Dreck und Feuchtigkeit fördern „Panaritium“

GESUNDHEIT
R I N D
Zwischenklauen-Phlegmone
Dreck und Feuchtigkeit
fördern „Panaritium“
Vorbeuge und Behandlung
erklärt Dr. Peter Zieger,
Innovationsteam Milch
aus Hessen.
D
ie Zwischenklauen-Phlegmone
des Rindes ist eine weit verbreitete, bakteriell bedingte Klauenerkrankung. Viele Praktiker bezeichnen die Krankheit als
„Panaritium“. Doch weil dieser Begriff
das Krankheitsbild nicht genau wiedergibt, bevorzugen Tierärzte den
Fachbegriff Zwischenklauen-Phlegmone.
Der Kronensaum ist geschwollen
und gerötet.
Betroffene
Tiere lahmen
deutlich.
Gezielt behandeln
Mehrere Bakterienarten
sind beteiligt
Die Erkrankung tritt plötzlich auf
und ist durch eine schmerzhafte Rötung (Blaufärbung) sowie Schwellung des Kronsaums der Klauenvorderseite gekennzeichnet. Betroffene
Tiere gehen deutlich lahm und können schon nach kurzer Zeit stark
im Allgemeinbefinden beeinträchtigt
sein.
Die Veränderungen gehen meist vom
Zwischenklauenspalt („Zwischenklauennekrose“) aus, können aber auch am seitlichen Kronsaum und im Ballenbereich
isoliert auftreten. An diesen Stellen wird
die Haut am Übergang zum Horn mechanisch am stärksten beansprucht. Im
Zwischenklauenspalt sammeln sich bestimmte Bakterien, weil sie dort vor Abrieb geschützt sind. In der für sie idealen,
feucht-warmen Umgebung vermehren
sie sich und dringen sehr leicht in kleine
Verletzungen der Haut ein.
Die Hinterbeine scheinen häufiger betroffen als die Vorderbeine. Obwohl
meist nur einzelne Tiere eines Bestandes
betroffen sind, kann durch Keimeinschleppung infizierter Tiere auch ein
großer Teil der Herde angesteckt werden.
Zur Krankheitsentstehung tragen
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die Verletzungsgefahr in diesem Bereich.
Ein größeres Risiko für Zwischenklauenphlegmonen ist die Folge.
Vorbeugend sollten Lauf- und Liegeflächen sauber und trocken gestaltet werden. Durch eine regelmäßige Desinfektion wird der Keimdruck verringert. Mögliche Verletzungsgefahren müssen ausgeschaltet werden. Wichtig ist eine funktionelle Klauenpflege, die zweimal jährlich durchgeführt wird.
Fütterungseinflüsse sind ebenfalls
möglich. Amerikanische Wissenschaftler
beobachteten mit Einsetzen der Laktation bei einem weiten Kraftfutter/ Rohfaserverhältnis ein gehäuftes Auftreten
dieser Klauenerkrankung. Über positive
Auswirkungen von Futterergänzungen
bestehen noch Unklarheiten. So soll in
den USA die Ergänzung von Jodid eine
gewisse Wirkung gezeigt haben. Hier zu
Lande schreibt man dagegen Zink eine
Schutzwirkung für die Haut und damit
vorbeugende Wirkung zu.
Schmutzige
Lauf- und Liegeflächen
begünstigen die
Erkrankung.
Fotos: Dr. A.
Fiedler, Archiv
mehrere Bakterienarten bei. Einige Bakterien zerstören das Gewebe tief in der
Unterhaut, wo sich dann weitere Keime
unter Luftabschluss vermehren und Zellgifte freisetzen. Dies führt schon innerhalb weniger Tage zu tief greifenden Gewebszerstörungen, die bis auf Sehnen
und Knochen reichen können.
Im Verlauf der Erkrankung kommt es
sehr schnell zu Fieber (über 39,5 ° C),
hochgradiger Lahmheit mit Fressunlust
und Milchrückgang. Wenn es den Bakterien gelingt, massenhaft in die Blutbahn
einzudringen, droht eine Blutvergiftung.
Ob umgekehrt eine Keimverschleppung
aus anderen erkrankten Organen im
Körper an den Kronsaum erfolgen kann,
ist bisher noch nicht eindeutig geklärt, erscheint aber durchaus möglich.
Wegen der ständigen Anwesenheit
der Bakterien und der dadurch bedingten Infektionsgefahr spielen Haltungsund Klimabedingungen für das Auftreten der Zwischenklauenphlegmone die
entscheidende Rolle.
Stallhygiene verbessern
Art und Beschaffenheit der Lauf- und
Liegeflächen stehen hier an erster Stelle.
Krankheitsbegünstigend wirken sich nasse Tieflaufställe und nasse Liegeboxen
aus. Feuchter Untergrund führt zu einem
Aufweichen von Klauenhorn und Haut
und ermöglicht ein ungehindertes Eindringen der Bakterien. Gleichzeitig fördert eine zu hohe relative Luftfeuchtigkeit ein Keimwachstum. Kot auf den
Spalten und unzureichende bzw. ungeeignete Einstreu verstärken den Keimdruck.
Unebene, lose Betonbalken mit scharfen Kanten stellen eine Verletzungsquelle für die weiche und empfindliche Haut
am Übergang zum Klauenhorn dar. Auch
trockene, schollige Erdbrocken und Steine beim Weidegang können Eintrittspforten für Bakterien schaffen. Schließlich erhöht eine vernachlässigte Klauenpflege
Grundsätzlich sollte ein Panaritium
über mehrere Tage antibiotisch behandelt werden.
Im Anfangsstadium und begleitend
zu Antibiotika können homöopathische
Arzneien wie „Tarantula cubensis D6“
oder „Arnica D4“ eingesetzt werden.
Diese Mittel begrenzen den Entzündungsprozess lokal und fördern die Heilung. Eine Wartezeit besteht nicht.
Unter den antibiotischen Wirkstoffen
sind vor allem neuere Vertreter der
Cephalosporine (z. B. Excenel) äußerst
wirksam. Für Milch besteht nur eine kurze Wartezeit so dass der verhältnismäßig
hohe Preis relativiert wird. Tetrazykline
finden bei mittlerer Wartezeit und gutem
Preis-/ Leistungsverhältnis ebenfalls häufig Anwendung. Unter den Penizillinen
sind ampicillin- und amoxicillinhaltige
Präparate gut wirksam. Allerdings besitzen sie eine lange Wartezeit auf essbares
Gewebe. In Amerika wird zur Zeit an einem Impfstoff gearbeitet.
Falls sich der Prozess trotz antibiotischer Therapie verkompliziert, ist eine
chirurgische Behandlung unumgänglich.
Ein Ruhigstellen des Zwischenklauenspaltes erfolgt durch Unterlegen eines
Holzklotzes oder Klauenschuhs.
Desinfektionsmittel zur äußerlichen
Anwendung sind therapeutisch völlig ungeeignet, da die Entzündung tief in der
Unterhaut lokalisiert ist. Auch Klauenbäder haben hier, wenn überhaupt, nur
einen vorbeugenden Charakter.
Weitere Beiträge zur Klauengesundheit:
■ Mortellaro, top agrar 3/2000
■ Klauenbäder, top agrar 3/2000
top agrar 4/2000
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