» Die zentrale Herausforderung auf dem Weg in eine ›data driven economy‹ ist, Deutschland zu einem international führenden Standort der Datenwirtschaft weiterzuent wickeln.« Thorsten Dirks Präsident, Bitkom e. V. Leitlinien für den Big-Data-Einsatz Chancen und Verantwortung www.bitkom.org Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Impressum Herausgeber B ITKOM Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. Albrechtstraße 10 | 10117 Berlin Tel.: 030 27576-0 | Fax: 030 27576-400 [email protected] www.bitkom.org Ansprechpartner Dr. Mathias Weber | B ITKOM e. V. Tel.: 030 27576-121 | [email protected] Verantwortliches Bitkom-Gremium AK Big Data in Zusammenarbeit mit AK Datenschutz Projektleitung Arnd Böken, Graf von Westphalen Rechtsanwälte Partnerschaft Copyright Bitkom, September 2015 Diese Publikation stellt eine allgemeine unverbindliche Information dar. Die Inhalte spiegeln die Auffassung im Bitkom zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wider. Obwohl die Informationen mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, besteht kein Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und/oder Aktualität, insbesondere kann diese Publikation nicht den besonderen Umständen des Einzelfalles Rechnung tragen. Eine Verwendung liegt daher in der eigenen Verantwortung des Lesers. Jegliche Haftung wird ausgeschlossen. Alle Rechte, auch der auszugs weisen Vervielfältigung, liegen beim Bitkom. Leitlinien für den Big-Data-Einsatz Chancen und Verantwortung Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung 1 2 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Inhaltsverzeichnis 1Geleitwort��������������������������������������������������������������������7 2Geleitwort������������������������������������������������������������������ 11 3 Management Summary������������������������������������������������������� 14 4 Nutzen ��������������������������������������������������������������������� 22 4.1Energiewende___________________________________________________________ 23 4.2Verkehrssysteme_________________________________________________________ 24 4.3 Medizinische Forschung und Diagnostik_____________________________________ 26 4.4 Öffentlicher Bereich______________________________________________________ 31 4.5 Vorhersage von Krisensituationen__________________________________________ 33 4.6 Bildung und Qualifizierung________________________________________________ 35 4.7Finanzdienstleistungen___________________________________________________ 37 4.8Landwirtschaft__________________________________________________________ 38 4.9 Connected Car – aus Sicht privater Nutzer____________________________________ 39 4.10 Digitale Einkaufswelten___________________________________________________ 40 4.11 Online-Marketing und Nutzen von Big Data für Verbraucher____________________ 41 4.12 Industrie 4.0_____________________________________________________________ 42 4.13Telekommunikation______________________________________________________ 44 4.14 Verbesserung des Datenschutzes in Rechenzentren____________________________ 45 5 Bisher ungenutzte Chancen beim Einsatz von Big Data______________________________ 50 6 Bedeutung der Datenwirtschaft in der zukünftigen Wirtschaft_______________________ 56 7 Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien___________________________________________ 62 7.1 Big Data im internationalen Wettbewerb____________________________________ 63 7.2 Vertrauensentwicklung bei Verbrauchern – Best Practices______________________ 65 7.3 Transparenz bei Big-Data-Analysen_________________________________________ 66 7.4 Wie Analyseergebnisse zustande kommen ___________________________________ 68 7.5 Bedeutung ethischer Grundsätze bei Big-Data-Lösungen_______________________ 70 7.6Stimulierung gesellschaftlich wünschenswerter Verhaltensweisen_______________ 72 7.7 Datensammlung im Automatismus_________________________________________ 73 7.8 Recht auf Vergessenwerden?_______________________________________________ 74 7.9Umgang mit Wahrscheinlichkeiten und Verhaltensprognosen___________________ 77 7.10 Erkenntnisse aus der Kommunikation in Sozialen Netzwerken____________________ 78 8 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz_______________________________________________ 82 9 Big Data und Datenschutz: Politischer Handlungsbedarf____________________________ 88 10Autorenverzeichnis____________________________________________________________ 92 11 Verzeichnis der Abkürzungen___________________________________________________ 93 12Sachwortverzeichnis___________________________________________________________ 94 13Quellen��������������������������������������������������������������������� 97 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Verzeichnis der Abbildungen Abbildung 1: Big Data als Motor für Industrie 4.0_______________________________________ 43 Verzeichnis der Tabellen Tabelle 1: Gesellschaftliche Implikationen autonomer Fahrzeuge_________________________ 40 Tabelle 2: Einflussbereiche von Big Data______________________________________________ 43 Verzeichnis der Leitlinien Leitlinie 1 – Nutzen der Big-Data-Anwendungen prüfen_________________________________ 82 Leitlinie 2 – Anwendungen transparent gestalten______________________________________ 82 Leitlinie 3 – Bevorzugt anonymisierte oder pseudonymisierte Daten verarbeiten____________ 82 Leitlinie 4 – Interessen der Beteiligten abwägen________________________________________ 82 Leitlinie 5 – Einwilligungen transparent gestalten______________________________________ 82 Leitlinie 6 – Nutzen für Betroffene schaffen____________________________________________ 82 Leitlinie 7 – Governance für personenbezogene Daten etablieren_________________________ 82 Leitlinie 8 – Daten wirksam gegen unberechtigte Zugriffe schützen_______________________ 82 Leitlinie 9 – Keine Daten zu ethisch-moralisch unlauteren Zwecken verarbeiten ____________ 82 Leitlinie 10 – Datenweitergabe nach Interessenabwägung ermöglichen____________________ 83 Leitlinie 11 – Selbstbestimmtes Handeln ermöglichen__________________________________ 83 Leitlinie 12 – P olitische Rahmenbedingungen vervollkommnen – Datenschutz und Datennutzen neu abwägen______________________________________________ 83 3 1 Geleitwort Epochale Chancen: Die digitale Transformation erfolgreich gestalten 6 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Geleitwort – Epochale Chancen: Die digitale Transformation erfolgreich gestalten Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Geleitwort – Epochale Chancen: Die digitale Transformation erfolgreich gestalten 1Geleitwort Epochale Chancen: Die digitale Transformation erfolgreich gestalten Wir erleben derzeit die spannendste Revolution, die es in der Wirtschafts- und Technologie geschichte je gab. In den kommenden zehn Jahren wird sich die Welt so stark verändern wie nie zuvor. Dabei ist es nicht nur das Ausmaß der Veränderung, es ist ebenso ihre Geschwindigkeit, die das Hier und Jetzt so einmalig macht. Die industrielle Revolution dauerte über einhundert Jahre, fünf Generationen. Die digitale Revolution wird zehn, maximal zwanzig Jahre benötigen. Eine Generation, mehr nicht. Ihre Bedeutung für jeden Einzelnen von uns, für die Gesellschaft, unser Wertesystem, die Politik, wird dabei in nichts hinter dem zurückstehen, was vormals die industrielle Revolution mit sich brachte. Eine erfolgreiche digitale Transformation wird zusätzlichen Wohlstand schaffen. Dabei fallen enorme Datenmengen an. Professor Roberto Zicari von der Goethe-Universität Frankfurt schätzt, dass jeden Tag etwa 2,5 Trillionen Bytes Daten neu generiert werden. Derzeit generieren wir alle zwei Tage so viele Daten wie vom Beginn der Menschheitsgeschichte bis zum Jahr 2003 – so eine Schätzung Eric Schmidts. Die digitale Revolution wird nur funktionieren, wenn wir diese enormen Mengen sinnvoll strukturieren und analysieren können und verantwortungsvoll mit ihnen umgehen. Big Data Technologien, mit denen sich die exponentiell wachsenden Datenmengen zielorientiert und nahezu in Echtzeit analysiert werden können, sind inzwischen verfügbar. So lassen sich Krebs besser heilen, Herzinfarkte leichter vermeiden und der Straßenverkehr so steuern, dass es nicht nur weniger Staus und Schadstoffausstoß, sondern auch weniger Unfallopfer gibt. Viele denken bei dem Begriff Big Data unwillkürlich an Big Brother, an eine Bedrohung orwellschen Ausmaßes. Für die Politik heißt es, bewusst und behutsam mit dem Thema umzugehen. Weder darf man Risiken ausblenden, noch darf man aus Angst vor Risiken die Chancen ungenutzt lassen. Dieses Positionspapier zeigt insbesondere die Chancen auf. Wir sind auf dem Weg in eine „data driven economy“. Die zentrale Herausforderung ist, Deutschland zu einem international führenden Standort der Datenwirtschaft weiterzuentwickeln. Thorsten Dirks Präsident Bitkom e. V. 7 2 Geleitwort Big-Data-Zeitalter: Herausforderungen erkennen und gestaltend annehmen 10 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Geleitwort – Big-Data-Zeitalter: Herausforderungen erkennen und gestaltend annehmen Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Geleitwort – Big-Data-Zeitalter: Herausforderungen erkennen und gestaltend annehmen 2Geleitwort Big-Data-Zeitalter: Herausforderungen erkennen und gestaltend annehmen Die Digitalisierung unserer Welt verändert unser Leben, revolutioniert ganze Industrien, eröffnet neue Geschäftsmodelle und stellt uns in Wirtschaft und Gesellschaft vor neue und große Herausforderungen. Sie ist in allen Lebens- und Unternehmensbereichen mit einem rapiden Wachstum an digitalen Datenbeständen verbunden, weshalb gerne auch vom aufkommenden BigData-Zeitalter gesprochen wird. Jedes Ding und jeder Vorgang der realen Welt bekommt eine digitale Hülle, über die sie mit anderen Dingen und Vorgängen IT-technisch verknüpft werden können, und vermittels derer Kommunikation und intelligente Interaktion möglich wird. Der Umgang mit diesen großen Datenmengen und ihre Nutzung ist die Grundlage für die digitale Transformation und bestimmt Ausrichtung und Geschwindigkeit des sich vollziehenden Wandels. Ihm kommt deshalb eine grundlegende Bedeutung zu, nicht nur für die Wirtschaft, sondern für alle Felder des gesellschaftlichen Miteinanders. Wenn es uns in Deutschland nicht gelingt, diese Herausforderung zu erkennen und gestaltend anzunehmen, wird dies gravierende Auswirkungen auf unsere weitere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung und den Wohlstand jedes Einzelnen haben; es besteht die Gefahr, digitale Kolonie zu werden. Ein ganz wichtiger Aspekt beim Thema digitale Transformation und Big Data ist die Frage, welche Auswirkungen Big-Data-Techniken auf unser persönliches Leben haben werden. Deutschland beschwört eine besondere Tradition im Kontext des Datenschutzes; Prinzipien wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder das Konzept der Datensparsamkeit und Datenver meidung waren bewährte Richtlinien in der Vergangenheit. Doch liefern diese Prinzipien auch die richtigen Antworten auf die Herausforderungen des neuen Big-Data-Zeitalters? Hier bedarf es dringend eines umfassenden gesellschaftlichen Dialogs, in dem die Tauglichkeit dieser Prinzipien für das Big-Data-Zeitalter hinterfragt und wo immer nötig kreativ weiterentwickelt werden. Dabei braucht es Antworten, die es erlauben, die sich bietenden Potenziale zu erschließen und gleichzeitig möglichen Fehlentwicklungen von vornherein einen Riegel vorzuschieben. Um diesem Dialog eine verlässliche Basis zu geben, braucht es eine solide und vertrauenswürdige Informationsgrundlage, die auf der Basis von konkreten Pilotanwendungen verlässlich Auskunft über Chancen und Risiken der Big-Data-Technologie gibt und so eine Richtschnur aufzeigt zur Entwicklung ethischer Grundsätze für einen einwandfreien und konsensfähigen Einsatz von Big-Data-Analysen. Das vorliegende Positionspapier leistet hierzu einen wichtigen Beitrag. Prof. Dr. Christoph Meinel Institutsdirektor und CEO, Hasso-Plattner-Institut GmbH 11 3 Management Summary 14 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Management Summary 3Management Summary Ziele, Zielgruppen, Schwerpunkte Diese Publikation adressiert Entscheidungsträger in der Politik und in den Datenschutzbehörden, private Verbraucher sowie die breite Öffentlichkeit und die Medien. Es wendet sich ebenfalls an die Nutzer von Big-Data-Technologien und -Lösungen in der Wirtschaft, deren Anbieter sowie Ethikbeauftragte. Sie verfolgt das Ziel, rechtspolitische Positionen und Leitlinien für den ethisch fundierten, verantwortungsbewussten Einsatz von Big Data zu formulieren. Die Publikation soll auch zu mehr Transparenz im Bereich Big-Data-Anwendungen beitragen, denn Information und Transparenz schaffen die Basis für Vertrauen. Das Positionspapier entwickelt die Handlungsempfehlungen aus dem Strategiepapier für den Nationalen IT Gipfel 20141 weiter und konzentriert sich auf zwei Schwerpunkte: ◼◼ Mit Beispielanwendungen wird der vielfältige Nutzen für die Verbraucher und die Gesellschaft insgesamt gezeigt, den Big-Data-Anwendungen mit sich bringen. Die Beispiele stammen aus vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens – u. a. aus den Einsatzgebieten Hochwasserschutz, Verkehrsplanung und -überwachung, Forensik, aus der medizinischen Forschung und Diagnostik sowie aus Wirtschaftszweigen, mit deren Produkten und Services private Verbraucher besonders oft konfrontiert werden. ◼◼ Den zweiten Schwerpunkt bilden Fragestellungen, die im Zusammenhang mit Big-DataAnwendungen im Fokus des öffentlichen Interesses stehen. Dazu gehören u. a. der Datenschutz, die Vertrauensentwicklung, die Transparenz, die automatisierte Datensammlung sowie die ethische Fundierung (vgl. Kapitel 7). Aus diesen Darlegungen im Kapitel 7 werden dann Leitlinien2 für den Big-Data-Einsatz (Kapitel 8) und Vorschläge an die Politik (Kapitel 9) abgeleitet. Nutzen von Big-Data-Anwendungen für die Verbraucher und die Gesellschaft Big Data bezeichnet den Einsatz großer Datenmengen aus vielfältigen Quellen mit einer hohen Verarbeitungsgeschwindigkeit zur Erzeugung wirtschaftlichen Nutzens.3 Big-Data-Technologien werden in sehr vielen Bereichen eingesetzt und können zu einem hohen Nutzen führen – für Unternehmen, für Verbraucher und die Gesellschaft4 insgesamt (vgl. Kapitel 4). Einsatzbeispiele aus 14 Bereichen werden vorgestellt – hier nur eine Auswahl: 1 Das vorliegende Positionspapier knüpft insbesondere an die Handlungsempfehlung »Schaffung und Berücksichtigung rechtlicher und ethischer Rahmenbedingungen« an – vgl. (Projektgruppe Smart Data, 2014, S. 17.) 2 Leitlinie wird hier als Handlungsempfehlung verstanden. 3 Vgl. (Bitkom, 2012). Bitkom hat eine Serie weiterer Entscheidungshilfen zu Big Data vorgelegt – vgl. (Bitkom, 2013), (Bitkom, 2014), (Bitkom, 2015) und (Bitkom, 2015a). Eine Übersicht über die Anbieterlandschaft bietet u. a. eine Untersuchung der Experton Group – vgl. (Landrock et al., 2014). 4 Prof. Roberto Zicari fördert am Big Data Lab der Goethe-Universität Frankfurt Ansätze, Big Data zum Nutzen der Gesellschaft einzusetzen, vgl. (Drilling/Litzel, 2015). ◼◼ Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Management Summary Big-Data-Anwendungen im Gesundheitswesen unterstützen die Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen, die Hilfe für Infarktbetroffene, die Bereitstellung personalisierter Medikamente z. B. gegen Erbkrankheiten oder die Überwachung von Vitalparametern von Früh geborenen, Senioren oder chronisch Kranken. ◼◼ Im öffentlichen Bereich werden Big-Data-Technologien zurzeit vorrangig für Sicherheitsauf gaben, die Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität sowie im Katastrophenmanagement eingesetzt. Andere europäische Länder nutzen Big-Data-Anwendungen für öffentliche Aufgaben, bei denen in Deutschland besondere Rahmenbedingungen gelten, die bisher dem Einsatz entgegenstanden. Viel wird davon abhängen, wie die in Diskussion befindliche EU-Datenschutz-Grundverordnung5 konkret ausgestaltet wird. ◼◼ Sensor-, Cloud- und Big-Data-Technologien gehören zu den Grundlagen für autonome Fahrzeuge und lassen tiefgreifende Veränderungen bei Mobilitätslösungen erwarten. Diese Technologien leisten auch einen unverzichtbaren Beitrag für Industrie 4.0 sowie für intelligente Stromnetze und Verkehrssysteme der Zukunft. ◼◼ Mit Big-Data-Technologien erhöhen die Telekommunikationsunternehmen die Leistungsfähigkeit ihrer Infrastruktur. Sie können außerdem anonymisierte Bewegungsmuster ihrer Kunden erzeugen, die u. a. bei der Verkehrsplanung und -steuerung hilfreich sind. Insgesamt wird die Datenwirtschaft die Geschäftsmodelle vieler Branchen unserer Industrie- und Dienstleistungslandschaft umkrempeln. Big Data wirkt als Katalysator für die Entstehung bzw. Modifizierung von Geschäftsmodellen6, ist bereits unternehmerische Realität und eröffnet neue Möglichkeiten für innovative Unternehmen und Startups. Transparenz über den Nutzen von Big Data in vielen Einsatzgebieten hilft der Politik, informierte Entscheidungen zu treffen. Chancen ergreifen, Risiken eindämmen Die vielen Einsatzmöglichkeiten dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Big Data nicht frei von Risiken ist, wenn es um personenbezogene Daten geht oder wenn Kausalzusammenhänge falsch interpretiert werden.7 Unsere Gesellschaft steht vor der Herausforderung, Missbrauch zu verhindern, Freiheitsrechte zu bewahren und die Privatsphäre zu sichern. Diesem Ziel dient der Dreiklang aus Gesetzen, Selbstverpflichtungen und ethischen Leitlinien der Wirtschaft und öffentlichem Diskurs in einer demokratisch verfassten Gesellschaft. Dieser Dreiklang stärkt die Immunität unserer Gesell- 5 Vgl. http://www.eu-datenschutzverordnung.de 6 Vgl. (Bitkom, 2015). 7 Vgl. Kapitel 7 in (Bitkom, 2014). 15 16 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Management Summary schaft gegen ein Abgleiten in eine orwellsche Welt und bewahrt unsere demokratischen Grundsätze und Wertvorstellungen sowie das grundsätzliche Prinzip der Solidargemeinschaft. Letztlich ist es ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess, wie mit den Ergebnissen bestimmter Big-Data-Analysen umgegangen wird. Klar ist: Für den Einsatz von Big-Data-Prognosen gibt es Grenzen. Prognosen dürfen nicht die Chancengleichheit von Menschen einschränken oder Menschen diskriminieren. Staatliche Zwangsmaßnahmen dürfen nicht an prognostizierten, sondern nur an tatsächlich begangenen Handlungen ansetzen. Die Kombination aus Gesetzen, in der Wirtschaft gelebten Werten und der informierten Öffentlichkeit wird verhindern, dass ambitionierte Big-Data-Anbieter bei der »Vermessung« des Menschen über das Ziel hinausschießen. Chancen und Risiken müssen bei jeder Anwendung konkret abgewogen werden – Pauschalurteile genügen hier nicht. Neuen Technologien schlägt immer Skepsis und auch Ablehnung entgegen. In der breiten Öffentlichkeit ist zu wenig über erfolgreiche Big-Data-Anwendungen bekannt. Mehr Informationen, mehr Fallbeispiele, mehr Transparenz tragen zur Akzeptanz bei. Hier sind auch die Anbieter gefordert. Schwerpunkte im öffentlichen Diskurs Der Einsatz von Big-Data-Technologien ist Gegenstand eines intensiven öffentlichen Diskurses. In Kapitel 7 werden ausgewählte Fragen aufgegriffen, die aus Sicht des B itkom besonders wichtig sind. ◼◼ Rechtssicherheit auf europäischer Ebene: Für Big Data in der internationalen Dimension sind einheitliche, international geltende Regeln erforderlich. Die in Diskussion befindliche EUDatenschutz-Grundverordnung bleibt derzeit noch hinter den Möglichkeiten und Erfordernissen der Digitalisierung zurück. Es ist Aufgabe der Politik, für die angemessenen Rahmenbedin gungen zu sorgen. ◼◼ Transparenz und Verbraucherakzeptanz von Big Data: Damit die Verbraucher Big-DataAnwendungen akzeptieren, müssen ihre Vorbehalte und Ängste verstanden und ernst genommen werden. Transparenz ist ein wesentlicher Schlüssel für die Akzeptanz von Big-DataLösungen in der öffentlichen Meinungsbildung. Die Technologieanbieter sollten sich zu einer ethisch fundierten Herangehensweise bekennen und Transparenz herstellen. ◼◼ Bedeutung automatisierter Datensammlung: Die automatisierte Sammlung von Daten bietet sowohl für den Verbraucher als auch für Unternehmen einen erheblichen Mehrwert. Zu gewährleisten ist dabei aber, dass die rechtlichen Vorgaben beachtet werden und der Verbraucher den Überblick darüber behält, welche Daten seine Geräte übermitteln, um selbstbestimmt handeln zu können. ◼◼ Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Management Summary Recht auf Vergessenwerden: Die Forderung eines »Rechts auf Vergessenwerden« geht an der technologischen Realität vorbei. Vielmehr geht es um selbstbestimmtes Löschen und darum zu erfahren, wo welche personenbezogenen Daten liegen. ◼◼ Grenzen für Prognosen: Prognosen auf der Basis von Big-Data-Einsatz können an Grenzen geraten – sie dürfen nicht die Chancengleichheit von Menschen beschneiden. ◼◼ Analyse Sozialer Netzwerke: Unternehmen sollten bei der Analyse der Kommunikation in Sozialen Netzwerken umsichtig agieren und die Interessen der Betroffenen angemessen berücksichtigen. Leitlinien für den Big-Data-Einsatz Da nicht sämtliche Einzelheiten des Wirtschaftslebens durch Gesetze geregelt werden können, sind Leitlinien für die Unternehmen als Orientierungsrahmen bei der Entwicklung und Nutzung von Big-Data-Technologien hilfreich. Die Leitlinien sollen Hinweise für die Kommunikation mit Verbrauchern geben, Best Practices für das Prozessmanagement und die Unternehmensorganisation bieten und den Unternehmen insgesamt eine Richtschnur für einen ethisch und juristisch einwandfreien Einsatz von Big-DataAnalysen aufzeigen. Besondere Verantwortung tragen Organisationen, wenn sie personenbezogene Daten verarbeiten. Dieses Positionspapier zeigt auch die Grenzen für den Big-Data-Einsatz auf. Mit einem ent sprechenden Design von Prozessen und Organisation sowie mit Programmierungs-Know-how wappnen sich Unternehmen gegen Fehler im Umgang mit Big Data. Die vorliegende Publikation ist Teil eines länger dauernden Meinungsbildungsprozesses in der Gesellschaft8, steht doch die Nutzung von Big Data in Wirtschaft und Verwaltung noch am Anfang. Der Diskurs über Chancen und Risiken kann nur anhand konkreter Anwendungen geführt werden. Demzufolge wird es erforderlich sein, die Leitlinien im Zuge der öffentlichen Diskussion weiterzuentwickeln. Dann wird auch erkennbar, ob die generischen Leitlinien in eine Selbst verpflichtung9 der Big-Data-Anbieter münden können oder ob es weiterer Regulierung bedarf. Politischer Handlungsbedarf Dieses Positionspapier ist ein Plädoyer für einen fortwährenden gesellschaftlichen und politischen Diskurs, um gesellschaftlich akzeptierte Standpunkte zu Big Data zu entwickeln. Chancen und Risiken müssen in diesem Diskurs in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden und 8 Mit der »Schaffung und Berücksichtigung ethischer Rahmenbedingungen« befasst sich auch die Fachgruppe »Wirtschaftliche Potenziale und gesellschaftliche Akzeptanz«, die im Rahmen der Begleitforschung für das BMWi-Technologieprogramm »Smart Data – Innovationen aus Daten« etabliert wurde. Vgl. (BMWi, 2015). 9 Vgl. (Swisscom, o.J.), (Deutsche Telekom, o.J.). 17 18 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Management Summary an diesem Maßstab sollten sich die rechtlichen Vorgaben orientieren. Bisher wurde Big Data lediglich unter Schutzaspekten gesetzlich erfasst. Es gilt jedoch, positive Nutzungsregeln ins Auge zu fassen, die der zentralen Bedeutung von Daten in einer Data Driven Economy gerecht werden. Struktur des Positionspapiers Das Positionspapier umfasst sechs Kapitel, die durch Geleitworte, Management Summary sowie Verzeichnisse der Autoren, Sachwörter und Quellen ergänzt werden. ◼◼ Das Kapitel 4 soll zeigen, welchen Nutzen Big Data für die Gesellschaft insgesamt hat. Das gilt auch für eine so wichtige Entwicklung wie Industrie 4.0, die das Arbeitsleben zukünftig grundlegend umgestalten wird. Da die Einsatzgebiete und konkreten Anwendungen in der Öffentlichkeit noch zu wenig bekannt sind, legen die Autoren Wert auf Vielfalt und verständ liche Darstellung. Für den schnellen Leser sind auch alle Abschnitte dieses Kapitels mit kurzen Zusammenfassungen versehen. ◼◼ Impulse für den Big-Data-Einsatz in Wirtschaft und Verwaltung kann auch der Blick über die Landesgrenzen hinaus vermitteln. Im Kapitel 5 werden Beispiele für Big-Data-Anwendungen vorgestellt, die aus verschiedenen Gründen in Deutschland (noch) nicht zum Tragen kommen. ◼◼ Das Kapitel 6 richtet den Blick über einzelne Big-Data-Anwendungen hinaus und charakterisiert die Datenwirtschaft als dynamische neue Branche der Volkswirtschaft, die Unternehmen vieler Branchen Geschäftsmodell-Innovationen und Wachstumspotenziale eröffnet. ◼◼ Das Kapitel 7 greift wichtige Aspekte aus dem öffentlichen Diskurs um den Big-Data-Einsatz auf und stellt Positionen des Bitkom vor. ◼◼ Kapitel 8 formuliert prägnante Leitlinien. ◼◼ Kapitel 9 wendet sich mit Vorschlägen an die Politik. Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Management Summary 19 4 Nutzen von Big-DataAnwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen 22 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen 4Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen Das Kapitel 4 zeigt an Beispielen aus 14 ausgewählten Bereichen die Bedeutung von Big-Data-Technologien für die Gesellschaft und die Verbraucher auf.10 ◼◼ Die durchgehende Digitalisierung der meisten Geschäftsprozesse in Unternehmen und Organisationen führt zu einem enormen Anstieg der Daten. Die dafür erforderliche Verbesserung von Dateninfrastrukturen steigert die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und prägt maßgeblich die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland.11 Von modernen Dateninfrastrukturen profitieren u. a. die Energieversorgung, das Verkehrswesen, das Gesundheitswesen und die staatliche Verwaltung. Wegen ihrer Bedeutung für die privaten Verbraucher werden auch Beispiele aus Bereichen wie Finanzdienstleistungen, Mobilität (Connected Car) oder Telekommunikation aufgeführt. Zusätzlich wird gezeigt, dass Industrie 4.0 aus Big-Data-Ansätzen maßgebliche Impulse erhält – auch wenn der Nutzen für private Verbraucher nicht unmittelbar ersichtlich wird. ◼◼ Die Bereitstellung von Nahrungsmitteln für eine auch weiter rasant steigende Weltbevölkerung ist eine eminent politische Aufgabe. Insofern sind die Möglichkeiten des Big-Data-Einsatzes in der Landwirtschaft von enormer gesellschaftlicher Relevanz. ◼◼ Das Internet der Dinge und Big Data dringen schrittweise von der Produktionskette bis an die Ladentheke. Big Data gibt dem (Online-)Händler Werkzeuge in die Hand, die potenziellen Käufer mit individuellen Angeboten zu adressieren und bis zur Kaufentscheidung zu begleiten. ◼◼ Big Data trägt zur Erhaltung eines kostenfreien, da werbefinanzierten Angebots-Ökosystems im Internet bei. Verbraucher profitieren von qualitativ hochwertigen und kostenfreien Inhalten, Dienstanbieter von optimierten Erträgen aus der Bereitstellung ihrer Services. Die Datenwirtschaft wird die Geschäftsmodelle vieler Branchen unserer Industrie- und Dienstleistungslandschaft umkrempeln. Zahlreiche Beispiele aus Unternehmen zeigen die Entstehung bzw. Modifizierung von Geschäftsmodellen durch Big Data auf. Big Data ist unternehmerische Realität und eröffnet neue Möglichkeiten für innovative Unternehmen und Startups. Der Wert eines Produktes aus Verbrauchersicht wird immer stärker durch intelligente Software-Funktionalität und kontext-sensitive Bereitstellung von Daten geprägt (digitale Anreicherung). 10 Zahlreiche Einsatzbeispiele von Big-Data in der privaten Wirtschaft enthalten die Leitfäden des B itkom (Vgl. insbesondere (Bitkom 2012) und (Bitkom 2015)). Weitere wurden auf den Kongressen »Big Data Summit« vorgestellt (vgl. www.bitkom-bigdata.de). 11 Mit dem Big-Data-Einsatz in Bereichen wie Energie- und Verkehrswesen werden enorme Ressourcen gespart und Beiträge zum Umweltschutz erbracht. Damit wird der Forderung entsprochen, dem Leitbild der nach haltigen Entwicklung zum Durchbruch zu verhelfen. Vgl. dazu (Kreibich, 2015). Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen 4.1 Energiewende Das intelligente Stromnetz der Zukunft besteht aus einer großen Zahl von technischen Systemen, die durch Daten-Dienste miteinander verbunden sind. Dazu gehören die Erfassung, Speicherung, Verarbeitung und Visualisierung aller technischen und betriebswirtschaftlichen Daten und komplexe Optimierungsrechnungen. Big Data, Cloud Computing, Datenschutz und IT-Sicherheit sind für Smart Grids essenziell. Die Bundesregierung plant den Einsatz von Smart Metering in deutschen Haushalten. Die Optimierung des privaten Verbrauchs von Elektroenergie leistet einen bedeutenden Beitrag zur Energiewende. 2013 hat das jetzige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie eine Studie für den flächendeckenden Einsatz von Smart Metering in Deutschland vorgestellt.12 Ein Szenario geht davon aus, dass bis 2022 mehr als zehn Millionen digitale Zähler installiert sind und die Innovation somit rund zwei Drittel aller Haushalte und Unternehmen erfasst. Smart Meter bilden die Grundlage für ein intelligentes Stromnetz der Zukunft (Smart Grid). Das intelligente Stromnetz verbindet Erzeuger und Verbraucher sowie Energiespeicher und ermöglicht den Austausch von Zustandsinformationen. So wird es möglich, Angebot und Nachfrage besser aufeinander abzustimmen und zeitnah auf Schwankungen zu reagieren. Das kann nur funktionieren, wenn es gelingt, die Daten von Millionen Verbrauchern in kurzer Zeit zu ver arbeiten und eine Rückkopplung an die Verbraucher z. B. in Form von Preisinformationen zu gewährleisten, um die Motivation zur Verminderung des Verbrauchs in Zeiten von vergleichsweise geringem Angebot zu stärken. Das intelligente Stromnetz der Zukunft besteht aus einer großen Zahl von technischen Systemen, die durch Daten-Dienste miteinander verbunden sind. Dazu gehören die Erfassung, Speicherung, Verarbeitung und Visualisierung aller technischen und betriebswirtschaftlichen Daten und komplexe Optimierungsrechnungen. Big Data, Cloud Computing und IT-Sicherheitstechnologien gehören zu den Technologien, die im intelligenten Stromnetz eingesetzt werden.13 Der Nutzen eines intelligenten Stromnetzes für Privatverbraucher ist offensichtlich: Sie erhalten eine deutlich höhere Transparenz über ihren Verbrauch und können Kostentreiber im Haushalt identifizieren und abstellen. 12 Vgl. (Ernst & Young, 2013). 13 Vgl. (Daniel, 2014) sowie (Bitkom, 2013, S. 88-90). 23 24 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen 4.2 Verkehrssysteme Der Einsatz von Big-Data-Lösungen im Luft-, Schienen- und Straßenverkehr ermöglicht jedes Jahr Millioneneinsparungen und verbessert die Umweltbilanz entscheidend. Gleichzeitig können die Beförderungsangebote besser auf den Bedarf der Passagiere angepasst werden. Optimierung im Schienen- und Straßenverkehr – am Beispiel der Schweiz Aus der Logistik stammt eine Big-Data-Anwendung, die jedem Zugfahrer einen Nutzen klar vor Augen führt14: Die Schweizer Bahnen regeln die Geschwindigkeit ihrer Züge mit neuen Technologien. Die Verminderung von Verkehrshalten lässt auch den Energieaufwand sinken – mit Millioneneinsparungen in jedem Jahr und Beiträgen zum Umweltschutz. Die Spezifik des Eisenbahnwesens führt dazu, dass Verbesserungen im System nur durch eine Optimierung des vorhandenen Netzes möglich sind. Das neue Rail Control System speichert und verarbeitet in Sekunden schnelle die Zuginformationen aller in Betrieb befindlichen Bahnen sowie Zustandsdaten der gesamten Bahninfrastruktur. Es liefert dem Lokführer Informationen zur Steuerung der Zuggeschwindigkeit mit dem Ziel, ungeplante Stopps zu vermeiden, denn starkes Abbremsen und nachfolgendes Beschleunigen großer Lasten kosten sehr viel Energie. In ähnlicher Form werden Big-Data-Analytics-Lösungen bei der japanischen und britischen Bahn zur Optimierung der Verfügbarkeit, Pünktlichkeit und Auslastung der Züge eingesetzt.15, 16 Mit Hilfe von Bewegungsdaten aus dem eigenen Mobilfunknetz sind Telekommunikationsanbieter in der Lage17, schnell und aktuell Reisezeitinformationen zu liefern. Damit lassen sich Verkehrsströme auf Autobahnen besser steuern und in der Folge die damit zusammenhängende Infrastruktur genauer planen. Die Swisscom hat eine »Mobility Insights Plattform« entwickelt, die das leistet. Umweltfreundliches Truckmanagement DB Schenker hat eine Flottenlösung eingeführt, die zu signifikanten Reduktionen des Treibstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen sowie gleichzeitig zu einem verbesserten Überblick für Disponenten führt.18 Vernetzte Fahrzeugflotten erzeugen laufend Daten. Dabei entstehen schnell Datenvolumina in einem dreistelligen Terabyte-Bereich, in denen Optimierungspotenziale stecken. Die Flottenlösung sammelt kontinuierlich Fahrzeugbewegungsdaten und ermöglicht 14 Vgl. (Lixenfeld, 2014). 15 Vgl. (Dornacher, 2015). 16 Im Juni 2015 hat die Deutsche Bahn ihre Digitalisierungsstrategie vorgestellt. Vgl. (Deutsche Bahn, 2015). 17 Vgl. (Schlegel, 2015). 18 Vgl. (Schwarzböck/Willenbrock, 2015). Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen dadurch die Berechnung der Fahreffizienz von Trucks.19 Damit sind deutliche Senkungen des Kraftstoffverbrauchs und der daraus resultierenden Schadstoff-Emissionen möglich. Zusätzlich lassen sich durch die angefallenen Daten Korrelationen zwischen Fahrverhalten und notwen digen Reparaturen herstellen. Durch die ebenfalls effizientere Routenplanung ist auch eine genauere Prognose von Lieferzeiten möglich. Bessere Angebote für öffentlichen Nahverkehr Vergleichbare Anwendungen entwickeln auch die Telekommunikations-20 und andere Unter nehmen21: Aktivitätsdaten aus dem Mobilfunknetz bieten die Möglichkeit, Verkehrsanalysen für unterschiedliche Verkehrsmittel mit hoher Detailtiefe durchzuführen. Für den öffentlichen Nahverkehr ergeben sich daraus neue Chancen, bessere Angebote zu schaffen. So lassen sich für den Verkehrsbetrieb mit Hilfe anonymisierter Daten aus dem Mobilfunknetz die Autofahrten zwischen unterschiedlichen Stadtteilen auswerten. Für vielbefahrene Strecken ergeben sich so immer bessere Alternativangebote. Eine Auswertung des Umsteigeverhaltens hilft zudem, Wartezeiten zu reduzieren. Im Bereich Verkehr werden durch die Nutzung anonymisierter Daten aus dem Mobilfunk in naher Zukunft umfangreiche Möglichkeiten erschlossen: Bessere Daten für die Planung von Infrastrukturprojekten im Bereich Straße und Schiene, bessere Stauprognosen, eine bessere Taktung bei Zügen sowie Buslinien, die den ländlichen Raum besser erschließen – und vieles mehr. Verkehrs-Hubs – am Beispiel Smart Port Logistics im Hamburger Hafen Mitten in der Stadt gelegen, nimmt der Hamburger Hafen rund ein Zehntel der gesamten Stadtfläche ein. Die Lage stellt die Hamburg Port Authority (HPA) vor besondere Herausforderungen. Sie bestehen darin, wachsende Warenströme auf diesem begrenzten Raum effektiv zu steuern, LKW-Standzeiten zu vermeiden und ein übergreifendes Lagebild der Ist-Situation für bessere Entscheidungen zu liefern. Um die Verkehrsströme künftig miteinander zu vernetzen und effizienter zu gestalten, führte die HPA mit IT-Dienstleistern das Cloud-basierende Informations- und Kommunikationssystem 19 Per mobilem Gerät und GPS-Daten werden die jeweiligen Positionen eines Trucks sekündlich ermittelt. Auf einem zentralen Server werden diese Daten mit weiteren Informationen wie z. B. zum spezifischen Luftwiderstand des jeweiligen Lastwagens verknüpft. Die Auswertung dieser Kombination ergibt eine Aussage zur Effizienz des Fahrstils. Der Fahrer erhält die Information über ein Ampel-System auf seinem mobilen Endgerät: rot steht für eine ineffiziente, grün für eine effiziente Fahrweise. 20 Ein ausgereiftes Beispiel ist Motionlogic, eine Ausgründung aus den T-Labs der Deutschen Telekom: Vgl. (Weber, 2015). 21 Vgl. (Umbach/Kellner, 2015) sowie (Xu et al., 2015). 25 26 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen smartPORT logistics ein22, das den Andrang der täglich über 140000 Lkw-Fahrten im Hafen entzerrt und die Güterströme optimiert.23 Die Menge an Verkehrs- und Transportdaten ist riesig. Dabei gibt es viele verschiedene Beteiligte wie Hafenverwaltung, Speditionen, Transporteure, Parkflächen- und Terminal-Betreiber, die mit unterschiedlichen Systemen und Datenarten arbeiten. Heute sind einzelne Akteure in sich optimiert, aber es gibt keine Optimierung des Gesamt systems Ware/Verkehr. SmartPORT logistics ermöglicht es Häfen sowie Transport- und Logistik unternehmen, Transportaufträge in Echtzeit zu überwachen. Transportieren diese Organisa tionen Güter effizienter und sicherer, erhöhen sie auch die Zufriedenheit aller Beteiligten – insbesondere der privaten Verbraucher. Im nächsten Schritt sollen Teilnehmer und Informationsquellen wie Informationen zur Verfügbarkeit der Container erweitert werden. Die HPA bietet daher einen Service-Marktplatz an, in dessen Datenangebote sich immer mehr Akteure der Hafenwirtschaft einklinken können. 4.3 Medizinische Forschung und Diagnostik Big-Data-Anwendungen im Gesundheitswesen – zurzeit noch in den Anfängen – könnten Gesundheit und Wohlbefinden vieler Menschen bedeutend verbessern.24 Es entstehen derzeit Falldatenbanken25 – z. B. ein Krebsregister an der Charité – für einige häufige sowie für schwere Erkrankungen, um bei neuen Patienten mit ähnlichen Symptomen die eine möglichst wirksame Therapie zu finden. Die im Abschnitt 4.3 skizzierten Beispielanwendungen sind größtenteils bereits Teil unseres Lebens; einige befinden sich noch im Laborstadium. Sie benötigen personenbezogene, medizinische und dadurch besonders schützenswerte Informationen. Wenn es um Gesundheit und Leben geht, sollte der Staat die Rahmenbedingungen verbessern, damit die Patienten schnell von den Fortschritten in IT-gestützter Diagnostik und Therapie profitieren können (vgl. Leitlinie 3).26 22 Vgl. (Westermann/Müller, 2014) sowie (Bitkom, 2015, S. 55-56). 23 Verkehrssteuerung per Cloud generiert Big Data. 8.000 LKW bewegen sich pro Tag mit rund 140.000 Fahrten durch das Gelände. Über 100 Energieversorgungunternehmen verkehren im Hafen. Der Hamburger Hafen ist der größte Eisenbahnhub Europas. 24 Für eine Gesamtsicht auf Big Data im Gesundheitswesen vgl. (Langkafel, 2015). Die Jahrestagung des Deutschen Ethikrates »Die Vermessung des Menschen – Big Data und Gesundheit«, Berlin, 21. Mai 2015, widmete sich dem Themenkreis Big Data und Ethik. Vgl. u. a. (Dabrock, 2014) und (Petri, 2015). 25 Oft handelt es sich um Big-Data-Lösungen. 26 Vgl. (Bohsem, 2015). Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen Diagnose und Behandlung von Tumoren Anfang Juli 2015 stellten das Potsdamer Hasso-Plattner-Institut und die Berliner Charité auf der Konferenz »Big Data in der Medizin« eine neue Lösung vor, mit der sich innerhalb kürzester Zeit die für einen Krebspatienten optimale Chemotherapie bestimmen lässt. Ohne Big-DataAnalysen würde das Wochen dauern. Die Analyse berücksichtigt die genetische Ausstattung des Krebspatienten und liefert Prognosen, wie Tumore auf bestimmte Medikamente ansprechen. So können auch Wirkstoffmengen genauer dosiert werden. Auch am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg arbeiten Ärzte und Wissenschaftler an neuen Therapieformen. Das ist eine komplexe Aufgabe, denn jeder Tumor ist einzigartig. Das IT-Projekt »Medical Research Insights«27 hilft den Forschern, individuelle Behandlungsmethoden für die Patienten zu entwickeln. Die Erfolgsaussichten unterschiedlicher Behandlungsmethoden bei Tumorpatienten lassen sich oft nur vage vorhersagen – mit der Konsequenz, dass teure und nebenwirkungsbehaftete Therapien zu keiner Verbesserung des Gesundheitszustandes führen. Komplexe Krankheiten benötigen komplexe Analysen. Es gibt über 100 verschiedene Formen von Krebs, wobei sich jede Form in ihrer Ausprägung und Entwicklung stark unterscheidet. Deshalb ist es umso wichtiger, dass betroffene Patienten eine schnelle, individuelle und auf ihren Fall zugeschnittene Behandlung erhalten. Dafür muss das NCT mit Bezug auf das Patientenprofil eine große Menge an Daten in Echtzeit auswerten (vgl. Leitlinie 3 und Leitlinie 8) – sowohl strukturierte28, als auch unstrukturierte29 Daten. Alle Informationen fließen zentral zusammen. In kürzester Zeit lässt sich ermitteln, welche Therapie den größten Erfolg verspricht. Big-Data-Technologien integrieren all diese Daten mit sehr großen Datenvolumen aus unterschiedlichen Quellen. Die beschleunigte Tumordiagnostik kann die Lebenserwartung der Tumorpatienten erhöhen. Hilfe für Infarkt-Betroffene In der Vergangenheit haben Ärzte nur kurze Abschnitte von EKG-Daten analysiert. Nur selten waren Ärzte in der Lage, lange Ausdrucke zu studieren, die im Laufe eines Tages entstehen. Bei der Bewertung des Gesundungsprozesses von Infarktbetroffenen kann es jedoch hilfreich sein, die gesamten Daten zu analysieren. Dabei haben US-amerikanische Wissenschaftler Hinweise in EKGs gefunden, welche Abweichungen von einem »normalen« Verlauf das Risiko vervielfachen, 27 Basis ist SAP HANA, vgl. (Bitkom 2015, S. 107f.). 28 Tumordokumentationen, medizinische Akten, klinische Studien, … 29 Arztbriefe, MRT-Befunde, genetische Analysen oder Krebsregisterdaten, Behandlungshinweise, Versuchs studien, Publikationen, … 27 28 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen innerhalb eines Jahres einem erneuten Infarkt zu erliegen. So konnten neue Techniken für die Risikoanalyse entwickelt werden. 30 Personalisierte Medizin gegen Erbkrankheiten Die Mukoviszidose ist eine vererbte Stoffwechselerkrankung – sie behindert die normale Lungen funktion: Die Hälfte der Patienten wird keine 40 Jahre alt. Die Fortschritte bei der Gensequen zierung und bei Big-Data-Methoden erlauben es, personalisierte Arzneimittel herzustellen und betroffenen Menschen ein deutlich längeres und besseres Leben zu ermöglichen. Die pharmazeutische Industrie will einzelnen Patienten gezielt helfen, indem sie klinische Daten in Verbindung mit genetischen Daten analysiert. Das Ziel dieser Analysen liegt darin, mehr über die Wirksamkeit und das Nebenwirkungsprofil von Medikamenten zu erfahren. Dadurch können die Ärzte jedem Patienten mitteilen, ob ein Präparat bei ihm wirkt und mit welchen Neben wirkungen zu rechnen sein wird. Auswege aus der Makula-Degeneration 25 Millionen meist ältere Menschen auf der Welt leiden unter Makula-Degeneration, einer Gruppe von Augenerkrankungen, die in einem längeren Prozess zur Erblindung führt. Die medizinische Forschung hat Wege identifiziert, wie man Betroffenen helfen kann: Die komplexen Signalvorgänge, die eine gesunde Netzhaut beim Betrachten eines Bildes im Gehirn auslöst, werden reproduziert, indem eine Spezialbrille Lichtsignale erzeugt. Diese Signale werden von Nervenzellen im Auge in elektrische Signale umgesetzt. Das Gehirn kann diese Signale verarbeiten – der Mensch kann wieder »sehen«. Das komplexe Zusammenwirken einer ganzen Reihe von Hochtechnologien – Big Data bildet hier nur eine Gruppe – ist noch im Forschungsstadium, zeigt aber einen prinzipiellen Weg auf, Funktionen von Organen nachzubilden. Frühgeborenen-Überwachung Kanadische Neonatologen haben festgestellt, dass es Fälle von Infektionen bei Frühgeborenen gibt, die durch medizinische Frühindikation ca. 24 Stunden vor dem Ausbruch der gefährlichen Infektion verhindert werden können. Durch die permanente Überwachung bestimmter Symptome und lebenswichtiger Parameter bei Frühgeborenen mit Hilfe modernster, medizinischer Sensorik lässt sich die Frühgeborenen-Sterblichkeit vermindern. Um die kritischen Warnsignale und Parameter-Änderungen des medizinischen Zustandes frühzeitig zu erkennen, müssen ununterbrochen tausende von Sensordaten pro Sekunde analysiert werden.31 30 Vgl. (Smolan/Ewitt, 2013). 31 Vgl. (Bitkom, 2012). Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen Überwachung von Vitalparametern – Betreuung von Senioren und chronisch Kranken Für die Erfassung und Verarbeitung detaillierter biometrischer Daten gibt es ein riesiges Spektrum von Anwendungen. Man denke an die Unterstützung von Sportlern beim Streben nach Höchstleistungen bis hin zur Betreuung einer alternden Bevölkerung. Vielen älteren Menschen kann mit der Überwachung ihrer Vitalparameter geholfen werden, in ihrem häuslichen Umfeld zu bleiben – mit tiefgreifenden Folgen für Wohlbefinden und Lebensfreude sowie mit daraus resultierenden Einsparungen im Sozialwesen.32 Big Data und Cloud Computing liefern die Werkzeuge. Lösungen für solche Aufgabenstellungen sind längst Realität.33 In einigen Ländern ist es bereits sehr populär geworden, solche Lösungen zur Gestaltung des eigenen Lebens einzusetzen, also z. B. die Balance zwischen Kalorienauf nahme und -verbrauch zu wahren. Die meisten Patienten mit chronischen Erkrankungen wissen, dass sie in der Regel nicht mehr von ihrem Leiden befreit werden können. Patienten mit koronaren Erkrankungen (Herzinfarkt), Schlaganfall-Patienten oder Patienten, die unter Autoimmunerkrankungen leiden, geht es darum, sich im Verlauf ihres weiteren Lebens mit der Erkrankung zu arrangieren. Als Beispiel soll der Sport für Patienten mit koronarer Herzkrankheit dienen – neben der regelmäßigen Einnahme von Medikamenten eine lebensverlängernde Maßnahme. Viele Infarktpatienten geben jedoch die sportlichen Aktivitäten bereits kurz nach der erfolgreichen Rehabilitation wieder auf, da sie sich – alleine sporttreibend – ungeschützt fühlen und das Risiko einer Überanstrengung als zu hoch empfinden. Körpernahe Sensoren nehmen bei sportlich aktiven Patienten EKG-Signale und Vitaldaten ab. Die Daten werden über Mobiltelefone an einen Server übertragen, von Artefakten befreit, prädiktiv analysiert und mit Daten einer Vergleichskohorte verglichen. Bei der Detektion eines Zwischenfalls oder einer bedrohlichen Lage des Sportlers, die anhand der analysierten Daten festgestellt wurde, wird automatisch eine Ambulanz zum aktuellen Aufenthaltsort des Sportlers geschickt. Nutzen von Gesundheits-Apps Seit 2007 hat sich der Smartphone-Markt durch nutzerfreundlichere Geräte und die stärkere Integration von Sensoren stark verändert. Dieser Trend hat sich noch durch Zusatzgeräte wie Fitnessarmbänder (Fitnesstracker) gesteigert, die leicht mit dem Smartphone zu koppeln sind. 32 In einer vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Publikation wird auf dieses Geschäftsmodell verwiesen: »So kann […] ein Betreiber von Diagnosegeräten Daten über den gesamten Bestand der in seiner Verantwortung betriebenen Geräte sammeln und auswerten und daraus neue Services, z. B. einen Diagnosevorschlag, generieren.« Vgl. (acatech, 2014, S. 21). 33 Vgl. (Bitkom 2013, S. 72f.). 29 30 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen Das Smartphone wird heute durch entsprechende Apps für Sportübungen, Lauftraining oder täglichen Gesundheitscheck zum persönlichen Kontrollzentrum und zur Steuerzentrale für den Einzelnen. Im Detail können Zusatzgeräte für Pulsfrequenzmesser oder Pulsarmbänder mit Schrittzähler leicht per Bluetooth oder über den Kopfhöreranschluss gekoppelt werden. Selbst über die integrierte Kamera ist die Pulsmessung möglich. Indikatoren wie Aufwach- und Einschlafzeiten, zurückgelegte Schritte und gelaufene Kilometer lassen sich leicht erfassen und auswerten. Ableitungen wie generelle Fitness, verbrauchte Kalorien und Gesundheitszustand im Vergleich zu Referenzgruppen gleichen Alters, Geschlechts und Gewichts sind leicht umzusetzen. Diese als Quantified Self bezeichnete Messung einzelner Vitalparameter des Menschen ist aber als persönliche Feedbacklösung nicht nur für den Einzelnen wertvoll, um Gesundheitszustand und Fitness zu überwachen. Durch die digitale Übermittlung der anonymisierten Daten und Verarbeitung der einzelnen Detaildaten in Cloud-Lösungen entsteht ein Zusatznutzen. Die Verarbeitung tausender von Nutzungsprofilen und zehntausender Datenpunkte für einzelne Nutzer – Tageszeit, Wetter am Erfassungsort, Puls und Bewegungsmerkmale sowie Schlafverhalten des Anwenders – ermöglicht die maschinelle Mustererkennung als Big-Data-Anwendung. So können Signale für Erkrankungen und Früherkennung von gesundheitlichen Gefährdungssituationen genauer als je zuvor erfolgen. Krankenkassen haben die Vorteile für ihre Mitglieder und die Kassen selbst erkannt und bieten bereits spezielle Tarife für Nutzer an, die sich entsprechende Apps der Krankenkasse auf ihrem Smartphone installieren. Im Gegenzug zur Installation und dafür, dass die Krankenkassenmitglieder ihre Daten übermitteln, gibt es Einkaufs-Gutscheine und Rabatte. So vergibt zum Beispiel die Generali Versicherung für gesundes Verhalten Gutscheine an ihre Mitglieder. Der Anbieter Discovery leitet den Ver sicherten medizinische Tipps und Ratschläge über eine App weiter. Für die Steigerung der täglichen zurückgelegten Schritte gibt es Gutscheine. Einige Anbieter erwägen auch, Versicherungsbei träge zu reduzieren (vgl. Leitlinie 6). Durch Gesundheits-Apps und den Einsatz von Big Data zur zentralen Aggregation, Auswertung und Mustererkennung ergeben sich Vorteile für die Allgemeinheit, die Sozialeinrichtungen des Staates, für Unternehmen und auch für den Einzelnen (vgl. Leitlinie 12). Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen 4.4 Öffentlicher Bereich Im öffentlichen Bereich können Big-Data-Technologien bei der Erfüllung vieler öffentlicher Aufgaben helfen – wie etwa der Daseinsvorsorge, Stadtentwicklung und öffentliche Sicherheit.34 Großes Potenzial bieten Wirtschaftsförderung und Smart-City-Ansätze.35 Möglich sind auch Anwendungen zur Abschätzung von Gesetzesfolgen36 oder zur Meinungsanalyse37.38 Vor dem breiteren Einsatz von Big Data im öffentlichen Sektor39 braucht es klare rechtliche und ethische Grenzen (vgl. Leitlinie 9).40 Katastrophenmanagement Die Hochwasserschutzzentrale der Stadt Köln setzt mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft das Projekt Smart-Data-Katastrophenmanagement (sd-kama) um.41 Ziel des Projektes sd-kama ist es, eine Informationsplattform aufzubauen, die ein effizientes Katastrophen management ermöglicht.42 Einsatzleitung und Einsatzkräfte erhalten in Echtzeit – im Krisenfall zählt jede Minute – einen Überblick über die aktuelle Hochwasserlage (betroffene Gebiete, Ausmaß der Schäden, Position der Rettungskräfte) sowie eine Prognose über die weitere Entwicklung (Katastrophenverlauf, Wettervorhersage). Diese Informationen erlauben es, lokale Gegebenheiten zu berücksichtigen, Plausibilitäten zu prüfen und Entscheidungen zu priorisieren. Momentan ermöglichen nur teure und zeitaufwändige Hubschrauberflüge ein solch zusammenhängendes Lagebild. Das Herzstück von sd-kama bildet eine Smart-Data-Plattform, deren technischen und sicheren Betrieb das Smart Data Innovation Lab übernimmt. Auf der Plattform werden Video- und Bild daten (YouTube, Instagram), Fernerkundungsdaten (Satelliten), Sensordaten (Pegelstände) sowie Bestandsdaten (Kataster) zusammengeführt und analysiert. Die Informationen werden räumlich visualisiert und in das Flutinformations- und Warnsystem der Hochwasserschutzzentrale der Stadt Köln eingebunden. 34 Bei Organisationen wie dem Deutschen Patent- und Markenamt gehört der Big-Data-Einsatz zum Kern geschäft – vgl. (Rülke, 2013). 35 Vgl. (Eckert et al, 2014). 36 Vgl. (Bitkom 2015a), insbesondere Abschnitt 4.2 über »Kognitive Systeme zur Verbesserung öffentlicher Entscheidungen? Einsatz in der Gesetzesfolgenabschätzung«. 37 Vgl. (Nold, 2013). 38 Vgl. (Eckert et al, 2014). 39 Vgl. dazu Kapitel 5. 40 Vgl. Fußnote 35. 41 Vgl. (Willkomm, 2014). 42 Vgl. auch Abschnitt 4.5. 31 32 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen Cybersecurity Einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit öffentlicher IT-Infrastrukturen leistet die Überwachung der im IT-Betrieb generierten und mit Big-Data-Ansätzen ausgewerteten Maschinendaten. Dazu gehört das Sammeln, die zentrale Aggregation, die Langzeitspeicherung, die Analyse der Log daten sowie die Suche in den Logdaten und daraus generierte Berichte. Die Quellen und Formate der Logdaten sind vielfältig. Die Zentralisierung macht Daten verfügbar und im Zusammenhang auswertbar und bildet daher die Grundlage für die Überwachung und Kapazitätsplanung des IT-Betriebs. Das gilt genauso für die Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen oder die Protokollierung der Einhaltung von Richtlinien und Vorschriften. Verdächtige Veränderungen oder Vorgänge möglichst rasch – am besten in Echtzeit – zu erkennen, ist der Anspruch der IT-Sicherheit. Die Auswertung von Logdaten bietet hier einen sehr guten Ansatzpunkt. Unverzichtbar wiederum ist sie für den Nachweis oder die Spurensuche nach Sicherheitsvorfällen. Die Korrelation von Logdaten aus verschiedenen Quellen holt Zusammenhänge ans Licht, die ansonsten verborgen sind. Big-Data-Technologien lassen sich in vielen Bereichen wie etwa für das Aufspüren von hochentwickelten Bedrohungen, Insider-Angriffen oder der missbräuchlichen Verwendung von Zugangsdaten nutzen. Kriminalitätsvorbeugung Innenministerien einzelner Bundesländer prüfen die Möglichkeiten, mit Methoden des Predictive Policing bestimmten Delikten wie z. B. Wohnungseinbrüchen oder dem Entwenden hochwer tiger Pkw vorzubeugen.43 Die USA sowie einige europäische Länder (Niederlande, Schweiz) sind Vorreiter in diesem Bereich. Die Polizei prognostiziert mit Big-Data-Analysen Tatorte und Delikte. Auf Basis gesammelter historischer Daten entwickelt sie dann Gegenstrategien. Dazu gehören beispielsweise die verstärkte Präsenz von Ordnungshütern an Brennpunkten des kriminellen Geschehens. Predictive Policing unterstützt die Polizei im Streifendienst. IT-Sicherheit in künftigen Energienetzen Big-Data-Ansätze tragen zur Gewährleistung der Sicherheit in künftigen Energienetzen bei.44 43 Vgl. Dieter Schürmann, Landeskriminaldirektor im Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, auf einer Podiumsdiskussion über Cognitive Computing am 25. November 2014, B itkom Trendkongress. 44 Vgl. (Kemeröz/ Kremer 2015) sowie Abschnitt 4.1. Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen Intelligente Messsysteme (Smart Meter und Smart Meter Gateways) dienen dazu, den Energieverbrauch in jedem Haushalt in kurzen Zeitabständen zu messen, anzuzeigen und dem Energieversorger zu übermitteln. Auf Basis dieser Daten steuern Energieversorger gezielt und individuell Erzeugeranlagen und Verbraucher. Um zeitnah auf Schwankungen im Stromnetz reagieren zu können, müssen hunderttausende Smart Meter Gateways im Stand-by-Modus auf verschlüsselte Befehle warten und diese dann unmittelbar an intelligente Steuergeräte weitergeben, die Erzeuger- oder Verbraucheranlagen anbzw. abschalten. Erst damit wird ein schneller und direkter Datenaustausch ohne die vorherige Verbindungsaufbauprozedur möglich. Bis zu zwölf Millionen Smart Meter Gateways sollen bis 2022 verbaut werden und auf Basis der vorgeschriebenen sicheren Infrastruktur kommunizieren.45 Umwelt-Monitoring Die Biodiversität stellt eine der wichtigsten Grundlagen unseres Lebens dar. Das Monitoring der Biodiversität hat als Zielsetzung, die Auswirkungen von Klimawandel und Landnutzungsänderungen auf die Vielfalt der Arten zu verstehen. Für ein aussagefähiges Monitoring sind ausreichende Daten und langfristige Beobachtungen notwendig. Für das Ökosystem der tropischen Regenwälder betreibt das TEAM-Netzwerk (Tropenökologie, Bewertung und Monitoring) das weltweit größte System von Kamerafallen (14 Länder, ca. 1.000 Kamerafallen auf einer Fläche von über 2.000 km2) . Diese Kamerafallen erfassen systematisch das Vorkommen von terrestrischen tropischen Säugetieren und Vögeln. Die primären Kameradaten liefern Trends zum Vorkommen der erfassten Tierarten. Zusammen mit weiteren Einflussfaktoren wie Klima und Landnutzung wird mithilfe statistischer Verfahren der Wildlife Picture Index ermittelt. Dank dieses Monitorings können staatliche Stellen leichter ihren Überwachungs- und Schutzpflichten nachkommen.46 4.5 Vorhersage von Krisensituationen Empirische Forschung in den Natur- oder Sozialwissenschaften ist auf die Verfügbarkeit von Daten zur Theoriebildung angewiesen. Der Einsatz von Big-Data-Technologien ermöglicht genauere Theorien und damit die Beantwortung von Fragestellungen mit bisher nicht bekanntem Detailgrad, insbesondere auch präzisere Vorhersagen von Krisensituationen. Beispiele findet man in der Klimaforschung bei der Vorhersage von Extremwetterlagen sowie den Wirtschaftswissenschaften bei der Vorhersage von Finanzkrisen. Unter dem Oberbegriff »komplexe Systeme« entwickelt sich aktuell in den Wissenschaften ein neues Paradigma, das in Ergänzung bekannter Differentialgleichungsmodelle neuartige mathematische Modelle wie Netzwerke oder agentenbasierende Systeme zur Beschreibung von Vor gängen in Natur und Gesellschaft einsetzt. Parametrisiert durch große Datenmengen, erlauben 45 Vgl. (Bitkom, 2015). 46 Vgl. (Bögershausen, 2014). 33 34 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen diese Modelle Vorhersagen, insbesondere von Extremsituationen mit Auswirkungen für die gesamte Gesellschaft. Beispiele sind das Eintreten von Naturkatastrophen – Überflutungen47, Trockenzeiten, Erdbeben – oder wirtschaftlichen Extremsituationen (Finanzkrisen). Durch die zunehmende Verfügbarkeit von Daten, die Natur und Gesellschaft in bisher unbekannter Auflösung beschreiben, ergibt sich die Möglichkeit präziserer Theorien und damit besserer Vorher sagen. Diese ermöglichen es Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, früher auf zu erwartende Extremsituationen zu reagieren und dadurch gewaltige Schäden abzuwenden. Klimaforschung In der Klimaforschung ist der Umgang mit großen Datenmengen bereits seit Jahrzehnten üblich. Datenbanken, die das globale Klima und lokale Wetterhistorie erfassen, sind notwendig, um Vorhersagemodelle zu parametrisieren und ihre räumliche und zeitliche Auflösung zu erhöhen. Nur so lassen sich die Interaktionen zwischen globalen und lokalen Dynamiken erfassen und für frühzeitige Warnungen nutzbar machen. Beschränkungen in der Speicher- und Rechenkapazität limitieren hier nach wie vor die Genauigkeit. Durch den Einsatz von Big-Data-Technologien in Kombination mit neuartigen Netzwerkmodellen ist es beispielsweise Wissenschaftlern am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung gelungen, 90 Prozent der monsunbedingten extremen Wetterereignisse mit teilweise verheerenden Auswirkungen in Südamerika wie Fluten oder Erdrutschen vorherzusagen.48 Ähnliche Fortschritte ermöglicht Big Data bereits jetzt bei der Abschätzung der Effekte von klimawandelbedingten Extremwettersituationen auf gefährdete Infrastrukturen wie Straßen, Strom- oder Kommunikationsnetzwerke sowie unter Umständen bald bei der Früherkennung von Erdbeben und Tsunamis.49 Vorhersagen von Finanzkrisen Mit ähnlichem Grundansatz verfolgen ambitionierte sozial- und insbesondere wirtschaftswissen schaftliche Forschungsprojekte das Ziel, Muster beim Auftreten von Finanzkrisen zu identifizieren und dadurch frühzeitig Warnungen zu geben. Die 2008 einsetzende Wirtschafts- und Finanz krise hat gezeigt, dass die Finanzmärkte zu Instabilität neigen und in kurzer Zeit extreme Fluktuationen entstehen können, welche die Weltwirtschaft enorm beeinträchtigen. Obwohl es gewichtige Einwände gibt, die gegen eine präzise Vorhersagbarkeit der Dynamik von Finanzmärkten sprechen, ist es im Interesse der Allgemeinheit, zukünftig solche Extremereignisse zu vermeiden. Unabhängig von der Frage, ob dies durch stärkere Regulation gelöst werden kann, ist klar, dass dazu ein besseres Verständnis der zugrunde liegenden Dynamiken notwendig ist. Auch hier ist Big Data relevant und wird bereits in der Forschung erprobt: Forscher der ETH Zürich haben 47 Vgl. das im Abschnitt 4.4 vorgestellte Projekt der Stadtverwaltung Köln zum Hochwasserschutz. 48 Vgl. (PIK, 2014). 49 Vgl. http://www.quakehunters.com, Satellite Big Data, Earth Observation & Internet System to reduce the risk and damage of earthquakes. Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen beispielsweise in der FuturICT-Initiative50 die Konstruktion einer weltweiten Plattform für die Erfassung und das Verständnis der digitalen Spuren menschlichen Verhaltens vorgeschlagen. Dieses Observatorium soll Wissenschaftler in die Lage versetzen, nicht nur Finanzkrisen, sondern auch politische Unruhen wie den arabischen Frühling und dadurch bedingte soziale Extrem situationen vorherzusagen. Während dieses EU-weit ausgelegte wissenschaftliche Großprojekt bislang keine Förderung erhalten hat, existieren bereits einzelne Initiativen wie das Financial Crisis Observatory51, die sich dem Finanzmarkt widmen. 4.6 Bildung und Qualifizierung Intelligente Bildungsnetze, ausgestattet mit digitalen Inhalten, gebrauchstauglichen Lernumgebungen und Möglichkeiten zur sozialen Vernetzung und Kooperation über Institutionengrenzen hinweg, unterstützen heute sowohl den Prozess des lebenslangen Lernens als auch das perso nalisierte Lernen des Einzelnen und von Gruppen in der formalen und informellen Bildung und Qualifizierung. Die Erfassung, Speicherung und Verarbeitung großer Datenmengen über das individuelle Lernverhalten und die Veränderung personaler Kompetenzen in hybriden Welten hat dabei eine lange Tradition, ist verbindendes Element und wird für Erklärung und Prädiktion genutzt. Learning Analytics-Methoden kommen zum Einsatz, welche einerseits die computerbasierte, automatisierte Anpassung digitaler Bildungsinhalte, Lernmethoden und Bildungsum gebungen an den Lernenden unterstützt, andererseits eine marktgerechte, nachfrageinduzierte Realisierung von Unterrichts-, Studien- und Weiterbildungsangeboten für das lebenslange Lernen ermöglicht. Personalisierte Lernumgebungen Zentrales Element personalisierter Lernumgebungen in einer digitalen Welt ist der Lernende selbst. Ob formale Bildungsarrangements in Schule oder Hochschule oder informelle Qualifizierungssettings in der Lern- und Forschungsfabrik, am Arbeitsplatz im Unternehmen oder zu Hause – im Mittelpunkt steht der aktive, selbstgesteuerte Lernende mit individuellen Voraussetzungen, eigenen Lernpräferenzen, Lernwegen, Lernzielen und letztlich auch individuell präfe rierten medialen Lernangeboten. Intelligente Bildungsnetze unterstützen den Lernenden in personalisierten Lernumgebungen durch die datenbasierte, computergenerierte Gestaltung und Anpassung von Zielstellung, Inhalt und Methodik. Dabei werden die Auswahl und Präsentation digitaler Lernobjekte und das didaktisch-methodisch begründete Vorgehen im Bildungsprozess von bekannten, lernrelevanten Merkmalen des Lernenden beeinflusst und auf diese Weise der Lernprozess hochgradig indivi dualisiert. Grundlage jedweder Form der Gestaltung und Anpassung sind dabei alle relevanten Daten des Lernenden, der Lernobjekte, der Lernumgebung, Veränderungen über die Zeit, die 50 Vgl. www.futurict.blogspot.de 51http://www.er.ethz.ch/financial-crisis-observatory/description.html 35 36 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen letztlich unterschiedliche Formen der Adaptivität ermöglichen. Schnittstellen-Adaptivität (Modifikationen der Benutzeroberfläche), statistische Adaptivität (Modifikation der Lernumgebung an Wissensstand, Lerngewohnheit, Inhaltspräferenzen) und dynamische Adaptivität (Modifikationen aufgrund des Nutzungs- und Lernpfades in einer Lernumgebung) sind konkrete Ausprägungsformen. Intelligente Wissensdienste, die in zunehmendem Maße, nicht zuletzt durch die Entwicklungen rund um das Internet der Dinge, Dienst und Daten sowie Industrie 4.0 induziert, in Unternehmen der Wirtschaft und Industrie, aber auch schon seit Ende der 1990er Jahre in Schulen und Hochschulen eingesetzt werden, können beispielhaft für die Adaptivität und Personalisierung von Lernumgebungen an den Einzelnen betrachtet werden. Durch Analyse und Nutzung großer Datenbestände aus darin integrierten Modellbetrachtungen von Wissen, Lerner und Bildung werden Anpassungen auf Basis von Methoden der Künstlichen Intelligenz ermöglicht. Das Wissensmodell besteht aus dem in Lernobjekte strukturierten und mit Metadaten annotierten Lehr-Lern-Material. Das Lernermodell wird zur datenbasierten, individuellen Fortschrittskontrolle herangezogen. Und das Bildungsmodell erzeugt die Passung zwischen dem Wissensmodell und Lernermodell basierend auf Daten u.a. zu Zielen, Präferenzen, Erfahrungen. Exemplarisch können die Projekte APPsist52 und ALINA53 angeführt werden. Educational Data Mining Ein besseres Verständnis über das Verhalten von Lernenden in heterogenen Bildungs- und Qualifizierungsumgebungen sowie über den Lebenslauf hinweg steht seit Mitte des letzten Jahrzehnts im Fokus des Educational Data Mining. Hier werden Methoden entwickelt, erprobt und validiert, die einzigartige, spezifische Daten in großem Ausmaß von digitalen Bildungsszenarien nutzen. Daten können dabei von Lernumgebungen, kollaborativen Werkzeugen, digitalen Lernobjekten oder auch vom Lernenden selbst kommen, etwa seine Kompetenzen und seine Expertise, sein Lernfortschritt, aber auch sein Verhalten in Sozialen Netzwerken oder beim Besuch von Informations- und Wissensplattformen, die frei im Internet zur Verfügung stehen. Seit 2012 werden in Deutschland verstärkt die Interpretation von Lernenden im formalen Hochschulkontext betrachtet und unter dem Begriff »Learning Analytics« zusammengefasst. Lernfortschritte in digitalen Bildungs- und Qualifizierungsumgebungen werden gemessen, Studierendendaten erhoben, zukünftige Leistungen vorausberechnet und potenzielle Problembereiche in der Bildung aufgedeckt. Dabei werden Daten aus Campus-Management-Systemen, LearningManagement-Systemen, Online-Assessment-Verfahren ebenso genutzt wie der individuelle Nutzen von Informations- und Wissensdatenbanken und -systemen im privaten Kontext oder in Sozialen Netzwerken. Daten werden aufeinander bezogen, aggregiert und analysiert. Nicht selten stehen neben pädagogischen Überlegungen auch ökonomische und politische Aspekte im Hintergrund. So geht es auch um die Effizienz- und Effektivitätsbetrachtung von Maßnahmen, 52 Vgl. http://www.appsist.de (abgerufen am 31. August 2015). 53 http://www.qualifizierungdigital.de/projekte/laufende-projekte/alina.html (abgerufen am 31. August 2015). Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen um Wirtschaftlichkeitsanalysen mit Bezügen zu Business Intelligence und Möglichkeiten des Bildungscontrollings für Bildungsinstitutionen. 4.7 Finanzdienstleistungen Bei Finanzdienstleistern werden Big-Data-Technologien zurzeit in erster Linie in der Kreditvergabe sowie bei der Eindämmung von Betrug54 und Geldwäsche eingesetzt – für Verbraucher sehr wichtige Einsatzgebiete.55 Einsatz von Big Data bei der Kreditbeschaffung Im traditionellen Bankgeschäft werden seit vielen Jahren analytische Verfahren eingesetzt. Diese erleichtern und objektivieren Kreditentscheidungen etwa beim Hauskauf oder im Bereich der Verbraucherkredite. Big-Data-Analysen erlauben nun wesentliche genauere und schnellere Entscheidungen. Durch die Auswertung von typischem Verhalten von Kreditausfällen lassen sich gezieltere Vorhersagen zur Kreditwürdigkeit von Kunden treffen. Die damit gebauten Modelle verhindern auch eine allzu schnelle Ablehnung aufgrund des Fehlens von starren Voraussetzungen, sondern geben auf einer viel breiteren Basis ein genauere Bild über das voraussichtlich Zahlungsverhalten und damit des Risikos, das die Bank eingeht. Eine Reihe von Start-up-Unternehmen in der Branche nutzen diese Big-Data-Technologien und Datentöpfe aus, um neue Zielgruppen zu erschließen. Selbstlernende Algorithmen, die Informationen etwa aus Facebook oder anderen Sozialen Netzwerken mit Einwilligung des Kunden einholen, erlauben eine automatisierte und schnelle Entscheidung über Kredite. Häufig handelt es sich dabei um Volumina, die im traditionellen Bankgeschäft zu gering und mit zu hohen Kosten für die Banken verbunden sind. Daher profitieren insbesondere bisher nicht mit Bankdienstleistungen versorgte kleine und mittelständische Unternehmen sowie Verbraucher in Schwellen- und Entwicklungsländern von dieser Entwicklung. Die Verbesserung des Kreditprozessen sorgt insgesamt dafür, den reibungslosen Ablauf der Wirtschaft zu stärken sowie Verbraucherrechte zu wahren. 54 Auf dem 2. B itkom Big Data Summit wurde von einer am Fraunhofer SIT entwickelte Methode zur Datenanalyse in einem viele Millionen Einträge umfassenden Praxisfall bei Ernst & Young Fraud Investigation berichtet, mit der bilanzbeeinflussende Unstimmigkeiten in den Finanzdaten einer großen Versicherungsgesellschaft aufgedeckt wurden – vgl. (Winter/Mollat, 2014). 55 Big-Data-Konzepte unterstützen auch das Risikomanagement bei Finanzdienstleistern. Risikohinweise für den Finanzmarkt sind in den täglichen hunderttausenden Nachrichten, Chats und Messages enthalten, die sich inhaltlich analysieren und bewerten lassen. Vgl. (Klemm/Eckl 2015). 37 38 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen Aufdeckung von Versicherungsbetrug Versicherungsbetrug und Geldwäsche locken raffiniert vorgehende kriminelle Kreise an, die sich häufig sehr wirksam der Aufdeckung ihrer Betrügereien entziehen. Daraus erwächst die Herausforderung, durch Netzwerk-Analyse Zusammenhänge bei Finanztransaktionen in Echtzeit zu erkennen.56, 57 Hier kommen Graphendatenbanken58 zum Einsatz. In Kombination mit den bewährten Betrugsbekämpfungsmethoden bieten sie Unternehmen umfassenderen Schutz vor Missbrauch. Auf diese Weise reduzieren Banken und Versicherungen den Kapitalausfall durch Missbrauchsschäden und können so ihre Einnahmen verbessern bzw. die Preise für ihre Dienstleistungen senken und damit ihren Kunden attraktivere Angebote unterbreiten. 4.8 Landwirtschaft Die Bereitstellung von Nahrungsmitteln für eine auch weiter rasant steigende Weltbevölkerung ist eine eminent politische Aufgabe. Insofern sind die Möglichkeiten des Big-Data-Einsatzes in der Landwirtschaft von enormer gesellschaftlicher Relevanz, was ausgewählte Beispiele zeigen. Steuerung von Landmaschinen Als fortgeschrittener Nutzer von Big-Data-Technologien hat sich die Claas KGaA mbH einen Namen gemacht. Das Unternehmen stattet seine Landmaschinen mit Sensoren und Messsystemen aus, die einen Datenstrom erzeugen. Die Daten aus dem Entwicklungs- und Produktionsprozess werden durch Telematics- und Betriebsdaten sowie Daten interner Systeme für die Ersatzteil bestellung oder Schadensmeldungsbearbeitung ergänzt. Aus der Erweiterung des zentralen Datenpools durch Zusatzinformationen wie z. B. Wetterhistorien oder Bodenbeschaffenheitsdaten entsteht ein Data Lake mit umfassenden Big-Data-Einsatzszenarien59. Zur Ausweitung der Big-Data-Kompetenz im Unternehmen arbeitet die Claas KGaA mbH am BMBF-Förderprojekt »Agata – Analyse großer Datenmengen in Verarbeitungsprozessen« mit, das das Fraunhofer-Anwendungszentrum Industrial Automation (IOSB-INA) koordiniert. Es zielt auf die Auswertung großer Datenmengen, die in Prozessen der Industrie und Landwirtschaft anfallen. Im Projekt wird ein selbstlernendes Assistenzsystem entwickelt, das durch die Beobachtung komplexer Verarbeitungsprozesse in Industrie und Landwirtschaft Zusammenhänge ermittelt und so Fehler, Anomalien und Optimierungsbedarf automatisch erkennt.60, 61 56 Vgl. (Bitkom, 2015). 57 Vgl. (Stolberg, 2015). 58 Graphdatenbanken sind zur Abfrage verschlungener Netzwerke konzipiert – in Echtzeit, während der Betrug stattfindet, und ohne vorher zu wissen oder zu ahnen, wer mit wem verbunden sein könnte. 59 Vgl. (Porzig/Vospeter, 2015). 60 Vgl. (Engeser, 2014). 61 Vgl. (Schreier/Litzel, 2014). Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen Ziel ist es, mit Hilfe der Big-Data-Analysen einen höheren landwirtschaftlichen Ertrag bei einer Verringerung des Ressourceneinsatzes zu erreichen. Das wird in der Praxis etwa dadurch erreicht, dass Düngemittel gezielter eingesetzt und Bewässerung besser auf die Wetterverhältnisse abgestimmt ist Optimierung von Wasser- und Düngerzufuhr für landwirtschaftliche Kulturen – am Beispiel der Weinerzeugung in Kalifornien Das kalifornische Weingut Shafer62 im Napa Valley zählt zu den Pionieren bei der datengestützten Industrialisierung des Weinbaus.63 So nutzt das Unternehmen, das seit 1972 Wein anbaut und weltweit vertreibt, seit einigen Jahren unterschiedliche digitale Technologien, um die Bewässerung und Düngemittelzufuhr auf seinen Anbauflächen zu optimieren. Denn so lassen sich bei gleichbleibender Qualität deutlich höhere Erträge pro Hektar erwirtschaften. In den Weinbergen von Shafer kommen Wetterstationen zum Einsatz, die das Wetter in den Weinbergen per Sensor erfassen, über WLAN oder Satellit an einen zentralen Server senden und dann per Web-Schnittstelle für den Winzer bereitstellen. Die Wetterstationen messen unter anderem Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Sonneneinstrahlung und Bodenfeuchtigkeit. Zudem bietet das System die Auswertung historischer Wetterdaten, anhand derer der Winzer langfristige Trends erkennen und seine eigenen Entscheidungen justieren kann. Zudem kommt im Weinberg von Shafer eine Sensor-Technologie zum Einsatz, die direkt an den Weinreben Daten aufnimmt und per Wifi in ein zentrales Analysesystem leitet. Anhand des Beispiels wird deutlich, dass auch in einer der ältesten Branchen der Welt die Digitalisierung nicht mehr aufzuhalten ist und große Datenmengen anfallen, die althergebrachte Traditionen in Frage stellen oder ergänzen. Die kalifornischen Winzer der nächsten Generation setzen zunehmend auf eine Verbindung von Erfahrung und Data Science, um gute Weine zu produzieren und hohe Erträge zu erwirtschaften. 4.9 Connected Car – aus Sicht privater Nutzer Sensor-, Cloud- und Big-Data-Technologien bilden die Grundlage für autonome Fahrzeuge und lassen tiefgreifende Veränderungen in der Ausgestaltung von Mobilitätslösungen erwarten. Zurzeit testen führende Automobilhersteller Modelle, die in fünf oder sechs Jahren auf den Markt kommen werden. Die futuristischen Fahrzeuge lenken, fahren und bremsen allein, gesteuert von Kameras, Sensoren und Laserscannern. Damit hat die Digitalisierung endgültig die Automobilindustrie erobert. Big-Data-Technologien ermöglichen die schnelle Verarbeitung und Auswertung vielfältiger Informationen sowie den Einsatz riesiger Datenmengen für die Prognose des Verkehrsflusses (vgl. Leitlinie 7). Das revolutioniert die Verkehrssteuerung. Das Auto wandelt sich stärker zum Arbeits- oder Lebensraum. 62 http://www.shafervineyards.com/story/index.php (abgerufen am 31. August 2015). 63 Vgl. http://www.theverge.com/2013/8/19/4636190/winemakers-turn-to-web-sensors-as-some-still-use-feetp (abgerufen am 31. August 2015). 39 40 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen Neben dem Austausch von Informationen zwischen zentralen Stellen und den Fahrzeugen (vgl. Leitlinie 8) können diese auch direkt miteinander kommunizieren (Car-to-Car-Communication) und so die Vorfahrt regeln oder vor Hindernissen warnen. Autonome Autos haben somit weit reichende Folgen auf die Gesellschaft (vgl. Tabelle 1): Tabelle 1: Gesellschaftliche Implikationen autonomer Fahrzeuge Folgen Erläuterung Mehr Sicherheit Auch Maschinen sind mit technischen Mängeln behaftet, aber insgesamt ist die Fehlerquote der Maschinen deutlich geringer als die der Menschen. Schon die heutigen Assistenzsysteme haben den Verkehr deutlich sicherer gemacht. Umgekehrt ist es allerdings sicher so, dass bei Unfällen der Autopilot kritisch hinterfragt und untersucht wird, ob z. B. der Automobilhersteller ein Mitverschulden hat. Weniger Staus Wenn nur zehn Prozent aller Fahrzeuge regelmäßig ihre Geschwindigkeit und Position weitergeben, können autonome Autos vorausschauend fahren und Staus vermindern. Die Kapazitäten der Fahrbahnen werden deutlich steigen. Weniger Verbrauch Indem autonome Autos optimal schalten, Gas geben und bremsen, können sie mit deutlich weniger Treibstoff auskommen. Mehr Komfort Autonome Autos können die Nachteile von Carsharing gegenüber der Nutzung des eigenen Autos eliminieren. Wenn sich Mietwagen per Smartphone bestellen lassen und sich am Ziel selbst eine Parklücke suchen, spart der Benutzer sowohl den Weg zur Carsharing-Station als auch die Suche nach einem Abstellplatz. 4.10 Digitale Einkaufswelten Das Internet der Dinge und Big Data dringen schrittweise von der Produktionskette bis an die Ladentheke. Big Data gibt dem (Online-)Händler Werkzeuge in die Hand, die potenziellen Käufer mit individuellen Angeboten zu adressieren und bis zur Kaufentscheidung zu begleiten. Neueste Entwicklungen tragen zur Verminderung von Retouren bei64 – im Interesse des Einzelnen und der Gesellschaft gleichermaßen. Outdoor Analytics Big Data erleichtert die Mobilitätsforschung und -kontrolle.65 Wo Personenströme von Bedeutung sind, wird verlässliche Planung zur Herausforderung: ◼◼ Wie viele Menschen gehen pro Tag an meinem Schaufenster vorbei? ◼◼ Wo ist der (Nah-)Verkehr besonders ausgelastet? ◼◼ Wo ist der beste Platz für eine Werbetafel? 64 Vgl. (Bruysten, 2015). 65 Erinnert sei an die Massenpanik bei der Love-Parade in Duisburg im Jahre 2010 mit 21 Toten. Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen Solche Fragen ließen sich bisher nur mit aufwendigen Handzählungen und rückblickend beantworten. Mit Big Data in Verbindung mit Lokationsdaten (vgl. Leitlinie 10) sind schnelle Antworten möglich. Informationen über Verkehrsströme – angereichert mit zusätzlichen Informationen – lassen sich für die zielgerichtete Verbraucheransprache nutzen. Den Verbrauchern erleichtern solche Informationen die Orientierung in für ihn neuen Regionen. Entsprechend ihren Vorlieben und aktuellen Bedürfnissen erhalten sie Informationen über Hotels, Restaurants, aktuelle Angebote oder Freizeitmöglichkeiten. Früher oftmals zeitaufwendige organisatorische Fragen lassen sich nun zügig erledigen und neue kurzfristige Angebote in Erfahrung bringen. Indoor Analytics – Optimierte Einkaufswege Einkaufszentren werden mitunter als Irrgärten empfunden. Die Orientierung per Smartphone funktioniert bislang nicht. Neue Techniken können nun Abhilfe verschaffen. Die Verbraucher vermeiden Umwege, wenn sie in Kauf nehmen, dass die Anbieter Bewegungsprofile erstellen. Unternehmen mit Verkaufsräumen stellen sich immer wieder die gleichen Fragen: ◼◼ Welchen Weg nehmen die Verbraucher durch das Geschäft? ◼◼ Vor welchem Aufsteller bleiben sie wie lange stehen? ◼◼ Welches Angebot zieht die meisten Interessenten an? Big Data in Verbindung mit Lokationsdaten ermöglicht die Auswertung von Kundenbewegungen in Verkaufsräumen oder Einkaufszentren in Echtzeit und somit die Optimierung von Verkaufsräumen und Sortimenten. Der Verbraucher profitiert von Informationen, die ihm – entsprechend seinen Vorlieben oder angegebenen Wünschen – zur Verfügung gestellt werden: Wo und zu welchen Konditionen sind bestimmte Produkte verfügbar. Ein Routenplaner sichert kurze Wege. 4.11 Online-Marketing und Nutzen von Big Data für Verbraucher Big Data trägt zur Erhaltung eines kostenfreien, da werbefinanzierten Angebots-Ökosystems im Internet bei. Verbraucher profitieren von qualitativ hochwertigen und kostenfreien Inhalten, Dienstanbieter von optimierten Erträgen aus der Bereitstellung ihrer Services. Die Erfassung, Aggregation und Aussteuerung von Daten und Werbeinhalten erfolgt datenschutzkonform und anonymisiert. Seit Verbraucher das Internet stärker nutzen, steht die Frage im Raum, wie die Bereitstellung von Informationen und Services wirtschaftlich genutzt werden kann. So sollte für Anbieter ein Anreiz bestehen, qualitativ hochwertige und aktuelle Informationen sowie wertvolle und nutzenstiftende Services bereitzustellen. Online-Marketing ist ein substantieller Bestandteil des Internets, da die meisten Nutzer kostenfreie Inhalte wünschen. Als Gegenwert stehen Werbeeinblendungen in unterschiedlicher Form. Ohne Werbung ist also kein kostenfreier Inhalt im Internet denkbar (vgl. Leitlinie 11). 41 42 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen Viele Jahre war Online-Werbung als Baustein für die Finanzierung von Online-Diensten kein brauchbares Instrument, weil die technischen Lösungen für die zielgerichtete Ansprache der Nutzer fehlten. Das hat sich nun mit Entwicklungen wie Programmatic Advertising und Real Time Bidding geändert. Basierend auf der Auswertung des anonymisierten Nutzungsverhaltens von Online-Nutzern können mittlerweile in Echtzeit Gebote auf einzelne Werbeeinblendungen abgegeben werden, ohne dass die beworbene Person dem Werbenden bekannt ist. Die Auswertung des Nutzungsverhaltens einzelner anonymer eindeutiger Schlüsselwerte wie Cookies im Browser des Endnutzers oder Advertiser-IDs in Apps auf Smartphones erlaubt die bestmögliche Platzierung von Werbung für den jeweiligen Nutzer im entsprechenden Nutzungskontext. Die anonymisierte, datenschutzkonforme Auswertung von ca. 100 Milliarden Werbeeinblendungen am Tag führen spezialisierte Anbieter für werbende Unternehmen durch. Mit maschineller Mustererkennung lässt sich der zugrundeliegende Algorithmus für die Abgabe von Geboten fortwährend verbessern. Das Echtzeit-Bietsystem lernt selbständig. So wird sichergestellt, dass zum Beispiel die Werbung für ein neues Automodell auch einen Nutzer erreicht, der vermutlich gerade Interesse an einem Fahrzeugkauf hat. Die Vorteile sowohl für den Verbraucher, als auch für den Werbenden liegen auf der Hand. Der Verbraucher wird von unsinniger, breit gestreuter Werbung ohne Bezug zu seinen Präferenzen verschont, während der Werbende die richtigen Nutzer zur richtigen Zeit anspricht. Werbetreibende sind bereit, für zielgerichtete Werbung an die passende Zielgruppe höhere Preise zu zahlen. So entsteht eine bessere Grundlage für den nachhaltigen Betrieb von Online-Services ohne Zusatzkosten für den Verbraucher. 4.12 Industrie 4.0 Big-Data-Technologien leisten einen unverzichtbaren Beitrag für Industrie 4.0.66 Sie beeinflussen insbesondere die vier Bereiche Smart Factory, Smart Operations, Smart Products und Smart Service. 66 Vgl. (Roland Berger/BDI, 2015) sowie (McKinsey, 2015). Die Die McKinsey-Studie identifiziert fünf Handlungsfelder, auf denen Industrieunternehmen nun aktiv werden sollten: Handlungsfeld 1 lautet: »Daten besser nutzen«: Unternehmen sollten die komplette Wertschöpfungskette und den gesamten Lebenszyklus eines Produkts digital abbilden. Bisher wird nur rund ein Prozent der in der Produktion anfallenden Daten genutzt – ein enormes Potenzial liegt damit brach. Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen Industrial Leadership Physisch Industrie 4.0 Smart Factory Virtuell Smart Operations Sensoren schaffen erhöhte Transparenz und eine erweiterte Planungsfähigkeit Die vernetztte Produktion ermöglicht eine flexible Produktionsplanung und -steuerung Stichworte: Augmented Reality, RFID & AUtoID, CPS Stichworte: CPPS, Concurrent Engineering, M2M, Kybernetische Produktion Big Data Smart Products Smart Service Das Produkt denkt mit und steht auch nach dem Verkauf mit dem Hersteller in Verbindung Durch die Vernetzung von Produkt und Hersteller eröffnen sich neue Märkte für Dienstleistungen Stichworte: digitaler Produktlebenslauf (RFID), Kommunikation und Schnittstellenstandards Smart Service Welt Stichworte: Product-Service-Systems, Hybride Produkte, Service Engineering, Service-Plattformen Erweiterung des Leistungsspektrum Abbildung 1: Big Data als Motor für Industrie 4.067 Big Data gilt als eine der Triebkräfte für die vierte industrielle Revolution (Industrie 4.0). Die Möglichkeit, große und inhomogene Datenmengen zu erfassen und praktisch in Echtzeit zu verarbeiten, lässt die Digitalisierung der Industrie in absehbarer Zukunft zur Realität werden. Der Einfluss von Big Data wird in vier Bereichen68 evident (vgl. Abbildung 1). Zum einen ermöglicht es flexible und intelligente Fabriken (Smart Factory, Smart Operations), zum anderen äußert sich der Einfluss in den damit verbundenen qualitativ neuen Produkten (Smart Products) und Dienstleistungen (Smart Service) (vgl. Tabelle 2). Tabelle 2: Einflussbereiche von Big Data Einflussbereich Erläuterung Smart Factory Die Ausstattung der Fabriken mit einer Vielzahl von Sensoren steigert zunächst die akquirierte Datenmenge und bei richtiger Verarbeitung auch die Transparenz. Ein Ziel dabei ist, die Realität der Produktion möglichst mit einem scharfen digitalen Schatten abzubilden, um eine möglichst genaue Produktionsplanung und folglich auch eine hohe Liefertermintreue zu gewährleisten. Mit einer Planungssicherheit im Rücken lassen sich Kunden dazu einladen, die Fertigung des gekauften Produktes (z. B. Auto, Motorrad, …) unmittelbar mitzuerleben. 67 Quelle: FIR an der RWTH Aachen. 68 Die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften treibt die vier Bereiche mit ihren umfassenden Initiativen »Industrie 4.0« und »Smart Service Welt« voran. 43 44 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen Einflussbereich Erläuterung Smart Operations Eine Ausstattung der Produktion mit Sensortechnik eröffnet zudem neue Arten, die Produktion virtuell zu vernetzen. Dadurch lässt sich die Flexibilität steigern. Und weitere Einflussfaktoren, wie beispielsweise Energieverbrauch (und Anbindung an das Smart Grid), können berücksichtigt werden. Mit der Zustandsüberwachung von Maschinen wird frühzeitig vor bevorstehenden Ausfällen gewarnt. Bei unvorhergesehenen Ausfällen kann das vernetzte Produktionssystem schnell und flexibel mit Auftragsverschiebung reagieren, ohne dabei die Einflussfaktoren der Zielvorgabe außer Acht zu lassen. Smart Products Neben der intelligenten Fabrik wird auch das Produkt mit Intelligenz ausgestattet – beispielsweise über die Anbindung an eine Datenplattform. Das Verlassen des Firmengeländes unterbricht nicht zwangsweise den Kontakt zum Hersteller. Vielmehr erhält der Hersteller weitere wertvolle Daten und Informationen über den Einsatz. Mithilfe von intelligenten Auswertungen können Produkte besser auf die Kundenwünsche zugeschnitten werden. Und häufig auftretende Fehler helfen der Entwicklungsabteilung bei der Produktoptimierung. Smart Service Die neue Intelligenz sowie die Verfügbarkeit von Daten über die Produkte und ihre Nutzer lassen ergänzende Dienstleistungen oder sogar komplett neue Geschäftsmodelle entstehen69. Denkbar wäre beispielsweise, dass Kunden teure Maschinen nicht mehr selbst erwerben, sondern ihre Funktionalität »as a service« in Anspruch nehmen. Der Hersteller würde dann die Maschine zur Verfügung stellen, sich um ihre Funktionsfähigkeit kümmern und einen vertraglich fixierten Betrag pro produzierter Einheit erhalten. Eine Auswertung der gewonnenen Daten kann zudem zu weiteren Optimierungen der Maschine sowie der anknüpfenden Services führen. Insgesamt wird deutlich, dass Big-Data-Technologien einen unverzichtbaren Beitrag für Industrie 4.0 leisten. 4.13 Telekommunikation Mit Big-Data-Technologien erhöhen die Telekommunikationsunternehmen die Leistungsfähigkeit ihrer Infrastruktur. Sie können außerdem anonyme Bewegungsmuster ihrer Kunden erzeugen, die bei der Verkehrsplanung und steuerung auf allen Ebenen sowie bei der Bewältigung zahlreicher weiterer, gesellschaftlich relevanter Problemstellungen hilfreich sind. Der Mehrwert von Big-Data-Analysen für die Telekommunikation ergibt sich im Wesentlichen aus zwei Wertschöpfungsmodellen: ◼◼ Das erste Modell verbessert den Geschäftsbetrieb von Telekommunikationsunternehmen. So lässt sich z. B. die Leistungsfähigkeit der Telekommunikationsinfrastruktur unter Verwendung von Big Data signifikant steigern. ◼◼ Beim zweiten Modell geht es um die Optimierung von Wertschöpfungsprozessen bei Geschäftskunden und um die Steigerung gesellschaftlich wünschenswerter Effekte. 69 Vgl. (Bitkom, 2015). Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen Dynamische Analytics-Lösungen nutzen die Fähigkeit von Telekommunikationsunternehmens, Bewegungsmuster zu erstellen, die auf Lokationsdaten der Teilnehmer sowie auf CRM-Daten basieren und mittels statistischer Methoden Bewegungsströme darstellen können. Verkehrsbetreiber70 erhalten so wichtige Informationen für die Bedarfsplanung und Steuerung. 4.14 Verbesserung des Datenschutzes in Rechenzentren Big-Data-Ansätze sichern die Überwachung der Einhaltung von Datenschutzrichtlinien in Rechenzentren. Was passiert mit Daten, wenn ein Kunde sie einem Unternehmen übermittelt? Die übermittelten Kundendaten werden für zukünftige Verarbeitungsschritte erst einmal gespeichert. Die Speicherung erfolgt meist zentral in einem Rechenzentrum – zusammen mit den Daten anderer Kunden, um diese effizient über unterschiedlichste Abfragemöglichkeiten in Zusammenhang zu bringen. Innerhalb eines Rechenzentrums sind viele Mitarbeiter für den ordnungsgemäßen Betrieb zuständig. Um sicherzustellen, dass sie nur die ihnen übertragenen Tätigkeiten mit den übermittelten Daten durchführen, muss jede mögliche Interaktion überwacht werden. Die Interaktionen variieren zwischen genau definierten bis hin zu völlig freien Zugriffsmöglichkeiten. Je weniger definiert ein Zugriff stattfindet, desto weniger strukturiert werden die Überwachungsdaten abgelegt. Dies kann sich von Text- über Audio- wie auch Videodaten erstrecken. Das soll anhand realistischer Zahlen eines IT-Providers für Finanzdienstleister verdeutlicht werden: Das Unternehmen hat 3000 Mitarbeiter, ebenso viele Arbeitsplätze, 150 unterschiedliche Tools (wie z. B. für Datenbanken, Auswertungen, Betriebssysteme, etc.), 1000 Server und viele der Mitarbeiter haben einen VPN-Zugang, der einen 7x24h-Zugriff ermöglicht. Jeder Mitarbeiter hat ein bestimmtes Benutzerprofil, über das seine Zugriffsmöglichkeiten so beschränkt sind, dass er seine alltägliche Arbeit durchführen kann. Alle Interaktionen aller Mitarbeiter mit allen oben genannten Elementen werden geloggt – dies beinhaltet auch die daraus resultierenden Ergebnisse. Diese Daten werden historisiert, um bei einer Meldung bzw. automatisierten Erkennung eines Vorfalles alle Beweisdaten zu haben. Die Herausforderung besteht nun darin, aus dieser großen, unstrukturierten Datenmenge zu erkennen, welche Operationen die Benutzer mit den Daten vorgenommen haben und ob sie dazu berechtigt waren. Berechtigt ist nur, wer einen Auftrag hat. Ein Auftrag kann ein Projekt sein oder aber auch eine Fehler- bzw. Wartungssituation. Der Zusammenhang zwischen einer durchgeführten Tätigkeit 70 Vgl. Abschnitt 4.2 und Abschnitt 4.10. 45 46 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen mit Datenzugriff und einem Auftrag muss gegeben sein. Ansonsten hat der entsprechende Mitarbeiter mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen und im schlimmsten Fall mit straf- oder zivilrechtlichen Verfahren zu rechnen. Auch mit der heutigen Technologie ist es nicht möglich, eine 100-prozentige Vollständigkeit der Überwachung zu gewährleisten. Deshalb werden manuelle Prüfungen durchgeführt, die über einen Zufallsgenerator ausgewählt werden. Bei der Überwachung der Einhaltung von Datenschutzrichtlinien wird Big Data im Interesse der Kunden eingesetzt. Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Nutzen von Big-Data-Anwendungen für Gesellschaft und Privatpersonen 47 5 Bisher ungenutzte Chancen beim Einsatz von Big Data 50 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Bisher ungenutzte Chancen beim Einsatz von Big Data 5Bisher ungenutzte Chancen beim Einsatz von Big Data In anderen Ländern werden Big-Data-Anwendungen für Aufgaben eingesetzt, bei denen in Deutschland besondere Rahmenbedingungen gelten, die bisher dem Einsatz entgegenstanden. Es steht die Frage im Raum, ob diese Rahmenbedingungen für alle Ewigkeit unverrückbar bleiben müssen, wenn sie sich als Hemmschuh im globalen Wettbewerb der Wirtschaftsstandorte erweisen. Mehr Transparenz – mehr Akzeptanz Jeder neuen Technologie schlägt Skepsis entgegen, schließlich ging es ja vorher auch ohne. Zudem stellt sich leicht ein Unbehagen gegenüber dem Unbekannten ein. Im Bereich Big Data gilt das in besonderem Maße. Alle Bedenken sind ernst zu nehmen und können in der Diskussion letztlich nur förderlich sein. Mehr Transparenz71 kann zu mehr Akzeptanz führen und schließlich dabei helfen, die positiven Potenziale von Big Data zu heben – und damit sind nicht nur wirtschaftliche Vorteile einzelner Unternehmen gemeint, sondern auch allgemeine Produktivitätssteigerungen und gesamtgesellschaftliche Fortschritte. Öffentliche Verwaltung Im Bereich der Steuereinnahmen herrscht in Deutschland eine föderale Zuständigkeit, die zu unterschiedlichen Auslegungsvorschriften je nach Bundesland führen. Wichtiger noch als die subjektiv empfundenen Ungleichbehandlungen, etwa in der Verfolgung von einzelnen Steuersäumigen, sind jedoch kriminelle Ansätze, die auf die fehlende Gesamtsicht setzen. Sogenannte Umsatzsteuerkarusselle lassen sich durch eine geschickte Konstruktion so leichter als in anderen europäischen Ländern aufbauen. Durch ein Netz von verteilten Firmen werden Vorsteuer und Steuererstattungen so verschachtelt und verzahnt, dass am Ende dem Staat nicht nur Steuern entgehen, sondern womöglich sogar mehr Steuern erstattet werden, als in einem entsprechenden Geflecht überhaupt gezahlt wurden. Eine komplette Datenerhebung aller steuerlichen Sach verhalte ließe sich sehr viel einfacher mittels analytischer Verfahren auf verdächtige Muster und Zusammenhänge hin untersuchen. In Deutschland ist der Aufwand ungleich höher – die Schlupf löcher mithin größer. Soziales Eine der größten Errungenschaften des modernen Staats sind seine Sozialleistungen. Mit Hilfe analytischer Methoden können der Missbrauch von Sozialleistungen verringert und Ausgaben vermieden werden. So könnte es gelingen, durch ein aktives und fokussiertes Eingreifen, zum Beispiel durch gezielte Fördermaßnahmen oder spezifische Bildungsangebote bereits im Vorfeld einschlägige »Karrieren« zu verhindern. Jeder erfahrene Sozialarbeiter kennt die maßgeblichen 71 Vgl. dazu Abschnitt 7.3 und 7.4. Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Bisher ungenutzte Chancen beim Einsatz von Big Data auslösenden Faktoren – mit Big Data Analytics ließen sich bereits deren erste Anzeichen erkennen. Was in Frankreich und anderswo möglich ist, scheitert in Deutschland am Datenschutz (vgl. Leitlinie 12). Übrigens gilt das genauso wie der Zeitverzug beim Bekanntwerden von Missbrauchsfällen von Leistungsbezug. Wären hier mehr Systeme integriert und mit automatischen Alertfunktionen ausgestattet, ließe sich so manche Auszahlung vermeiden. Gesundheit Der Bereich Gesundheit ist höchst sensibel und verdient besonderen Schutz. Umgekehrt erwartet jeder Patient die bestmögliche Behandlung in seinem konkreten Fall. Nun gibt es gerade in diesem Bereiche eine Unmenge von Daten: Verschreibungsinformationen, Diagnosen, Verlaufs protokolle, Medikamentenwirksamkeitsstudien und so weiter. Diese Daten »gehören« jedoch unterschiedlichen Institutionen und können deshalb auch nicht so einfach gemeinsam ausgewertet werden. Wäre dies möglich, könnten anhand der Millionen Datenpunkte, die etwa im Bereich des Morbi RSA72 anfallen, funktionierende von nicht funktionierenden Behandlungsmustern getrennt werden (vgl. Leitlinie 7 und Leitlinie 10). Zumindest ließe sich mit einer signifi kanten Wahrscheinlichkeit sagen, welche Behandlung »normalerweise« Erfolg verspricht und welche »fast nie« wirkt. Welche Entscheidung der Arzt in seinem konkreten Fall trifft, dürfte selbstverständlich nicht determiniert werden. Aber wären nicht alle Patienten dankbar, von den Erfahrungen »aller« anderen vergleichbaren Fälle zu profitieren (vgl. Leitlinie 12)? Hinderungsgründe Fasst man diese und weitere Beispiele zusammen, ergeben sich zwei wesentliche Hinderungsgründe: ◼◼ Zweckbindung73 im Bundesdatenschutzgesetz74: Der Reiz und der Mehrwert vieler Big-Data-Projekte entsteht im explorativen Erforschen und Kombinieren bisher getrennt erfasster Einzeldatenbestände. Damit lassen sich Fragestellungen nach dem Zusammenhang von Wetter (Temperaturdaten) und Abverkauf von Eiscreme beantworten. Bei personenbezogenen Daten fehlt (bisher) oft ein gesetzlicher Erlaubnistat bestand, der eine nachträgliche Verwendung für andere Zwecke, als ausdrücklich bei der Erfassung abgefragt, ohne die ausdrückliche Einwilligung legitimiert (vgl. Leitlinie 4). Das führt dazu, dass bestehende Datenbestände in vielen Fällen nur anonymisiert oder mit einer neuen Einwilligung ausgewertet werden können. Beides ist in der Praxis oft nur schwer zu leisten. ◼◼ Starke Anforderungen an Anonymisierung75: Der übliche und häufig verfolgte Ausweg bei nicht ausreichenden Einwilligungen ist die 72 Risikostrukturausgleich der gesetzlichen Krankenkassen. 73 Vgl. dazu Abschnitt 9. 74 Vgl. http://www.gesetze-im-internet.de/bdsg_1990 (abgerufen am 31. August 2015). 75 Vgl. dazu Abschnitt 9. 51 52 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Bisher ungenutzte Chancen beim Einsatz von Big Data Anonymisierung von personenbezogenen Daten. Dann sind zwar im Anschluss auch keine personenbezogenen Handlungen im engeren Sinne möglich, wohl aber lassen sich Verbraucher ansprachen zusammenfassen und optimieren. Rechtlich ist allerdings in Deutschland schon nicht zweifelsfrei geklärt, ob man vorhandene Daten ohne weiteres für eine weitere anonyme Nutzung anonymisieren darf oder ob für den Vorgang der Anonymisierung eine eigene Rechtsgrundlage benötigt wird. Technisch lassen sich Anonymisierungen auf verschiedene Arten realisieren. Wenn die Fallzahl von nachträglich gebildeten Gruppen zu klein werden, lassen sich unter Umständen wieder reale Personen zuordnen , so dass die Daten nach den geltenden rechtlichen Anforderungen allenfalls als pseudonymisiert, aber nicht als anony misiert gelten. Die Verarbeitung von pseudonymen Daten wird nach geltendem Datenschutzrecht derzeit kaum privilegiert, obwohl die Pseudonymisierung in Kombination mit technischen und organisatorischen Maßnahmen (zum Schutz vor De-Identifizierung) resultierende Risiken für betroffene Personen maßgeblich reduziert.76 Lösungsansätze ◼◼ Woran es derzeit in Deutschland mangelt, sind vertrauenswürdige Organisationen (DatenTreuhänder), die Datenbestände von zwei Parteien aufnehmen und jeder Partei das »Gold« aus den Daten (anonymisiert) zurückgibt, um daraus neue digitale Geschäftsmodelle für beide Seiten zu erstellen77 (vgl. Leitlinie 12). ◼◼ Auch fehlt es an erprobten Technologien, die diese Anonymisierung und Pseudonymisierung so einfach machen, dass es für alle Beteiligten transparent und handhabbar bleibt. Erfol gversprechende Ansätze beziehen auch Hardwarekomponenten mit ein oder arbeiten mit ausgefeilten Zertifikathierarchien. ◼◼ Technische Leitlinien und anerkannte Standards zur Anonymisierung und Pseudonymiserung sind (weiter) zu entwickeln, um einen Maßstab für alle Beteiligten zu schaffen, an der die Qualität der Anonymisierung und Pseudonymiserung rechtssicher gemessen werden kann. ◼◼ Die wichtigste Errungenschaft allerdings wäre ein modernes Datenschutzrecht, das den tatsächlichen Gepflogenheiten der Gegenwart Rechnung trägt und einen möglichst global einheitlichen Raum definiert (vgl. Leitlinie 12 und Kapitel 9). 76 Ein Beispiel soll das verdeutlichen: In der Erforschung von bisher nicht entdeckten Nebenwirkungen von Arzneimitteln lassen sich anonymisierte Daten verwenden. Auf diese Dienstleistung spezialisierte Anbieter aggregieren solche Daten und durchforsten sie nach Zusammenhängen. Hier kommt es immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten bei der Frage der Qualität der Anonymisierung. Oft ist die Möglichkeit der De-Identifizie rung bei derartigen Projekten im Interesse des Patienten auch gewünscht, da Erkenntnisse der Forschung u. a. für die Therapie des Patienten verwendet werden können. Auch hier kann die erleichterte Nutzung von pseudonymen Daten Lösungsmöglichkeiten eröffnen. 77 Diesen Service bietet als einer der wenigen Anbieter die Seculytics GmbH. Der Lösungsansatz besteht im Privacy-Preserving Data Mining mit strikt getrennten Datentöpfen. Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Bisher ungenutzte Chancen beim Einsatz von Big Data 53 6 Bedeutung der Datenwirtschaft in der zukünftigen Wirtschaft 56 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Bedeutung der Datenwirtschaft in der zukünftigen Wirtschaft 6Bedeutung der Datenwirtschaft in der zukünftigen Wirtschaft Die Datenwirtschaft wird die Geschäftsmodelle vieler Branchen unserer Industrie- und Dienstleistungslandschaft umkrempeln. Zahlreiche Beispiele aus Unternehmen zeigen die Entstehung bzw. Modifizierung von Geschäftsmodellen durch Big Data auf. Big Data ist unternehmerische Realität und eröffnet neue Möglichkeiten für innovative Unternehmen und Startups. Der Wert eines Produktes aus Verbrauchersicht wird immer stärker durch intelligente Software-Funktionalität und kontextsensitive Bereitstellung von Daten geprägt. Technologie- und Strategietrends »Big Data – Die Daten werden zum Produkt« – dieser Merksatz beschreibt in Kurzform die Auswirkungen des Phänomens der Datenwirtschaft auf die Wertschöpfungs- und Geschäftsmodelle in der Industrie- und Dienstleistungslandschaft. Was sich in den letzten Jahren als strate gischer Trend abzeichnete, beginnt sich heute als unternehmerische Realität zu manifestieren und verändert nachhaltig die Wettbewerbslogik in vielen Märkten. Es lassen sich derzeit drei grundlegende Trends ausmachen, deren Konvergenz in den kommenden drei bis fünf Jahren für ein extrem beschleunigtes Wachstum der »Data Economy« sorgen werden: ◼◼ Big Data und neue Analytics-Verfahren, ◼◼ IoT und Software-defined Products, ◼◼ Software-defined Business. In dem genannten Zeitraum wird sich auch der Abstand zwischen den klassisch organisierten und den datengetriebenen Unternehmen weiter vergrößern. Viele etablierte Spieler werden vom Markt verschwinden, da ihre Marken in der digitalen Welt nicht mehr sichtbar und die Geschäfts modelle ihrer Produkte nicht mehr kompatibel mit den digitalen Kommunikations- und Kommerzialisierungsströmen sind. So sind aktuell die Banken und Versicherungen in Alarmbereitschaft, da sich sogenannte FinTech-Start-ups mit ihren anwenderfreundlichen und mobilen Lösungen in die Finanzströme einklinken und den etablierten Finanzkonzernen die jungen und zahlungsfreudigen Verbraucher abjagen. Big Data und neue Analytics-Verfahren Ohne die neue Generation an Datenbanktechnologien, Analytics-Verfahren und hochskalierenden IT-Infrastrukturen á la Cloud Computing ist eine Datenwirtschaft nicht denkbar. Die in den letzten Jahren als Big Data umschriebenen neuen Technologien und Analysewerkzeuge stellen die Grundlage der neuen datengetriebenen Geschäftsmodelle und Prozesse dar. Auch hier konvergieren derzeit verschiedene Technologien und schaffen vollständig neue Möglichkeiten für innovative Unternehmen und Start-ups. So lassen sich heute Machine-Learning-Algorithmen auf Cloud-Plattformen »as a Service« anwenden und stundengenau abrechnen. Auch Anwen- Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Bedeutung der Datenwirtschaft in der zukünftigen Wirtschaft dungen im Kontext Cognitive Computing machen derzeit große Fortschritte, da die Prognosegüte dank steigender Datenvolumina und unbegrenzter Rechenleistung in der Cloud immer weiter zunimmt. IoT und Software-defined Products Mit dem Internet der Dinge beginnt eine engmaschige Verzahnung von analoger und digitaler Welt. Angefeuert durch kostengünstige Sensorik werden immer mehr Maschinen und Anlagen vernetzt. So werden sowohl Industrie- als auch Dienstleistungsprozesse granular analysierbar, optimierbar und sogar »programmierbar«. Gleiches gilt zukünftig auch im Kontext von Produkt entwicklung und Produktdesign von Haushaltsgeräten, Konsumelektronik, Kleidung oder auch Autos. Der Wert eines Produktes aus Verbrauchersicht wird immer stärker durch intelligente Software-Funktionalität und kontext-sensitive Bereitstellung von Daten geprägt. Das gilt nicht nur für Premium-Automobile, wie den Tesla Model S, sondern auch für Skibrillen mit eingebautem Heads-up-Display, welches GPS-Daten und WLAN-Services integriert, sowie für Bohr maschinen und Rasenmäher. Die Einzigartigkeit des Produkts ist durch Software definiert und die Bereitstellung und Verarbeitung von produkt- und kontextrelevanten Daten spielt für den Anwender eine immer zentralere Rolle. Sie bestimmt somit maßgeblich den Differenzierungsfaktor eines Produktes sowie die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher. Software-defined Business Auf dieser Basis entstehen softwaregetriebene Geschäftsmodelle, bei denen die physische Beschaffenheit (Material, Design, Ergonomie etc.) der Produkte in den Hintergrund tritt und dem digitalen Funktions- und Kommunikationsspektrum des Produktes Platz macht. Diese Trans formation findet sukzessiv statt und entkoppelt in nahezu allen Branchen die physischen von den digitalen Wertschöpfungsketten. So lagern schon heute moderne Konzerne einen Großteil ihrer Prozesse an Partner aus und »managen« lediglich die Produktentwicklung und die Ver braucherbeziehung selbst. Erfolgreiche Beispiele sind Apple oder Nike. In der Welt des Softwaredefined Business wird vor allem das Management der digitalen Verbraucherbeziehung (»Digital Customer Experience«) zum Erfolgsfaktor. Wer die Schnittstelle zum Verbraucher beherrscht und dessen Daten, Gewohnheiten und Präferenzen in Vertrieb und Support zu handhaben weiß, zählt zu den Gewinnern. Vorgemacht haben dies Unternehmen wie Netflix oder auch Zalando, die sich erfolgreich zwischen Produzent und Verbraucher positioniert haben und mittels intelligentem Verbraucherdatenmanagement und Analytics die Zahlungsbereitschaft voll ausschöpfen und mit sehr genau designten Angeboten punkten. Data Economy – Erfolgsfaktoren und Einstiegsoptionen Diese drei beschriebenen Technologie- und Strategietrends verstärken sich wechselseitig. Auch erfassen sie nahezu alle Branchen, vom Handel, über die Energieerzeuger bis hin zur verarbeitenden Industrie, wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Doch wo liegen die Erfolgsfaktoren und Einstiegsoptionen in die schöne, neue »Data Economy«? Welche Fähigkeiten brauchen Unternehmen, um in der Datenwirtschaft zu den Marktführern zu zählen? 57 58 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Bedeutung der Datenwirtschaft in der zukünftigen Wirtschaft Es zählen insbesondere vier Bereiche: ◼◼ Inhaberschaft/Besitz und Verwertungsrechte an Datenbeständen, ◼◼ Fähigkeiten zur Analyse und Aufarbeitung von Daten, ◼◼ Exzellenz im Bereich der Gestaltung digitaler Produkte und einer »Digital Customer Experience«, ◼◼ Vertrauen. Inhaberschaft/Besitz und Verwertungsrechte an Datenbeständen bilden für Unternehmen eine gute Ausgangsbasis für den Start in die Datenwirtschaft. Doch muss im Unternehmen eine entsprechende Awareness und Datenkultur vorherrschen, so dass der potenzielle Wert der Daten bestände erkannt und die Kommerzialisierungsmöglichkeiten richtig eingeschätzt werden können. Ohne interne Fähigkeiten zur Analyse und Aufarbeitung der Daten (Analytics Capabilities) und eine Mannschaft aus Data Scientists liegen die Daten in vielen Unternehmen meist brach. Allerdings lassen sich diese Fähigkeiten zumindest teilweise von Beratern und Dienstleistern einkaufen. Exzellenz im Bereich der Gestaltung digitaler Produkte und einer »Digital Customer Experience« lässt sich dagegen nur schwer extern zukaufen. Hier liegt einer der zentralen Wettbewerbs faktoren digitaler Champions bzw. Leader der Data Economy. Einen Vorteil, den viele etablierte Unternehmen mit an den Tisch bringen, ist das Vertrauen einer breiten Kundenbasis. Als »Trust Provider« können etablierte Brands auch in der Datenwirtschaft reüssieren, indem sie für innovative Start-ups und Geschäftsmodelle die Basis für den Markt eintritt liefern oder als Verbraucherschnittstelle agieren. Im Jahr 2016 werden weltweit schon über 140 Milliarden Euro Umsatz mit datengetriebenen Produkten und Geschäftsmodellen generiert.78 Die Tendenz ist stark steigend. Die Datenwirschaft ist also schon Realität und wird in den kommenden drei bis fünf Jahren auch eine neue Generation an Managern an die Spitze großer Konzerne befördern. 78 Vgl. (Crisp Research, 2014). Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Bedeutung der Datenwirtschaft in der zukünftigen Wirtschaft 59 7 Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien 62 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien 7Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien Der Einsatz von Big-Data-Technologien ist Gegenstand eines intensiven öffentlichen Diskurses. Im Kapitel 7 werden in zehn Abschnitten ausgewählte Fragen aufgegriffen, die aus Sicht des Bitkom besonders wichtig sind. ◼◼ Rechtssicherheit auf europäischer Ebene: Für Big Data in der internationalen Dimension sind einheitliche, international geltende Regeln erforderlich. Diese müssen für die an der Datenverarbeitung Beteiligten wie auch für die Betroffenen ein hohes Maß an Rechtssicherheit, Transparenz und Vertrauen schaffen. Dies soll mit der in Diskussion befindlichen EU-DatenschutzGrundverordnung erreicht werden (vgl. Abschnitt 7.1). Die EU-Datenschutz-Grundverordnung bleibt derzeit aber noch hinter den Möglichkeiten und Erfordernissen der Digitalisierung zurück. Um für Industrie 4.0, Big Data, Cognitive Computing und andere Innovationen günstige Rahmenbedingungen zu schaffen, sollte ein politischer Prozess zur Weiterentwicklung und praktischen Umsetzung der Verordnung aufgesetzt werden (vgl. Kapitel 9). ◼◼ Verbraucherakzeptanz von Big Data: Damit die Verbraucher Big-Data-Anwendungen akzeptieren, müssen ihre Vorbehalte und Ängste verstanden und ernst genommen werden. Verbraucher benötigen mehr Unterstützung, um ein Grundverständnis für die eingesetzten Technologien (vgl. Abschnitt 7.2) und die Arbeit von Data Scientists (vgl. Abschnitt 7.3) zu entwickeln. Die Akzeptanz von Big-Data-Technologien in der breiten Öffentlichkeit wird deutlich zunehmen, wenn sich die Technologieanbieter zu einer ethisch fundierten Herangehensweise bekennen (vgl. Abschnitt 7.5). ◼◼ Transparenz von Big-Data-Anwendungen: Transparenz bei Big-Data-Anwendungen bedeutet, dass die Verarbeitung der Daten mit zumutbarem Aufwand von Betroffenen nachvollzogen, überprüft und auch bewertet werden kann. So verstanden, ist Transparenz ein wesentlicher Schlüssel für die Akzeptanz von Big-Data-Lösungen in der öffentlichen Meinungsbildung (vgl. Abschnitt 7.3). ◼◼ Individualisierte Versicherungstarife und Solidarprinzip: Individualisierte Versicherungstarife müssen nicht im Widerspruch zum Solidarprinzip stehen. Sie eröffnen die Möglichkeit, ein gesellschaftlich akzeptiertes Verhalten zu fördern, ohne die Risiken völlig auf das Individuum abzuwälzen. Big-Data-Analysen können auch einen digitalisierten Schutz ermöglichen, indem auf ihrer Grundlage Empfehlungen generiert werden. Verbraucher sollten zwischen der Ablehnung einer individuellen Vermessung ihrer Gewohnheiten bis hin zur Akzeptanz und freiwilligen Datenlieferung wählen können (vgl. Abschnitt 7.6). ◼◼ Bedeutung automatisierter Datensammlung: Die automatisierte Sammlung von Daten bietet sowohl für den Verbraucher als auch für Unternehmen einen erheblichen Mehrwert. Zu gewährleisten ist dabei aber, dass die rechtlichen Vorgaben beachtet werden und der Verbraucher Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien den Überblick darüber behält, welche Daten seine Geräte übermitteln, um ihm selbst bestimmtes Handeln zu ermöglichen (vgl. Abschnitt 7.7). ◼◼ Recht auf Vergessenwerden: Ein »Recht auf Vergessenwerden« einklagen zu können, geht an der Realität vorbei. Vielmehr geht es um selbstbestimmtes Löschen und darum, überhaupt zu erfahren, wo welche personenbezogenen Daten liegen (vgl. Abschnitt 7.8). ◼◼ Grenzen für Prognosen: Prognosen auf der Basis von Big-Data-Einsatz können an Grenzen geraten: Sie dürfen nicht die Chancengleichheit von Menschen beschneiden (vgl. Abschnitt 7.9). ◼◼ Analyse Sozialer Netzwerke: Unternehmen sollten bei der Analyse der Kommunikation in Sozialen Netzwerken umsichtig agieren und die Interessen der Betroffenen angemessen berücksichtigen (vgl. Abschnitt 7.10). 7.1 Big Data im internationalen Wettbewerb Für Big Data in der internationalen Dimension sind einheitliche, international geltende Regeln erforderlich. Diese müssen für die an der Datenverarbeitung Beteiligten wie auch für die Betroffenen ein hohes Maß an Rechtssicherheit, Transparenz und Vertrauen schaffen. Dies soll mit der EU-Datenschutz-Grundverordnung erreicht werden. Noch erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit Die internationale Dimension von Big Data ist immer dann relevant, wenn Daten aus einem oder mehreren Ländern in einem oder mehreren anderen Ländern verarbeitet werden.79 Aus Sicht des Datenschutzes ist in diesen Fällen von besonderem Interesse, welche Regeln zur Anwendung kommen. In der Europäischen Union ist das auf der Richtlinie 95/46 EG basierende Datenschutzrecht weitgehend harmonisiert. Darauf aufbauend sind die Anforderungen an die Datenverarbeitung innerhalb der Europäischen Union an die Verarbeitung im Inland angeglichen. Ebenfalls in der Richtlinie geregelt sind die Fälle, in denen Drittländer außerhalb der Europäischen Union an der Datenverarbeitung beteiligt sind. Dies legt zunächst einen klaren Regelungsrahmen nahe, der für alle Beteiligten die benötigte Rechtssicherheit in der Daten verarbeitung bietet. Allerdings bestehen aufgrund der Umsetzung der Richtlinie 95/46 EG in den Mitgliedsstaaten graduelle Unterschiede im Datenschutzrecht, mit der Folge von Auslegungs79 Hofstetter weist darauf hin, dass verschiedene Sichten auf Big Data in den USA und im kontinentalen Europa die Unterschiede im Menschenbild und im Marktverständnis widerspiegeln (vgl. (Hofstetter, 2015, S. 36f.)). »Free trade als Letztbegründung für die Erfassung, die Speicherung und den Handel mit Big Data hebt die Rechte des Menschen auf eine selbstbestimmte Zukunft auf, indem sie ihn zum Gegenstand des Wirtschaftens verkürzt.« (Vgl. (Hofstetter, 2015, S. 37)) Und später: »Big Data spricht dem Menschen die Subjekteigenschaften ab und ordnet ihn der Technik unter – mit allen Konsequenzen für den Einzelnen und seine Rechte, für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. … Das Subjekt und seine Freiheitsrechte erodieren, mit ihm die soziale Marktwirtschaft und, wie nebenbei, auch Ethik und Moral ökonomischen Handelns.« 63 64 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien streitigkeiten sowohl für den Datenverkehr innerhalb der EU als auch für den Datentransfer in Drittstaaten, also außerhalb der EU und des EWR. Statt der benötigten Rechtssicherheit besteht trotz der Harmonisierung durch die Richtlinie ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit. Gerade vor dem Hintergrund einer zunehmenden globalisierten Datenverarbeitung sind aber möglichst einheitliche und verlässliche Regeln nicht nur wünschenswert, sondern auch erforderlich. Neue EU-Datenschutz-Grundverordnung soll Rechtsrahmen vereinheitlichen Rechtssicherheit, Transparenz und Vertrauen sind maßgebliche Kriterien für eine Datenverarbeitung, nicht nur, aber insbesondere im Rahmen von Big Data. Auch wenn diese Kriterien gleichermaßen für nationale Big-Data-Anwendungen gelten, zeigt doch erst der internationale Kontext, in dem unterschiedliche Rechtsordnungen eine Rolle spielen, die Bedeutung dieser Kriterien. Nur wenn Rechtssicherheit durch ein möglichst klares und homogenes Recht besteht, können auch Transparenz und Vertrauen erzeugt werden. In der Europäischen Union wird dieser einheitliche Rechtsraum in absehbarer Zukunft durch die Datenschutz-Grundverordnung hergestellt, die das auf der Richtlinie 95/46 basierende Datenschutzrecht ablösen wird. Wegen des Verordnungscharakters werden die Unterschiede reduziert, die sich aus der unterschiedlichen Umsetzung der Richtlinie 95/46 in nationales Recht ergeben haben und aus denen Rechtsunsicherheiten resultieren. Die Verordnung wirkt, im Gegensatz zu einer Richtlinie, unmittelbar für die jeweiligen Länder, d. h., es ist keine Umsetzung in das jeweilige nationale Recht erforderlich, so dass es keine Umsetzungsspielräume gibt. Die weiterhin mög liche unterschiedliche Handhabung von gleichen Sachverhalten durch die Aufsichtsbehörden muss durch Kohärenzverfahren zwischen den Aufsichtsbehörden beigelegt werden. Bedeutung der EU-Datenschutz-Grundverordnung für internationale Märkte Aber auch für internationale, über das Territorium der EU hinausgehende Big-Data-Anwendungen trifft die Datenschutz-Grundverordnung mit dem in ihr verankerten Marktortprinzip eine wichtige Aussage. Zukünftig gilt europäisches Datenschutzrecht für alle Akteure auf dem europäischen Markt – unabhängig davon, ob Dienste oder Waren von innerhalb oder außerhalb der Europäischen Union angeboten werden. Damit besteht Klarheit und damit auch Rechtssicherheit über das anzuwendende Recht für alle an Big-Data-Datenverarbeitungsprozessen Beteiligten, egal, ob diese Daten innerhalb oder außerhalb der Europäischen Union verarbeiten. Wie bereits im Abschnitt 5 angemerkt wurde, sollte ein modernes Datenschutzrecht im Big-DataKontext einen möglichst global einheitlichen Raum definieren. Mit der Datenschutz-Grund verordnung wird zwar keine globale Regelung geschaffen. Dennoch entsteht durch die klare Vor gabe auch für die Datenverarbeitung außerhalb der Europäischen Union ein beträchtlicher Rechtsraum mit gleichen Regeln. Um diesen Rechtsraum zu erhalten, muss sichergestellt werden, dass die durch die Datenschutz-Grundverordnung erreichte Rechtsvereinheitlichung und auch Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien das Datenschutzniveau in Bezug auf den europäischen Markt auch bei Sondervereinbarungen wie Safe Harbor oder Handelsabkommen beachtet und erhalten werden. Gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer Mit einheitlichen Regeln für denselben Markt eröffnen sich zudem auch wirtschaftliche Perspektiven. Durch die Anwendung der europäischen Regeln auch auf Unternehmen außerhalb der Europäischen Union, die auf dem europäischen Markt agieren, wird ein Level Playing Field für alle Marktteilnehmer geschaffen, welches für fairen Wettbewerb sorgt. Gleichzeitig kann der Verbraucher sich leichter orientieren, wenn er weiß, dass alle Anbieter sich an die europäischen Regeln halten – egal ob sie ihre Leistungen aus Europa heraus erbringen oder aus anderen Staaten.80 Für Big Data in der internationalen Dimension sind einheitliche, international geltende Regeln erforderlich. Diese müssen für die an der Datenverarbeitung Beteiligten wie auch für die Betroffenen ein hohes Maß an Rechtssicherheit, Transparenz und Vertrauen schaffen. Dies sollte soweit wie möglich mit der Datenschutz-Grundverordnung erreicht werden. 7.2 Vertrauensentwicklung bei Verbrauchern – Best Practices Damit die Verbraucher Big-Data-Anwendungen akzeptieren, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens gilt es, die Vorbehalte und Ängste der Verbraucher zu verstehen und ernst zu nehmen. Zweitens müssen den Verbrauchern die eingesetzten Technologien soweit nahegebracht werden, dass sie dafür ein Grundverständnis entwickeln können. Big Data bietet für die Mehrheit der Unternehmen das Potenzial, Einnahmen, Marktanteile und Margen zu steigern. Begriffe wie Customer Journey oder optimales Marketinginvestment spiegeln dieses Potenzial wider. Grundlage hierfür ist die Nutzung großer Datenmengen, auch und insbesondere mit persönlichen Informationen. Diese Datenmengen werden mit dem Ziel analysiert, die Bedürfnisse aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen der Verbraucher besser zu verstehen und mit spezifischen Angeboten darauf zu reagieren.81 Behörden und Unternehmen verfügen bereits über eine Vielzahl an Daten, deren Analysen einen Mehrwert für alle Beteiligten bedeuten könnten. Neue Technologien wie Big Data führen oft zu einem Spannungsfeld zwischen dem technisch Möglichen und dem ethisch Vertretbaren. Dieses Spannungsfeld speist sich aus dem Antrieb und Wunsch des Menschen, Erleichterungen für seinen Alltag zu entwickeln (vgl. Kapitel 4), sowie aus der Skepsis gegenüber anstehenden gesellschaftlichen und technologischen Veränderungen. 80 Vgl. (Kühling, 2015). 81 Vgl. (Bitkom Research, 2015). 65 66 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien Der vom Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie durchgeführte Bürgerdialog zeigte, dass die Akzeptanz für die Anwendung von Big Data dann am höchsten ist, wenn der Einsatz transparent dargestellt wurde und die Umsetzung von (Datenschutz-) Rechten erkennbar ist. Anwendungen aus den Bereichen Verbrechensbekämpfung, Wissenschaft und Medizin stießen im Bürgerdialog auf eine höhere Zustimmung als Anwendungen für Wirtschaft und Konsum.82 Kommerzielle Big-Data-Projekte werden in der Öffentlichkeit oft als intransparent wahrgenommen oder dargestellt.83 Dieser Perzeption kann man mit vier Maßnahmen entgegenwirken: ◼◼ Verständnis für die Technologie fördern, z. B. durch die Erklärung von Anonymisierungsprozessen, ◼◼ Wahlmöglichkeit bei der Angabe von Daten anbieten, z. B. durch ein VerbraucherserviceCockpit oder ein Kundenintegrations-Portal, ◼◼ Verständliche Informationen in den Datenschutzhinweise und -erklärungen bereitstellen, ◼◼ Risiken darstellen. Die im Kapitel 8 formulierten Positionen und Leitlinien greifen diese Wege zu mehr Vertrauen bei den Verbrauchern in Big Data auf. Es gilt, die Verbraucher mit Nachhaltigkeit und »Wort halten« zu überzeugen, dass der kommerzielle Nutzen des Unternehmens keinen Nachteil für den Verbraucher bedeutet. 7.3 Transparenz bei Big-Data-Analysen Transparenz bei Big-Data-Anwendungen bedeutet, dass die Verarbeitung der Daten mit zumutbarem Aufwand von Betroffenen nachvollzogen, überprüft und auch bewertet werden kann. Transparenz bei Big-Data-Analysen und –Anwendungen (vgl. Leitlinie 2) bedeutet generell, dass die Verarbeitung der Daten mit zumutbarem Aufwand von Betroffenen nachvollzogen, überprüft und auch bewertet werden kann. Die Transparenz kann allen Beteiligten dienen, d. h. der verantwortlichen Stelle bei datenschutzrechtlichen Themen, den Betroffenen (i.d.R. Verbraucher oder Nutzer), der Datenschutzkontrolle sowie der Öffentlichkeit im Rahmen einer demokratischen Überprüfung der Big-Data-Anwendungen.84 Die Betroffenen möchten häufig in der Lage sein zu verstehen, warum und welche Big-DataVerfahren durchgeführt werden und zu welchen Ergebnissen sie führen. Dies basiert einerseits auf einem allgemeinen Informationsinteresse bzw. Auskunftsersuchen der Verbraucher, das bei datenschutzrechtlich relevanten Big-Data-Verfahren (mit personenbezogenen Daten) auch rechtlich begründet ist. Andererseits sollen die Verbraucher auch Daten korrigieren können85, 82 Vgl. (Steinbach et al, 2015). 83 Vgl. dazu auch Abschnitt 7.1. 84 Vgl. (Weichert 2013). 85 Berichtigung, Sperrung, Löschung, Widerruf. Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien wenn die Daten oder Anwendungen fehlerhaft oder ungenau sind oder ggf. zu falschen Schlussfolgerungen führen. Rechtlich durchsetzbar sind diese Interessen der Verbraucher in Bezug auf Transparenz nur bei Big-Data-Verfahren mit personenbezogenen bzw. teilweise auch mit pseudonymisierten Daten. Big-Data-Verfahren werden aber häufig gerade auch anonym durchgeführt, da diese Anwendungen in bestimmten Bereichen mächtiger sein können. Hier können die Betreiber selbst entscheiden, welche Transparenzanforderungen sie erfüllen möchten, da es keine rechtlichen Anforderungen dafür gibt. Dimensionen von Transparenz Transparenz zu Big-Data-Verfahren umfasst mehrere Dimensionen. Transparenz hat neben der Funktion für die Betroffenen auch eine gesamtgesellschaftlich-demokratische Funktion. Sie muss dann gegenüber der Öffentlichkeit oder zumindest gegenüber unabhängiger Forschung oder Kontrollbehörde vorliegen. Hierbei besteht ein Konflikt mit dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen derjenigen, die Big-Data-Verfahren anwenden. Dieser Konflikt kann durch Marktregulierung oder andere Regulierung gesteuert werden. Transparenz für den Betroffenen ist bedeutend für die informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen. Da bei Big Data i.d.R. sehr viele betroffen sind, wird häufig eine öffentliche Transparenz gefordert, die Unternehmen aber mit ihrem Interesse auf Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse abgleichen müssen. Transparenz kann direkt die Qualität der verwendeten Daten beeinflussen. Nur wenn die ein fließenden Daten den Betroffenen bekannt sind, können sie diese auf ihre Aktualität und Richtigkeit hin überprüfen. Dies kann die Richtigkeit der Big-Data-Verfahren beeinflussen. Aspekte von Transparenz Konkret kann Transparenz bei Big-Data-Verfahren unter anderem die folgenden Aspekte umfassen: ◼◼ Informationen leicht zugänglich, jederzeit verfügbar für Beteiligte, ◼◼ stetige Information, welche Geräte welche Daten sammeln, nutzen und übertragen, ◼◼ Informationen über Umfang der harten Daten bzw. eigenen Hochrechnungen/Prognosen, ◼◼ Informationen über Algorithmen, ◼◼ Aufklärung über Entscheidungen auf Basis der Big-Data-Verfahren bzw. -Algorithmen, ◼◼ Informationen über Änderungen, ◼◼ Versionierung der Informationen. 67 68 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien Wirkungen von Transparenz Sofern Transparenz von den Betreibern der Big-Data-Verfahren geleistet wird, ermöglicht diese Transparenz u. a. ◼◼ Widerspruchsmöglichkeiten für Nutzer (die bei personenbezogenen Daten und pseudonymen Nutzerprofilen bei Telemedien gesetzlich gefordert ist), ◼◼ die Offenlegung von Quellen und Herkunft der Daten, ◼◼ die Einstellung von Profilmerkmalen durch die Nutzer. Diese Aspekte können die Qualität der Big-Data-Verfahren – z. B. bei sehr vielen Widersprüchen – einschränken. Allerdings können dadurch auch die Big-Data-Verfahren qualitativ verbessert werden, wenn die Nutzer selber Fehler feststellen und korrigieren. 7.4 Wie Analyseergebnisse zustande kommen In immer mehr Organisationen werten eigens dafür abgestellte Experten die Datenbestände systematisch aus. Dieses »Data Scientists« orientieren sich dabei an bewährten Vorgehens modellen. Am Anfang steht das Verständnis der Business-Anforderungen und ihrer Übersetzung in Fragestellungen für Datenanalyse. Nach der Analyse der verfügbaren Datenquellen startet der Data Scientist die Entwicklung einer datengetriebenen Lösung, die meist in mehrere Iterationsstufen verfeinert wird. Die Lösung wird in einem letzten Schritt in die Prozesse und Applikationen integriert und nachfolgend weiter optimiert. Anforderungen an Data Scientists Die Hauptaufgaben des Data Scientists bestehen darin, Business-Anforderungen in Fragestellungen für Datenanalyse zu übersetzen, diese umzusetzen und zu verfeinern und schließlich den Einsatz der gefundenen Lösungen zu begleiten. Aus diesem Grund muss der Data Scientist eine Reihe von Fähigkeiten besitzen, die bis vor einigen Jahren noch auf verschiedene Rollen verteilt waren. Er muss sich sowohl auf der BusinessSeite, als auch in der Datenanalyse auskennen und zusätzlich das technische Wissen mitbringen, um die Lösungen robust und skalierbar umzusetzen. Diese Integration wurde nötig, weil sich in den letzten Jahren die technischen Möglichkeiten so schnell entwickelt haben, dass nur durch eine integrierte Sicht auf alle Aspekte gute Lösungen finden lassen. Funktionierende Big-Data-Lösungen kann nur entwickeln, wer weiß, welche Datenanalysemethoden für eine bestimmte Fragestellung existieren und welche technischen Eigenschaften diese Methoden aufweisen. Data Scientists finden ihr Einsatzgebiet oft in technologiegetriebenen Unternehmen, in denen ständig große Mengen an Daten anfallen, so dass es große Potenziale gibt, durch Auswertung Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien von Daten wichtige Einsichten zu gewinnen. Dies betrifft insbesondere Firmen, die hauptsächlich über eine Webseite oder ähnliche technischen Services mit ihren Verbrauchern interagieren.86 Phasen der Projektentwicklung Am Anfang eines Projektes besteht die Aufgabe darin, zusammen mit den entsprechenden Geschäftsbereichen herauszufinden, welche Fragestellungen vorliegen und wie diese mit Hilfe von Datenanalyse gelöst werden können. Hierzu müssen die vorhandenen Datenquellen identi fiziert werden, die zusammen mit entsprechenden Datenanalysemethoden zur Problemlösung beitragen können. Von diesem ersten Ansatz ausgehend, startet der Data Scientist dann die Entwicklung und Verfeinerung einer datengetriebenen Lösung87, beginnend mit einer repräsentativen Teilmenge aller bereits verfügbaren Daten. Wichtig ist hierbei, bereits durch Simulation auf vorhandenen Daten die Performance auf zukünftigen Daten robust vorhersagen und abschätzen zu können. Im Laufe dieses Prozesses, der gewöhnlich mehrere Iterationsstufen durchläuft, werden Daten quellen, Datenanalysemethoden und auch die ursprüngliche Fragestellung so lange verfeinert, bis eine Lösung vorliegt, die auf Simulationen und vorhandenen Daten ausreichend gute Ergebnisse liefert. Als nächste Stufe muss diese Lösung dann in das bestehende System integriert werden, um weitere Evaluierungsergebnisse zu erhalten. Wichtig ist dabei, dass sich die Frage, ob ein System funktioniert, nur auf Basis realer Daten beantworten lässt. Der Data Scientist hat hier also eine besondere Verantwortung, die Evaluierung fachgerecht durchzuführen. Als letzter Schritt in diesem Prozess besteht dann der Einsatz der gefundenen Lösung im Gesamtsystem, wobei neue Aspekte wie Skalierbarkeit, Monitoring, usw. hinzutreten. Auch jetzt ist das Projekt noch nicht abgeschlossen, sondern bietet langfristig Potenzial für Verbesserung und weitergehende Anpassungen. Data Science und Big Data Da der Data Scientist potenziell mit Daten aus verschiedensten Quellen arbeitet, muss er auch für Datensicherheit und -schutz sensibilisiert sein. Das Grundinteresse des Data Scientists liegt in der Entwicklung automatisierter Methoden, mit denen sich geschäftsrelevante Fragestellungen skalierbar lösen lassen. Die individuelle Suche nach einzelnen Fragen, zum Beispiel um über einen Nutzer gewissen Antworten zu erhalten, liegt nicht in seinem Fokus. 86 Für einen Webshop kann Data Science zum Beispiel eingesetzt werden, um häufig zusammen erworbene Artikel zu identifizieren, um sie dem Kunden im geeigneten Kontext anzubieten. 87 Zur Ethik von Algorithmen vgl. (Wagner, 2015). 69 70 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien Zweifellos besitzen moderne Datenanalysemethoden ein großes Problemlösungspotenzial. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass deren »Intelligenz« beschränkt ist. Die Methoden beruhen auf der massiven Anwendung statistischer Methoden und Modelle, die keine inhärente Intelligenz besitzen.88 Computer bilden sich also weder eine Meinung über die Daten noch »verstehen« sie sie in irgendeiner Form. Data Science und Big Data sind prinzipiell verschiedene Bereiche. Data Science kann bereits für kleine Datenmengen sinnvoll und anspruchsvoll sein, während Big Data hauptsächlich Technologien umfasst, die in der Lage sind, große Datenmengen skalierbar zu speichern und verarbeiten. Die große Datenmenge macht den Einsatz spezieller, skalierbarer Datenanalysemethoden nötig, und durch den Datenreichtum ergeben sich auch leicht andere Herangehensweisen. 7.5 Bedeutung ethischer Grundsätze bei Big-Data-Lösungen Die Akzeptanz von Big-Data-Technologien in der breiten Öffentlichkeit setzt insbesondere voraus, dass die Technologieanbieter eine ethisch fundierte und untermauerte Herangehensweise praktizieren. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Big Data zeichnet sich dadurch aus, dass die Rechte und Interessen der Betroffenen bei der Verwendung von Big Data gewahrt werden und damit ein ethisches Korrektiv zu den nahezu unbegrenzten technischen Möglichkeiten besteht. Ethisch-moralische Gesichtspunkte und Transparenz In Teilen der Gesellschaft und der Politik bestehen Vorbehalte gegenüber Big-Data-Anwendungen.89 Die Medien rücken unter dem Schlagwort Big Data teilweise Gefahren und negative Beispielsfälle in den Vordergrund (»Big Brother«). Die Verbraucher verlangen, berechtigterweise, 88 Zum Beispiel kommen für die Verhaltensvorhersage eines Nutzers Modelle zum Einsatz, die im Wesentlichen einfach strukturierte Funktionsmodelle mit einer großen Anzahl an Parametern sind, die im Laufe des Trainingsprozesses lediglich so angepasst werden, dass die Vorhersage auf den verfügbaren Trainingsdaten möglichst gut ist. 89 Einige Autoren richten ihre Aufmerksamkeit auf grundsätzliche Herausforderungen im Zusammenhang mit Big Data. Sie befürchten, dass die Datafizierung Chancen für eine alternative Zukunft verbaut. So geht es Morozov (vgl. (Morozov, 2015)) u. a. um ein neues Verständnis von Datenschutz, die »wirkmächtige Verschmelzung kommerzieller Interessen heutiger Unternehmen mit den Sicherheitsinteressen heutiger Regierungen« (vgl. (Morozov, 2015, S. 4)) als größte Herausforderung sowie die Frage, »ob es angemessen ist, dass es die großen Unternehmen wie Google und Facebook sind, die letztgültig vermitteln, wie wir leben, heilen, studieren oder reisen.« (vgl. (Morozov, 2015, S. 7)) Zum Datenschutz lautet Morozovs zentrale Aussage. »Sollte es gelingen, uns von diesem theoretischen Vorurteil freizumachen, dass es beim Datenschutz um den Schutz eines Gutes aus der Vergangenheit geht, und würden wir Datenschutz stattdessen als Möglichkeit betrachten, eine alternative Zukunft zu leben – eine, die uns von niemandem aufgezwungen wird, sondern die wir uns selbst teilautonom wählen – dann würden wir erkennen, dass die gegenwärtigen Prozesse, die alles quantifizieren und datafizieren, diese Möglichkeit stark einschränken.« (vgl. (Morozov, 2015, S. 3f.)) Ähnlich argumentiert Hofstetter: »Die Macht verschiebt sich weg vom demokratisch legitimierten Staat, dessen Repräsentanten durch den Souverän wählbar und kontrollierbar sind, hin zu den Wirtschaftsbetrieben, die über unsere Daten verfügen – und die Schlüsseltechnologien, um sie auszuwerten. Anders als ein demokratischer Staat sind sie hochgradig intransparent; durch ihre Geschäftsstrategie, stets ein Monopol anzustreben, wird Nutzern jede Alternative genommen.« (Vgl. (Hofstetter, 2015, S. 34))Vgl. (Bitkom 2012, S. 14, 16). Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien nach einer transparenten Verarbeitung ihrer Daten und lassen den pauschalen Hinweis auf Geschäftsgeheimnisse nicht gelten. Schließlich stellen politische Entscheidungsträger laufend wechselnde Forderungen an die Wirtschaft. Auch ein Großteil der im Zusammenhang mit Big Data entstehenden Rechtsfragen ist noch nicht abschließend geklärt, so dass auch hieraus Unsicherheit entsteht. Schließlich müssen aber vor allem die Unternehmen selbst sicherstellen, dass sie eigenen Wertvorstellungen treu bleiben und entsprechend ihre Geschäftsprozesse gestalten (vgl. Leitlinie 7). Der Grundsatz bei Big Data lautet also: Nicht alles, was machbar ist, wird auch umgesetzt. Mit anderen Worten: Auch wenn eine Big-Data-Lösung sowohl technisch als auch juristisch um gesetzt werden könnte, so müssen dennoch beispielsweise ethisch-moralische Gesichtspunkte bei der Letztentscheidung berücksichtigt werden (vgl. Leitlinie 9). Vor diesem Hintergrund ist es für Unternehmen besonders wichtig, gegenüber ihren Verbrauchern transparent über Big-Data-Lösungen zu informieren . Dies kann über separate Informationen zu Big-Data-Lösungen geschehen oder im Rahmen der geschäftspolitischen Außendarstellung wie Internetauftritt. Transparenz ist ein wesentlicher Schlüssel für die Akzeptanz von Big-DataLösungen in der öffentlichen Meinungsbildung (vgl. Leitlinie 2). Respekt vor Verbrauchern Eng verzahnt mit der Transparenz ist der Respekt vor Verbrauchern. In der Regel setzen Big-DataLösungen auf Daten auf, welche das Unternehmen über die eigenen Kunden aufgrund einer Vertragsbeziehung hat.90 Um die Akzeptanz der Kunden für eine solche Datenverarbeitung zu erhalten, muss dem Kunden nachvollziehbar erläutert werden, wie und wofür die Daten verwendet werden. Letztendlich partizipieren beide Seiten am Nutzen von Big-Data-Lösungen (vgl. Leitlinie 1) – zum einen das Unternehmen und zum anderen der Kunde. Das Unternehmen kann den wirtschaftlichen Wert durch Erstellung von innovativen Produkten erhöhen. Gleichzeitig profitiert der Verbraucher von optimierten und nützlicheren Produkten zu einem besseren Preis. Ethisch-moralisches Korrektiv IT-Unternehmen befinden sich in einem größer werdenden Spannungsfeld. Um die sich bietenden wirtschaftlichen Chancen ausnutzen zu können, müssen sie den vielfältiger werdenden Möglichkeiten des Einsatzes von Big Data aufgeschlossen gegenüber treten. Andererseits wird sich nachhaltiger Erfolg mit Big-Data-Technologien nur einstellen, wenn die Unternehmen hiermit auf Akzeptanz bei den Nutzern stoßen. Eine zentrale Voraussetzung dafür ist eine ethisch fundierte und untermauerte Herangehensweise. Auch wenn die Optimierung von Produkten als wirtschaftliches Ziel für Unternehmen sehr erstrebenswert ist, so muss bei der Kundenentwicklung gerade bei Big-Data-Lösungen ein 90 Vgl. auch (Ulmer, 2013, S. 225). Zu allgemeinen Methoden der Anonymisierung vgl. (Dammann 2014). 71 72 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien ethisch-moralisches Korrektiv Berücksichtigung finden. Big Data ermöglicht per definitionem die Verknüpfung und Analyse unterschiedlichster Daten aus einer Vielzahl von Datenquellen. Eine solche maximale Verknüpfung, Datenschutzkonformität unterstellt, kann zu unerwarteten Produktentwicklungen führen. Die Verknüpfung unterschiedlichster Datenquellen könnte Ergebnisse hervorbringen, die ethisch-moralisch bedenklich sind. Besondere Sorgfalt ist geboten, wenn »besondere Daten«, gemäß § 3 Abs. 9 BDSG91, verarbeitet und analysiert werden. Daher ist vor der Verwendung solcher Daten genau zu prüfen, ob das angestrebte Ergebnis auch unter ethischen Gesichtspunkten vertretbar bzw. erwünscht und im Sinne derer ist, von denen die Daten stammen. Wenn nicht klar ist, welche Konsequenzen sich aus einer Verwendung oder Verknüpfung dieser Daten ergeben können, sollten Unternehmen von der Verwendung absehen. (vgl. Leitlinie 9). Bedeutung von Leitlinien Big-Data-Analysen bergen also vielfältige Herausforderungen, nicht zuletzt technischer und wirtschaftlicher Natur.92 Die im Kapitel 8 vorgestellten Leitlinien sollen Hinweise für die Kommunikation mit Verbrauchern geben, Best Practices für das Prozessmanagement und die Unter nehmensorganisation bieten und den Unternehmen insgesamt eine Richtschnur für einen ethisch und juristisch einwandfreien Einsatz von Big-Data-Analysen aufzeigen. Sie können für die Bewältigung nur einiger dieser Herausforderungen Hinweise geben. Vorgestellt werden insbesondere Möglichkeiten, einen verantwortungsvollen Umgang mit Big Data zu praktizieren, der sich dadurch auszeichnet, dass die Rechte und Interessen der Betroffenen bei der Verwendung von Big Data – sei es in den eigenen Geschäftsprozessen oder bei der Gestaltung von Produkten – angemessen berücksichtigt werden und damit ein ethisches Korrektiv zu den nahezu unbegrenzten technischen Möglichkeiten besteht (vgl. Leitlinie 7). 7.6 Stimulierung gesellschaftlich wünschenswerter Verhaltensweisen Individuelle risikoorientierte Versicherungstarife stehen dem deutschen Solidarprinzip nicht zwingend im Weg. Sie eröffnen die Möglichkeit, ein gewünschtes Verhalten zu fördern, ohne die Risiken völlig auf das Individuum abzuwälzen. Big-Data-Analysen können auch einen digitalisierten Schutz ermöglichen, indem auf ihrer Grundlage Empfehlungen generiert und digitalisiert übertragen werden. Einzelne Verbraucher sollten zwischen der Ablehnung einer individuellen Vermessung ihrer Gewohnheiten bis hin zur Akzeptanz und freiwilligen Datenlieferung wählen können. 91 »Besondere Arten personenbezogener Daten sind Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben.« 92 Die technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen sind nicht Gegenstand der Leitlinien. Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien Stimulierung – ja, Sanktionierung – nein Big-Data-Anwendungen sollten so konzipiert werden, dass sie ggf. eine Stimulierung, nicht jedoch eine Sanktionierung ermöglichen. Dabei muss dafür Sorge getragen werden, dass Personen, die in eine Verarbeitung ihrer Daten nicht einwilligen, keine Nachteile haben. Zu klären ist, unter welchen Umständen eine Benachteiligung und eine Sanktionierung durch eine Anwendung vorliegen. Personalisierte, risikoorientierte Versicherungstarife müssen dem deutschen Solidaritätsprinzip im Versicherungswesen nicht zwingend widersprechen, wenn die Ergebnisse der Datenanalyse lediglich zur Stimulierung dienen. An die Stelle von Negativkonsequenzen können Empfeh lungen an die Verbraucher rücken, wie sie den definierten Kriterien besser entsprechen.93 Big Data kann hier im Sinne des Nudging94 wirken; dabei muss ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Selbstverantwortung und Solidargemeinschaft bestehen bleiben. Sollte bei einer Anwendung Unsicherheit herrschen, ob sie stimuliert oder sanktioniert, könnte eine Ethik-Kommission zu Rate gezogen werden. Unterstützung bei dieser Entscheidung sollen auch die Leitlinien (vgl. Kapitel 8) bieten. 7.7 Datensammlung im Automatismus Die automatisierte Sammlung von Daten bietet sowohl für den Verbraucher als auch für Unternehmen einen erheblichen Mehrwert. Zu gewährleisten ist dabei aber, dass die rechtlichen Vorgaben beachtet werden und der Verbraucher darüber er entscheiden kann, welche Daten seine Geräte übermitteln sollen. Automatisierte Sammlung von Daten Die automatisierte Sammlung von Daten birgt einen erheblichen gesellschaftlichen Mehrwert. Mit der Ausbreitung des Internets der Dinge vervielfachen sich die Möglichkeiten zu einer solchen Datensammlung über Sensoren, die in Alltagsgegenständen eingebaut sind, seien es Fitnessarmbänder, Turnschuhe oder Waschmaschinen. Entscheidend ist dabei jedoch, dass Unternehmen die Interessen der Betroffenen angemessen berücksichtigen. Gerade die ubiquitäre automatisierte Datensammlung erfordert ein ethisch einwandfreies Vorgehen, weil sie eine stärkere technische Durchdringung des Bereichs privater Lebensgestaltung mit sich bringt (vgl. Leitlinie 7 und Leitlinie 8). 93 Eine solche Empfehlung könnte beispielsweise zur Teilnahme an einem Rückentrainingszirkel oder Fahr sicherheitstraining sowie zur Wahl einer anderen, altersgerechteren Wanderroute oder einer alternativen Fahrstrecke, aufgrund erhöhten Unfallvorkommens anleiten. 94 Nachhaltige Verhaltensbeeinflussung durch Impulse (wörtlich: Schubs) – ohne Verbote oder Befehle. 73 74 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien Inhaberschaft an Daten Dabei sind insbesondere die Rechte der Verbraucher zu beachten. Data Mining mit personenbezogenen Daten darf nicht ohne die Kenntnis der Betroffenen erfolgen. Um die Akzeptanz der Verbraucher für die Datenverarbeitung zu sichern, muss diesen gegenüber transparent gehandelt werden. Der Verbraucher kann sich nur dann selbstbestimmt und ohne ein »diffuses Gefühl des Beobachtetwerdens« den neuen Technologien öffnen. Insbesondere ist auch zu bedenken, dass die Inhaberschaft an Daten rechtlich nicht geklärt ist. Die technische Umsetzbarkeit der Daten erhebung begründet für sich noch keine ethische Legitimität. Vielmehr müssen sowohl das Datensubjekt als auch der Eigentümer des Geräts, welches die Daten sammelt, über die Datenerhebung informiert sein. Sie müssen die Kontrolle über die ihnen vom Gesetz zugeordneten Herrschaftssphären behalten. Technische Ausgestaltung der Datensammlung Besondere Bedeutung kommt hierbei schon der technischen Ausgestaltung der Datensammlung zu. Die beiden wichtigsten Aspekte lassen sich unter den Schlagworten »Privacy by Design« und »Privacy by Default« zusammenfassen. Schon bei der technischen Konstruktion informa tionstechnischer Systeme, die der Verarbeitung von personenbezogenen Daten dienen, muss sichergestellt sein, dass das System datenschutzfreundlich eingesetzt werden kann. Nicht nur stellt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein Grundrecht dar, verfassungsgerichtlich sind mittlerweile auch Anforderungen an die Ausgestaltung informationstechnischer Systeme festgeschrieben. Soweit möglich sollten Konflikte mit diesbezüglichen rechtlichen Vorgaben deshalb schon durch technische Gestaltung minimiert werden. Darüber hinaus sollten Unternehmen, gerade bei sensiblen Daten, nicht standardmäßig die maximal mögliche Datenmenge erheben, sondern eine datenschutzfreundliche Voreinstellung wählen. Der Entwurf der Datenschutz-Grundverordnung enthält die Vorgabe, »Privacy by Design« und »Privacy by Default« einzusetzen. Weitere Ansätze, konkrete Aspekte von »Privacy by Design« und »Privacy by Default« regulatorisch zu verankern, finden sich in den gesetzlichen Vorgaben zum Einsatz von intelligenten Messsystemen (Smart Meter). Die entsprechenden Regelungen sehen derartige Schutzmechanismen als verbindlich vor. Sie können eine Orientierung auch außerhalb der Energiewirtschaft bieten. 7.8 Recht auf Vergessenwerden? Die Forderung eines »Rechts auf Vergessenwerden« geht an der technologischen Realität vorbei. Vielmehr geht es um selbstbestimmtes Löschen und darum, überhaupt zu erfahren, wo welche personenbezogenen Daten liegen. Für die Speicherung von massenhaft anfallenden Daten bilden die Kosten mittlerweile keine Barriere mehr – mit der Folge, dass Daten für die Ewigkeit vorgehalten werden können. Das Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien Internet vergisst nicht: Digital veröffentlichte Bilder oder Meinungsäußerungen – auf Unternehmensservern gespeichert und im Internet veröffentlicht – verschwinden von dort nicht mehr ohne aktives Handeln. In der Praxis kann das für Personen die Konsequenz haben, dass z. B. ihre politischen Äußerungen ihnen über Jahrzehnte anhängen, selbst wenn sie ihren Überzeugungen längst abgeschworen haben. Daraus können erhebliche Nachteile95 erwachsen. Diese Möglichkeit kann das Verhalten in der Gegenwart deutlich beeinflussen, um in Zukunft nicht »bestraft« zu werden. Die Löschung von Inhalten im Internet bleibt eine Herausforderung, wenn man nicht alle Verbreitungswege kennt.96 Verfallsdatum für Informationen? Im Sinne der informationellen Selbstbestimmung wird in der Öffentlichkeit die Forderung laut, ◼◼ die Löschung von personenbezogenen Daten veranlassen zu können bzw. ◼◼ dass Daten nur für einen bestimmten Zeitraum gespeichert werden. Digitale Informationen mit Personenbezug sollen nicht dauerhaft verfügbar sein. Ein »Recht auf Vergessenwerden« postulierte Viktor Mayer-Schönberger.97 Er stellte die Forderung auf, dass elektronisch gespeicherte Daten mit einem Verfallsdatum versehen und nach dessen Ablauf gelöscht werden. Mayer-Schönberger geht dabei nicht zwingend von einem Automatismus oder einem tatsächlichen Vergessensrecht aus, ebenso wenig von einem umfassenden Data Rights Management System. Vielmehr forderte er die permanente Konfrontation mit der Frage, wie lange ein Datum gespeichert werden soll. Schrittweise würde das Bewusstsein dafür geschärft, dass Daten und enthaltene Informationen einen zeitlich begrenzten Wert aufweisen und folglich manches nicht ewig gespeichert werden muss. Digitales Merken und Vergessen soll funktionieren wie analoges. Analog ist es eine bewusste Entscheidung und eher die Ausnahme, etwas im Geiste oder extern festzuhalten, wenn es wichtig erscheint. Das Vergessen ist hier die Regel und das Merken die Ausnahme. Digital verhält es sich umgekehrt: Das Merken funktioniert auto matisiert, wohingegen Vergessen einer aktiven Handlung bedarf.98 Unklare Rechtslage Gesetzlich ist die Forderung nach einem Recht auf Vergessenwerden bis dato nicht geregelt. In der geltenden europäischen Richtlinie und im deutschen Datenschutzgesetz werden nur Voraussetzungen bestimmt, unter denen ein personenbezogenes Datum zu löschen ist. 2011 wurde das Recht im Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Datenschutz-Grundverordnung 95 Nachteile für Individuen könnten beispielsweise in Form von schlechteren Kreditkonditionen bei Banken oder von schlechteren Tarifen bei Versicherungen oder in Form einer Überwachung durch staatliche Institutionen entstehen. Die Interessenabwägung ist alles andere als trivial, verfügen doch Banken und Versicherungen über valide Grundlagen für eine unterschiedliche Bewertung von Verbrauchern. 96 Wird ein Verweis an der einen Stelle gelöscht, kann er an einer anderen nach wie vor bestehen. Selbst wenn ein alkoholisierter junger Partyteilnehmer leichtsinnig veröffentlichte Bilder bereits nach kurzer Zeit in seinem Profil löscht, können diese Bilder Jahre später wieder auftauchen und einen Karriereknick verursachen. 97 Vgl. (Mayer-Schönberger, 2010). 98 Vgl. (Pluta, 2008). 75 76 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien aufgegriffen, wobei keine Löschfristen vorgesehen wurden und das Recht vornehmlich einer Ausweitung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gleichkam. Aufgrund zahlreicher Kritik wurde das Recht 2013 aus dem Entwurf entfernt und auf ein Recht auf Löschung beschränkt.99 Grundsätzlich besagt das geltende Recht, dass Daten nicht länger personenbezogen aufbewahrt werden dürfen, als es für die Realisierung der Zwecke erforderlich ist, für die sie erhoben wurden oder weiterverarbeitet werden. Diese Formulierung lässt Spielraum für die Ausgestaltung von unternehmensspezifischen Datenschutzrichtlinien und -erklärungen. Daher gibt es unterschiedliche Handhabungen in den Unternehmen, die nicht unbedingt zu mehr Transparenz und Kontrolle für den Verbraucher führen. Jedoch starteten Unternehmen in den letzten Jahren Initiativen für die Entwicklung standardisierter Löschkonzepte, die sicherstellen sollen, dass jedes Datum gelöscht wird, sobald es nicht mehr erforderlich ist.100 2014 entschied der EuGH, dass es für den Einzelnen möglich sein muss, die Löschung von Links auf personenbezogene Daten zu veranlassen101. Diese Entscheidung wurde so umgesetzt, dass die betreffenden URLs aus den Suchergebnissen ausgeblendet werden. Die tatsächlichen verlinkten Inhalte liegen nach wie vor auf den Unternehmensservern. Archive von Medien sind folglich nicht betroffen. Die genannte Limitierung haben alle bisherigen technischen Ansätze gemeinsam. Zwar geht aus der öffentlichen Debatte hervor, dass dies oft als positiv empfunden wird, da das Recht auf Vergessenwerden in seiner umfassenden Form eine Zensur darstellen und massive Erinnerungslücken erzeugen könne.102 Jedoch stellt die Limitierung trotzdem eine massive Einschränkung der informationellen Selbstbestimmung dar. Umgekehrt würde ein absolutes Löschrecht einen entsprechenden Eingriff in die Informations- und Pressefreiheit darstellen. Wie so oft in dieser Diskussion hat man es mit widerstreitenden berechtigten Interessen und Grundrechten zu tun. Löschung von Daten bleibt eine Herausforderung Wegen der kontroversen Interessen von Medien, Unternehmen und den Betroffenen erscheint die Forderung nach einem Recht auf durchgreifendes Löschen utopisch. Vielmehr ist Kom promiss zu finden. Vor diesem Hintergrund erscheint Mayer-Schönbergers Ansatz sinnvoll, da er nicht von einer rechtlichen Festlegung ausgeht, sondern von einem Bewusstseinswandel. In der öffentlichen Debatte geht es auch meist viel weniger um das Einklagen eines Rechts, als vielmehr um Möglichkeit zu selbstbestimmtem Löschen verfügen. Hierzu müssen Strukturen geschaffen werden, die die Verbreitung von Daten im Internet nachvollziehbar machen. Grundsätzlich spielt hierbei auch die Forderung nach erhöhter Transparenz über die Speicherung und Verwendung personenbezogener Daten eine Rolle. So wird erörtert, ob Betroffene als eine Art 99 Auf technischer Ebene existieren erste, allerdings noch nicht ausgereifte Ansätze, die die Vorschläge Mayer-Schönbergers verfolgen. Vgl. (Heise online, 2011) sowie (Welchering, 2011). 100Vgl. (DIN 2015). 101 Vgl. (EuGH, 2014). 102Vgl. (Reißmann, 2014). Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien »Datenbestätigung« in bestimmten Abständen darüber informiert werden könnten, welche Daten gespeichert, genutzt und verarbeitet werden und zu welchem Zweck das geschieht. Dabei müsste auch die Weitergabe an Dritte weitgehend transparent gemacht werden, so dass die Datenverbreitung nachvollzogen werden kann. Ein solches Vorgehen würde gewährleisten, dass Betroffene notwendige Korrekturen an veralteten oder falschen Beständen aufzeigen könnten. Allerdings wäre eine aktive Benachrichtigung aller Betroffenen in regelmäßigen Abständen mit großen praktischen und auch datenschutzrechtlichen Schwierigkeiten verbunden. Es gibt jedoch recht erfolgreiche Ansätze, bei denen im Rahmen eines Nutzeraccounts jederzeit für den Nutzer einsehbar ist, welche seiner Daten gespeichert sind und wo er auch selbst deren Berichtigung oder Löschung initiieren kann. In dieser Richtung können sicherlich noch weitere Instrumente ent wickelt werden, mit denen die notwendige Transparenz und Interaktion hergestellt werden kann, die für die Nutzer zur Ausübung ihres informationellen Selbstbestimmungsrechts notwendig ist. 7.9 Umgang mit Wahrscheinlichkeiten und Verhaltensprognosen Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn mit Hilfe von Big Data Prognosen verbessert werden. Prognosen können jedoch an Grenzen geraten: Sie dürfen Menschen nicht ihre Chancengleichheit nehmen. Big Data Analytics macht es möglich, aus bekannten Umständen Prognosen über das künftige Verhalten einer Person oder andere Ereignisse abzugeben. Das gilt für die Rückzahlung von Darlehen genauso wie die Wahrscheinlichkeit eines Autounfalls. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn mit Hilfe von Big Data Prognosen verbessert werden. Die Verbesserung einer Prognose über die Bonität eines Verbrauchers ist genauso im Interesse der Bank, die das Geld zurückerhalten will, wie im Interesse des Verbrauchers, der am besten nur so viel Schulden aufnimmt, wie er wahrscheinlich auch zurückzahlen kann. Sie ist auch im Interesse anderer Verbraucher, denn je besser die Prognose, desto geringer können die Risikoaufschläge sein, die Banken erheben müssen. Auch für Gesundheitsprognosen gilt das. Je besser man voraussehen kann, welche Krankheiten ein Mensch möglicherweise entwickelt, desto früher kann man therapeutische Gegenmaß nahmen ergreifen. Das nützt vor allem den Betroffenen, es nützt aber auch der Gesellschaft durch eingesparte Kosten, die für andere Maßnahmen ausgegeben werden können. Grenzen von Prognosen Prognosen können aber auch ungewollte Folgen haben. Bezieht man in eine Bonitätsprüfung auch den Wohnort des Verbrauchers mit ein, so kann dies bedeuten, dass Menschen aus bestimmten Stadtgebieten keine Kredite mehr erhalten, vielleicht nicht einmal einen Mobilfunkvertrag. Prognosen könnten auch dazu führen, dass Menschen mit einer bestimmten Erbanlage keine Krankenversicherung abschließen können, obwohl sie vielleicht diese Krankheit 77 78 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien niemals entwickeln; so würde das Solidaritätsprinzip von Versicherungen ausgehebelt. Hier geraten Prognosen an ihre Grenzen. Prognosen dürfen nicht dazu führen, dass Menschen die Chancengleichheit genommen wird (vgl. Leitlinie 9). Bestimmte Analysen müssen ausgeschlossen bleiben, beispielsweise genetische Analysen für berufliche Zwecke. Auch dürfen staatliche Zwangsmaßnahmen nicht mit einer bloßen Wahrscheinlichkeitsprognose begründet werden: Die Polizei darf einen Fußballfan nicht deshalb festnehmen, weil die Prognose eine hohe Wahrscheinlichkeit ergab, dass er im Stadion randaliert. Staatliches Handeln darf nur an begangene Handlungen anknüpfen oder an eine bestehende Gefahr, die durch konkrete Tatsachen belegt werden muss. 7.10 Erkenntnisse aus der Kommunikation in Sozialen Netzwerken Unternehmen sollten bei der Analyse der Kommunikation in Sozialen Netzwerken umsichtig agieren und die Interessen der Betroffenen angemessen berücksichtigen. Obwohl die Kommunikation in Sozialen Netzwerken öffentlich verfügbar ist, sollten Unternehmen bei der Sammlung und Auswertung solcher Informationen berücksichtigen, dass die Betroffenen bewusst meist nur mit einem eingeschränkten Nutzerkreis und nur in einem ganz spezifischen Zusammenhang kommuniziert haben. Nicht immer mag ein Betroffener davon ausgegangen sein, dass seine Äußerungen und Aktivitäten Gegenstand von kommerziellen Auswertungen auch außerhalb des jeweiligen Forums werden, auch wenn die Informationen allgemein zugänglich sind. Deshalb sollten Unternehmen hier umsichtig agieren und die Interessen der Betroffenen angemessen berücksichtigen (vgl. Leitlinie 7). Selbstverständlich sind unbedingt die rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten. Vorzugswürdig ist stets die Analyse nur anonymisierter Daten, bei denen die einzelne Person nicht mehr identifiziert werden kann (vgl. Leitlinie 3). Oftmals geht die Anonymisierung der Daten dabei nicht mit einem Erkenntnisverlust einher. Weniger problematisch ist aber die Auswertung von Kommunikation und Aktivitäten der Nutzer, die sich unmittelbar auf das Unternehmen selbst beziehen, beispielsweise weil der Nutzer eine Fanseite besucht oder Nachrichten direkt an das Unternehmen geschickt hat. Letztlich sollte bei jeder Information genau abgewogen werden, welche Interessen das Unternehmen überhaupt hat und welche Interessen der Betroffenen der konkreten Verwendung möglicherweise entgegenstehen. Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Fragestellungen für Big-Data-Leitlinien 79 8 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz 82 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Leitlinien für den Big-Data-Einsatz 8Leitlinien für den Big-Data-Einsatz Leitlinie 1 – Nutzen der Big-Data-Anwendungen prüfen Big-Data-Anwendungen sollen einen klar erkennbaren Nutzen für die Verbraucher, Kunden oder die Gesellschaft haben. Leitlinie 2 – Anwendungen transparent gestalten Big-Data-Anwendungen sollen transparent sein, so dass die Betroffenen erkennen können, welche ihrer personenbezogenen Daten in welcher Weise verarbeitet werden. Leitlinie 3 – Bevorzugt anonymisierte oder pseudonymisierte Daten verarbeiten Soweit die Verarbeitung von anonymisierten oder pseudonymisierten Daten denselben Nutzen für die Beteiligten hat, sind solche Verfahren vorzuziehen. Es gibt aber auch Verfahren, die sich nur sinnvoll einsetzen lassen, wenn personenbezogene Daten verwendet werden. Leitlinie 4 – Interessen der Beteiligten abwägen Personenbezogene Daten dürfen verarbeitet werden, wenn berechtigte Interessen der verantwortlichen Stelle dies rechtfertigen und keine überwiegenden Interessen der Betroffenen entgegenstehen. Unter denselben Voraussetzungen ist es auch zulässig, Daten zu verwenden, die ursprünglich für einen anderen Zweck erhoben wurden. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, dürfen die Daten nur verarbeitet werden, wenn die Betroffenen einwilligen. Leitlinie 5 – Einwilligungen transparent gestalten Wenn die Datenverarbeitung in Big-Data-Verfahren auf eine Einwilligung gestützt wird, muss die Einwilligung transparent sein, damit der Betroffene erkennen kann, welche Daten für welche Zwecke verwendet werden. Leitlinie 6 – Nutzen für Betroffene schaffen Big-Data-Anwendungen sollten auch einen Nutzen für Betroffene haben, die ihre Daten für die Bearbeitung zur Verfügung stellen. Leitlinie 7 – Governance für personenbezogene Daten etablieren Unternehmen sollten eine starke Governance etablieren, die eine gründliche Überprüfung von Zulässigkeit und Notwendigkeit von Big-Data-Anwendungen garantiert, den verantwortungs vollen Umgang mit Big Data sichert und die Rechte und Interessen der Betroffenen wahrt. Hierbei kommt dem betrieblichen Datenschutzbeauftragten eine wichtige Rolle zu. Leitlinie 8 – Daten wirksam gegen unberechtigte Zugriffe schützen Unternehmen, die Big-Data-Anwendungen einsetzen, setzen ausreichende technische und organisatorische Schutzmaßnahmen ein, um unberechtigte Zugriffe auf personenbezogene Daten zu verhindern. Leitlinie 9 – Keine Daten zu ethisch-moralisch unlauteren Zwecken verarbeiten Datenerhebungen, Verknüpfung von Daten oder andere Datenverarbeitungen zu ethisch-moralisch unlauteren Zwecken sind zu unterlassen. Das gleiche gilt, wenn die Erhebung, Verknüpfung oder Verarbeitung der Daten den Betroffenen schaden können. Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Leitlinien für den Big-Data-Einsatz Leitlinie 10 – Datenweitergabe nach Interessenabwägung ermöglichen Die Weitergabe von personenbezogenen Daten an Dritte ist mit Einverständnis möglich. Möglich ist sie auch nach einer Interessenabwägung, wobei der Weitergebende die Risiken zu berücksichtigen hat, die sich aus der Zusammenführung mit anderen Datenbeständen beim Empfänger ergeben könnten. Dabei ist sicherzustellen, dass der Betroffene informiert wird. Leitlinie 11 – Selbstbestimmtes Handeln ermöglichen Unternehmen, die Big-Data-Anwendungen einsetzen, ermöglichen dem Betroffenen durch transparente Information über die Anwendungen und durch ergänzende Auskünfte selbstbestimmtes Handeln. Leitlinie 12 – P olitische Rahmenbedingungen vervollkommnen – Datenschutz und Daten nutzen neu abwägen Big-Data-Anwendungen können einen hohen Nutzen für die Gesellschaft und für jeden Einzelnen haben. Nicht nur Unternehmen sind daher gefordert, sondern auch die Politik. Sie ent wickelt die Rahmenbedingungen so weiter, dass Big-Data-Anwendungen in Deutschland und der Europäischen Union sinnvoll eingesetzt werden können, Rechte der Betroffenen angemessen geschützt und ungerechtfertigte regulatorische Hindernisse abgebaut werden. Die Weiterentwicklung einer datenbasierenden Wirtschaft in Deutschland und der Europäischen Union ist ein wichtiges politisches Ziel. Deutsche Unternehmen dürfen hierbei keinen Wett bewerbsnachteilen gegenüber Unternehmen aus anderen EU-Staaten oder anderen Staaten der Welt ausgesetzt sein. Die Politik setzt einen Prozess auf, der die Weiterentwicklung des Datenschutzrechts auch nach Verabschiedung der EU-Datenschutz-Grundverordnung zum Ziel hat. Einhaltung der Leitlinien Im Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sollte erörtert werden, ob eine Selbstverpflichtung, ein Kodex oder eine weitere Regulierung zielführend ist.103 Es reicht nicht aus, Leitlinien für den Big-Data-Einsatz vorzugeben. Vielmehr muss deren Einhaltung glaubwürdig und wirksam überprüft werden. Dafür stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung: ◼◼ die freiwillige Selbstkontrolle sowie ◼◼ die Zertifizierung. Beide Möglichkeiten können auch kombiniert werden. 103Vgl. (Eckert et al, 2014, S. 18). 83 84 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Leitlinien für den Big-Data-Einsatz Die freiwillige Selbstkontrolle ist insbesondere dann geeignet, wenn Rechtsgüter von Verbrauchern betroffen sind, da sich die Verbraucher über eine zentrale Stelle informieren und ggf. Beschwerde einlegen können. Die freiwillige Selbstkontrolle gewährleistet Kontinuität bei der Einhaltung der Leitlinien. Das ist insbesondere von Vorteil, wenn die dauerhafte Einhaltung von organisatorischen Maßnahmen und Verhaltenspflichten sichergestellt werden soll. Die freiwillige Selbstkontrolle gilt als effizient, da die Einhaltung einzelner Punkte der Leitlinien anlassbezogen überprüft werden kann und nicht umfassend im Vorfeld durchgeführt werden muss. Ist ein hoher und anerkannter Grad an Verbindlichkeit gewünscht bzw. erforderlich, lassen sich aus nationalen und internationalen Standards, insbesondere den »EU-Principles for Better Self and Co-Regulation«104, die folgenden Mindestanforderungen bezüglich der Durchsetzung ableiten: ◼◼ Verbindliche Verpflichtungserklärungen der teilnehmenden Organisationen, ◼◼ Monitoring, Evaluierung und kontinuierliche Weiterentwicklung, ◼◼ effektive Beschwerdemechanismen und Streitbeilegung, ◼◼ wirksame Sanktionen. Im Gegensatz zur freiwilligen Selbstkontrolle eignet sich eine Zertifizierung insbesondere dann, wenn es um die Einhaltung von Vorgaben zu einem gewissen Zeitpunkt geht. Die Vorlage eines Zertifikats (Siegels) kann einen Beitrag leisten, öffentliches Vertrauen in den Big-Data-Einsatz aufzubauen. 104Vgl. (European Commission, ohne Jahresangabe). Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Leitlinien für den Big-Data-Einsatz 85 9 Big Data und Datenschutz: Politischer Handlungsbedarf 88 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Big Data und Datenschutz: Politischer Handlungsbedarf 9Big Data und Datenschutz: Politischer Handlungsbedarf Bitkom plädiert für einen fortwährenden gesellschaftlichen und politischen Diskurs, um gesellschaftlich akzeptierte Standards zu Big Data zu entwickeln. Chancen und Risiken müssen in diesem Diskurs in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden und an diesem Maßstab sollten sich die rechtlichen Vorgaben orientieren. Bisher wurde Big Data lediglich unter Schutzaspekten gesetzlich erfasst. Es gilt jedoch, positive Nutzungsregeln ins Auge zu fassen, die der zentralen Bedeutung von Daten in einer Data Driven Economy gerecht werden (vgl. Leitlinie 12). Der Entwurf der EU-Datenschutz-Grundverordnung bleibt hier noch hinter den Möglichkeiten und Erfordernissen der Digitalisierung zurück. Um für Industrie 4.0, Big Data, Cognitive Computing und andere Innovationen günstige Rahmenbedingungen zu schaffen, muss ein politischer Prozess für die Weiterentwicklung und praktische Umsetzung der Verordnung aufgesetzt werden. Veraltetes Datenschutzrecht – ökonomische Risiken Die datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen haben mit dem technologischen Fortschritt nicht Schritt gehalten. Das deutsche Datenschutzrecht stammt im Kern aus den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. Big Data war damals noch Science-Fiction. Zwar können die abstrakten recht lichen Regelungen durchaus auch auf neue Technologien angewendet werden, das geht aber mit erheblichen Rechtsunsicherheiten einher, die noch dadurch verstärkt werden, dass es in vielen Verwendungszusammenhängen an Rechtsprechung fehlt, die die abstrakten Vorgaben ausreichend konkretisieren würde. Es fehlen deshalb konkrete Leitlinien, an denen sich Betroffene, Behörden, die Gesellschaft und Unternehmen orientieren können. Die Verwaltungsstrukturen der Datenschutzaufsicht verstärken dieses Problem. Es existieren 17 Datenschutzbehörden und nur selten vertreten sie bei kontroversen Themen bis ins Detail die gleichen Positionen. Durch das informelle Gremium »Düsseldorfer Kreis« versuchen die Aufsichtsbehörden zwar, eine gemeinsame Position zu entwickeln. Allerdings sind die resultierenden Hinweise weder verbindlich noch weisen sie den notwendigen Detaillierungsgrad auf; selten sind sie wirklich ausgewogen. Diese Bedingungen begründen für Unternehmen ein erhebliches ökonomisches Risiko, denn Big-Data-Projekte gehen mit nennenswerten Investitionen einher. Ein Mindestmaß an Rechts sicherheit bezüglich der datenschutzrechtlichen Bewertung ist deshalb unverzichtbar. In vielen entscheidenden Fragen besteht jedoch das Risiko, dass eine Aufsichtsbehörde Maßnahmen als unzulässig erachtet, die das Unternehmen aufgrund einer anderen Auslegung der abstrakten rechtlichen Vorgaben für zulässig hielt. Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Big Data und Datenschutz: Politischer Handlungsbedarf Grundlegende Zulässigkeitsfragen sind deshalb eindeutig zu klären: ◼◼ Wie weit geht der Personenbezug von Daten und wann gelten Daten als anonymisiert105? ◼◼ Ist die Anonymisierung selbst als Datenverarbeitung zu sehen, die einen gesetzlichen Erlaubnistatbestand erfordert? ◼◼ Inwiefern greift die Zweckbindung und welche Befreiungen sind möglich? ◼◼ Ist die Verarbeitung von pseudonymisierten Daten unter erleichterten Voraussetzungen zulässig? Politischen Diskurs führen – positive Nutzungsregeln entwickeln Notwendig und wünschenswert ist dabei nicht nur eine rechtliche Präzisierung, sondern auch ein fortwährender gesellschaftlicher und politischer Diskurs, der es ermöglicht, gesellschaftlich akzeptierte Standards zu Big Data zu entwickeln. Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass die Debatte sich einseitig auf die Risiken der Technologien konzentriert, ohne die Chancen genügend zu würdigen.106 Es ist jedoch genauso unmoralisch und falsch, die Möglichkeit der Heilung von Krankheiten, des Verhinderns von Katastrophen und der Verbesserung des Lebensstandards auszublenden, wie es falsch ist, Risiken zu ignorieren. Chancen und Risiken müssen stets in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden und an diesem Maßstab sollten sich die rechtlichen Vorgaben orientieren. Ganz konkret sollte Big Data nicht – wie bisher – nur unter Schutzaspekten gesetzlich erfasst, sondern positive Nutzungs regeln ins Auge gefasst werden, die der zentralen Bedeutung von Daten in einer Data Driven Economy gerecht werden. Das Recht muss begründete Sorgen und grundrechtliche Positionen berücksichtigen, es darf aber nicht zu einem Institut verkommen, das den gesellschaftlichen Mehrwert technologischer Entwicklungen – und der auch darin zum Ausdruck kommenden Grundrechtsverwirklichungen – ausblendet. Angesichts der globalen Nutzung von Big-Data-Produkten sind dabei auch die unterschiedlichen kulturellen Sichtweisen zu berücksichtigen. Letztlich erstrebenswert wäre ein globaler Datenschutz, ähnlich einem Weltinformationsethos, wie er bereits auf dem ersten UNESCO-Kongress über ethische und rechtliche Aspekte der digitalen Information im März 1997 in Monaco niedergeschrieben wurde.107 105Mit der Anwendung mathematischer Algorithmen ist es möglich geworden, persönliche Daten zu abstrahieren und in synthetische Daten zu überführen. Diese haben die gleiche Qualität wie die Ursprungsdaten, sind aber auf ihre Herkunft nicht mehr nachzuvollziehen. Diese neuen synthetischen Daten können nun beliebig verwendet, verarbeitet und gespeichert werden. Unternehmen können mit diesen Daten genauso arbeiten wie mit Originaldaten, ohne die Privatsphäre oder Gesetze zu missachten (vgl. (Wegner 2015)). 106Diese Tendenz besteht in Teilen der deutschen Medienlandschaft. 107Vgl. (INFOethics 1997). 89 90 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Big Data und Datenschutz: Politischer Handlungsbedarf EU-Datenschutz-Grundverordnung weiterentwickeln Zum Start der Verhandlungen über die Details der EU-Datenschutz-Grundverordnung forderte Bitkom Nachbesserungen108, denn neue Geschäftsmodelle auf der Grundlage von Technologien wie Big Data, Cloud Computing oder Cognitive Computing hängen ganz wesentlich von der konkreten Ausgestaltung der Datenschutz-Grundverordnung ab. Werden die rechtlichen Grundlagen für die Verarbeitung von persönlichen Daten zu eng gefasst, bleibt zu wenig Spielraum für Innovationen. In diesem Zusammenhang unterstreicht B itkom, dass eine einseitige Verengung der öffentlichen Diskussion auf Wirtschaft contra Bürgerrechte an den Realitäten vorbei geht. Bitkom setzt sich für ein ausreichend flexibles Datenschutzrecht ein, das neue Anwendungen ermöglicht, aber die Privatsphäre der Menschen schützt. Besonderes Augenmerk verdienen in der geplanten Verordnung unter anderem die Themen Datensparsamkeit, Zweckbindung, Einwilligung und Profilbildung.109 Rechtliche Anreize schaffen Ein wesentlicher Schwachpunkt der aktuellen Entwürfe besteht in den hohen Anforderungen an die Anonymisierung bei gleichzeitig fehlenden Anreizen für den Einsatz von Pseudonymisierungstechniken bei der Datenverarbeitung. In der Praxis ermöglicht die Anonymisierung z. B. die Nutzung von Standortdaten von Personen bzw. deren Fahrzeugen für die Verkehrslenkung. Anonymisierte, also irreversible de-personalisierte Daten fallen aus dem Anwendungsbereich der Verordnung heraus, pseudonymisierte, also reversibel de-personalisierte Daten dagegen nicht. Gerade diese sind aber für viele Anwendungen sinnvoll und ermöglichen z. B. eine sichere und datenschutzfreundliche Auswertung der Krankheitsverläufe von Patienten für die medizinische Forschung. Die Analyse von Daten in pseudonymisierter Form führt in vielen Fällen zu einem wesentlich besseren Schutz der Persönlichkeitsrechte des Einzelnen als die Auswertung von Klardaten (mit Einwilligung). Daher müssten in der EU-Datenschutz-Grundverordnung rechtliche Anreize und Erlaubnistatbestände geschaffen werden, damit Unternehmen dieses Element von »Privacy by Design« auch einsetzen (können). Diese könnten darin bestehen, dass die Verarbeitung pseudonymisierter Daten in weiterem Umfang zulässig ist als die Verarbeitung von Klardaten. Setzen Unternehmen oder andere Organisationen die Instrumente der Pseudo nymisierung ein, sollte eine Verarbeitung der Daten erleichtert werden. Datensparsamkeit und Zweckbindung Einer Überarbeitung bedürfen auch die Grundprinzipien der Datensparsamkeit und der Zweckbindung bei der Datenerhebung. In einer digital vernetzten Welt spielen Datenvielfalt und 108Vgl. (Bitkom, 2015b) sowie (Mühlich/Florian, 2015). 109Vgl. (Dehmler, 2015). Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Big Data und Datenschutz: Politischer Handlungsbedarf Datenreichtum eine entscheidende Rolle. Wirtschaft und Gesellschaft sollten sich daher die Datenvielfalt zunutze machen und dafür sinnvolle Regelungen finden. So ist es das Ziel von Big-Data-Analysen, aus großen Mengen unterschiedlicher Daten neue Erkenntnisse zu gewinnen. Mit diesem Ziel muss auch der Grundsatz in Einklang gebracht werden, dass personenbezogene Daten nur für einen bestimmten Zweck verarbeitet werden dürfen. Eine Auswertung von Daten sollte zulässig sein, soweit sie für die Betroffenen nicht nachteilig ist bzw. bestehende Risiken für die Rechte Betroffener durch das Ergreifen von gegenläufigen Schutzmaßnahmen (z. B. Pseudonymiserung) adressiert werden. Die bereits im geltenden Recht angelegte grundsätzliche Erlaubnis, Daten für eigene Geschäftszwecke zu verarbeiten oder weiterzuverarbeiten, wenn ein »berechtigtes Interesse« des Unternehmens an der Verarbeitung besteht und dem keine Interessen des Betroffenen entgegenstehen, ist hierfür eine gute Basis. Bei diesem Abwägungsprozess sollte grundsätzlich von einem berechtigten Interesse der Unternehmen bei einer Verarbeitung pseudo nymisierter Daten ausgegangen werden. Informationspflichten sinnvoll gestalten Die in der aktuellen Ratsfassung formulierten Informationspflichten bedeuten einen unzumutbaren Aufwand. Die Vorschriften über die Rechte der Betroffenen sollten deshalb mehrstufig angelegt werden. So lassen sich das individuelle Informationsbedürfnis der Betroffenen und die Begrenzung des Aufwandes bei den verantwortlichen Stellen in Einklang bringen. Die proaktiven Informationspflichten sollten sich auf wirklich relevante Informationen beschränken. In einigen Fällen wäre anstelle einer Benachrichtigung eine Hinweispflicht sinnvoll. Das ist zum Beispiel bei der Videoüberwachung der Fall, bei der ein anderes Vorgehen gar nicht möglich ist. Möchte sich der Betroffene daraufhin tiefer informieren, steht ihm ein weitergehendes Auskunftsrecht zu. Im Anschluss an die erteilte Auskunft kann er dann die Rechte auf Berichtigung und Löschung geltend machen. Einwilligungen Einwilligungen sollten dort zum Einsatz kommen, wo kein üblicher Erlaubnistatbestand für die Datenverarbeitung oder ein besonderes Risiko für den Betroffenen besteht. Es darf keine zu starren Formvorgaben geben. Wenn das Instrument Einwilligung zu inflationär gebraucht wird, verliert es seine Warnfunktion, wird lästig und nicht mehr ernst genommen. Die Informationspflichten sollten weiter entschlackt werden. Schwierig in Bezug auf Big Data wird es insbesondere sein, den Betroffenen so zu informieren, dass er eine informierte Entscheidung treffen kann; bei der Zweitverwertung von Daten wird es oft gar nicht möglich sein, den Betroffenen für eine Einwilligung direkt zu adressieren. In vielen Fällen wie z. B. bei Verwendung von nur pseudonymisiert gespeicherten Daten wird es nicht möglich und auch nicht unbedingt im Sinne des Betroffenen sein, hierfür eine Einwilligung einzuholen. Hier wäre der Erlaubnistatbestand auf Basis einer Interessenabwägung sinnvoll und würde die Erprobung neuer Datenverarbeitungsmethoden unterstützen sowie den administrativen Aufwand begrenzen. 91 92 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Autorenverzeichnis 10 Autorenverzeichnis Prof. Dr. Christoph Bauer ePrivacy GmbH Martin Birkmeier FIR e. V. an der RWTH Aachen Arnd Böken Graf von Westphalen Rechtsanwälte Partnerschaft Dr. Mikio L. Braun Technische Universität Berlin Patrick von Braunmühl Selbstregulierung Informationswirtschaft e. V. Florian Buschbacher PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Martin Buske DataXu GmbH Susanne Dehmel Bitkom e. V. Guido Falkenberg Software AG Dr. Jörg Friedrichs Deutsche Telekom AG Andreas Hufenstuhl CSC Deutschland GmbH Prof. Dr. habil. Christoph Igel Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz Dr. Thomas Keil SAS Institute GmbH Ralf Konrad T-Systems International GmbH Holm Landrock Experton Group AG Dr. Mario Lenz empolis GmbH Dr. Ralf Meinberg Deutsche Telekom AG Dr. Flemming Moos, Osborne Clarke Steffen Nienke FIR e. V. an der RWTH Aachen Swen Obermann Capgemini Deutschland GmbH Dr. Jens Schefzig Osborne Clarke Barbara Schmitz Kabel Deutschland Vertrieb und Service GmbH Markus Schröder Tembit Software GmbH Maximilian Thess Lemma Group UG Dr. Carlo Velten Crisp Research AG Dr. Mathias Weber Bitkom e. V. Alexander Widak Fiducia & GAD IT AG Dr. Frank Wisselink Detecon International GmbH Dr. Andreas Zolper Deutsche Telekom AG Weiterhin haben mitgewirkt: Dr. Dirk Mahnkopf Cisco Systems GmbH Henning Saul GFT Technologies AG. Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Verzeichnis der Abkürzungen 11 Verzeichnis der Abkürzungen Abkürzung Bedeutung AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen AutoID Automatische Identifikation und Datenerfassung oder Automatische Identifizierung BDSG Bundesdatenschutzgesetz Bitkom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung BMWi Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie CPPS Cyber Physical Production System CPS Cyber Physical System DRMS Data Rights Management System EG Europäische Gemeinschaft EKG Elektrokardiogramm ETH Eidgenössische Technische Hochschule EU Europäische Union EuGH Europäische Gerichtshof EWR Europäischer Wirtschaftsraum GPS Global Positioning System HPA Hamburg Port Authority IoT Internet of Things M2M Machine-to-Machine Communication NCT Nationales Centrum für Tumorerkrankungen RFID Radio-frequency Identification RWTH Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule SIT Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie URL Uniform Resource Locator Wifi Wireless Fidelity WLAN Wireless Local Area Network ZEW Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung WLAN Wireless Local Area Network ZEW Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung 93 94 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Sachwortverzeichnis 12 Sachwortverzeichnis Adaptivität dynamische 36 statistische 36 Business Software-defined 56 Business Intelligence 37 Datenschutzrecht 52, 63, 64, 90, 98, 100 deutsches 88 Akzeptanz 50, 66 Campus-Management-System 36 Datensicherheit 69 Algorithmus Car-to-Car-Communication 40 Datensparsamkeit 90 Ethik 69 Chancengleichheit 17 Datenvielfalt 91 selbstlernender 37 Charité 26, 27 Datenwirtschaft 15, 22, 56, 58 Analytics Capability 58 Chemotherapie 27 Deutschland 15, 22, 23, 26, 50, 83, 101 Anonymisierung 51, 52, 79, 90 Claas 38, 102 Diagnostik Anonymisierungsprozess 66 Cloud Computing 23, 29, 56, 90, 97 Anreicherung Cloud-Lösung 30 Digital Customer Experience 57 Cloud-Technologie 15 Digitalisierung 16, 22, 39, 43, 62, 88, 100 CO2-Emission 24 Discovery 30 digitale 22 Apple 98 medizinische 14 Cognitive Computing 32, 57, 62, 88, 90 Düsseldorfer Kreis 88 Connected Car 22 Echtzeit-Bietsystem 42 Auskunftsrecht 91 Cookies 42 Educational Data Mining 36 Auto Customer Journey 65 Einkaufszentrum 41 autonomes 40 Data Driven Economy 18, 88, 89 Einwilligung 90 Bankdienstleistung 37 Data Economy 57 EKG-Daten 27 Behandlungsmuster 51 Data Mining 74 EKG-Signal 29 Best Practices 72 Data Rights Management System 76 Energieversorger 33 Betrugsbekämpfung 38 Data Scientist 62, 68, 69 Erbkrankheit 15 Bevölkerung Daten Erdbebenfrüherkennung 34 Assistenzsystem selbstlernendes 38 anonymisierte 79, 82 Ethik 26, 69 Bewegungsdaten 24 besondere 72 Ethik-Kommission 73 Big Brother 71 biometrische 29 EU-Datenschutz-Grundverordnung 15, Big Data 14 Eigentum 58 alternde 29 16, 62, 63, 83, 88, 90 internationale Dimension 63 Inhaberschaft 74 Extremsituation 34 positive Nutzungsregel 89 Löschung 75 Extremwetterlage 33 Risiken 15 personenbezogene 51, 67 Fabrik Big Data Analytics 78 pseudonymisierte 67, 82 Big-Data-Anwendung Verwertungsrecht 58 Facebook 37, 71 Weitergabe 83 Finanzdienstleister 37 Nutzen 82 intelligente 44 Big-Data-Technologie 15 Datenanalysemethode 70 Finanzdienstleistung 22 Bildungscontrolling 37 Datenbestätigung 77 Finanzkrise 34 Bildungsnetz Datenkultur 58 Fitness 30 Datensammlung Fitnessarmband 29 Intelligentes 35 Biodiversität 33 automatisierte 14, 62 Fitnesstracker 29 Datenschutz 14 Flottenlösung 24 Datenschutzaufsicht 88 Flutinformations- und Warnsystem 31 Bonität 78 Datenschutzbeauftragter 82 Forensik 14 Bonitätsprüfung 78 Datenschutzbehörde 88 Forschung Bundesregierung 23 Datenschutzkonformität 72 Bürgerdialog 66 Datenschutzniveau 65 Bitkom 15, 16, 22, 23, 27, 31, 32, 44, 62, 71, 88, 90, 98, 99, 100, 101, 102 medizinische 14 Frühgeborenen-Sterblichkeit 28 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Sachwortverzeichnis Frühgeborenes 15, 28 Geldwäsche 38 Infrastruktur kritische 32 Marktregulierung 67 Medikament Generali 30 Instagram 31 personalisiertes 15 Geschäftsgeheimnis 67, 71 Intelligenz 44, 70, 102 Medizin 66 Geschäftsmodell 15 Künstliche 36 Mobilität 22 datengetriebenes 56 Interessenabwägung 75, 83, 91 Mobilitätsforschung 40 softwaregetriebenes 57 Internet 22 Mukoviszidose 28 Gesundheit 51 Internet der Dinge 22, 40, 57 Mustererkennung 30, 42 Gesundheits-App 30 IT-Sicherheit 23 Nahverkehr Gesundheitsprognose 78 Kataster 31 Gesundheitswesen 15, 22, 26 Katastrophenmanagement 31 Gesundheitszustand 30 Klimaforschung 34 Google 71 Kodex 83 Naturkatastrophe 34 Governance 82 Korrektiv Neonatologe 28 GPS-Daten 57 ethisch-moralisches 72 öffentlicher 25 Nationales Centrum für Tumorerkrankungen 27 Netflix 57 Graphendatenbank 38 Kraftstoffverbrauch 25 Grundrechtsverwirklichung 89 Krankenkasse 30, 51 Hafenwirtschaft 26 Krankenversicherung 78 Nudging 73 Hamburg Port Authority 25 Kranker Online-Assessment-Verfahren 36 Hamburger Hafen 25 Handlungsbedarf chronisch 15 Netzwerk Soziales 78 Online-Dienst 42 Krebs 27 Online-Marketing 41 Krebserkrankung 15 orwellsche Welt 16 Hasso-Plattner-Institut 27 Krebsregister 26 Outdoor Analytics 40 Herzkrankheit Kreditentscheidung 37 Politik 15 Kreditprozess 37 Predictive Policing 32 Kriminalitätsvorbeugung 32 Privacy by Default 74 politischer 17 koronare 29 Hindernis regulatorisches 83 Kundenintegrations-Portal 66 Privacy by Design 74, 90 Hochwasserschutz 14 Künstliche Intelligenz 36 Privacy-Preserving Data Mining 52 Hochwasserschutzzentrale 31 Landwirtschaft 22, 38 Privatsphäre 15, 89, 90 Indoor Analytics 41 Learning-Management-System 36 Product Industrialisierung Leitlinien datengestützte 39 Industrie pharmazeutische 28 Industrie 4.0 15, 22, 42, 43, 44, 62, 88, 100 ethische 15 Software-defined 56 Produktionssystem 44 Lern- und Forschungsfabrik 35 Profilbildung 90 Lernermodell 36 Programmatic Advertising 42 Lernumgebung Prozessmanagement 17, 72 personalisierte 35 Pseudonymisierung 90 Infarktpatient 29 Level Playing Field 65 Pulsarmband 30 Information Logdaten 32 Quantified Self 30 Logistik 24 Real Time Bidding 42 Informations- und Pressefreiheit 77 Lokationsdaten 41, 45 Rechtsordnung 64 Informations- und Löschkonzept 76 Rechtssicherheit 62 Löschrecht 77 Rechtsvereinheitlichung 64 Machine Learning 56 Regulierung 17, 83 Makula-Degeneration 28 Richtlinie 95/46 EG 63 Verfallsdatum 75 Wissensdatenbank 36 Informations- und Wissensplattform 36 95 96 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Sachwortverzeichnis Routenplanung 25 Unternehmensorganisation 17 Safe Harbor 65 USA 32 Sanktionierung 73 Verbraucherdatenmanagement 57 Schweizer Bahn 24 Verbraucherkredit 37 sd-kama 31, 102 Verbraucherrecht 37 Seculytics 52 Verbraucherservice-Cockpit 66 Selbstbestimmung Verbrechensbekämpfung 66 informationelle 74, 75 Selbstkontrolle 83 Selbstregulierung Informationswirtschaft e. V. 92 Verfallsdatum 75 Vergessenwerden Recht 16, 63, 75 Verkehrsplanung 14 Selbstverpflichtung 17, 83 Verkehrssteuerung 39 Senior 15 Verkehrsüberwachung 14 Sensorik 57 Versicherungsbeitrag 30 Sensor-Technologie 15 Versicherungsbetrug 38 Service-Marktplatz 26 Versicherungstarif Siegel 84 risikoorientierter 73 Smart Factory 42 Versicherungswesen 73 Smart Grid 23 Vertrauen 62 Smart Meter 23, 33 Vertrauensentwicklung 14 Smart Meter Gateway 33 Videoüberwachung 91 Smart Metering 23 Vitaldaten 29 Smart Operation 42 Vitalparameter 15, 29, 30 Smart Port Logistics 25 Weinbau 39 Smart Product 42 Weltinformationsethos 89 Smart Service 42 Werbeeinblendung 42 smartPORT logistics 26 Widerspruchsmöglichkeit 68 Solidargemeinschaft 73 Wildlife Picture Index 33 Solidaritätsprinzip 73 Wirtschaft Sozialleistungen 50 datenbasierte 83 Start-up 15 Wirtschaftswissenschaft 33 Start-up-Unternehmen 37 Wissensdienst Stromnetz intelligente intelligentes 23 Intelligenter 36 Wissensmodell 36 Swisscom 24 WLAN 39 Telekommunikation 22, 44 YouTube 31 Telekommunikationsinfrastruktur 44 Zalando 57 Tesla 57 Zertifikat 84 Transparenz 14, 50, 62, 66, 71, 82 Zertifizierung 83 Dimensionen 67 Treibstoffverbrauch 24 Umsatzsteuerkarussell 50 Umwelt-Monitoring 33 UNESCO 89 Zugriffe unberechtigter 82 Zweckbindung 51, 89, 90 Leitlinien für den Big-Data-Einsatz – Chancen und Verantwortung Quellen 13 Quellen acatech (Herausgeber): Smart Service Welt. 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Bitkom Big Data Summit, 26. März 2014. Xu, Feiyu, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (und weitere 12 Autoren): Smart Data For Mobility (SD4M) – eine Big-Data-Analytik-Plattform für multimodale Smart Mobility Services. Vortrag auf dem 3. Bitkom Big Data Summit, 25. Februar 2015. 105 Bitkom vertritt mehr als 2.300 Unternehmen der digitalen Wirtschaft, davon gut 1.500 Direktmitglieder. Sie erzielen mit 700.000 Beschäftigten jährlich Inlandsumsätze von 140 Milliarden Euro und stehen für Exporte von weiteren 50 Milliarden Euro. Zu den Mitgliedern zählen 1.000 Mittelständler, 300 Start-ups und nahezu alle Global Player. Sie bieten Software, IT-Services, Telekommunikations- oder Internetdienste an, stellen Hardware oder Consumer Electronics her, sind im Bereich der digitalen Medien oder der Netzwirtschaft tätig oder in anderer Weise Teil der digitalen Wirtschaft. 78 Prozent der Unternehmen haben ihren Hauptsitz in Deutschland, 9 Prozent kommen aus Europa, 9 Prozent aus den USA und 4 Prozent aus anderen Regionen. Bitkom setzt sich insbesondere für eine innovative Wirtschaftspolitik, eine Modernisierung des Bildungssystems und eine zukunftsorientierte Netzpolitik ein. Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. Albrechtstraße 10 10117 Berlin T 030 27576-0 F 030 27576-400 [email protected] www.bitkom.org
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