AG II Schoett 2015 11 06 __Methamphetamin

SuPraT
Suchtfragen in Praxis und Theorie e.V.
www.suprat.de
06.11.2015
Dr. med. K. Schoett
SuPraT – Suchtfragen in Praxis und Theorie e.V.
Linsenstraße 2 , 99974 Mühlhausen
Tel.: 0152/ 59887565
e-mail: [email protected]
1
Zugang zum Thema… aus persönlicher Sicht
Behandle selbst seit 10 Jahren in einem Schwerpunktbereich für Abhängige illegaler
Drogen stationär und ambulant, wobei seit etwa 3 Jahren ein massiver Umbruch im
Klientel festzustellen ist. (N ges. stationär jeweils ca. 500 Pat.)
Aufnahmen zum qualifiz. Drogenentzug im Ökumenischen Hainich Klinikum gGmbH
Mühlhausen/Thüringen
Jahr
Opiate
Crystal
2005
59%
0%
2007
51%
0,1%
2010
49%
4%
2012
39%
45%
2014
29%
66%
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Gliederung des Vortrags
1. Wen sehen wir in unserer täglichen Arbeit?
2. Was folgt für die Akutbehandlung?
3. Was folgt für die Postakutbehandlung?
4. Welche Schwierigkeiten sind zu erwähnen, welche Anregungen zu geben?
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Wir sehen meist die regelmäßig Konsumierenden
A. Roche, National Methamphetamin Symposium Australien 12.05.2015
Konsumfrequenz (2013):
16% wöchentl.
17% monatl.
68% gelegentl. im Jahr
Wöchentl./monatl.
konsumierend
Gelegentlich im Jahr
konsumierend
Männlich
62%
62%
Verheiratet
20%
31%
In Arbeit
46%
69%
Heterosexuell
77%
87%
Leben in großen Städten
76%
74%
Psychisch auffällig
46%
18%
Haben unter Drogeneinfluss gearbeitet
62%
22%
Sind unter Drogeneinfluss gefahren
62%
48%
Trinken auf riskantem Niveau
78%
59%
Rauchen Tabak
83%
57%
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Wir sehen Patienten mit Entzugssymptomen
Ist bedingt durch:
-Abbau des präsynaptischen Monoamin-Haushalts
-down-Regulation der Rezeptoren
-Neurotoxizität
Läuft in Phasen unterschiedlicher Dauer ab:
1.Crash (1-3 Tage) – exzessives Schlafbedürfnis
2.Akute Phase (7-10 Tage) – Empfindsamkeit, Depression, Anhedonie, Schlafstörungen
(zu viel oder zu wenig), Hyperphagie, Irritabilität, Craving, Ängstlichkeit, verminderte
Konzentration
3.Subakute Phase (2 und mehr Wochen): Schlafstörungen (wenig erholsam), Craving,
Dysphorie, Appetitstörungen
(Cruickshank & Dyer: A Review of the Clinical Pharmacology of Methamphetamine, Addiction 2009)
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Wir sehen kognitiv veränderte chron. Patienten
Chronischer MA-Gebrauch ist assoziiert mit signifikanten Veränderungen in einer Reihe
von Gehirnregionen
-Verschlechtertes Verbales Gedächtnis
-langsamere Verarbeitungsgeschwindigkeit
-veränderte exekutive Funktionen wie schlechtere Selbst-Kontrolle
Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung
geringere kognitive Flexibilität
Erholung der kognitiven Störungen dauert lange (durchschnittlich 13 Monate, range 6 – 42
Monate), in den ersten 2 Wochen der Abstinenz kommt es oft sogar noch zu einer
weiteren Verschlechterung
(Kalechstein et al. 2003; Simon et al. 2004; 2010)
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Wir sehen psychotische Patienten
Mehr als ein Drittel aller Pat. mit Erstmanifestation einer akuten Psychose hatten eine
Amphetaminpsychose, wobei zusätzlich oft dissoziale oder Borderline-Störungen vorlagen
und die Psychose durch paranoide Ausprägung, ein plötzliches Auftreten und ein
plötzliches Abklingen gekennzeichnet waren.
(El-Tantawy et al. 2010)
Pat. mit SIP zeigen oft höhere Raten des Substanzgebrauchs, eher eine forensische/
traumatische Geschichte und mehr feindselige / ängstliche Symptome.
(Hides et al 2012)
Die am häufigsten vorkommenden psychotischen Symptomen waren Wahn (82%),
akustische Halluzinationen (70,3%), Fehlwahrnehmungen (57,7%), optische
Halluzinationen (44,1%), Selbstüberschätzungswahn (39,6%). In knapp 9% der Fällen
persistierten die Symptome länger als einen Monat.
(Fasihpour et al. 2013)
Patienten mit einer SIP erlebten initial schwerere Manien und gestörtere Verhaltensweisen, wobei diese Symptome rascher remittieren. Das Ausmaß einer Positivsymptomatik war in beiden Gruppen bei der Aufnahme ähnlich hoch und hielt auch ähnlich lange an.
(Dawe et al. 2011)
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Gliederung des Vortrags
1. Wen sehen wir in unserer täglichen Arbeit?
2. Was folgt für die Akutbehandlung?
3. Was folgt für die Postakutbehandlung?
4. Welche Schwierigkeiten sind zu erwähnen, welche Anregungen zu geben?
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Behandlung bei akuten toxischen Effekten
(Darke et al. 2008; Degenhardt & Hall 2012)
Körperliche Symptome einer Intoxikation:
- Brustschmerzen
- Übelkeit und Erbrechen
- erhöhte Körpertemperatur
- Tremor
- unregelmäßige Atmung
- gesteigerte Herzfrequenz
- Krämpfe
Eine Überdosis an Psychostimulanzien kann sich fatal auswirken im Sinne von kardialen
Arrhythmien und Schlaganfall. Diese Komplikationen treten auch bei jungen, ansonsten
gesunden Erwachsenen auf.
Psychische Symptome einer Intoxikation:
- extreme Angst und Panik
- extreme Paranoia
- ausgeprägtes Delir
- extreme Agitiertheit
- Halluzinationen
Die Mortalitätsrate ist vergleichbar mit der von Opiaten. Verglichen mit non-usern kommt
es auch vermehrt zu anderen tödlichen Ereignissen wie z.B. Verkehrsunfälle und Stürzen.
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Behandlung eines Entzugssyndroms
1. Wahl des Settings
2. Information
3. Supportive Beratung
4. Keine evidenz-basierte Pharmakotherapie:
ev. Diazepam in niedriger Dosierung gegen Agitation (max. 3 Tage)
ev. Antipsychotika (z.B. Olanzapin), wenn indiziert
Shoptaw 2008 Cochrane Review 2; Pennay & Lee 2001 Drug and Alcohol Review 30, 216–222; Kay-Lambkin et al 2011 MJA 195 (3): 38
Eine Entgiftung/Entzugsbehandlung allein ist aber noch keine ausreichende Behandlung!
Sie allein verändert nicht den MA-Konsum und hat in Längsschnittuntersuchungen keinen
kurz- oder langfristig positiven Effekt im Unterschied zu Nicht-Behandelten gezeigt.
McKetin et al: Evaluating the impact of community-based treatment options on methamphetamine use: findings from the
Methamphetamine Treatment Evaluation Study (MATES). Addiction. 107(11); 2012; 1998-2008.
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1. Wen sehen wir in unserer täglichen Arbeit?
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3. Was folgt für die Postakutbehandlung?
4. Welche Schwierigkeiten sind zu erwähnen, welche Anregungen zu geben?
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Postakutbehandlung – Was gehört dazu I
Indikation stellen – wer braucht überhaupt Behandlung?
Beachtung von Konsummuster, -frequenz, -art sowie von Hilfebedarf und Anliegen
Diagnostik und ggf. Therapie einer möglichen Komorbidität (psychisch / somatisch)
1.
als medizinische Reha – Setting wählen (ambulant, ganztägig ambulant bzw.
teilstationär oder stationär; einzeln bzw. in Gruppen)
- Information hinsichtlich verschiedener (verhaltens-)therapeutischer Programme
z.B. MATRIX, 12-Schritte-Programm, MI, Community Reinforcement Approach, CBT zur
Rückfallprophylaxe
-kognitives Training – essentiell auch für Verständnis der Therapie
-Supportive Beratung
-Psychoedukation zu Gesundheit und Gesunderhaltung (Butler, Wheeler, Sheridan 2010), z.B. zu
seelischer Gesundheit, Ernährung, Hautpflege, Schlafhygiene, Rauchen, anderen Drogen,
körperlicher Aktivität
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Postakutbehandlung – Was gehört dazu II
2. Mit einer begleitenden Pharmakotherapie bei Komorbidität, aber ohne
medikamentöse Rückfallprophylaxe. Unter Einbeziehung der vertragsärztlichen
Versorgung! Thematisieren/Behandlung bei Rauchern (Indikation Bupropion 300
mg?)
3. Im Rahmen von therapeutischen Gemeinschaften (soziotherapeutische
Einrichtungen, Angebote der Eingliederungshilfe)
4. Implementierung von 24-h- Beratungsangeboten für Betroffene, Angehörige, Helfer
5. Einbeziehung von Selbsthilfe und Unterstützung von Angehörigen
6. Mittels niedrigschwelliger Angebote und Harm reduction Programme
7. Maßnahmen der Arbeitsförderung und beruflichen Rehabilitation
8. als ambulante Psychotherapie
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1. Wen sehen wir in unserer täglichen Arbeit?
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3. Was folgt für die Postakutbehandlung?
4. Welche Schwierigkeiten sind zu erwähnen, welche Anregungen zu geben?
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Probleme in der Behandlung sind… (Auswahl)
Wann? Behandlung beginnt oft zu spät, erfolgt zu kurz und zu wenig nachhaltig.
Patienten berichten oft über 5 bis 8 Jahre Konsum (und Komplikationen), ehe sie in ein
therapeutisches Setting kommen.
Wer? Seltener in Behandlung kommen Frauen, Berufstätige, Nicht-iv.Konsumenten,
diejenigen, die ihren Konsum als unproblematisch erleben
(Quinn B et al: Journal of Substance Abuse Treatment 45; 235–241; Quinn et al 2013 Int J Drug Policy 24(6) 619–623 ; Lee et al
2012 Advances in Dual Diagnosis 5(1)23-31.
Warum? Behandlung wird häufiger aufgesucht bei gravierenden sozialen
Schwierigkeiten, psychischen Problemen und riskantem Konsum. Sind hier
Lösungsansätze erreicht, erlischt das Interesse.
Wie lange? Hohe Abbruchrate vor allem bei geringem Problembewusstsein
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Unterschiede zu anderen Drogenkonsumenten in
der Behandlung aus meiner Erfahrung
Entzug und Körpergefühl werden völlig anders wahrgenommen
Problembewusstsein und resultierend Compliance sind geringer
Vor allem psychiatrische Komorbidität ist deutlich häufiger Spezifische
Pharmakotherapie ist praktisch nicht vorhanden Neurotoxische Schäden sind
ausgeprägter
Aggressivität und Gewalt spielen häufiger eine Rolle
Hektik, Stress, Erwartungsdruck und Frustrationen sind auf allen Seiten ausgeprägt
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Wo gibt es weiterführend Hilfe und Literatur?
Es ist wichtig für alle im suchtmedizinischen und –therapeutischen System (auch die
Konsumenten!), möglichst viele Infos zu bekommen.
Literatur zum Thema ist seit Juli 2015 kostenlos online zur Verfügung bei:
MethCare – der deutschsprachigen Datenbank zu Methamphetamin
auf der homepage von SuPraT (www.suprat.de).
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Danke für Ihre Aufmerksamkeit
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