einkäufer im markt 6 schwerpunkt global sourcing im mittelstand Verkaufspreise dürfen nicht das einzige Kriterium sein Annette Heringslake, Veritas AG, und Thomas Germer, IMI Institut für Managementinnovationen GmbH Gerade in mittelständischen Unternehmen galten Produktion und Absatz lange als wichtigste Einflußgrößen der Wertsteigerung. Die Ursache dafür lag häufig in der Geschichte dieser Firmen, deren Geschäftsgrundlage in der Regel eine besondere Fähigkeit in der Produktion bildete. Dem Einkauf wurden hierbei nur rein operative Bestellfunktionen zugeordnet, er besaß jedoch keinerlei strategische Bedeutung. Bedingt dadurch wurden die Chancen, die eine globale Beschaffung bietet, nicht einmal geprüft. Unsere Erfahrungen zeigen, dass viele Mittelständler zwar einen professionellen Vertrieb und teilweise auch hochmoderne Produktionsstätten im Ausland haben, jedoch häufig nur im Umkreis des Stammhauses einkaufen. So werden die Möglichkeiten einer globalen Beschaffung bisher kaum genutzt und bares Geld verschenkt. Wird doch einmal „international“ beschafft, so stammen die Lieferanten zumeist aus EU-Ländern. Die aktuellen Entwicklungen erfordern ein radikales Umdenken. Die Optimierungsmöglichkeiten in der Produktion sind weitgehend ausgereizt, der Wandel vieler Märkte von Verkäufer- zu Käufermärkten erschwert Wertsteigerungen durch verstärkte Vertriebsaktivitäten zunehmend, und die Wertschöpfung wird mittlerweile — auch in mittelständischen Unternehmen — oft zu mehr als 50% von Zulieferern erbracht. Damit steuert die Beschaffung einen der größten Kostenblöcke im Unternehmen. Zusätzlich bringt das internationale Umfeld einen erheblichen Bedeutungsanstieg mit sich, ins- besondere in der Automobilindustrie. Dort entwickeln sich die Märkte momentan weltweit recht unterschiedlich — mit niedrigem Wachstum in den klassischen Märkten und teilweise sehr hohen Zuwächsen in den Schwellenländern, beispielsweise China oder die neuen EU-Mitgliedstaaten in Osteuropa. Viele Abnehmer mittelständischer Lieferanten bauen zunehmend Werke an diesen kostengünstigeren Produktionsstandorten. Damit müssen sich deutsche Zulieferer jetzt auch an den Kosten ausländischer Wettbewerber messen lassen. Gleichzeitig erhöhen sich die Anzahl und die technische Komplexität der geforderten Produkte drastisch. Eine global ausgerichtete Beschaffung bietet mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit, diesem Spannungsfeld aus Kosten- und Innovationsführerschaft gerecht zu werden. Globale Beschaffungsaktivität bedeutet dabei nicht, dass zwingend Inputs aus dem Ausland beschafft werden müssen. Vielmehr ist der Grundgedanke einer globalen Beschaffung, die aktive Suche, Bewertung und Auswahl von Lieferanten nicht auf einen bestimmten geographischen Raum zu beschränken. Im Ergebnis kann es durchaus vorkommen, dass ein global beschaffendes Unternehmen lediglich mit Lieferanten aus der näheren Umgebung zusammenarbeitet. Für mittelständische Unternehmen stellen die häufig sehr eingeschränkten Personalkapazitäten und die damit zu starke Konzentration auf operative Aufgaben die größten Restriktionen dar. Vor diesem Hintergrund bieten sich grundsätzlich drei Möglichkeiten einer globalen Beschaffung an: Zukauf von BeschaffungsKnow-how 1. Die erste Möglichkeit besteht darin, die eigene Beschaffungsorganisation zu internationalisieren. Das bedeutet konkret, dass die gesamte Lieferantensuche, -bewertung und -auswahl auf einen größeren geographischen Radius ausgedehnt wird. Gerade in der Automobilindustrie werben innovative Unternehmen momentan Einkäufer der großen Automobilhersteller ab, um sich so das Knowhow für eine globale Beschaffung zuzukaufen. Angesichts der zu erwartenden Werthebel ist das in der Regel eine mehr als lohnende Investition für jeden Mittelständler. Für den Bereich der elektronisch beschaffbaren Bund C-Güter kann eine Internationalisierung dabei relativ einfach durch den Einsatz von Service Providern (Kataloganbieter, Auktionsdienstleister und Plattformanbieter) realisiert werden, die in aller Regel international ausgelegt sind. Solche Angebote sind mittlerweile auch für mittelständische Unternehmen attraktiv. Sie profitieren so von der vorhandenen Infrastruktur und dem Know-how der Betreiber. Für den Bereich der nicht elektronisch beschaffbaren Güter ist kritisch zu prüfen, wo und in welchem Umfang eigene Marktbearbeitungsaktivitäten sinnvoll sind. Dabei ist wichtig, nicht in einen Beschaffungstourismus zu verfallen. einkäufer im markt 7 schwerpunkt 2. Eine andere Möglichkeit für mitliche positive Effekte sind in einer telständische Unternehmen, globamöglichen Erweiterung der Produktle Beschaffungsmärkte zu erschliekenntnisse und in der Öffnung der ßen, bietet die Nutzung von weltweiMärkte für andere Funktionsbereiche ten Einkaufsbüros, den so genanndes Unternehmens (Produktion und ten IPOs (International Purchasing Absatz) zu sehen. Schließlich bildet Offices). Solche IPOs agieren für eine ausgewogene Lieferantenbasis unternehmensinterne und/oder -extermit verschiedenen echten (!) Alternane Kunden in einem bestimmten Land tivlieferanten im In- und Ausland eine bzw. einer Region als „Einheimische“ wichtige Voraussetzung für professiogegenüber den dortigen Lieferanten. nelle Einkaufsverhandlungen. Der Vorteil liegt insbesondere in der Neben den Vorteilen dürfen die geringeren bzw. nicht existierenden Risiken nicht unberücksichtigt bleikulturellen Distanz und einer daraus ben. Dazu zählen neben kulturellen resultierenden qualiund geographitativ besseren Inforschen Distanzen Darauf sollten Sie achten: mation und Komsowohl Wechmunikation. Wäh Legen Sie Ihrer Entscheidung selkursrisiken rend größere Unterfür oder wider Global Sourcing als auch jurisnehmen vielfach eine Gesamtkostenanalytische Schwieeigene IPOs in den se (Total Cost of Ownership) rigkeiten, die für sie interessanzugrunde beispielsweise ten Ländern unterdie gerichtliche halten, können auch Die Preise ausländischer LiefeDurchsetzung kleine mittelständiranten sollten in der Regel um von Ansprüchen sche Unternehmen 20% niedriger sein als die deutlangwierig und die Dienste externer scher Zulieferer teuer machen IPOs in Anspruch können. Geranehmen. Falls Sie Produktionsstandorde für Unterneh3. Eine vor allem te im Ausland haben, nutzen Sie men mit Just-infür mittelständische diese für eine Analyse der austime-Fertigung Unternehmen sinnländischen Beschaffungsmärkte ist auch das volle Lösung stellt Lieferrisiko zu die Nutzung der beachten, da eigenen (Produktions-)Standorte im neben längeren Transportwegen unter Ausland für Beschaffungsaktivitäten Umständen auch Streiks, politische dar. Ähnlich wie die IPOs können die Unruhen oder klimatische Besonan Ort und Stelle ansässigen Mitarbeiderheiten eine pünktliche Lieferung ter auch den lokalen Beschaffungserschweren können. Hieraus wird markt mitbearbeiten und Informatiodeutlich, dass eine Entscheidung nur nen sammeln. Voraussetzung dafür auf Basis des Verkaufspreises unzuist allerdings, dass sich die Standorreichend ist; vielmehr muss eine Total te auch in Regionen mit attraktiven Cost of Ownership-Betrachtung vorBeschaffungsmärkten befinden. genommen werden. Ferner ist auch das Risiko des ungewollten Transfers Kostenreduktion steht von Know-how an ausländische Liefean erster Stelle ranten zu berücksichtigen. Welche Chancen und Risiken bringt eine globale Beschaffung für den Mittelstand mit sich? Bei den Chancen stehen klar Kostenreduktionen im Vordergrund, erzielt durch günstigere Preise ausländischer Lieferanten und die Möglichkeit, unterschiedliche Konjunkturzyklen in verschiedenen Regionen auszunutzen. Zusätz- Keine zu hohen Erwartungen an kurzfristige Kostenvorteile Wann lohnt die globale Beschaffung für den Mittelstand? Grundsätzlich müssen Kosten und Ergebnis in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Mittelfristig gilt als Faustregel, dass die ausländi- schen Preise mindestens 20% unter denen deutscher Zulieferer liegen sollten. Zu bedenken ist, dass gemäß des Total Cost of Ownership-Ansatzes in die Kalkulation die Kosten für Reisen, Fracht, Zölle, höhere Lagerhaltung und Nachbearbeitung sowie höhere Kommunikationsaufwendungen eingehen müssen. Da Global Sourcing stets eine strategische Entscheidung ist, dürfen keine zu hohen Erwartungen an kurzfristige Kostensenkungen gestellt werden. In jedem Fall sollten aber gerade auch mittelständische Unternehmen die eigenen Möglichkeiten und Chancen einer globalen Beschaffungsaktivität unvoreingenommen prüfen. Annette Heringslake ist Leiterin Einkauf Zukaufteile der Veritas AG in Gelnhausen. Thomas Germer ist geschäftsführender Gesellschafter der IMI Institut für Managementinnovationen GmbH in Vallendar. Für weitere Informationen: [email protected] [email protected] Internet: www.imi-institute.com Nutzen Sie unseren Onlineservice! Auf unserer Einkäufer-Homepage www.vwd-einkaeufer.de bekommen Sie nicht nur aktuelle Informationen rund um das Thema Einkauf. Sie haben auch die Möglichkeit, im Bereich „PDF-Download“ Checklisten, Musterformulare und andere Arbeitshilfen herunter zu laden. So haben Sie u. a. Zugriff auf folgende Dokumente: Checkliste: Katalogauswahl Checkliste: Qualitätssicherung Checkliste: Richtig führen Checkliste: Umgang mit insolventen Lieferanten Systematisches Vorgehen beim Benchmarking
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