Kleiner Käfer, großer Schaden

Foto: Heil
Stallbau
Der erwachsene Käfer und besonders seine verpuppungswilligen Larven können enorme Schäden an der Isolierung anrichten.
Kleiner Käfer,
großer Schaden
Anfangs schenkte Schweinehalter Karl Meier* den schwarzen Käfern in
seinem Flatdeckstall kaum Beachtung. Bis ihm beim Reinigen des Stalles
buchstäblich die Decke auf den Kopf fiel.
D
as Ferkelaufzuchtabteil war fast
sauber und ich wollte nur noch
schnell die Decke mit dem Hochdruckreiniger abspülen, als plötzlich die
halbe Decken­isolierung auf mich herabstürzte“, erinnert sich Ferkelerzeuger
Karl Meier* noch ganz genau an jenen
Tag im Frühjahr 2013.
Im ersten Moment ging Meier davon
*) Name von der Redaktion geändert
S 20
top agrar 11/2013
aus, dass er es mit dem Wasserdruck
übertrieben hatte. Doch dann schaute
er sich die heruntergestürzten Deckenteile genauer an. Und zu seiner Überra-
Unsere Ansprechpartner:
Dr. Martin Felke, Institut für
Schädlingskunde;
Volkmar Hedwig, Bayer CropSciene;
Stefan Herdes, Firma Huntenburg
schung stellte er fest, dass das Innenleben der alukaschierten Decke stellenweise komplett zerfressen war. Auch
die hölzerne Unterkonstruktion wies
starke Fraßschäden auf.
Im gleichen Augenblick entdeckte
Landwirt Meier den offensichtlichen
Verursacher des Schadens. Zahllose
kleine schwarze Käfer krabbelten aus
der zerstörten Isolierung. Und die
waren dem Landwirt nicht völlig fremd:
„Dieselben Käfer hatte ich schon
Wochen vorher im Aufzuchtstall gese-
CHECKLIS TE
Schädlings-Abwehr
Achten Sie besonders im Sommer auf die kleinen „Eindringlinge“.
Lassen Sie unbekannte Schädlinge vom Fachmann identifizieren.
Passen Sie die Bekämpfungsmaßnahmen gezielt dem Ungeziefer an.
Wenden Sie sich frühzeitig an professionelle Schädlingsbekämpfer mit
landwirtschaftlicher Erfahrung.
Betreiben Sie ein konsequentes Hygienemanagement (Rein-Raus-Belegung, Reinigung und Desinfektion, Schwimmschichten zerstören).
Schützen Sie die bauliche Substanz ihrer Ställe: Versiegeln Sie undichte
Fugen und Deckenschlitze.
hen, mir aber nichts dabei gedacht“,
erzählt der Landwirt.
Foto: Dr. Felke
Professionelle Hilfe: Sofort war Meier
klar, dass er schnell handeln musste. Er
versuchte zunächst, den Schädling in
Eigenregie zu bekämpfen. Sobald befallene Abteile geräumt und gereinigt
waren, setzte der Landwirt verschiedene Kontaktinsektizide ein, die er sich
bei der örtlichen Genossenschaft
besorgt hatte. Sogar eine Vernebelungsmaschine kam zum Einsatz. Trotzdem
blieb der erhoffte Erfolg aus.
Schlimmer noch – der Käfer schien
sich eher zu vermehren. „Im folgenden
Sommer wurde es dann besonders
schlimm. Kurz nach dem Ausstallen der
Ferkel wanderten Heerscharen der
Käfer aus dem Bodenbereich in den
Deckenraum, sodass teilweise die
Wände schwarz waren vor lauter
Käfern“, gibt der Unternehmer zu. Er
war dem Schädling ohne professionelle
Hilfe einfach nicht gewachsen.
Steckbrief
Getreideschimmelkäfer:
• Die Käfer werden 5 bis 6 mm lang.
• Sie sind dunkelbraun bis schwarz
gefärbt und glänzend.
• Leicht ovale Körperform.
• Auf den Flügeldecken verlaufen
feine Längsrillen.
• Die bis zu 15 Millimeter langen
Larven des Getreideschimmelkäfers
ähneln den Mehlkäferlarven.
So konnte es nicht weitergehen. Deshalb entschied sich Meier dazu, den Rat
verschiedener, in der Landwirtschaft
tätiger Schädlingsbekämpfer einzuholen. Die äußerten anhand Meiers Schilderungen schnell einen Verdacht, um
welchen Schädling es sich handeln
könnte. Eine Untersuchung in der zoologischen Abteilung der LUFA brachte
dann kurze Zeit später auch die Gewissheit: Meier hatte es in seinem Stall mit
dem gefährlichen Getreideschimmelkäfer zu tun.
Gefürchteter Schädling: Durch den
globalen Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Arbeitsmaterialien zählt dieser ursprünglich in den
Tropen beheimatete schwarz glänzende
Käfer schon seit Jahrzehnten weltweit
zu den gefürchtetsten Material- und
Gesundheitsschädlingen in der Landwirtschaft. So berichteten bereits in den
70er-Jahren amerikanische Schweineund Geflügelerzeuger vom massenhaften Auftreten des Käfers und den damit
einhergehenden Schäden in ihren Ställen. Anfang der 80er-Jahre wurde er
dann auch in deutschen Schweine- und
Geflügelställen zum Problem.
Und sein Schadpotenzial ist enorm.
Zum einen verursacht er erhebliche
Materialschäden in den Stallungen, da
sich die Larve des Käfers auf ihrer Suche
nach Nahrung und Orten für die Verpuppung durch alles bohrt, was sich ihr
in den Weg stellt. Zum anderen ist der
Getreideschimmelkäfer
auch
ein
Gesundheitsschädling, denn er kann
nachweislich als Überträger verschiedener Krankheitserreger fungieren, unter
anderem von Salmonellen und E. coliBakterien.
Komplizierte Bekämpfung: Schwierig
gestaltet sich die Bekämpfung. Denn
der Getreideschimmelkäfer reagiert
sehr empfindlich auf Umweltveränderungen. Sinkende Temperaturen, veräntop agrar 11/2013
S 21
Foto: Heil
Foto: Werning
Stallbau
Im Stall sollten möglichst alle Fugen mit Silikon oder ähnlichen
Dichtmitteln versiegelt werden.
derte Lichtverhältnisse und schwankende CO2-Gehalte in der Luft veranlassen
die Käfer und Larven dazu, innerhalb
kürzester Zeit ihre Verstecke im Bodenbereich zu verlassen. Oft ist zu beobachten, dass der Schädling schon während der Ausstallungsarbeiten beliebte
Verstecke wie Trogunterseiten oder
Schwimmschichten in der Gülle verlässt, um sich im unteren Dachbereich
dann neue Verstecke zu suchen.
Dieses Fluchtverhalten sollte man bei
der Bekämpfung unbedingt berücksichtigen. Denn haben sich die Tiere erst
einmal in schützende Isoliermaterialien
oder Wandritzen zurückgezogen, wird
eine erfolgreiche Bekämpfung immer
schwieriger.
Bündel an Maßnahmen nötig:Des-
halb folgt Meier dem Rat der Schädlingsexperten und setzt ein ganzes
Paket von Bekämpfungsmaßnahmen
ein. Während der Stall noch belegt ist,
bringt er mit der Rückenspritze ein
tierverträgliches Fliegengift aus, um die
im Bodenbereich und in der Gülle
lebenden Käfer auch zwischen den Reinigungsintervallen bekämpfen zu können. Direkt nach dem Ausstallen der
Ferkel wechselt Meier auf ein aggressiveres Insektizid, welches er auf allen
erreichbaren Oberflächen des Abteils
ausbringt, um die flüchtenden Käfer
und Larven zu töten.
Hier möchte Meier beim nächsten
Mal die Anwendung eines Kontaktstreifens ausprobieren. Bei dieser Bekämpfungsmethode macht man sich das
Fluchtverhalten des Schädlings zunutze, indem direkt nach dem Ausstallen
auf einer Höhe von ca. 1,50 m waagerecht ein Kontaktstreifen auf die Stallwand aufgetragen wird. Den Kontakt-
S 22
top agrar 11/2013
Undichte Mauerwerke und bröckelnde Fugen werden von den
Käfern als Eingangstüren in die Ställe genutzt.
streifen passieren dann die flüchtenden
Käfer und Larven und nehmen so das
tödliche Kontaktinsektizid auf.
Darüber hinaus verringerte Meier
aber auch bewusst den Gerstenanteil in
seiner Ferkelfutterration, um die Bildung von Schwimmschichten in der
Gülle zu vermeiden. Denn sie bieten
dem Schädling einen besonders günstigen Lebensraum. Zusätzlich will der
Landwirt durch das Versiegeln von
Fugen, Ritzen usw. dem unliebsamen
„Untermieter“ das Leben zusätzlich
schwer machen.
Durch diese vielschichtige Bekämpfungsstrategie hat Meier das Problem
nach eigener Aussage „zumindest halbwegs in den Griff bekommen“. Durch
die Maßnahmen hofft der Landwirt
auch, dem neuesten Eindringling einen
ähnlich rasanten Populationsaufbau
erst gar nicht zu ermöglichen. Denn die
letzten Untersuchungen zeigten, dass
neben dem Getreideschimmelkäfer vereinzelt auch der ähnlich gefährliche
Schnell gelesen
• Der Getreideschimmelkäfer
ist ein gefährlicher Materialund Gesundheitsschädling.
• Er befällt selbst Betriebe mit
gutem Hygienemanagement.
• Besonders im Sommer nistet
er sich in Ställe ein.
• Seine Bekämpfung erfordert
Know-how und Geduld.
• Handeln Sie schnell und
­ onsequent. Schalten Sie
k
rechtzeitig einen Schädlings­
experten ein.
Dornspeckkäfer in Meiers Stall anzutreffen ist.
Kein Betrieb ist sicher.Die Angst des
Schweinehalters, dass nach dem Ferkel­
aufzuchtstall auch die anderen Ställe
des Betriebes befallen werden, hat sich
indes als unbegründet erwiesen. Das
dürfte an der Lebensweise des Getreideschimmelkäfers liegen, denn der bevorzugt hohe Umgebungstemperaturen
und eine hohe Luftfeuchtigkeit. Schon
bei Temperaturen unter 15 °C findet
keine Eiablage mehr statt. Deswegen ist
die Einschleppungsgefahr für die meist
hoch temperierten Ferkelaufzuchtställe
und Geflügelanlagen besonders hoch.
Das vor dem Befall kein Betrieb sicher
ist, beweisen immer wieder Schadensfallmeldungen aus Betrieben mit höchsten Hygienestandards. Gerade im Sommer kann es auch in sehr sauberen
Stall­anlagen zum Befall kommen, denn
zu der Zeit ist der Käfer auch im freien
Feld anzutreffen. Angezogen vom
Ammoniak dringt der Käfer dann über
Lüftungskanäle,
Türschlitze
und
undichte Mauerfugen in die Ställe ein.
Besonders in den Sommermonaten
sollten Schweinehalter daher wachsam
sein. Denn wenn sich der Getreideschimmelkäfer erst mal in Ruhe im
Stall ansiedeln konnte, wird es teuer.
Nach eigener Schätzung dürfte Meiers
wirtschaftlicher Schaden, verursacht
durch den Austausch defekter Dämmmaterialien, höhere Leerstandszeiten
aufgrund von Reparaturarbeiten, Be­
kämpfungskosten und Energieverlusten
schon weit mehr als 10 000 € betragen.
„Und los bin ich ihn ja immer noch
nicht“, bekennt Meier und macht sich
schon auf weitere Kosten gefasst.
Michael Werning