Ergebnis Strafbarkeit der V in TK 1:
V hat sich nicht strafbar gemacht.
Anmerkung:
A.A. vertretbar hinsichtlich §§ 154, 153 I, 22 I, 23 I.
B. Strafbarkeit des T
I.
§§ 154 I, 153 I, 25 I Alt. 2
T könnte sich eines Meineids in mittelbarer Täterschaft gem. §§ 154 I, 25 I Alt. 2 strafbar gemacht
haben, indem er die V bat, bei der Polizei zu beschwören, dass er den Samstag zusammen mit ihr
verbracht und die gemeinsame Wohnung nicht verlassen habe.
Tatbestandsmäßigkeit
Objektiver Tatbestand
Tauglicher Täter
T müsste als tauglicher Täter gehandelt haben. Tauglicher Täter des Meineides ist jeder Aussagende, soweit er im jeweiligen Verfahren und in seiner konkreten Verfahrensrolle über haupt wirksam vereidigt werden kann. T handelt aber schon nicht als Aussagender, sondern bloß als möglicher mittelbarer Täter hinter der Zeugin V. Mangels Tätertauglichkeit ist damit der objektive Tatbestand ausgeschlossen; eine mittelbare Täterschaft ist nicht möglich
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Ergebnis
T ist nicht gem. §§ 154 I, 153 I, 25 I Alt. 2 strafbar.
II.
§§ 154 I, 26
T hat sich auch nicht gem. §§ 154 I, 26 strafbar gemacht, es fehlt insoweit an einer teilnahmefähigen Haupttat der V.
III.
§§ 154 I, 30 I
T könnte sich durch dieselbe Handlung wegen versuchter Anstiftung gem. §§ 154 I, 153 I, 30 I
strafbar gemacht haben.
1. Vorprüfung
a. Nichtvollendung
Es liegt keine erfolgreiche Anstiftung §§ 154 I, 26 vor, s.o.
b. Strafbarkeit des Versuchs der Anstiftung
Die versuchte Anstiftung zum Verbrechen ist strafbar gem. §§ 12 I, 30 I 1.
2. Tatbestandsmäßigkeit
Tatentschluss
T müsste doppelten Anstiftervorsatz gehabt haben, also sowohl hinsichtlich der Vollendung einer
vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat als auc h hinsichtlich des Hervorrufens des Tatentschlusses bei V.
Anmerkung:
Folgt man in der Prüfung der Strafbarkeit der V gem. §§ 154 I, 22 der Meinung „untauglicher
Versuch“ statt „Wahndelikt“, so wäre hier eine ganz gewöhnliche Anstiftung gem. §§ 154 I, 22 ,
26 zu prüfen und auch zu bejahen gewesen.
a. Bzgl. Haupttat § 154 I
aa. Falsch schwören
T müsste den Vorsatz gehabt haben, dass V falsch schwört, also insbesondere falsch aussagt. T
wusste, dass V zumindest Zweifel hinsichtlich ihrer Aussage hatte und gi ng damit von einem dolus
eventualis seitens der V aus. Es wusste und wollte damit auch, dass V falsch schwört.
bb. Zuständige Stelle
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T ging irrtümlich davon aus, dass es sich bei der Polizei um eine zur Abnahme von Eiden zuständige Stelle handle. Dabei überdehnte er den Anwendungsbereich von § 154 I und das Tatbestandsmerkmal der zuständigen Stelle zu seinen Ungunsten und irrte in rechtlicher, nicht jedoch in
tatsächlicher Hinsicht. Folglich stellte sich T keine vorsätzliche, rechtswidrige und damit teilna hmefähige Haupttat vor, sondern nur ein strafloses Wahndelikt.
b. Zwischenergebnis:
Es fehlt am Tatentschluss hinsichtlich einer tauglichen Haupttat, der Tatbestand des Versuchs ist
damit nicht erfüllt.
Ergebnis
T hat sich nicht gem. §§ 154 I, 153 I, 30 I strafbar gemacht.
IV.
§§ 159, 30 I
Aus demselben Grund hat sich T auch nicht gem. §§ 159, 30 I strafbar gemacht.
V.
§§ 258 I, IV, 22, 25 I Alt. 2
T hat sich nicht wegen einer versuchten Strafvereitelung in mittelbarer Täterschaft strafbar gemacht. Die Selbstbegünstigung ist nicht tatbestandsmäßig, was sich schon aus dem Wortlaut des
§ 258 I Var.1 ergibt, der eine strafbare Vortat eines anderen voraussetzt.
VI.
§§ 258 I Var. 1, IV, 22, 26
T könnte sich durch dieselbe Handlung gem. §§ 258 I, IV, 22, 26 strafbar gemach t haben.
Anmerkung:
Die Selbstbegünstigung des Vortäters ist zwar straflos, jedoch kann er an der Strafvereitelung
eines anderen zu seinen Gunsten teilnehmen. So erklärt sich auch die Vorschrift des § 258 V.
1. Tatbestand
a. Objektiver Tatbestand
aa. Vorsätzliche rechtswidrige Haupttat
Eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat liegt in Gestalt der versuchten Strafvereitelung durch V
vor. Der persönliche Strafausschließungsgrund des § 258 VI ändert nichts an Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit ihrer Tat und damit an der Teilnahmefähigkeit, limitierte Akzessorietät.
Es ist für den Tatbestand auch unerheblich, dass die Haupttat der V den T begünstigen sollte.
Anmerkung:
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Bearbeiter verkennen oft, dass auch die versuchte Tat eine teilnahmefähige Haupttat darstellt und
persönliche Strafaufhebungs-/ausschließungsgründe wie § 258 V, VI oder § 24 nichts an der Teilnahmefähigkeit ändern.
bb. Bestimmen
Indem T die V bat, entsprechend auszusagen, hat er den Tatentschluss bei ihr hervorgerufen.
b. Subjektiver Tatbestand
T müsste doppelten Anstiftervorsatz gehabt haben.
aa. Vorsatz bzgl. Vollendung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat
T handelte mit Absicht hinsichtlich der Vollendung einer Strafvereitelung durch V. Er wusste und
wollte insbesondere auch, dass V vorsätzlich handelte.
bb. Bestimmen
Weiterhin hatte T die Absicht, mit seiner Bitte den Tatentschluss bei V hervorzurufen. Sein Vorsatz richtete sich darauf, Anstifter zu sein und nicht Täter.
2. Rechtswidrigkeit
T war nicht gem. § 34 gerechtfertigt, d a keine gegenwärtige Gefahr für seine Freiheit bestand. T
handelte mithin rechtswidrig.
3. Schuld
T handelte schuldhaft, insbesondere war er nicht gem. § 35 entschuldigt.
4. Persönlicher Strafausschließungsgrund § 258 V
T bleibt gem. § 258 V straflos. Er begeht die Tat, um seine Bestrafung abzuwenden. § 258 V ist
auch für den Teilnehmer anwendbar 5.
Ergebnis:
T ist nicht strafbar wegen Anstiftung zur versuchten Strafvereitelung gem. §§ 258 I, IV, 22, 26.
VII.
Ergebnis Strafbarkeit des T in TK 1:
T hat sich nicht strafbar gemacht.
5
Sch/Sch/Stree/Hecker § 258 R. 50.
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Tatkomplex 2: Die Gerichtsverhandlung
A. Strafbarkeit der V
I.
§§ 154 I, 153 I
V könnte sich gem. §§ 154 I, 153 I strafbar gemacht haben, indem sie vor Gericht die Aussage
beschwor, der T wäre am fraglichen Samstag bei ihr gewesen und hätte da s Haus nicht verlassen.
1. Tatbestandsmäßigkeit
a. Objektiver Tatbestand
V hat objektiv falsch ausgesagt und zwar als Zeugin und damit taugliche Täterin . Weiterhin erfolgte diese Falschaussage vor dem Amtsgericht als einer zur Abnahme von Eiden zuständigen
Stelle. Zudem wurde V mittels Nacheid ordnungsgemäß vereidigt, sodass V vor Gericht falsch
geschworen hat.
Anmerkung:
Der Kreis der potentiellen Täter ist bei § 154 I weiter als bei § 153: Anders als bei § 153 beschränkt
sich der Tatbestand des § 154 I nicht nur auf Zeugen und Sachverständige, sodass auch die Parteien im Zivilprozess Täter sein können.
Gleiches gilt für vereidigte Dolmetscher, bei denen jedoch umstritten ist, ob sie unter den Begriff
des Sachverständigen in § 153 fallen.
Der Beschuldigte/Angeklagte kommt weder für § 153 I (kein Sachverständiger oder Zeuge) noch
für § 154 I (Beschuldigter kann nicht vereidigt werden vgl. BGHSt 10, 8, 13) als tauglicher Täter
in Betracht. Er kann allerdings Teilnehmer sein.
b. Subjektiver Tatbestand
V handelte vorsätzlich hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale.
2. Rechtswidrigkeit
Das Handeln von V könnte gem. § 34 gerechtfertigt gewesen sein. Dies setzt objektiv eine Notstandslage und die Vornahme einer zulässigen Notstandshandlung voraus.

Keine Notstandslage ist hinsichtlich einer möglichen Gefahr für die Freiheit des T zu sehen;
auch in der Hauptverhandlung ist dieses Rechtsgut noch nicht gegenwärtig gefährdet, weil in
zeitlicher Hinsicht noch mehrere Zwischenschritte (s.o.) zu erfolgen ha ben, bis tatsächlich
unmittelbar eine Freiheitsentzug durch Haftantritt eintritt.
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
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Eine Rechtfertigung der V, weil sie eine Bestrafung wegen ihrer Aussage vor der P olizei von
sich abwehren wollte scheidet ebenfalls mangels Notstandslage aus, da keine Gefah r für die
Freiheit der V besteht: Sie hat sich wegen ihrer Aussage vor den Polizei nicht strafbar gemacht.
V handelte rechtswidrig.
3. Schuld
a. Vorsatzschuld / Erlaubnistatbestandsirrtum
Die Vorsatzschuld könnte entfallen, wenn V einem Erlaubnistatbestandsirrt um unterlag. Dazu
müsste sie sich irrtümlich eine rechtfertigende Sachlage vorgestellt haben.
aa. Hypothetische Rechtfertigung gem. § 34

Unter Zugrundelegung der Vorstellungen der V müsste zunächst eine Notstandslage bestanden haben. Insofern ist zumindest eine Gefahr iSd § 34 anzunehmen, da V dachte durch die
vorherige falsche Aussage mit einer Freiheitsstrafe bestraft zu werden. Wiederum ist diese
Gefahr auch Grundlage der Vorstellung der V nicht gegenwärtig, da es zeitlich gesehen noch
mehrerer Zwischenschritte bedarf, damit die Gefahr sich durch Haftantritt realisiert.

Im Übrigen wäre die Gefahr auch nicht anders abwendbar. Die Begehung eines Meineids wäre
kein erforderliches Mittel zur Abwendung der Gefahr für Fr eiheitsentziehung gewesen, da V
ebenso gem. § 55 StPO vom ihrem Aussageverweigerungsrecht hätte Gebrauch machen und
dadurch die Begehung eines Meineids hätte vermeiden können.
bb. Zwischenergebnis
Damit wäre V auch unter hypothetischer Zugrundelegung ihr er subjektiven Vorstellungen nicht
gerechtfertigt gewesen und ein Erlaubnistatbestandsirrtum scheidet folglich aus.
4. Entschuldigungsgrund § 35 I
Aus obigen Gründe scheidet auch § 35 II aus. V handelte daher auch schuldhaft.
5. Strafzumessung
a. Aussagenotstand, § 157 I

Das Gericht könnte gem. § 157 I die Strafe mildern, wenn V als Zeugin die Tat begangen hätte,
um von einem Angehörigen oder von sich selbst die Gefahr abzuwenden, bestraft zu werden.

V sagte nicht zugunsten ihres Verlobten T falsch aus, denn die Abwendung seiner Bestrafung
war nicht einmal notwendiges Zwischenziel.

Sie handelte jedoch in der Absicht, sich selbst vor einer befürchteten Strafverfolgung wegen
ihrer Aussage bei der Polizei zu schützen.
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
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Problematisch ist hierbei, dass sich V über die Strafbarkeit ihrer Falschaussage und des geleisteten Schwurs bei der Polizei irrte und objektiv betrachtet somit keinerlei Gefahr der Bestrafung bestand. Fraglich ist also, ob es für § 157 I ausreicht, dass V in der bloßen Absicht
handelte, eine Gefahr der Bestrafung abzuwenden, oder ob objektiv eine Gefahr bestehen
musste.

Der Wortlaut des § 157 I spricht für ein rein subjektives Merkmal, sodass ein Irrtum unschädlich ist. Weiterhin bestand die vorgestellte Gefahr auch schon vor der Aussage der V und wurde
nicht erst mit der falschen Aussage vor Gericht hervorgerufen. Folglich sind die Voraussetzungen von § 157 I erfüllt.

Die Anwendung des Milderungsgrundes wird auch nicht dadurch gehindert, d ass der Täter die
Gefahr selbst verursacht hat bzw. wie hier die V die Gefahr verursacht zu haben glaubt. Der
Gedanke des § 35 I 2 greift hier nicht, § 157 ist insofern weiter als § 35. Das Gericht wird
jedoch bei seiner Ermessensentscheidung berücksichtig en, dass V die notstandsähnliche Situation selbst herbeigeführt hat.

Die Strafe kann gem. § 157 I gemildert werden.
b. Berichtigung einer falschen Angabe, § 158 I
Darüber hinaus könnte V auch durch Berichtigung ihrer falschen Aussage gem. § 158 I in den
Genuss einer weiteren Strafmilderung gelangen.
Hierfür muss V ihre Aussage rechtzeitig berichtigt haben.
aa. Berichtigung

Eine Berichtigung setzt voraus, dass der Täter die Unwahrheit der früheren Aussage offenbart und zugleich in allen wesentlichen Punkten d ie Wahrheit mitteilt; d.h. ein bloßer Widerruf genügt regelmäßig nicht.

Hier schrieb V nur, dass sie gelogen habe, teilte jedoch nicht mit, was wirklich geschehen war.
Dies genügt an sich nicht.

Allerdings muss beachtet werden, dass V als Verlobte des An geklagten ein Aussageverweigerungsrecht gem. § 52 I Nr. 1 StPO zustand. In diesem Fall muss die bloße Äußerung, gelogen
zu haben, genügen. Ansonsten wäre sie trotz bestehenden Aussageverweigerungsrechts zu
einer Aussage gezwungen.

Daher hat V ihre Aussage berichtigt.
bb. Zeitpunkt der Berichtigung, § 158 II
Fraglich ist, ob V ihre Aussage auch rechtzeitig berichtigt hat, § 158 II. Rechtzeitig ist eine Berichtigung nach § 158 II nur, wenn eine Verwertung der berichtigten Aussage in derselben
Instanz noch möglich ist. An dieser Voraussetzung scheitert es hier, da das Urteil bereits verkündet wurde, eine Berücksichtigung wäre erst in der Berufungsinstanz möglich.
Die Strafe kann nicht ein weiteres Mal gem. § 158 I gemildert werden.
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Ergebnis:
V hat sich gem. § 154 I, 153 I strafbar gemacht, wobei die Strafe nach § 157 I gemildert werden
kann.
II.
§§ 258 I Var. 1, IV, 22, 23 I
V könnte sich wegen selbiger Aussage gem. §§ 258 I Var.1, IV, 22 strafbar gemacht haben.
1. Vorprüfung
Der Vollendungserfolg ist nicht eingetreten, T wurde ohne ersichtliche Verzögerung verurteilt.
Zudem ist der Versuch strafbar gem. §§ 258 IV, 23 I Alt. 2.
2. Tatentschluss
Allerdings fehlt es hier am Tatentschluss in Form der Vereitelungsabsicht, da V die Aussage gerade nicht zugunsten des T gemacht hat, sondern um sich selbst zu schützen. Der Vereitelungserfolg sollte auch kein notwendiges Zwischenziel sein. V stellt sich auch nicht vor, sicheres Wissen hinsichtlich des Vereitelungserfolges zu haben.
Anmerkung:
Dolus eventualis reicht bei § 258 I nur hinsichtlich der Vortat, aber nicht hinsichtlich Tathandlung
und Taterfolg.
Ergebnis :
Eine Strafbarkeit wegen §§ 258 I, IV, 22, 23 I scheidet aus.
III.
Ergebnis Strafbarkeit der V in TK 2:
V hat sich gem. § 154 I strafbar gemacht, wobei die Str afe nach § 157 I gemildert werden kann.
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B. Strafbarkeit des B
I.
§§ 154 I, 153 I, 25 I 2. Alt.
Eine Strafbarkeit in mittelbarer Täterschaft scheidet hier aus, da B als Nicht-Aussagender nicht
tauglicher Täter ist.
II.
§§ 154 I, 153 I, 26
B könnte sich aber gem. §§ 154 I, 26 strafbar gemacht haben, indem er auf V einredete, sie solle
vor Gericht aussagen, dass sie mit T zur Tatzeit zusammen gewesen sei.
1. Tatbestandsmäßigkeit
a. Objektiver Tatbestand
aa. Haupttat
Eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat der V, ein Meineid gem. § 154, liegt vor.
bb. Anstiftungshandlung
B hat bei der bis dahin unentschlossenen V den Tatentschluss hervorgerufen.
2. Subjektiver Tatbestand
B müsste doppelten Anstiftervorsatz gehabt haben.
a. Bzgl. der Haupttat § 154

B hatte Vorsatz hinsichtlich der Verwirklichung des objektiven Tatbestands des § 154 durch
V, wenn man wie hier hinsichtlich der Falschaussage der objektiven Theorie folgt.

Fraglich ist jedoch, ob B auch Vorsatz hinsichtlich der Verwirklichung des subjektiven Tatbestands des § 154 durch V hatte. B glaubte, dass V davon überzeugt gewesen sei, zur Tatzeit
mit T zusammen gewesen zu sein. Er nahm daher an, dass V selbst gutgläubig bzw. vorsatzlos
falsch aussagt und damit nach seiner Vorstellung keinen Meineid begangen habe. Er s tellte
sich damit allenfalls eine fahrlässige Begehung durch V und damit keine vorsätzliche und damit teilnahmefähige Haupttat vor.

B´s Vorsatz, § 154 in mittelbarer Täterschaft gem. § 25 I Alt. 2 begehen zu wollen, könnte
jedoch ausreichen. Es liegt die Konstellation vor, dass der Täter irrtümlich von einem vorsatzlosen Werkzeug ausgeht, in Wahrheit das menschliche Werkzeug die Tat aber vorsätzlich
begeht.
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
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E.A. 6 vertritt zur Lösung dieses Problems ein Plus-Minus-Lösung. Der Anstiftervorsatz sei als
„Minus“ im Täterschaftsvorsatz enthalten. B wäre nach dieser Ansicht gem. §§ 154, 26 strafbar.

Eine a.A. lehnt diese Konstruktion generell im Lichte von im Lichte von Art. 103 II GG angesichts des Wortlauts von § 26 ab.

Bei Aussagedelikten im Speziellen ist die Besonderheit zu beachten, dass eine mittelbare Täterschaft aufgrund des eigenhändigen Charakters der Delikte schon gar nicht möglich ist. Die
Konstellation der mittelbaren Täterschaft, bei der ein Hintermann einen gutgläubigen Vordermann zur Deliktsbegehung ausnutzt, kann nur über § 160 I erfasst werden. Bei § 160 I Var.1
fällt die Strafandrohung nach dem Willen des Gesetzgebers aber deutlich niedriger aus als bei
§§ 154 I, 26. Insofern kann ein Vorsatz zur „mittelb aren Täterschaft“, der hier nur unter § 160
I Var.1 fällt, nicht einfach zu einem Vorsatz zur deutlich schwerwiegenderen Anstiftung gem.
§§ 154 I, 26 umgedeutet werden. Das genannte Plus -Minus-Prinzip greift bei Aussagedelikten
nicht ein.

B handelte folglich nicht mit Anstiftervorsatz. Der Tatbestand ist nicht erfüllt.
Anmerkung:
Diese Überlegung der Wertung des § 160 I greift für die „Umdeutung“ einer mittelbaren Täterschaft in eine Anstiftung, nicht hingegen bei einer normalen, irrtumsfreien Anstiftung zu § 154 I
oder § 153 und der versuchten Anstiftung §§ 154 I, 30 I und §§ 159, 30. Das schwerere Delikt §§
154 I, 26 wird also im Normalfall gerade nicht durch das leichtere Delikt § 160 I „Verleiten“
verdrängt. Zwar erfasst § 160 I nach h.M. nicht nur Fä lle der mittelbaren Täterschaft sondern jede
Form des „Verleitens“ und damit auch die Anstiftung, § 160 I hat jedoch nur Ergänzungsfunktion,
Anstifter sollten durch § 160 nicht besser gestellt werden.
Ergebnis:
Eine Strafbarkeit gem. §§ 154 I, 26 scheidet daher aus.
III.
§§ 154 I, 30 I
Eine Strafbarkeit nach §§ 154 I, 30 I scheidet ebenso aus, da es B am Anstiftervorsatz mangelt.
Dies gilt ebenso für §§ 159, 153, 30 I.
6
Wessels/Beulke AT Rn. 549; Roxin AT II § 25 Rn. 167.
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IV.
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§ 160 I Var. 1
B könnte sich durch dieselbe Handlung wegen einer Verleitung zur Falschau ssage gem. § 160 I
Var. 1 strafbar gemacht haben.
1. Tatbestandsmäßigkeit
a. Objektiver Tatbestand
aa. Verwirklichung des obj. TB des § 154 I durch die Beweisperson (+), vgl. oben.
bb. Verleiten

B müsste die V zur Ableistung einer falschen Aussage verleitet ha ben. Verleiten ist jede Einwirkung auf den Willen der Beweisperson, die diese dazu bestimmt, die von dem Täter gewollte
Tat zu verwirklichen. B hat auf die unentschlossene V in dieser Weise eingewirkt.
Anmerkung:
Da es ausreicht, dass die Beweisperson den objektiven Tatbestand der §§ 153, 154 oder 156 verwirklicht, muss es nicht zu einer Strafbarkeit der Beweisperson kommen.

Fraglich ist, ob ein Verleiten die Gutgläubigkeit der Beweisperson voraussetzt, also ob § 160
I nur den speziellen Fall der mitt elbaren Täterschaft regelt oder weiter zu verstehen ist.

E.A. 7 sieht in § 160 I ausschließlich den Spezialfall der bei Aussagedelikten konstruktiv nicht
möglichen mittelbaren Täterschaft. Ist die Beweisperson so wie hier bösgläubig, so liegt ein
Exzess der Beweisperson und mithin kein Verleiten vor. Der Täter, hier der B, wäre nur wegen
Versuchs gem. §§ 160 I Var. 1, II, 22, 23 I zu bestrafen.

Die Rspr. und Teile der Literatur halten sich richtigerweise streng an den Wortlaut und lassen
jedes Verleiten genügen. Die Falschaussage des Bösgläubigen ist ein mitenthaltenes Plus.
§ 160 erfasst damit sowohl den Fall der mittelbaren Täterschaft als auch jedes andere Mittel,
die Beweisperson zur Falschaussage zu bestimmen.

B hat die V zur Falschaussage verleitet.
b. Subjektiver Tatbestand
B handelte vorsätzlich hinsichtlich des objektiven Tatbestandes, insbesondere auch bezüglich des
Verleitens. Der Irrtum des B darüber, dass er V fälschlicherweise für gutgläubig hielt, ist unbeachtlich, da der objektive Tatbestand die Gutgläubigkeit der Beweisperson nicht voraussetzt, s.o.
7
Krey BT 1 Rn. 574 f.
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2. Rechtswidrigkeit (+)
3. Schuld (+)
4. Strafzumessung, § 157 I

Als Bruder des Angeklagten könnte B das Angehörigenprivileg des § 157 I zu Teil werden.

Die Norm des § 157 I passt schon vom Wortlaut her nicht, da B nicht Zeuge war bzw. § 160 I
von § 157 I nicht erfasst ist. Eine analoge Anwendung scheitert an einer vergleichbaren Interessenlage, da B nicht im Widerstreit von Wahrheitspflicht und Angehörigenbezichtigung
steht.
5. Ergebnis:
B hat sich gem. § 160 I Var. 1 strafbar gemacht.
V.
§§ 258 I Var. 1, IV, 22, 23 I, 25 I Alt. 2
Es liegt hier eine versuchte Strafvereitelung in mittelbarer Täterschaft vor.
Allerdings bleibt B gem. §§ 258 VI, 11 I Nr. 1a straffrei, da er die Tat zugunsten seines Bruders
beging.
Anmerkung:
Hier ist die Zeit in der Klausur bereits knapp. Zu § 258 hat man bereits viel geschrieben. Es reicht
ein Hinweis auf § 258 VI im Urteilsstil.
VI.
Ergebnis Strafbarkeit des B in TK 2:
B hat sich gem. § 160 I Var. 1 strafbar gemacht.
C. Strafbarkeit des T
I.
§§ 154 I, 27 I, 13 I
T könnte sich wegen einer Beihilfe durch Unterlassen zum Meineid gem. §§ 154 I, 27,13 strafbar
gemacht haben, indem er nicht verhinderte, dass V einen Meineid leistete.
Anmerkung:
Die Abgrenzungsproblematik von Unterlassungstäterschaft und bloßer Teilnahme durch Unterlassen stellt sich bei den Aussagedelikten nicht, da es sich hierbei um eigenhändige Delikte handelt,
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so dass Mittäterschaft und mittelbare Täterschaft (nur als Verleiten § 160 I) von vorneherein ausscheiden und demnach nur Beihilfe, Anstiftung und Verleiten in Betracht kommen.
1. Tatbestandsmäßigkeit
a. Objektiver Tatbestand
aa. Haupttat
Eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Haupttat der V liegt hier in dem Meineid gem. § 154 I
vor.
bb. Beihilfehandlung

T müsste hierzu auch Beihilfe geleistet haben. Ein Hilfeleisten ist dabei in jedem Tatbeitrag
zu sehen, der die Haupttat ermöglicht oder erleichtert oder die vom Täter begangene Rechtsgutsverletzung verstärkt hat 8.

Ein positives Tun des T ist hier nicht ersichtlich.
Anmerkung:
Es läge ein Tun vor, wenn T die V als Zeugin benennt, § 219 StPO.

Ein Hilfeleisten ist auch durch Unterlassen möglich und kommt hier dadurch in Betracht, dass
T es unterlassen hat, gegen das Ableisten des Meineids durch V einzuschre iten.

Beihilfe durch Unterlassen setzt eine Garantenstellung gem. § 13 voraus 9. T müsste rechtlich
verpflichtet gewesen sein, den Erfolg abzuwenden 10. Ob und woraus sich die Garantenstellung
beim Beschuldigten ergeben könnte, ist umstritten.

Enge persönliche Verhältnisse
Die ältere Rspr. nahm insbesondere bei engen persönlichen Verhältnissen wie etwa zwischen
Ehegatten oder Verlobten eine Garantenstellung an. Die inzwischen herrschende Meinung
folgt dieser älteren Rechtsprechung dagegen nicht mehr. Richtige rweise kann aus der engen
persönlichen Bindung nämlich nicht die allgemeine Pflicht gefolgert werden, der Ehepartner
sei zur Verhinderung von Straftaten des anderen Ehepartners verpflichtet.

Ingerenz
o
Eine Garantenstellung könnte sich aber aus Ingerenz ergeben, wenn der Gehilfe die Aussageperson pflichtwidrig in die Gefahr der Falschaussage gebracht hat. Dies hängt im Wesentlichen von der strafprozessualen Zulässigkeit des Vorverhaltens ab.
8
Wessels /Beulke AT Rn. 582.
9
BGHSt 14, 229; Wessels/Beulke AT Rn. 582 m.w.N.
Vgl. zu dieser Problematik Hillenkamp, 40 Probleme aus dem Strafrecht Besonderer Teil, 11. Problem; Joecks, Vor §
153 Rn. 6 ff.; Rengier BT II § 49 Rn. 68 ff.
10
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o
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Ein solches pflichtwidriges Vorverhalten besteht im Strafprozess nicht in der Benennung
als Zeugin durch den Angeklagten. Dieser muss nicht zur Wahrheitsfindung beitragen und
verhält sich insoweit prozessual zulässig.
Anmerkung:
Beim Strafverteidiger ist dies differenzierter zu beurteilen. Er ist Organ der Rechtspfleg e. Er darf
zweifelhafte Zeugen benennen, nicht aber Zeugen, von denen er weiß, dass sie lügen werden.
o
Ein pflichtwidriges Vorverhalten könnte jedoch darin gesehen werden, dass T wahrheitswidrig behauptet hat, die Tat nicht begangen zu haben, wodurch das G ericht V als Zeugin
zur Erforschung der Wahrheit vernehmen musste. Jedoch ist auch dieses Verhalten strafprozessual zulässig. Jedenfalls muss sich der Angeklagte nicht selbst belasten, nemo tenetur.
o
Die h.M vertritt die Theorie der prozessinadäquaten Risikosteigerung. Danach steht der
Zeuge grundsätzlich prozessual unter eigener Verantwortung. Eine Pflicht zur Verhinderung einer Falschaussage besteht nicht bereits durch wahrheitswidriges Bestreiten oder
durch Benennung eines Zeugen, sondern nur dann, wenn d ie Prozesspartei/der Angeklagte
den Zeugen in eine dem Prozess nicht mehr eigentümliche, inadäquate Gefahr der Falschaussage gebracht hat 11.
Fraglich ist, ob dem T hier dieser Vorwurf gemacht werden kann. T brachte die V dazu, auf
der Polizeidienststelle falsche Angaben zu machen. Zwar handelte es sich hinsichtlich
§§ 154, 26 um ein strafloses Wahndelikt, die Tat gem. §§ 258 I, IV, 22, 23 I, 26 wurde
jedoch rechtswidrig und schuldhaft begangen. T blieb nur wegen § 258 V straffrei. Dieses
prozessuale Vorverhalten war pflichtwidrig und verstärkte die Gefahr, dass T vor Gericht
falsch auszusagen würde. Jedoch stellt sich das Maß der Pflichtwidrigkeit nur als schwach
dar, da die V zu ihrem Meineid nicht durch T sondern durch B bestimmt wurde.
Zudem greift hier der Gedanke der Selbstverantwortlichkeit des Zeugen. V unterlag dem
durch anwaltlichen Beistand korrigierbaren Irrtum, sich auf der Polizeidienststelle strafbar
gemacht zu haben. Sie hätte vor Gericht die Wahrheit sagen oder die Aussage gem. §§ 52,
55 StPO verweigern können. Sie handelte im eigenen Interesse und eigenverantwortlich.

T traf daher keine Garantenpflicht, § 13.
Anmerkung:
A.A. vertretbar. Insbesondere im Zivilprozess kann das Pendel zu Gunsten einer Garantenpflicht
ausschlagen. Dann müsste hier im objektiven Tatbestand noch auf die physisch reale Handlungsmöglichkeit und die Quasikausalität eingegangen werden.
Der objektive Tatbestand ist nicht erfüllt.
11
Rengier BT II § 49 Rn. 70.
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Ergebnis :
T hat sich nicht gem. §§ 154 I, 27, 13 strafbar gemacht.
II.
Ergebnis Strafbarkeit des T in TK 2:
T hat sich nicht strafbar gemacht.
Anmerkung:
Ein Gesamtergebnis war nicht zwingend erforderlich, da sich die Beteiligten jeweils nur in einem
Tatkomplex strafbar gemacht haben.
Anmerkungen bitte an an [email protected]