Günther Mohr Dipl.-Volksw./Dipl.-Psych. Institut für Coaching, Training und Consulting Klarastr. 7 65719 Hofheim www.mohr-coaching.de Geschichten, die Organisationen erzählen 1. Einführung Organisationen stellen vielfältige Geschichten dar. Menschen wollen die komplexen Systeme von Organisationen begreifen. Geschichten unterstützen dabei. Im Folgenden stehen dabei die internen Geschichten im Vordergrund, in die die Menschen innerhalb von Organisationen hineingezogen werden und sich hineinziehen lassen. Man tritt in die Erzählung einer Organisation ein und verbleibt dort, wenn diese mit der eigenen Geschichte kompatibel ist. Dabei bieten sich sehr verschiedene Formen von Organisationserzählungen, zu denen im Folgenden Kostproben gegeben werden. 2. Der Unterschied der extern vermittelten und der intern gelebten Geschichte Organisationen verkörpern bestimmte Geschichten. Dabei sind nicht die schillernden Werbeauftritte gemeint, mit denen PR-Leute ein Image für eine Organisation „aufbauen“. In den meisten Fällen differiert die in einer Organisation tatsächlich gelebte, interne Geschichte von der nach außen propagierten, externen Geschichte. Nach außen geht es um Technik, um Sicherheit, um Wirtschaftlichkeit, um Macht oder um Schönheit. Nach außen versucht man die Kunden davon zu überzeugen, an eine Marke zu glauben. Für die Mitarbeiter und das Funktionieren der Organisation geht es aber um die tatsächlich gelebte Geschichte innerhalb der Organisation, in die der Einzelne eingebunden ist, sobald er die Bühne des Unternehmens betritt. Er wird zum Mitspieler, ob er will oder nicht. Die Geschichten in Organisationen haben in der Regel nicht nur ein Thema oder einen Erzählstrang, sondern mehrere. Da ist zum einen die große Historie einer Firma, ihre Entstehung, wichtige Etappen, Mythen um die Produkte herum, die hergestellt werden (z.B. Mitarbeiter mit „Benzin im Blut“ für die Autoindustrie). Günther Mohr Dipl.-Volksw./Dipl.-Psych. Institut für Coaching, Training und Consulting Klarastr. 7 65719 Hofheim www.mohr-coaching.de Emotional auf Dauer entscheidender ist die konkrete Inszenierung, in die der Mitarbeiter mit seinem direkten Chef und seinen Kollege gerät. Hier spielt die Beziehung auf der zwischenmenschlichen Ebene die maßgebliche Musik. Welche Umgangsformen gibt es hier? Wie werden psychologische Grundbedürfnisse bedient? Hier liegen Chancen aber auch Gefahren. Berater, die Erfahrung mit Unternehmen haben, wissen: „Menschen treten eine Stelle an wegen der Firma und verlassen sie wegen des direkten Chefs“. Organisationen veranlassen also Mitarbeiter dazu, an ihrer Geschichte teilzunehmen. Dies führt zu Fragen wie: - Welche typischen Erzählmuster gibt es in Organisationen? Welche Logik ist darin enthalten? Wie muss man sein, um in eine bestimmte Erzählung hineinzupassen? Zwei Beispiele: Das kriegerische (Feldherren-) Modell In manchen Organisationen herrscht eine militärische Sichtweise vor. Die Führungskräfte, die sich behaupten, haben es geschafft, wie Feldherren ihre Truppen siegreich ins Feld zu führen. Zu diesem Bild von Führung gehören alle Attribute, die dem klassischen militärischen Milieu zugeschrieben werden. Geführt wird mit Anweisung und Befehl. Wer nicht mitzieht, wird aussortiert. Die Sprache ist militaristisch. Eine Entscheidung wird als „kriegsentscheidend“ bezeichnet. Man kämpft an zwei oder mehr „Fronten“ und startet „Offensiven“. Vom ehemaligen Lehman-Brothers-Chef sind Aussagen wie „Wir werden sie vernichten bekannt“, wenn er über die Konkurrenz sprach. Es kam bei seiner Firma anders. Jedoch ist gesellschaftlich in diesem Zusammenhang interessant, dass noch bis weit ins 20. Jahrhundert die männlichen Vertreter der gesellschaftlichen Elite zum Militär gingen. Heute wird dieses Berufsfeld von den Eliten weit weniger gewählt. Das Betätigungsfeld wird eher in der Wirtschaft gesehen; die Eliten werden Manager. Insofern sind die militärischen Sprachbilder, die auf entsprechende Denkmuster rückschließen lassen, vielleicht auch in einer längeren Tradition zu sehen. Das Feldherrenmodell lässt wesentliche Eigencharakteristiken von Unternehmen außer Acht. Es stülpt ein rigides Bild über Organisationen. Dennoch gibt es Einzelsituationen, in denen im System auch Anweisungen ihren Platz haben. Die geheimen Anhänger des Feldherrenmodells definieren allerdings fast jede Situation so, dass ihr Modell passt. Fragt man Menschen in Unternehmen, wie sie das Geschehen erleben, so sprechen sie vom „Hauen und Stechen“. Das Politiker-Modell Dieses Modell basiert auf der Erfahrung, dass keine Führungskraft, gerade der Topmanager, unabhängig von Unterstützung ist. In der politischen Organisationserzählung sind die Akteure „Politiker“. Es geht darum, Strategien zu entwickeln, wie man bestimmte Mehrheiten für eigene Ziele erreicht. Die Mehrheit muss dann Gefolgschaft leisten. Die Gefolgschaft ist ein eher traditioneller Begriff. Er bildet aber ab, dass Organisationssysteme eine deutliche Machtkomponente haben. Macht ist dabei ein sehr stark wechselseitiges Konstrukt. Zum Machtausüber auf der einen Seite gehören auf der anderen Seite immer Menschen, die Macht über sich ausüben lassen. Gefolgschaft Günther Mohr Dipl.-Volksw./Dipl.-Psych. Institut für Coaching, Training und Consulting Klarastr. 7 65719 Hofheim www.mohr-coaching.de ist die Einwilligung in die Machtausübung. Heute ist die Gefolgschaft nicht mehr so einfach zu erreichen. Es geht für ein Topmanagement vielmehr darum, tatsächlich Mehrheiten von Meinungsführern hinter sich zu bringen. Dabei sind interessante Mehrheitskoalitionen aus den am Unternehmen interessierten Gruppen möglich. Diese kann beispielsweise aus einem Teil der Anteilseigner, der Führungskräfte und den Wirtschaftsjournalisten bestehen. In Firmen geht es hier ähnlich zu wie in anderen Bereichen. Der Trainer eines Bundesligaclubs wurde einmal zu der gegen ihn gerichteten Stimmung in der Stadt befragt. Er antwortete, die Mannschaft und der Verein stehen hinter ihm. Nur ein einziger Sportjournalist der Lokalpresse schreibe gegen ihn. Dieser Trainer unterschätzte allerdings die Bündnisse der Macht und musste gehen. Das Politikermodell steht in Gefahr des opportunistischen Machterhalts und es mangelt an klaren inhaltlich strategischen Zielen. Dennoch ist die Frage der Gefolgschaft gerade für das Topmanagement in Unternehmen häufig eine zentrale Herausforderung. 3. Organisationen als Lebensabschnittsgefährten mit Dreiecksbeziehung Organisationen sind Beziehungspartner, sogar Lebensabschnittsgefährten für Mitarbeiter. In der oder den inneren Geschichten einer Organisation geht es um die Bewältigung des Führungsbeziehungsdreiecks (Mohr 2000, „Lebendige Unternehmen führen“). Die Grundfigur der Beziehung eines Mitarbeiters in einer Organisation ist die Dreiecksbeziehung zu seinen Vorgesetzten und zum Unternehmen. Unter Unternehmen sind dabei die anderen Beziehungen und Bezugnahmen subsumiert. Die Vorgesetztenebene stellt in der Regel die Organisation mit ihren Vorgaben und Zielen dar. Dies muss aber nicht so sein. Allerdings hat der Vorgesetzte in einer Organisation in der Regel die Möglichkeit, sehr viel Einfluss auf die Realisierung der Grundbedürfnisse Anerkennung, Stimulation, Struktur und Günther Mohr Dipl.-Volksw./Dipl.-Psych. Institut für Coaching, Training und Consulting Klarastr. 7 65719 Hofheim www.mohr-coaching.de Führung (Berne 1966, „Principles of group treatment“), genauso wie auf differenzierte Beziehungsbedürfnisse zu nehmen. „Ohne Beteiligung der Führungskraft kein Mobbing“. Dieser für die extrem verletzenden Beziehungssituationen des Mobbing passende Satz spiegelt die Erfahrung wieder, dass Mobbing ohne Beteiligung, Wegesehen oder Ignoranz der Führungskraft in einem Team gar nicht entstehen kann. Wenn die Führungskraft von Anfang an in ihrer Rolle ein klares Erwartungsprofil formuliert und dies auch im Alltag einfordert und vorlebt, kommt es nicht zu Mobbing. Und wie wir aus der Transaktionsanalyse wissen, bringen manche Menschen Skriptmuster mit, die sich in psychologischen Spielen mit hohem Konfliktpotenzial äußern, was gerade in Mobbing resultieren kann. Die Führungskräfte haben also einen großen Einfluss auf die Geschichte, die erzählt wird. Zum Storytelling gehören die konkreten Erzähler. Gerade hier ist die „doppelbödige Organisation“, wie ich es einmal genannt habe, ein ernstes Thema. 4. Der Kontrast zwischen externer und interner Geschichte verschärft Der Kontrast zwischen der externen Geschichte und der intern erlebten ist für Mitarbeiter sehr entscheidend. Mitarbeiter sind eher angeödet von den oft hohen Investitionen, die für das Verbreiten der externen „Story“ aufgewendet werden. Im realen Unternehmensalltag spürt jeder den Druck, etwa den des Finanzinvestors, der das Unternehmen übernommen hat. Diese Übernahmen wurde den vom ehemaligen SPD-Parteivorsitzenden Franz Müntefering einmal „Heuschrecken“ getauft. Die „Private Equity“- Finanzinvestoren (Mohr, 2010) finanzieren die übernommene Firma mit einem Kredit, den sie selbst als übernommene Firma zu tragen hat. Das Investment soll sich kurzfristig in Euro und Cent auszahlen. Dieses Perpetuum mobile des fortgeschrittenen Kapitalismus muss von den Mitarbeitern getragen und ertragen werden. „Außen hui und innen pfui“, ist nicht selten die Devise in solchen Firmen. Ist das die „Diagnose“ der Mitarbeiter, dann beginnen sich auch ihre eigenen Wertmaßstäbe zu verändern. Ein Sparappell nach innen, wenn außen gerade ein sündhaft teures PR-Projekt abgefackelt wird, kommt nicht gut an. Solche Methoden finden deutlich weniger Resonanz als wenn das Unternehmen in seinen Prinzipien nach außen und innen einigermaßen einheitlich ist. Rekursivität, das Herrschen ähnlicher Prinzipien in unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens, ist ein Erfolgsfaktor der Systemischen Organisationsanalyse (Mohr 2006, „Systemische Organisationsanalyse“; Mohr, 2010, „Workbook Coaching und Organisationsentwicklung“). 5. Das doppelbödige Unternehmen Ist die Rekursivität grob verletzt, so findet man in Organisationen zwar keinen offenen Widerstand, aber es entsteht meist ein starker Spalt zwischen einer offenen und einer verdeckten Kommunikations- und sogar Handlungsebene, ähnlich wie sie von Berne mit den doppelbödigen Transaktionen beschrieben wurde. Wenn viel Druck im Unternehmen herrscht, werden Mitarbeiter Loyalität sowie Anpassung an die Vorgaben versprechen, dies eventuell sogar durch symbolische Akte („Überanpassung“, „Agitation“; Schiff 1975, „Cathexis reader“) proklamieren. Unter der Hand und in Wirklichkeit wirken die Mitarbeiter dann nicht mehr eigenständig und effizienzorientiert. In Günther Mohr Dipl.-Volksw./Dipl.-Psych. Institut für Coaching, Training und Consulting Klarastr. 7 65719 Hofheim www.mohr-coaching.de Situationen mangelhaft vorgelebter und deutlich gespaltener Prinzipien in einem Unternehmen gilt der Grundsatz: „wenn keiner hinguckt, machen wir es genauso wie die da oben“. 6. Teure Geschichten Ein interessantes Beispiel ist dazu die Manipulation des Libor-Zinssatzes in der europäischen Finanzindustrie. Der Libor ist ein wichtiger Referenz-Zinssatz, der im Zusammenwirken einer überschaubaren Zahl von Banken festgelegt wird. Er dient als Richtlinie für die Zinsen, die Banken beim Geldverleih zahlen müssen. Die offizielle Version der Manipulation dieses Zinssatzes war sehr lange und ist zum Teil heut noch, dass sieben Einzeltäter in sieben Banken ohne Wissen der Vorstände die Manipulation dieses Zinssatzes getroffen haben. Diese Geschichte ist interessant, weil sie mit anderen innerhalb der Unternehmen verbreiteten Geschichten nicht zusammenpasst. So ist es in Unternehmen und Banken eigentlich üblich, dass Vorstände Strategien und Ziele beschließen, die dann im Unternehmen umgesetzt werden. Dann wären die Manipulationen aber angeordnet gewesen und die Vorstände wären dafür verantwortlich. Wusste man aber von einer solchen Breite von Vorgängen nichts, passt das auch eigentlich zur Geschichte des verantwortlichen Managements. Diese Bestandteile der offiziellen Managementgeschichten kann man als Mythen betrachten. Es passt auch nicht damit zusammen, dass Banken eine intensive Revision und Prüfung aller Vorgänge auf Corporate Social Responsibility (CSR) durchführen. Die wirkliche gelebte Geschichte scheint hier oft eine zu sein, die jenseits der Realität liegt. Eine Folge dieser Doppelbödigkeit ist auch eine enorme Erhöhung der Komplexität. Mitarbeiter müssen implizit verschiedenen Steuerungssystemen gerecht werden, dem für die Öffentlichkeit proklamierten, politisch korrekten und den, mit denen man die internen Gewinnziele noch erreichen kann. Als Resultat werden große Kulturwandel angekündigt. War man in einer großen Bank vorher angeblich mit „Leidenschaft“ unterwegs, muss man nun wegen etwa zehn verschiedener Rechtsdelikte Rückstellungen in Höhe mehrerer Milliarden machen. Die intern gelebten Geschichten werden unter Umständen teuer bezahlt. Man wird sehen, ob die Geschichten, die in der neoliberalen Ära entstanden sind, überhaupt änderbar sind. 7. Geschichten enden und überraschen Im Außen kann die Wirklichkeit schnell ganz anders werden. Denn die externen Geschichten brauchen Zuhörer und Mitspieler, sonst vergisst man sie. Wer von den Jüngeren kennt heute noch Borgward oder DKW und die damit zusammenhängende Geschichte. Manchmal hängt es mit Produkten zusammen. Denn Kassettenrecorder und VHS-Filme werden bald endgültig in Vergessenheit geraten sein. Auch Werbeslogans wie der von Praktiker „20% auf alles, außer auf Tiernahrung“ werden in wenigen Jahren gemeinsam mit der gescheiterten Firma vergessen sein. Ihre Geschichte fand zuletzt zu wenig Mitspieler. Hauptsächlich geht es dabei um Kapitalgeber und Kunden. Eine Geschichte braucht Geld und das kommt von Kapitalgebern und Kunden. Aber es braucht auch gute Leute, die mitspielen. Wenn die äußere Geschichte kein Publikum mehr findet, endet auch die innere Geschichte einer Organisation. In der Einteilung von Arnold Retzer in gelebtes, erlebtes und erzähltes Leben ist tatsächlich gelebtes Leben gefragt. Günther Mohr Dipl.-Volksw./Dipl.-Psych. Institut für Coaching, Training und Consulting Klarastr. 7 65719 Hofheim www.mohr-coaching.de Clevere Marketing—und Werbeleute versuchen solche Geschichten zu kreieren. Manchmal - und dann vermutlich überzeugender – entwickeln sie sich aber aus sich selbst heraus. Die Aldi-Geschichte konnte sich sicher nur in einer klassenmäßig eher durchlässigen Gesellschaft, die gleichzeitig vom Wert der Sparens getragen ist wie in Deutschland entstehen: Aldi ist zum Symbol einer klassenlosen Gesellschaft geworden, quasi kommunistisch. Der rumänische Bauarbeiter kauft hier ein neben der Zahnarztgattin. Für beide wird das gleiche Qualitätsversprechen gegeben. 8. Erfolgsgeschichten und Liquidität Wenn man überlegt, welche Organisation die erfolgreichste und älteste Geschichte aufweisen kann, kommt man nach einigem Nachdenken auf die katholische Kirche. Sie ist deshalb organisationstheoretisch sehr interessant. Offensichtlich erzählt sie eine sehr zeitüberdauernde externe und interne Geschichte, die Antworten auf Grundfragen und Grundängste der Menschen formuliert. Von ihrem über den Menschen hinaus gehenden Produkt einmal abgesehen zeigt sie große Konstanz. An ihren internen Prinzipien nimmt sie wenig Änderungen vor. Deutlich autoritäre und dogmatische Strukturen, die von einer Männerelite getragen werden und Frauen gleichzeitig in eine allenfalls dienende Rolle verweisen, sind bisher überdauernd charakteristisch. Dies widerspricht allem, was man heute in der modernen Organisationstheorie propagiert. Über die differenzierte interne Geschichte der katholischen Kirche in den Jahrhunderten weiß man aber wenig. Für Produktund Dienstleistungsbereiche, die mehr dem technischen Fortschritt unterliegen, ist es schon schwieriger. Gerade für vergängliche psychologische Werte wie Macht und Schönheit sind Menschen bereit, hohe Preise zu zahlen. Oft meinen wir über die gute interne Geschichte, die auch erfolgreich ist, intuitiv viel zu wissen. Aber im Sinne evidenzbasierter Forschungsergebnisse wissen wir noch relativ wenig. Organisationen als Systeme scheinen hier einer anderen Logik zu folgen als beispielsweise Familien. Die organisationale Perspektive mit ihren ziel- und rahmenbedingten Restriktionen muss immer berücksichtiget werden. Das unterscheidet das Gemeinschaftssystem Organisation vom Gemeinschaftssystem Familie. Organisationen haben immer auch eine wirtschaftliche Seite, sie brauchen die Erzeugung oder die Zufuhr finanzieller Mittel. Allerdings ist eine Familie davon auch nicht verschont, denn sobald sie als Haushalt an der Wirtschaft teilnimmt – und dies trifft für nahezu alle zu – firmiert sie quasi auch als Wirtschaftsorganisation und ist genauso wie für andere Organisationen vom Kriterium der Liquidität abhängig. Wenn Liquidität verloren geht, dann ist die Teilnahme an der Wirtschaft beendet. Organisationen sind pleite. Familien müssen sich der Fürsorge des Staates übergeben. Die ökonomische ist immer eine wesentliche Basisgeschichte. 9. Zahlenmenschen und Sportbegeisterte Zwei häufig vorkommende Bezugsrahmen in Organisationen, die die Erzählungen und Geschichten in der Organisation betreffen, sind: Der Bezugsrahmen der „Zahlenmenschen“ - Fokussiert auf Zahlen Günther Mohr Dipl.-Volksw./Dipl.-Psych. Institut für Coaching, Training und Consulting Klarastr. 7 65719 Hofheim www.mohr-coaching.de - „Was sich nicht in Zahlen messen lässt, existiert nicht.“ „Was man nicht zählen kann, kann man auch nicht managen.“ Verbindungen zwischen Zahlen, die man durch Analyse gewinnt, sind interessant Korrelative Zusammenhänge sind auch kausal Sich mit den Beziehungen zwischen Menschen zu beschäftigen, ist nutzlos. „Menschen, die nicht zahlenorientiert sind, haben im Management nichts verloren.“ Der Bezugsrahmen der „sportlich Denkenden“ - Ziele, die über das bisherige hinaus gehen sind wichtig und motivieren „Es muss voran gehen“ „Wer kein Ziel hat, driftet planlos durchs Leben.“ Es muss mehr und weiter gehen Wettbewerb ist gut, auch interner. „Wettbewerb belebt das Geschäft“. Beziehungsorientierte Themen halten bei der Zielerfüllung nur auf. Der Bezugsrahmen wird aufrechterhalten - durch Definieren und Redefinieren (sich selbst das Thema umdeuten) durch Abwertungs- (=Ausblendungs-) prozesse - positiv stehen dem natürlich Wertungsprozesse gegenüber, letztlich eine Fokussierung der Aufmerksamkeit. durch Fokusbildung – das Herausbilden eines relevanten Fokus, den man beachtet oder behandelt durch Störungen der Fokusbildung: o inadäquate Spezifizierung (z.B. übermäßige [„Terror des Einzelbeispiels“], zu geringe oder falsche Differenzierung) o inadäquate Konkretisierung (z.B. Phänomene werden in der sprachlichen Darstellung nicht getroffen – rein im Beispiel, zu allgemein, verharmlost, aufgebauscht ) o inadäquates Herstellen von Text-Kontext-Relation (z.B. Phänomen in einen unpassenden Kontext gestellt) o Inadäquate Polarisierungen (z.B. schwarz-weiß-Schemata) o Inadäquate Integration (z.B. Unterschiede verwischen) (Schiff et al., 1975: „Cathexis Reader“, Schmid, B. 1994: „Wo ist der Wind, wenn er nicht weht“; Leder, A. 2012: „Wie ticken Zahlenmenschen“) 10. Einige idealtypische Muster von Geschichten Im Folgenden werden einige idealtypische Organisationsmuster präsentiert, die nicht in Reinformat, aber in Teilausprägungen Organisationen wesentlich beeinflussen. Wir verwenden hier die Begriffe Geschichte und Erzählung synonym in folgendem Sinne: • • Welche Geschichte oder Erzählung präsentiert eine Organisation im Moment? Was sind die Kernthemen, die in dieser Geschichte eine Rolle spielen? Günther Mohr Dipl.-Volksw./Dipl.-Psych. Institut für Coaching, Training und Consulting Klarastr. 7 65719 Hofheim www.mohr-coaching.de Das betriebswirtschaftlich-technische Organisationsmuster Grundcharakteristik - Das beziehungsorientierte (symbiotische, familienähnliche) Organisationsmuster Das Muster „Intelligente“ Organisation Die Organisation ist wie eine Maschine erfassbar in einer ingenieurwissenschaftlichen mathematischen Gleichung - Die Organisation ist von engen persönlichen und privaten Beziehungen geprägt - Die Organisation entwickelt stetig Struktur und Abläufe, die ihre langfristige Anpassung an äußere und innere Anforderungen am ehesten gewährleistet Systemstruktur 1. Aufmerksamkeitsfokussierung - Die Produktionsfaktoren, Betriebsmittel und Arbeitskräfte, sind effizient zu kombinieren - Zwei Ebenen: man wickelt das Geschäft ab; unterschwellig geht es um Beziehungen - Schaffung transparenter Achtsamkeitssysteme für verschiedene Perspektiven (Markt, innere Organisation, Beziehungen, Menschen) 2. Rollen - Rollen sind nach klaren ökonomischen Notwendigkeiten ohne Ansehen von Personen bis ins Kleinste designt und ihre Performance wird danach controllt Arbeitslohn bestimmt Work-private LifeRelation - Entscheidungen werden von Fall zu Fall durch die jeweiligen „Elternfiguren“ getroffen, auch denen zugespielt in traditionellen Systemen steht eine Frau dem „Patriarchen“ zur Seite - außerordentlich hoher Einsatz einzelner (Workprivate Life-Balance ständig beklagt) - Rollen sind in ihrem wesentlichen Kern definiert („Kernprägnanz“) und in Verantwortung, Können und Zuständigkeit klar Work-private Life-Balance aktiv thematisiert - 3. Beziehungen Bindung durch Einpassung in den Produktionsprozess und Faktorentlohnung - “Söldnermentalität“ - - - Schafft Bindung auf einer sehr tiefen, unbewussten Ebene - - Bindung durch interessante Professionsausübung und professionell-persönliche Kommunikation Günther Mohr Dipl.-Volksw./Dipl.-Psych. Institut für Coaching, Training und Consulting Klarastr. 7 65719 Hofheim www.mohr-coaching.de Systemprozesse Das betriebswirtschaftlich-technische Organisationsmuster 4. Kommunikationsdynamik - - - 5. Problemlösungsdynamik - - 6. Erfolgsdynamik - Information geschieht primär über Controlling Information wird maschinell ins System zurückgespeist; Führungskräfte sind verzichtbar kein Raum für „Sentimentalität“; emotional sehr uninteressant; PE und OE im soft fact-Sinne verzichtbar Das beziehungsorientierte (symbiotische, familienähnliche) Organisationsmuster - Information läuft über Beziehungsnetze Impulsive, schnelle Entstehung von Information Das Muster „Intelligente“ Organisation - - die Informations- und Kommunikationssysteme (aus Technik und Menschen) kommunizieren die relevanten Informationen Prinzip der Rekursivität wird gebraucht jeder bringt unerfüllte Sehnsüchte mit diese werden manchmal erfüllt - Institutionen zur Klärung der Rollen (PE-Instrumente genutzt) Abläufe sind klar und eindeutig festgelegt für kreative Intelligenz und Flexibilität wenig Raum Fehler liegen an mangelnder Planung und Implementierung Mitarbeiter sehnen sich nach mehr festgelegten, vorschriftlichen Strukturen Patriarch(in) entscheidet Fehler: „typisch“ für den einzelnen - die Intelligenz der Organisation ist dabei unabhängig von der Intelligenz der Mitarbeiter der Organisation Fehler werden als Lernchance begriffen (kurzfristiger) Gewinn als einzige Maxime Der langfristige Erhalt der vorhandenen Beziehungen (incl. Machtverteilungen) ist das Wichtigste - - - der langfristige Selbsterhalt der Organisation, solange es eine „Passung“ mit einem Markt gibt („Profit is the cost of living in market“) Günther Mohr Dipl.-Volksw./Dipl.-Psych. Institut für Coaching, Training und Consulting Klarastr. 7 65719 Hofheim www.mohr-coaching.de Systembalancen Das betriebswirtschaftlich-technische Organisationsmuster Das beziehungsorientierte (symbiotische, familienähnliche) Organisationsmuster Das Muster „Intelligente“ Organisation 7. Gleichgewichte - - 8. Rekursivität - genaue Festlegung der Prozesse und Abläufe bis ins Kleinste nach reinen Effizienzkriterien Beurteilung und Entwicklung der Mitarbeiter und Subsysteme nach Leistung wenig formale Instrumentarien, Regelungen und kaum festgelegte Entscheidungsprozeduren - „Adoptionsprinzip“ ist Teil des familiären Prinzips zeigt Anpassungsfähigkeit an Markt- und andere Umweltveränderungen sowie an die internen Ressourcen (Kapital, Menschen, Information,...) transparente und flexible Kommunikations- und Entwicklungssysteme die Vorgabe und die festgelegten Abläufe gewährleisten die Ähnlichkeit durch die engen persönlichen und privaten Beziehungen Gesamtzusammenhang differenzierte Teilfamilien „Syntegrity“: in jeder Teamsitzung ist einer aus einem Nachbarteam ständige Pflege und Reflektion gemeinsamer Prinzipien - - - - Systempulsation 9. Äußere Pulsation - - 10. Innere Pulsation - Trennung, wenn der Produktionsfaktor nicht mehr passt von Zeit zu Zeit Überprüfung der Struktur - Das Lösen aus einem familiären System ist eigentlich nicht möglich; allenfalls schwierige „Scheidung“ - Stellen werden innerhalb der „Familie“ vergeben Organisation sind Lebensabschnitts-gefährten, die aber auch woanders ihr „Glück finden“ Offenheit für Informationen und Mitarbeiter von außen Produktionsfaktoren werden nach ingenieurwissenschaftlichen Grundsätzen kombiniert - Innere Umstrukturierungen werden nach Bedürftigkeiten der Personen vorgenommen Anpassung der inneren Struktur an die äußeren Anforderungen Varietätsgesetz: Innere Varietät spiegelt äußere wieder - - Günther Mohr Dipl.-Volksw./Dipl.-Psych. Institut für Coaching, Training und Consulting Klarastr. 7 65719 Hofheim www.mohr-coaching.de 11. Geschichten wirken Menschen lieben und brauchen Geschichten. Aus dem Erlebten eine einigermaßen konsistente Geschichte zu machen, scheint in der menschlichen Natur zu liegen. Geschichten charakterisieren, lösen Gefühle aus und sind mit Bildern versehen besonders wirksam. Die Wirksamkeit lässt sich unterschiedlich erklären. Die TA nimmt als psychologische Grundbedürfnisse Anerkennung, Reiz und Struktur an. Nicht weit davon entfernt, liegt das Züricher Modell der sozialen Motivation von Norbert Bischof (1989, zitiert nach Herbst, D.: „Storytelling“) mit drei Grundmotiven - Sicherheit Erregung Autonomie (Kontrolle, Dominanz) Kann eine Organisation aus einer Geschichte entfliehen und sich eine neue oder andere zulegen? Das scheint nicht so einfach zu sein. Ständig gehen Unternehmen pleite, weil sie ihre Geschichte nicht ändern können. Für Profis, die Organisationen beraten und entwickeln, sind einige Fragen besonders wichtig: • • • • • • • Was ist eine „gute“ Geschichte? Was braucht eine gute Geschichte? Wann verändern Organisationen ihre Geschichte? Wann gelingt eine Geschichtenänderung, wann nicht? Was sind die erhaltenden Faktoren bei einer Änderung? Wie gelingt es, Rezipienten eine bestimmte Geschichte zu vermitteln? Wie bilden sich darin Systemdynamiken ab? Die Crux ist, dass es oft radikale Änderungen der Story braucht, aber gerade die nicht möglich sind. Haben sich die Internen in einer Organisation an eine Geschichte gewöhnt, so lassen sie diese nur ungern und selten los. 12. Fazit Erzählungen und Geschichten der Organisationen stellen eine interessante Betrachtungsweise für Unternehmen und Organisationen dar. Sie ergeben für die Organisationsentwicklung diagnostische und Interventionsansätze. Allerdings ist es ähnlich wie beim persönlichen Skript, eine eingespielte Geschichte löst sich nur schwer auf. Literatur: Herbst, D. (2008): Storytelling, Konstanz: UVK. Mohr, G. (2000): Lebendige Unternehmen führen, Frankfurt: FAZ. Günther Mohr Dipl.-Volksw./Dipl.-Psych. Institut für Coaching, Training und Consulting Klarastr. 7 65719 Hofheim www.mohr-coaching.de Mohr, G. (2006): Systemische Organisationsanalyse – Grundlagen und Dynamiken der Organisationsentwicklung, Bergisch-Gladbach: Edition Humanistische Psychologie. Mohr, G. (2008): Coaching und Selbstcoaching mit Transaktionsanalyse, Bergisch-Gladbach: Edition Humanistische Psychologie. Mohr, G. (2009): Wirtschaftskrise und neue Orientierung, Von Angst und Gier zu Substanz und Anerkennung, Berlin: ProBusiness. Mohr, G. (2010): Workbook Coaching und Organisationsentwicklung, Bergisch-Gladbach: Edition Humanistische Psychologie.
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