Carl Schaefer: Betrieb eingestellt

Carl Schaefer: Betrieb eingestellt
Am 13. Juli hat die Carl Schaefer (Schweiz) AG in Birr ihre Bilanz infolge Überschuldung beim Bezirksgericht Brugg deponiert. Eine knappe Woche zuvor hat das deutsche Mutterhaus in Pforzheim Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
gestellt. Für die Kunden beider Unternehmen kommt die Geschäftsaufgabe überraschend, die Zukunftsaussichten hingegen
sind sehr unterschiedlich.
Mitten in der Ferienzeit, am 7.
Juli, kam die Meldung: Die Carl
Schaefer GmbH & Co. KG habe
beim Pforzheimer Amtsgericht
Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. In
einer Pressemitteilung kommuniziert das 1861 gegründete
Unternehmen, dass Liquiditätsprobleme zu diesem Entscheid
geführt hätten. Bereits in der
Vergangenheit hätten Defizite
überwiegend aus den Rücklagen finanziert werden müssen
und eine Erholung im zweiten
Halbjahr 2015 sei nicht mehr zu
erwarten gewesen.
Bei Carl Schaefer wird seit Anfang Juli kein
Altgold mehr geschmolzen (Symbolbild).
In Deutschland hat Carl Schaefer
rund 60 Personen in den Bereichen Edelmetallhalbzeug und
-recycling sowie Edelmetallmanagement beschäftigt. Mit
Zweigstellen und Tochtergesellschaften in Österreich, Ungarn, Tschechien, Irland und der
Schweiz versuchte die Pforzheimer Scheideanstalt in den letzen Jahren, neue Märkte zu erschliessen; im Februar lancierte
das Pforzheimer Unternehmen
sogar eine eigene Schmucklinie unter dem Namen Carl Schaefer Jewellery. Eine weitere deutsche Tochter, die Carl Schaefer (Casting)
GmbH & Co. KG, hat am 17. Juli ebenfalls Insolvenzantrag gestellt.
Hoffnung in Deutschland
Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde der branchenbekannte
Stuttgarter Rechtsanwalt Wolfgang Bilgery bestellt. Seine Aufgabe ist
es, Vermögenswerte zu sichern und den aufgetürmten Schuldenberg
zu sichten, anschliessend soll das deutsche Unternehmen einen Restrukturierungsprozess durchlaufen. Die Inhaberfamilie sowie Mitarbeiter, Kunden und Zulieferer hoffen nun, dass ein Investor für die Übernahme und Restrukturierung gefunden wird und der Geschäftsbetrieb
weiterlaufen kann. Das deutsche Insolvenzrecht sowie bekannte Fälle
anderer Unternehmen aus der Schmuckbranche zeigen, dass solche
Hoffnungen durchaus berechtigt sind - wobei der Imageverlust, den
die Scheideanstalt erlitten hat, nicht unbedeutend ist.
Konkurs ist definitiv
Das Konkursverfahren der Schweizer Tochter Carl Schaefer (Schweiz)
AG läuft seit dem 13. Juli, zuständig ist das Konkursamt Aargau,
Amtsstelle Brugg. Leiter Christoph Fuhrer bestätigt, dass die üblichen Schritte hier – im Gegensatz zu Deutschland – die komplette
Liquidation und Auflösung der Gesellschaft sind. Da es sich um eine
sehr komplexe Konstellation handelt unterstützt die Firma Transliq AG
in Bern und Zürich das Konkursamt in einer Hilfspersonenfunktion.
Zur Zeitspanne des Verfahrens kann Fuhrer keine Angaben machen.
Grundsätzlich kann eine Liquidation von einem bis zu mehreren Jahren dauern.
Hunderte Geschädigte
Im Konkursverfahren der Carl Schaefer
(Schweiz) AG ist von 500 bis 700 Geschädigten auszugehen. Ein Grossteil von ihnen hat
sich beim Konkursamt in Brugg bereits gemeldet. Es sind dies vor allem Goldschmiedinnen und Goldschmiede, die bei Carl Schaefer (Schweiz) AG Metallkonti mit Guthaben aus
dem Altgoldrecycling für zukünftige Lieferungen unterhalten haben. Gemäss Fuhrer weist
die Bilanz der Schweizer Tochtergesellschaft
Verpflichtungen (Passiven) von rund zehn Millionen Franken aus. Auf der Aktivseite stehen
diesen Verpflichtungen Forderungen gegenüber Kunden, deren Werthaltigkeit sich erst im
Verlaufe des Konkursverfahrens zeigen wird,
von rund sechs Millionen Franken und Vorräte von rund drei Millionen Franken gegenüber.
Allfällige substanzielle Nachforderungen der
Mehrwertsteuer sind in diesen Zahlen nicht
enthalten.
Angeblich nichts gewusst
Schweizer Kundinnen und Kunden erhielten
am 17. Juli einen Brief, unterschrieben von
sechs Vertriebsmitarbeitern, darunter Bruno
und Damian Berner, einem Produktionsmitarbeiter und einer Verwaltungsangestellten.
Sie alle verlieren ihren Arbeitsplatz. In ihrer
Stellungnahme schreiben sie, dass sie sich von der deutschen Geschäftsleitung im Stich gelassen fühlen. Sie hätten nie oder nur verspätet von den Vorkommnissen erfahren und zu keinem Zeitpunkt die
Möglichkeit gehabt, eventuelle Lösungen zu planen oder einzuleiten.
„Wir stehen nun da mit leeren Händen. Wir haben grosses Bedauern
mit Ihnen und den damit verbundenen Konsequenzen, welche auch
Sie zu tragen haben! Das ganze Team wird sich weiterhin soweit wie
möglich für Sie und Ihre Anliegen einsetzen“, heisst es weiter. Ansprüche und Aussonderungsbegehren seien jedoch an das Konkursamt
zu richten.
Wie weiter?
Forderungen gegenüber der Carl Schaefer (Schweiz) AG sind Bestandteil des Konkursverfahrens. Diese Forderungen werden zu einem
späteren Zeitpunkt, sofern berechtigt, in den Kollokationsplan aufgenommen. Gemäss diesem werden zuerst Arbeitnehmerforderungen
berücksichtigt, anschliessend die Sozialversicherungsforderungen
und erst auf Stufe drei alle weiteren Gläubiger. Wer bei der konkursiten Firma Guthaben hat, muss sich schriftlich beim Konkursamt
melden. Hierfür wird zu einem späteren Zeitpunkt noch ein Schuldenruf publiziert. Gemäss Christoph Fuhrer, Leiter des zuständigen
Konkursamts in Brugg, werden Forderungen einzeln geprüft. Sind sie
berechtigt, erhalten diese Gläubiger ihren Anteil an den Aktiven.
Zahlreiche Schweizerinnen und Schweizer prüfen zurzeit zudem eine
strafrechtliche Klage gegenüber den Verantwortlichen oder haben
diese bereits eingereicht.
Tanja Wenger-Fuhrer und Marcel Weder
TRADE - 10