Aus: Ausgabe vom 17.07.2015, Seite 8 / Ansichten In schlechter Tradition IG-Metall-Chef kritisiert Syriza Von Daniel Behruzi Der deutsche Imperialismus hat zu alter Rücksichtslosigkeit zurückgefunden. In den »Verhandlungen« mit Griechenland haben seine politischen Vertreter gezeigt, dass endgültig Schluss ist mit der Zurückhaltung der Nachkriegsjahre. Sie haben nicht nur Griechenland, sondern auch Frankreich und Italien demonstriert, nach wessen Pfeife in Europa getanzt wird. Dagegen ist Widerstand angesagt. Doch in schlechter alter Tradition stellt sich so mancher deutsche Gewerkschaftsführer hinter den aggressiven Kurs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD). So auch IG-Metall-Chef Detlef Wetzel, der intern Tacheles redet. Bei der Vorstandssitzung seiner Gewerkschaft in dieser Woche in Frankfurt am Main kritisierte Wetzel laut Redetext nicht etwa die kurz zuvor beim EU-Gipfel beschlossene Kolonisierung Griechenlands. Statt dessen konzentriert sich der Vorsitzende von Deutschlands größter Einzelgewerkschaft auf Kritik an der SyrizaRegierung. Wohlgemerkt: Nicht für deren Zustimmung zu gewerkschafts- und beschäftigtenfeindlichen »Reformen«, sondern für ihre »kommunikativen Fehltritte« und ihr fehlendes wirtschaftspolitisches Konzept. »Niemand hat die Regierung Tsipras daran gehindert, ein sozial ausgewogenes Alternativprogramm zu entwickeln, das die Interessen der Bevölkerung mit denen der Gläubiger in Einklang bringt«, heißt es in dem jW vorliegenden Redetext. Das die Aussage eines führenden Vertreters der Lohnabhängigen in Deutschland – grotesk! Als hätten die hiesigen Gewerkschaften im Osten ab 1990 nicht genug Erfahrungen mit der Enteignung des Volksvermögens mittels »Treuhand« gesammelt. Als hätte die IG Metall nicht selbst gegen die Rente mit 67 mobilisiert, die nun auch den Griechen aufgezwungen wird. Als wäre nicht klar, auf wessen Kosten die Erhöhung der Mehrwertsteuer geht, die für reiche Reeder ebenso hoch ist wie für Erwerbslose und Schlechtverdiener. Dieses Kürzungsdiktat ist mit den Interessen der Bevölkerung nicht in Einklang zu bringen. Es heißt: entweder oder. Auch über die Erleichterung von Massenentlassungen und die Beschneidung von Beschäftigtenrechten verliert Wetzel kein Wort. Statt dessen offenbart er ein zweifelhaftes Verständnis von Demokratie, wenn er erklärt, das griechische Referendum habe »nochmals die Stimmung aufgeheizt«. Damit habe die Regierung »kopflos die Entscheidung an die Bevölkerung abgegeben«. Schlimm ist demnach nicht, das klare Votum gegen weitere Kürzungen zu ignorieren, sondern die Menschen überhaupt nach ihrer Meinung gefragt zu haben! Mit gewerkschaftlichem Internationalismus haben diese Äußerungen nichts zu tun. Sie sind vielmehr Ausdruck eines bornierten Standortkorporatismus, den die Industriegewerkschaften mehr denn je pflegen. Dabei ist klar, dass die Verwandlung Griechenlands in ein neoliberales Experimentierfeld neuer Dimension auf die Verhältnisse in Deutschland zurückwirken wird.
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