Nürnberg GENUSS & LEBEN Donnerstag, 1. Oktober 2015 F Seite 31 Wein muss man riechen, schmecken und fühlen Gerade junge Leute interessieren sich mehr für Riesling und Cabernet — Seminare und Bars sind auch in Nürnberg angesagt VON KATJA JÄKEL Wein ist doch nur etwas für Kenner und alte Leute – eine Binsenweisheit, die von einer gewissen Angst der Kunden vor dem Weinhandel zeugt. Doch es gibt Licht am Ende des Tunnels: Gerade junge Leute interessieren sich immer mehr für guten Wein. Riechen, Schmecken, Fühlen: Um sich mit Wein auseinanderzusetzen, muss man diese drei Sinne einschalten und benutzen, sagt Martin Kössler. Der Inhaber der „K&U Weinhalle“ im Nordostpark will niemanden bekehren. Sondern begeistern. Vor allem junge Leute, für die er eigens ein Weinseminar unter dem Motto „Aller Anfang ist leicht“ anbietet. Die Nachfrage sei enorm gewesen. Rund 30 junge Männer und Frauen sitzen an den Tischen in der „Weinhalle“, vor sich zwei Gläser, einen Brotkorb und eine Liste mit zehn Weinen, die verkostet werden sollen. Darunter auch Daniel Kraft (25). Er und seine Freundin würden bislang meistens im Discounter kaufen, gibt er zu. Wie die meisten Menschen. Seit 40 Jahren ist Kössler Weintrinker, seit 20 Jahren bildet er Sommeliers aus. „Nach der 10 000. Flasche wird man sicherer“, sagt er unter Gelächter. Erfahrung komme eben nur mit dem Trinken. Und das tun die Seminar-Teilnehmer dann auch. Dazu gibt es reichlich Informationen: Dass nahezu 98 Prozent aller Weine weltweit maschinelle Erzeugnisse sind, erstaunt auch Daniel Kraft. Und dazu gehören fast alle Weinflaschen in den Discountern. Ein Wort ist zu wenig Kössler lässt einen Chardonnay für 1,99 Euro einschenken. „Riecht, schmeckt und versucht zu beschreiben. Wenn euch nur ein Wort wie ,fruchtig’ dazu einfällt, ist der Wein nichts!“ Für eine trinkbare Flasche müsse man einfach mindestens fünf Euro hinlegen, ab zehn Euro könne man wirklich über den Wein reden. Dass gerade viele junge Menschen sich für Wein interessieren, erlebt auch Alexander Ludwig von „Ludwigs“ in der Inneren Laufer Gasse. Bevor er sein Lokal eröffnet hatte, war für ihn klar, hier muss es auch guten Wein geben. Erfahrung sammelte er in der Weinhandlung „Pickl’s“ in der Südstadt. „Wir achten darauf, dass wir etwas Besonderes haben. Das Weingut Stahl beispielsweise oder Scheller.“ Das komme an, leider aber nur glas- und Beschwipste Rezeptideen Kochbuch von Léa Linster Gestern Abend sprach Léa Linster noch im Buchhaus Campe mit Karin Wittenstein über ihr bewegtes Leben als Sterneköchin und ihre Bücher. Darunter das neue Kochbuch „Wein muss rein!“, das im Verlag ars vivendi erschienen ist. Ein Fest für Weinliebhaber, Cartoonfreunde, Hobbyköche und Genießer ist dieses Kochbuch, für das Linster das zweite Mal mit Zeichner Peter Gaymann, nach „Das Gelbe vom Ei“, zusammengearbeitet hat. Linster kreiert darin Gerichte mit Wein und Co, Gaymann zeichnet dazu weinselige Miniaturen. Über 40 Rezepte, wie Muschelragout in Weißwein-Safran-Soße oder Tiramisu mit getrockneten Kirschen und Sherry, beinhaltet das schön gestaltete Kochbuch aus dem Cadolzburger Verlag auf 176 Seiten. Ab sofort ist es für 24,90 Euro im Handel erhältlich. kat Das neue Kochbuch von Léa Linster ist erschienen. Foto: oh nicht flaschenweise. Obwohl Ludwig die Preise schon sehr human gestaltet hat. Auch Nicola Neumann, Organisatorin der „Weininseln“, die am vergangenen Wochenende zum zweiten Mal sehr erfolgreich in Nürnberg stattfanden, sieht ein großes Interesse bei den 20- bis 40-Jährigen: „Sie sind aufgeschlossen, neugierig und durchaus bereit, mehr Geld für eine gute Flasche hinzulegen.“ Bars mit einem Wein-Schwerpunkt, wie die „Weinstelle“ von Florian Seyberth oder Bernhard Steicheles „Weinhaus“, sind angesagt. Die Gäste fragen nach, kennen sich zum Teil sehr gut aus. Junge Winzer wie Christian Ress vom Weingut Balthasar Ress aus Eltville am Rhein locken bei Veranstaltungen Leute ab Mitte 20 in Massen an. Auch bei den „Weininseln“ war der Riesling-Bulli von Ress, ein alter VW-Bus, von Interessierten umzingelt. „Auf alle Fälle setzt sich Wein bei jüngeren Menschen durch“, sagt Kai Schnaus, Vertriebsleiter von Ress. In der „Weinhalle“ nippen alle am Discounter-Chardonnay. Weil Wein nicht als Lebens-, sondern als Genussmittel deklariert ist, „kann alles an Chemie rein, ohne dass es auf der Flasche stehen muss“, erklärt Kössler und erntet Kopfschütteln. So schmecke dann eben gerade der Billige aus dem Discounter. Also erst riechen, dann im Mund erfühlen und schließ- Das „Steichele“ hat einen eigenen Weinbunker (oben). Die Einsteiger-Seminare für junge Leute in der „K&U Weinhalle“ sind immer schnell ausgebucht (unten). Fotos: Rödel/Weigert lich schlucken – sofort wird klar, der Wein ist nix. Weil die Teilnehmer ja etwas über Qualität lernen sollen, stehen auch anspruchsvolle Weine auf der Liste. Ein Chardonnay aus Kalifornien für etwa 25 Euro gefällt allen. Kössler räumt mit einigen Irrtümern auf und beantwortet fleißig die Fragen der Teilnehmer. „Vergesst die Regeln. Ob ihr Rotwein kalt oder Weißwein warm trinkt, ist eure Sache. Und zum Schweinebraten passt auch ein guter Weißer. Nur: Trennt euch vom billigen, schlechten Wein!“, sagt der Traum vom eigenen Silvaner erfüllt Der Ex-Nürnberger Thomas Plackner bewirtschaftet einen halben Hektar Weinberg VON KATJA JÄKEL „Mein erstes Weinseminar habe ich 2014. Dieser Tage begann die Lese seibei ihm besucht.“ nes zweiten Jahrgangs 2015. UnterDann war klar: „Ich werde meinen stützung erhält er durch seinen NachWinzer werden — ohne langjährige Ausbildung, als Quereinsteiger, das eigenen Wein herstellen!“ Die Suche barn, Winzer Matthias Stumpf vom muss doch machbar sein, dachte Tho- nach geeigneten Flächen gestaltete Weingut Bickel Stumpf. Auch etliche mas Plackner vor ein paar Jahren. sich schwierig. Plackner wollte in Freunde werden zum Helfen kommen. Und setzte seinen großen Traum in die Franken, seiner Heimat, anbauen, Gänzlich unmanipuliert und aus handRealität um. Am vergangenen Sams- und zwar Silvaner, „die für Franken verlesenen Trauben kommt der Rebentag präsentierte der Ex-Nürnberger, typische Sorte“. Sein erster Wein ent- saft dann in den Tank. der seit wenigen Monaten in der Nähe stand 2012 in Kooperation mit Klaus„Am schwierigsten finde ich die seines Weinbergs in Veitshöchheim Peter Heigel in Zeil am Main. Zwei Sil- Selbstvermarktung“, sagt der Mann, lebt, im Rahmen der „Weininseln“ sei- vaner brachte der 49-Jährige auf den der beruflich anderen genau dabei Markt, den „Einsteiger“ für rund hilft. Aber die Qualität seines Weines ne Silvaner im „Ludwigs“. zehn Euro sowie die Premium-Varian- scheint sich herumzusprechen. EntSchon als Jugendlicher sei er mehr te „Aussteiger“ (24,90 Euro). sprechend seinem Credo: „Ich will ein dem Wein als dem Bier zugetan gewegutes Produkt hinkriegen und kein sen, sagt der 49-Jährige. Doch die Lese hat begonnen Manager eines Riesen-WeinbaubetrieInitialzündung war ein Urlaub in der Dann fand Plackner seinen Wein- bes sein.“ Kleine, feine Weine liegen weinreichen Steiermark vor einigen berg in Thüngersheim bei Würzburg Plackner am Herzen, Weine, die man Jahren. Thomas Plackner ist in Markt- und zog kürzlich mit seiner Lebens- mit großem Genuss trinkt. breit bei Kitzingen geboren und gefährtin nach Veitshöchheim. Einen ordentlich in der Welt herumgekom- halben Hektar bewirtschaftet Plack„Plackner Weine für Einsteiger und men. „Bad Kissingen, Schwabach, ner in Steillage. Rund 3000 Flaschen Aussteiger“ gibt es bei Wein.Art, Nürnberg, USA, München, Bad Hom- umfasst sein erster eigener Jahrgang Schmausenbuckstraße 4, Nürnberg. burg, Esslingen und wieder Nürnberg“, zählt der heutige Winzer auf, der gerade eine Ausbildung zum „Nebenerwerbswinzer“ bei der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim absolviert. Eigentlich ist Plackner studierter Betriebswirtschaftler und Moderator, hat lange für Airbus gearbeitet und sich dann mit Projektmanagement und Kulturentwicklung vor vier Jahren selbstständig gemacht. Doch die Firma und der Weinbau schließen sich nicht aus: „Ich mag meinen Job und mache ihn nicht, um mir meinen Traum vom eigenen Wein leisten zu können“, sagt er. Ein Jahr nahm er sich Zeit, um herauszufinden, wie man Wein macht. Und ob das wirklich etwas für ihn ist. Sein Freund, der Winzer Gernot Kollmann, bestärkte und unterstützte ihn, stellte Kontakte zu Weingütern her. Und Plackner schaute sich ausgiebig in den Weinbergen um, machte Praktika bei so renommierten Betrieben wie Reinhold Haart, Rudolf Fürst und Zehnthof Luckert. Auch Martin Kössler von der „K&U Weinhalle“ hat sei- Zum zweiten Mal kam er zu den „Weininseln“ nach Nürnberg, im Gepäck seine nen Anteil an Plackners Traum: Silvaner „Einsteiger“ und „Aussteiger“: Thomas Plackner. Foto: Müller Redaktion GENUSS & LEBEN, Telefon (0911) 216-2893, [email protected] — www.facebook.com/Aufgetischt NN Experte. Daniel Kraft hat Blut, pardon, Wein geleckt. Ja, er werde sich doch mal in den Fachhandel begeben, sagt er und seine Freundin nickt. Andere Teilnehmer machen gleich Nägel mit Köpfen – und kaufen bei Kössler die eine oder andere Flasche. Einen guten Tropfen kaufen Der Fachhandel bietet Infos Wer guten Wein trinken will, muss ihn probieren. Und sollte sich die eine oder andere Information dazu geben lassen. Also vergessen Sie Ihre Schwellenangst und lassen Sie sich von einem der Nürnberger Weinhändler verführen. Weinkost Auch, Weinmarkt 10, (09 11) 22 16 70: Große Auswahl an österreichischen Weinen, Weine aus der Toskana sowie deutsche Silvaner und Rieslinge. Weinbar und Verkauf. Pickl’s Wein & Feinkost, Wodanstraße 42, (0911) 4 00 87 64: Schwerpunkt Italien, Franken, Schaumweine. Weinhandel und -bar. Karl Kerler, Braillestraße 20, (09 11) 5 88 28 42: Französische, deutsche, österreichische Weine, aber auch Winzer-Champagner. K&U Die Weinhalle, Nordostpark 78, (09 11) 52 51 53: Frankreich, Deutschland, Italien, Österreich, USA, Schaumweine. Fiasco Classico, Äußere Sulzbacher Straße 70, (09 11) 59 59 10. Ausschließlich italienische Weine. Pinot Weinhandel, umgezogen in die Bucher Straße 70, (09 11) 33 04 33: Frankreich, Deutschland, Italien und Winzer-Champagner. Wein im Albrecht-Dürer-Hof Rudolf Kern, Albrecht-DürerStraße 12, (09 11) 2 38 86 65: Deutschland/Franken. Weinhandel und -bar. Weinstelle, Radbrunnengasse 4: Frankreich und Vin Naturel. Weinbar und Verkauf. In Vino Veritas, Krelingstraße 44, (09 11) 36 26 60: Italienische und spanische Weine. Weinkontor Triumvirat, Allersberger Straße 112, (09 11) 4 62 24 66: Weine aus Europa.
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