VWANews 1|15 VWA – Pflegesituation Editorial Der Bedarf wird größer Liebe Leserin, lieber Leser, das Thema Pflege und Pflegebedürftigkeit wird irgendwann wohl jeden beschäftigten – als unmittelbar Betroffener oder als Angehöriger, der sich beispielsweise um seine Eltern kümmern muss. Wegen der demografischen Veränderungen steht der gesamte Pflegebereich vor großen Veränderungen – sowohl fachlich als auch wirtschaftlich. Viele Pfleger haben im Lauf des Berufslebens die Chance, auch Führungsaufgaben zu übernehmen. Um sich dafür besser zu qualifizieren, bieten sich neben unseren Seminaren beispielsweise auch das sechssemestrige Studium Betriebswirt/in (VWA) mit dem Bachelor-Abschluss an. Ihr Bernd Schimek Geschäftsführer ■ Themenüberblick Demografischer Wandel Interview | Thilo Naujoks Wohnen und Pflege im Alter Interview | Michael Wipp Aktuelles Zeugnisverleihung 2 2 3 3 4 4 Die Zahlen sprechen für sich: Etwa 2,4 Millionen Menschen sind derzeit in Deutschland pflegebedürftig. Bis 2050 könnte sich ihre Zahl auf 4,8 Millionen mehr als verdoppeln, prognostizieren Experten. Ein wesentlicher Grund dafür ist der demografische Wandel mit einer rückläufigen Geburtenrate und einem immer höheren Anteil älterer Menschen. Durchschnittlich ist ein Patient 85 Jahre alt, wenn er in einem Pflegeheim aufgenommen wird, und bleibt etwa vier Jahre dort. Zurzeit werden fast zwei Drittel der Pflegebedürftigen zu Hause betreut und nur ein Drittel in Heimen. Doch die Zahl derer, die von Angehörigen betreut werden, wird sinken, da auch die Geburtenrate abnimmt: von 2,5 (1964) auf derzeit etwa 1,4 Kinder pro Frau. Gleichzeitig wurden und werden die Menschen älter. Damit wird auch der Anteil derjenigen steigen, die in einem Pflegeheim untergebracht werden müssen. Im Moment ist das Verhältnis zwischen ausgebildeten und benötigten Fachkräften im Pflegebereich noch fast ausgeglichen. In wenigen Jahren werden aber deutlich mehr Fachkräfte benötigt. Experten schlagen daher vor, neue Wege zu gehen: Qualifizierte Fachkräfte könnten sich mehr um die Organisation und das Management kümmern; körperliche Pflege zum Beispiel könnte auch von angelernten Kräften übernommen werden. Zudem könnten die Ausbildungen zur Altenund Krankenhauspflege zusammengeführt werden, was aber umstritten ist. Wegen der hohen körperlichen Belastung müssten auch mehr betriebliche Angebote zum Erhalt der Gesundheit gemacht werden, denn viele Pflegekräfte steigen auf die Dauer aus ihrem Beruf aus. Auch attraktivere Arbeitszeitmodelle können eine Abwanderung verhindern. Die Wütt. VWA bietet daher zum Beispiel ein Seminar über Dienstplangestaltung an mit Themen wie Flexibilisierungen, Arbeitszeitkonten und Teilzeitbeschäftigung oder ein Seminar über Schnittstellenmanagement, in dem es um konzeptorientierten Personaleinsatz in stationären Pflegeeinrichtungen geht. ■ 2 | VWANews 1|15 VWA – Demografischer Wandel Das Alter hat viele Facetten Alter dauert länger und ist vielfältig. Denn da die Lebensphase nach der Arbeit immer länger wird, gibt es viele Seniorinnen und Senioren, die noch viele Jahre aktiv, gesund und fit sind. Eine Stadt muss die Bedürfnisse und Wünsche dieser „Best ager“ ebenso berücksichtigen wie die der Hochbetagten. Denn deren Zahl steigt. Je höher das Alter, desto größer auch das Risiko der Hilfebedürftigkeit. Die Stadt Esslingen am Neckar hat eine „Abteilung für Familie, Jugend; Senioren und Bürgerengagement“ eingerichtet. Schon der Name ist Programm: Die Kompetenz und Erfahrung gerade der Älteren werden nicht zuletzt für das soziale Miteinander gebraucht. Renate Schaumburg, die Leiterin der Abteilung: „der demografische Wandel braucht viele Antworten – nicht nur eine. Ohne engagierte Seniorinnen und Senioren werden wir diesen Wandel nicht bewältigen können.“ Deshalb fördert die Abteilung Selbsthilfe und Bürgerengagement. Ein aktiver StadtSeniorenRat e.V. setzt sich rührig für die Interessen der Älteren ein. Die Abteilung selbst begleitet über 600 Personen in 27 Initiativen, die sich in einem Forum zusammengeschlossen haben. Von der italienischen Seniorengruppe Arzt entwickelt wurden, erhalten Fitness, Kraft und Beweglichkeit. Auch in Vereinen und Fitness-Treffs trainieren ältere Bürger inzwischen nach diesem Sportprogramm. Das Pflegeheim in Esslingen-Berkheim – wohnortnah in Würde altern über eine Kontaktbörse, einer Freiwilligenagentur bis zu „Kümmerern“ engagieren sich hier Menschen in allen Stadtteilen der 90.000 Einwohner-Stadt. Viele Vereine und die Volkshochschule Esslingen haben eigene Angebote für die silver generation entwickelt. So wird zum Beispiel Gesundheitsvorsorge groß geschrieben. Die Bewegungs-Treffs mit dem Programm „Fünf Esslinger“ sind schon weit über die Stadtgrenzen berühmt. Die Übungen, die von einem erfahrenen „Einen alten Baum verpflanzt man nicht.“ Ambulant vor stationär gilt auch für Esslingen. 11 ambulante Dienste versorgen ihre Patienten und Kunden mit Dienstleistungen, im pflegerischen und hauswirtschaftlichen Bereich. Auch die Pflegeheime – derzeit acht mit etwa 800 Plätzen – wurden in Esslingen über das gesamte Stadtgebiet möglichst wohnortnah gebaut. Schaumburg: „Die sozialen Netze, die von den Bewohnern ein Leben lang geknüpft wurden, sollen auch in dieser Lebensphase möglichst lange und gut halten.“ Besuch und Betreuung von Angehörigen, Nachbarn, Freunden aus dem Wohnumfeld bereichern das Leben im Pflegeheim. Schaumburg fordert Achtsamkeit: „Das Leben auch im Alter hat viele Facetten. Wir müssen als Planer genau hinschauen und offen sein für Neues.“ Wie die Hausgemeinschaft für Frauen. 13 Frauen haben nach langem Bohren dicker Bretter jetzt gemeinsam ein eigens für sie errichtetes Haus bezogen. Fernsehteams aus ganz Deutschland waren schon bei den Damen zu Besuch. ■ VWA – Interview mit Thilo Naujoks, Geschäftsführer der Städtischen Pflegeheime Esslingen am Neckar Die Anforderungen an die Qualifikation steigen Wir werden immer älter. Was bedeutet dies für die Altenpflege? TN: Die Anforderungen an die Qualifikation werden steigen. Leider steuert der Gesetzgeber in eine ganz andere Richtung. Derzeit geht der Trend zur gene- ralistischen Ausbildung: Kinder-, Krankenund Altenpflege sollen zu einer Ausbildung verschmolzen werden. Dadurch bleibt für die Altenpflege weniger spezifischer Inhalt übrig. Dabei haben wir heute schon Mühe, unseren Mitarbeitern die umfassenden Kenntnisse zu vermitteln, die wir brauchen. Haben Sie denn Mangel an Fachkräften? TN: Wir brauchen bis 2030 etwa 50.000 Pflegekräfte im Land mehr. Das ist schwer zu schaffen. Dabei ist es uns gelungen, die Zahl der Auszubildenden innerhalb von 25 Jahren von 3.000 auf jetzt 10.000 zu steigern. Wir haben eine gute Ausbildung hier. Umso ärgerlicher ist der Trend zum Generalisten. Gibt es Aufstiegsmöglichkeiten in der Altenpflege? TN: Ja. Durchaus, z. B. als Teamleiter, Hygienefachkraft oder im Qualitätsmanagement. Auch die VWA, in deren Programmbeirat ich sitze, bietet da Fortbildungsmöglichkeiten. Allerdings: Unsere Tarife im Öffentlichen Dienst sind ein zu enges Korsett. Zwar wird die Altenpflege besser bezahlt als früher, aber besondere Leistungen können nicht ausreichend gewürdigt werden. ■ 3 | VWANews 1|15 VWA – Karriere Nicht nur das eigene Fortkommen zählt tembergischen VWA den Betriebswirt (VWA) anzuhängen. „Als Diplom-Sozialpädagoge war ich für die Leitung meines Bereichs nicht vorbereitet. Das Studium an der VWA hat mir das nötige Rüstzeug gegeben.“ Vorstellen könne er sich, noch weitere Fortbildungen im Personalbereich oder im Marketing zu machen. Die Arbeit in der Stiftung erfüllt ihn und fordert ihn aber auch. Als Ausgleich verbringt er Zeit mit der Familie, betreibt Sport und zieht sich hin und wieder für eine Woche zum Auftanken in ein Kloster zurück. Nach einem freiwilligen sozialen Jahr war Clemens Wochner-Luikh klar, was er beruflich machen wollte: „Etwas tun, was anderen hilft“. Er entschied sich für die Pflege. „Ich wollte etwas tun, was wirklich etwas voranbringt“, erklärt Wochner-Luikh, der bei der Stiftung Haus Lindenhof in Schwäbisch Gmünd den Bereich Wohnen und Pflege leitet, „aber mir war auch wichtig, dabei nicht nur mein eigenes persönliches Fortkommen im Blick zu haben.“ Mitte der 80er-Jahre studierte der heute 54Jährige zunächst Sozialwesen an der Berufsakademie in Villingen-Schwennigen und entschloss sich zehn Jahre später, an der Würt- Zum Bereich Wohnen und Pflege im Alter gehören elf Pflegeheime und neun betreute Seniorenwohnanlagen sowie ein mobiler Dienst mit zwei Standorten. Die 850 Kunden in den Landkreisen Ostalb, Heidenheim und Göppingen werden von 525 Angestellten betreut. Clemens Wochner-Luikh ist für die fachliche und wirtschaftliche Leitung zuständig, zu der auch die Personalverantwortung, die Außendarstellung, das Marketing und das Einhalten der gesetzlichen Vorschriften gehören. Das bedeutet, zwischen den unterschiedlichen Ansprüchen der Kunden, der Angehörigen, den zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Mitteln, den Leistungen der Pflegekassen und Sozialträger zu vermitteln. „Die Pflegekassen begrenzen ihre Ausgaben, die Kunden müssen viele Zuzahlungen leisten und unsere Ressourcen, vor allem die personellen, sind begrenzt – das alles muss täglich bewältigt werden.“ Doch Wochner-Luikh beklagt sich nicht. Verantwortung zu tragen – nicht nur für die Stiftung, sondern auch für die Kunden und mitgestalten zu können –, macht ihm Spaß. Die Stiftung Haus Lindenhof wurde 1971 gemeinsam von der Diözese Stuttgart-Rottenburg und dem Caritasverband der Diözese gegründet. Die Stiftung beschäftigt insgesamt etwa 1500 Mitarbeiter und versorgt rund 1800 Menschen mit Behinderung und bei Alter und Pflegebedürftigkeit. Die Pflege werde sich, so Wochner-Luikh, enorm verändern. Die Zahl der zu Hause gepflegten Angehörigen werde abnehmen und die Qualität von Pflegeheimen zunehmend hinterfragt. „Wir werden vielleicht einen Weg gehen müssen, wie ihn die genossenschaftlichen Banken derzeit beschreiten, mit im Gemeinwesen verorteten Unternehmen.“ ■ VWA – Interview mit Michael Wipp, Dozent an der Württembergischen VWA Arbeitszeitgestaltung muss individueller werden Vor welchen Herausforderungen steht die Pflege? MW: Aufgrund der demografischen Entwicklung wird sich der Pflegeberuf einem noch härteren Wettbewerb mit anderen Berufen stellen müssen. Außerdem bedeutet das u.a. auch, eine geringere Anzahl an Fachkräften gezielter einzusetzen. Die gegenwärtige Fachkraftquote gießt in der Altenpflege im Gießkannenverfahren 50 Prozent Fachkräfte aus und suggeriert der Öffentlichkeit, dass dabei Qualität gesichert werde. Gibt es organisatorische Möglichkeiten, um dem Fachkräftemangel zu begegnen? MW: Selbstverständlich. Die Arbeitszeitgestaltung muss sich verstärkt an den individuellen Lebensformen der Mitarbeiter orientieren und von tradierten Pflege-Schichtsystemen Abstand nehmen. Die Situation am Arbeitsmarkt wird dies ohnehin erzwingen. Was können Pflegeeinrichtungen tun, um qualifiziertes Personal zu gewinnen und zu halten? MW: Natürlich sich in der Ausbildung engagieren. Zudem muss ein Betrieb auch attraktiv sein: Personalentwicklung, Fortbildung, Coaching, Aufstiegsmöglichkeiten, interessante unterschiedliche Arbeitsplatzangebote etc. und vor allem Führungskräfte, die Mitarbeiter nicht als Leibeigene betrachten, sondern sich für deren individuelle berufliche Lebensplanung interessieren. ■ 4 | VWANews 1|15 VWA – kurz notiert Aktuelles Info unter www.w-vwa.de | Tel. 0711 21041-0 [email protected] Information: Birgit Waibel Tel. 0711 21041-36 | [email protected] Studiengänge Betriebswirt/in (VWA) / Bachelor of Arts (B.A.) Stuttgart (jeweils 18:00 Uhr): Di., 07.07 und Di., 08.09.2015 Schwäbisch Hall (jeweils 18:00 Uhr): Do., 09.07. und Di., 10.09.2015 Tübingen (jeweils 18:00 Uhr): Di., 07.07. und Di., 08.09.2015 Ulm (jeweils 18:00 Uhr): Di., 07.07. und Mi., 09.09.2015 Neu: Bachelor of Arts (B.A.) – Health Management / Gesundheitsmanagement 4. Baden-Württembergischer Fachtag für Rechnungsprüfer/innen Der ab Herbst 2015 erstmals angebotene Bachelor-Studiengang Health Management vermittelt Fach- und Führungskräften aus dem Gesundheitswesen umfangreiche branchenspezifische Managementkompetenzen und interdisziplinäre Fähigkeiten. Zum 4. Baden-Württembergischen Fachtag für Rechnungsprüfer/-innen zu aktuellen Themen der Rechnungsprüfung lädt die Württ. VWA am 15.07.2015 ein. Fachstudiengänge Fachkauffrau/-mann / Fachwirt/in (IHK)/(VWA) Stuttgart (jeweils 18:00 Uhr): Mi., 15.07. und Mi, 16.09.2015 Information: Birgit Waibel Tel. 0711 21041-36 | [email protected] Infoabende im Sommer / Herbst 2015 Masterstudiengang (MBA) Stuttgart (jeweils 18:00 Uhr): Di., 09.06. und Do., 30.07.2015 Kontakt- und Aufbaustudiengänge Stuttgart (18:00 Uhr): Mi., 23.09.2015 Information: Valerie Nübling Tel. 0711 21041-43 I [email protected] 8. Kontaktstudium Kommunale/r Bilanzbuchhalter/in (NKHR) Neu: Betriebswirt (VWA) + Bachelor of Arts (B.A.) – Ausbildungsbegleitendes Studium Ab Herbst 2015 können Teilnehmer mit Abitur oder Fachhochschulreife erstmals begleitend zu einer kaufmännischen Berufsausbildung das VWA-Studium aufnehmen. Das 8. Kontaktstudium Kommunale/r Bilanzbuchhalter/in (NKHR) der VWA und der Hochschule Ludwigsburg startet am 08.10.2015. Information: Valerie Nübling Tel. 0711 21041-43 I [email protected] ■ VWA – Zeugnisverleihung Bachelor-Anschlussstudium Impressum Herausgeber Württembergische Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie e.V. (VWA) Hauptgeschäftsstelle Wolframstraße 32, 70191 Stuttgart ¡ 0711 21041-0 | 0711 21041-71 [email protected] | www.w-vwa.de Konzeption, Redaktion und Layout Rombach & Jacobi Kommunikation V.l.n.r.: Präsident Dr. Herbert O. Zinell mit den Jahrgangsbesten Johanna Schmidt und Mariusz Sikorski Bei der Zeugnisverleihung des 3. Bachelor-Anschlussstudiums für Betriebswirte (VWA) am 26. Februar 2015 konnten insgesamt 104 stolze Absolventen des Jahrgangs 2013/2014 in einer Feierstunde im Stuttgarter Linden-Museum ihre Bachelor-Urkunden und -Zeugnisse entgegennehmen. Die Jahrgangsbesten wurden in diesem Rahmen von VWA-Präsident Dr. Herbert O. Zinell mit Geldpreisen zwischen 300 EUR und 500 EUR ausgezeichnet. Die nächsten BachelorAnschlussstudiengänge für VWA- und IHK-Betriebswirte starten wieder im Herbst 2015. ■ Texte und Fotos Wolfhard Binder | Udo Kressler Valerie Nübling | Daniel Scheible Bernd Schimek | Dieter Schmid Herstellung e. kurz + co, druck und medientechnik gmbh | Stuttgart
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